S 31 KN 82/10 KR

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
31
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 31 KN 82/10 KR
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid vom 28.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2009 wird aufgehoben, soweit darin eine Prämie von 77,11 EUR für Januar 2009 festgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Berufung wird für die Beklagte zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger für die Zeit ab Januar 2009 Beiträge für einen sogenannten Mehrleistungsanspruch zu entrichten hat.

Der am 08.09.1956 geborene Kläger war Bergmann. Zum 31.10.2006 endete sein Arbeitsverhältnis bei der D.S. AG. Bereits am 05.09.2006 beantragte er mit einem Formular der D. S. AG eine Rente für Bergleute. Auf ebendiesem Formular beantragte er des Weiteren eine "Aufstockungsversicherung" gemäß § 51 der Satzung der Beklagten. In dem Formular heißt es: "Ich habe zur Kenntnis genommen, dass für die Zeit des Anpassungsgeldbezugs der Zusatzbeitrag ... vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle übernommen wird ...". Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 28.11.2006 Anpassungsgeld bis zum 30.09.2011. Seit dem 01.10.2006 ist der Kläger Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Mit Bescheid vom 01.12.2006 setzte die Beklagte für die Aufstockungsversicherung einen monatlichen Beitrag von 43,62 EUR fest. Der Bescheid enthält den Zusatz: "Das Bundesamt für Wirtschaft zahlt für Sie die Beiträge mit Ausnahme des sich aus dem zusätzlichen Beitragssatz errechneten Beitragsanteils. Der Zusatzbeitrag wird am Anpassungsgeld einbehalten".

Zum 01.01.2009 wurde der sogenannte Gesundheitsfond eingeführt. Seitdem wird der Beitragssatz gemäß § 241 Abs. 1 SGB V für alle Krankenkassen einheitlich durch die Bundesregierung bestimmt. Ebenfalls seit dem 01.01.2009 ist nach § 59 Abs. 5 Satz 1 der Satzung der Beklagten für den "Mehrleistungsanspruch" (der der vorherigen Aufstockungsversicherung entspricht) eine monatliche Prämie zu entrichten. Gemäß § 59 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 der Satzung in Verbindung mit deren Anlagen 10 und 11 richtet sich die Prämienhöhe bei Mitgliedern, die noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet haben, nach der Zugehörigkeit zu bestimmten Altersgruppen, bei Rentnern sowie Mitgliedern ab Vollendung des 65. Lebensjahres nach bestimmten Einkommensklassen.

Mit einem Schreiben aus November 2008 informierte die Beklagte den Kläger über die anstehenden Änderungen. Mit Schreiben vom 04.12.2008 wies das BAFA den Kläger darauf hin, dass es sich vor dem Hintergrund von Nr. 4.2.1 der Richtlinien über die Gewährung von Anpassungsgeld ab dem 01.01.2009 nicht mehr an den Kosten des Mehrleistungsanspruchs beteiligen werde. Die entsprechende Prämie sei ab diesem Zeitpunkt vollständig vom Kläger zu tragen. Der Kläger legte gegen dieses Schreiben des BAFA am 27.12.2008 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 02.01.2009 teilte das BAFA mit, das Schreiben vom 04.12.2008 sei kein Bescheid, weswegen ein Widerspruch nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 28.01.2009 setzte die Beklagte die Prämie für den Mehrleistungsanspruch ab Januar 2009 mit monatlich 77,11 EUR fest. Die Prämie sei jeweils zum 15. des Folgemonats fällig. Hiergegen legte der Kläger am 24.02.2009 Widerspruch ein. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2009 zurück. Das Erfordernis einer Prämienzahlung ergebe sich aus den Änderungen im Rahmen der Einführung des Gesundheitsfonds. Durch Schließung des Mehrleistungssystems zum 31.03.2007 werde der Mitgliederbestand im Bereich der Mehrleistung immer kleiner. Dies habe eine Umstellung der Finanzierung des Mehrleistungssystems erfordert. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass das Satzungsrecht für die Zukunft unverändert bleibe. Soweit das BAFA den Beitrag bzw. die Prämie für den Mehrleistungsanspruch nicht mehr übernehme, könne dies nicht der Beklagten vorgehalten werden.

