Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 9304/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3207/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.05.2010 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind weder im erstinstanzlichen Klageverfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Ziffer 2104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit ("vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können").
Der 1949 geborene Kläger arbeitete vom 07.05.1973 bis zum 30.01.2003 für das Bauunternehmen H. S. GmbH in E. als Maurer und Maschinenbediener. In den letzten 12 Jahren seiner Tätigkeit für dieses Unternehmen war er auch mit Vorarbeiterfunktionen betraut.
Am 17.06.2005 erhielt die Beklagte von Dr. B. in E. eine ärztliche Anzeige über den Verdacht des Vorliegens von BKen nach den Ziffern 2104 (vorliegendes Verfahren) und 2108 (Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart mit dem Aktenzeichen S 6 U 4976/06) der Anlage 1 zur BKV. Der Anzeige war ein Arztbericht des Internisten und Angiologen Dr. N. vom 16.04.2005 beigefügt, wonach bei dem Kläger ein "Morbus Raynaud" (= Gefäßerkrankung, bei der ein anfallsweises Abblassen/Erbleichen der Hände oder Füße aufgrund von Vasospasmen auftritt) mit seit zwei Jahren bestehenden Schmerzen, Kribbeln in den Ellenbogen bis in beide Hände auch im Sommer bestehe.
Der Diplomingenieur W. E. der Beklagten stellte nach Ermittlungen am Arbeitsplatz des Klägers am 04.10.2005 fest, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit sowohl nicht