Hiergegen richtet sich die am 30.11.2009 erhobene Klage.

Der Kläger trägt vor, er sei von den Prämien für den Mehrleistungsanspruch für die Zeit des Anpassungsgeldbezugs freizustellen. Er habe auf die Übernahme der Beiträge durch das BAFA vertraut. Da der Hinweis auf diese Übernahme sowohl im Antragsformular für die Aufstockungsversicherung als auch im Beitragsbescheid der Beklagten vom 01.12.2006 enthalten gewesen sei, sei sie Teil der mit diesem Bescheid getroffenen Regelung geworden. Es sei zu berücksichtigen, dass bei seinem damaligen Ausscheiden ein Gesamtpaket unter Beteiligung der D. S. und auch der Beklagten geschnürt worden sei. Die Beklagte habe daher für die Beitragsübernahme seitens des BAFA einzustehen. Er hätte sich aber auch dann für die Aufstockungsversicherung entschieden, wenn ihm bereits 2006 gesagt worden wäre, dass die Beiträge ab 2009 von ihm selbst zu zahlen seien. Denn die Aufstockungsversicherung sei für ihn in jedem Fall günstiger als eine private Zusatzversicherung.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, ihn als Bezieher von Anpassungsgeld von den Prämien für die Aufstockungsversicherung zu befreien.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte nimmt Bezug auf die Urteile des Sozialgerichts - SG - Duisburg vom 12.06.2009 (S 9 KN 101/07 KR) und 20.11.2009 (S 11 KN 14/09 KR) sowie auf die Urteile des SG Gelsenkirchen vom 20.05.2010 (S 17 KN 97/09 KR) und 08.07.2010 (S 17 KN 116/09 KR und S 17 KN 122/09 KR), wonach die hier streitige Satzungsänderung rechtmäßig sei und auch der Wegfall der Prämienübernahme durch das BAFA der Beitragsforderung nicht entgegenstehe. Der Beitragsbescheid vom 01.12.2006 habe keine Regelung hinsichtlich der Beitragsübernahme durch das BAFA enthalten. Soweit die Beitragsübernahme dort angesprochen werde, handele es sich lediglich um einen Hinweis. Auch wenn die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheids an § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) zu messen sei, so liege jedenfalls eine Aufhebung für die Zukunft vor. Für die Abgrenzung einer Aufhebung für die Zukunft von einer solchen für die Vergangenheit sei die Fälligkeit des Beitrags maßgeblich. Im Übrigen müsse angesichts der Formulierungen im Anschreiben der Beklagten aus November 2008 davon ausgegangen werden, dass bereits mit diesem Schreiben eine Regelung in Gestalt der Festsetzung der neuen Beiträge ab Januar 2009 verbunden gewesen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Leistungsakte verwiesen, deren jeweiliger wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Eine reine Anfechtungsklage würde dem Begehren des Klägers, keine Beiträge zu zahlen, nicht gerecht, da bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen der frühere Beitragsbescheid weiter Gültigkeit hätte.

Der Kläger ist durch die angefochtenen Entscheidungen lediglich im Hinblick auf die Beitragsfestsetzung für Januar 2009 im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG - beschwert, da diese nur insofern rechtswidrig sind. Im Übrigen sind die angefochtenen Entscheidungen rechtmäßig.

Maßstab für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen ist § 48 SGB X. Die Erforderlichkeit eines Aufhebungsbescheids nach § 48 SGB X ergibt sich daraus, dass Beitragsbescheide (wie der Bescheid vom 01.12.2006) Dauerverwaltungsakte darstellen (vgl. etwa Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage 2008, Anhang § 54 Rdnr. 5c). Die Änderung eines solchen Dauerverwaltungsakts ist nur nach § 48 SGB X möglich (vgl. ausdrücklich zu Beitragsbescheiden in der gesetzlichen Krankenversicherung Landessozialgericht - LSG - Baden-Württemberg, Urteil vom 20.04.2010, L 11 KR 5160/08 m.w.N.). Einer Aufhebung bedurfte es hier nur dann nicht, wenn davon auszugehen wäre, dass der Bescheid vom 01.12.2006 aufgrund der gesetzlichen Neuregelung im Zusammenhang mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009 gleichsam seine Wirkung verloren bzw. sich erledigt hätte. Das ist aber nicht der Fall. Auch wenn es zunächst um einen "Beitrag" für eine "Aufstockungsversicherung" ging und es nunmehr um eine "Prämie" für einen "Mehrleistungsanspruch" geht, so geht es in der Sache doch weiterhin darum, dass für die hinter diesen Bezeichnungen stehenden Leistungen, nämlich die Sachleistung Chefarztbehandlung und Zweibettzimmer bei Krankenhausaufenthalt, eine Gegenleistung gefordert wird. Die zugrunde liegende Satzungsänderung dürfte im Gegenteil gerade den typischen Fall einer "wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse" im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 darstellen (vgl. zu Satzungsänderungen als Unterfall von § 48 SGB X Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 6. Auflage 2008, § 48 Rdnr. 10).

Die Kammer hat keinen Zweifel daran, dass der hier angefochtene Beitragsbescheid in der Sache einen Aufhebungsbescheid nach § 48 SGB X darstellt. Dass auf diese Norm im Bescheid nicht ausdrücklich Bezug genommen wird, ist nach Auffassung der Kammer unschädlich. Nach dem insofern maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont war im Gegenteil offensichtlich, dass die Beklagte eine Änderung der Regelung im Bescheid vom 01.12.2006 vornehmen wollte. Denn sie wollte die Höhe der "Gegenleistung" für die Sachleistung Chefarztbehandlung und Zweibettzimmer bei Krankenhausaufenthalt "neu" und damit eben "anders" als bisher festsetzen. Da aus der objektivierten Sicht des betroffenen Versicherten klar war, dass die vorherige Beitragshöhe auf einem früheren Beitragsbescheid - hier dem vom 01.12.2006 - beruhte, war davon auszugehen, dass die Beklagte diesen ändern wollte (strenger LSG Baden-Württemberg, a.a.O., wo aus der fehlenden Nennung von § 48 SGB X bzw. dem Fehlen entsprechender Formulierungen darauf geschlossen wird, dass in der Sache keine Aufhebungsentscheidung vorliegt).

Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dessen Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Unter den besonderen Voraussetzungen von § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden.

Hiernach ist die in den angefochtenen Entscheidungen vorgenommene Prämienfestsetzung für Januar 2009 rechtswidrig, weil es sich dabei um eine Aufhebung für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X handelt, deren Voraussetzungen nicht gegeben sind. Ob eine Aufhebung mit Wirkung für die Zukunft oder vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse (also für die Vergangenheit) erfolgt, hängt davon ab, ob die Aufhebung "für die Zeit nach Bekanntgabe des Bescheides" oder für einen davor liegenden Zeitraum erfolgt (vgl. Schütze, a.a.O., § 48 Rdnr. 18.). Der hier zugrunde liegende Bescheid datiert vom 28.01.2009. Er gilt gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X als am 31.01.2010 bekannt gegeben, regelt aber die Prämienhöhe bereits ab dem 01.01.2009. Die Fälligkeit der Januarprämie erst im Februar spielt bei dieser Abgrenzung keine Rolle. Denn maßgeblicher Regelungsinhalt des Bescheids ist die Neufestsetzung der Prämienhöhe für den Zeitraum ab 01.01.2009 und nicht die Regelung der Fälligkeit. Und auch wenn am 01.01.2009 noch keine Prämie fällig war, so entstand ein (anteiliger) Prämienanspruch doch bereits ab diesem Tag. Nach § 223 Abs. 1 SGB V sind die Beiträge für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft zu zahlen. Handelt es sich bei der Prämienfestsetzung für Januar 2009 damit um eine rückwirkende Neufestsetzung, so ist diese nur unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X zulässig. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Trotz der zu unterstellenden Kenntnis des Klägers von der Beitrags- / Prämienerhöhung greift insbesondere nicht § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X, da es hier nicht um einen "Anspruch" geht, der "zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist". § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X ist im Beitragsrecht grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. Steinwedel, in: KassKomm, § 48 SGB X, Rdnr. 53 i.V.m. Rdnr. 46).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten aus November 2008. Dieses ist nicht etwa als ein Beitragsbescheid auszulegen, der dann im Hinblick auf Januar 2009 eine Regelung für die Zukunft bedeutete. Der Beklagten ist allerdings zuzugestehen, dass die darin u.a. enthaltenen Formulierungen: "ab 01.01.2009 ist deshalb von Ihnen für die Mehrleistung eine individuelle Prämie nach Einkommensklassen zu zahlen" und "Wir werden Ihren Anspruch automatisch ab 01.01.2009 mit der neuen Prämie weiterführen" (Hervorhebungen durch das Gericht) Indizien für eine Regelung darstellen. Maßgeblich für die Frage, ob ein Bescheid vorliegt ist aber eine Gesamtbetrachtung nach dem objektiven Empfängerhorizont. Danach stellt sich das Schreiben im Wesentlichen als ein Informationsschreiben dar, wie es von der Beklagten auch gewollt war. Gegen die Annahme eines Bescheids spricht die fehlende Individualisierung in Gestalt der Angabe der individuellen Prämienhöhe, vor allem aber die am Ende des Schreibens zu findende Erklärung: "Ihren Prämienbescheid erhalten Sie rechtzeitig." Es war daher davon auszugehen, dass in diesem Schreiben noch keine Regelung bezüglich der Prämie getroffen werden sollte.

Es wird darauf hingewiesen, dass die Aufhebung des Bescheids für Januar 2009 nicht dazu führt, dass für diesen Monat keine Beiträge zu zahlen sind. Insofern lebt vielmehr der Beitragsbescheid vom 01.12.2006 wieder auf.

Die Prämienfestsetzung ab Februar 2009 ist dagegen rechtmäßig. Sie stellt eine teilweise Aufhebung des Beitragsbescheids vom 01.12.2006 wegen einer wesentlichen Änderung der rechtlichen Verhältnisse für die Zukunft nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X dar, die als solche an keine weiteren Voraussetzungen gebunden ist.

Die maßgebliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse stellt die Erhöhung des Beitrags bzw. der Prämie für den Mehrleistungsanspruch in § 59 Abs. 5 Satz 1 und Satz 3 in Verbindung mit der Anlage 11 der Satzung dar. Der Kläger ist trotz Schließung des Mehrleistungssystems ab dem 01.04.2007 weiter leistungsberechtigt, da er bis zum 31.03.2007 Versicherter bei der Beklagten geworden war (§ 173 Abs. 2a SGB V; vgl. zu dieser Vorschrift SG Duisburg, Urteil vom 12.06.2009, S 9 KN 101/07 KR). Er ist auch weiter mit dem Mehrleistungsanspruch versichert, da er von der von der Beklagten eröffneten Möglichkeit zum "Rücktritt" vom Mehrleistungssystem wegen der zum 01.01.2009 eingetretenen Änderungen (vgl. das Schreiben der Beklagten aus November 2008) keinen Gebrauch gemacht hat. Die Höhe seines Beitrags ergibt sich aus § 59 Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit der Anlage 11 der Satzung, da er als Rentner in der KVdR versichert ist. Satz 3 ist insofern als Spezialregelung gegenüber Satz 2 anzusehen. Dass der Kläger noch nicht 65 Jahre alt ist, führt daher nicht zur Anwendung von Satz 2 in Verbindung mit der Anlage 10 der Satzung.

Gegen die Festsetzung der Beiträge für Rentner gestaffelt nach dem Einkommen bestehen keine Bedenken. Das SG Duisburg hat in seinem Urteil vom 20.11.2009 (S 11 KN 14/09 KR) die Berechnung der Prämienhöhe für unter 65jährige (Nichtrentner) gebilligt. Die erkennende Kammer schließt sich dieser Würdigung an. Die nach Einkommensklassen erfolgende und damit weniger pauschale Beitragsfestsetzung für Rentner ist dann erst recht nicht zu beanstanden. Keinen Bedenken begegnet es weiterhin, dass sich der Beitrag - jedenfalls im Fall des Klägers - ab 01.01.2009 nicht unwesentlich erhöht hat. Die Beklagte hat dies nachvollziehbar mit einem immer kleiner werdenden Kreis von Berechtigten und der aufgrund deren fortschreitenden Alters immer weiter steigenden Kosten nachvollziehbar begründet (vgl. auch SG Duisburg, a.a.O.; SG Gelsenkirchen, a.a.O.). Aus dem Vortrag der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung ergibt sich sogar, dass die Beiträge zur Finanzierung des Mehrleistungssystems bei weitem nicht ausreichend sind.

Gegen die vorgenannten Satzungsbestimmungen bestehen auch im Übrigen keine Bedenken. Die Berechtigung zur Gewährung des Mehrleistungsanspruchs durch die Beklagte ergibt sich aus § 173 Abs. 2a SGB V in Verbindung mit § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung. Der Gesetzgeber hatte keinen Zweifel daran, dass für diesen Mehrleistungsanspruch ein "Zusatzbeitrag" erhoben werden kann (vgl. BT-Drs. 16/3100, Seite 157 rechte Spalte). Die Berechtigung zur Erhebung einer "Prämie" über den 31.12.2008 hinaus ergibt sich - weiterhin - aus § 2 Abs. 1 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung. Dem steht nicht entgegen, dass nur bis zum 31.12.2008 eine (allgemeine) Satzungskompetenz für Beitragserhebungen in § 241 SGB V a.F. vorgesehen war und diese mit der Einführung des Gesundheitsfonds zum 01.01.2009 weggefallen ist. Denn die speziellere Regelung des § 2 der Verordnung über den weiteren Ausbau der knappschaftlichen Versicherung ist weiterhin gültig. Es ist auch nicht im Ansatz ersichtlich, dass die gesetzliche Neuregelung zum 01.01.2009 hieran etwas ändern sollte (so im Ergebnis auch SG Gelsenkirchen, a.a.O.).

Der Aufhebungsentscheidung mangelt es auch nicht etwa deshalb an der hinreichenden Bestimmtheit i.S.v. § 33 Abs. 1 SGB X, weil der teilweise aufgehobene Bescheid nicht ausdrücklich erwähnt wird. Allerdings wird im Bereich des SGB II/SGB XII vertreten, im Fall der Rücknahme eines rechtswidrigen Bewilligungsbescheids sei im Verfügungssatz der betreffende Bescheid zu benennen (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 18.12.2006, L 20 SO 20/06; Beschluss vom 26.11.2007, L 7 B 258/07 AS ER). Unabhängig davon, ob diese Auffassung im dortigen Kontext in dieser Allgemeinheit zutreffend ist, ist sie nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar (vgl. zur Abhängigkeit der Anforderungen an die Bestimmtheit vom jeweiligen materiellen Recht Engelmann, in: von Wulffen, SGB X, § 33 Rdnr. 3). Insoweit wird Bezug genommen auf die obigen Ausführungen zur Qualifizierung des angefochtenen Bescheids als Aufhebungsbescheid. Jedenfalls dann, wenn wie hier (mit Bescheid vom 01.12.2006) bislang nur ein einziger relevanter Bescheid ergangen ist, ist dessen Nennung keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung der Aufhebungsentscheidung. Den dem Bestimmtheitserfordernis zugrunde liegenden Zwecken der Rechtssicherheit und -klarheit (vgl. Engelmann, a.a.O., Rdnr. 2) wird hinreichend dadurch Genüge getan, dass der Versicherte erkennen kann, ab wann welcher Beitrag von ihm gefordert wird. Inwiefern diese Forderung von der bisherigen abweicht, ist gerade in einem Dauerschuldverhältnis wie der Beitragszahlung ohne Weiteres erkennbar.

Die so entstandene Pflicht zur Beitragszahlung ist nicht erloschen oder aus anderen Gründen nicht durchzusetzen, weswegen der Verpflichtungsantrag keinen Erfolg hat.

Es liegt insbesondere keine Zusicherung im Sinne von § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X vor, aus der sich ergeben würde, dass - was der Kläger offenbar begehrt - die Beklagte entweder die Beiträge für ihn übernimmt oder ihn hiervon freistellt. Eine solche Aussage kann insbesondere nicht dem Beitragsbescheid vom 01.12.2006 entnommen werden. Weder enthält der Bescheid eine ausdrückliche noch eine konkludente Erklärung dieser Art. Der streitige Zusatz ist vielmehr als bloßer Hinweis auszulegen. Gegen die vom Kläger insinuierte Auslegung spricht bereits, dass zum damaligen Zeitpunkt überhaupt kein Anlass für eine vergleichbare Erklärung bestand. Denn es war damals nicht ersichtlich, dass das BAFA die Übernahme der Beiträge einstellen würde. Auch die Tatsache, dass die Übernahme der Beiträge eben durch das BAFA und damit durch eine andere Behörde erfolgte, spricht dagegen, dass die Beklagte diesbezüglich eine Regelung treffen wollte (ähnlich SG Gelsenkirchen, Urteile vom 08.07.2010, S 17 KN 116 und 122/09 KR).

Der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auch nicht auf einen sogenannten sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gründen. Wie bereits ausgeführt, bestand für die Beklagte kein Anlass, mit dem Kläger den eventuellen Wegfall der Beitragsübernahme durch das BAFA zu erörtern. Vor allem aber ist dem Kläger kein durch eine etwaige Pflichtverletzung kausal bedingter Schaden entstanden. Dies ergibt sich bereits aus der Einlassung des Klägers, dass er sich selbst dann für die damalige Aufstockungsversicherung entschieden hätte, wenn bereits damals klar gewesen wäre, dass die Beitragsübernahme durch das BAFA zum 31.12.2008 enden würde.

Im Übrigen gibt es keinen Vertrauensschutz gegen nachteilige Satzungsänderungen (vgl. nur SG Duisburg, Urteil vom 12.06.2009, S 9 KN 101/07 KR). Der Kläger hätte vielmehr nach den rechtzeitigen Hinweisen sowohl der Beklagten als auch des BAFA erklären können, dass er den Mehrleistungsanspruch bei erhöhter und von ihm selbst zu tragender Prämie nicht in Anspruch nehmen wolle. Das war aber offensichtlich nicht der Fall.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Die Zulässigkeit der Berufung für den Kläger ergibt sich aus § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG, da er nach seinem Antrag in Höhe von 77,11 EUR monatlich beschwert ist und es ihm um den Zeitraum von Januar 2009 bis zum Auslaufen des Anpassungsgeldbezugs am 30.09.2011 geht, so dass es um mehr als 750,00 EUR geht.
Rechtskraft
Aus
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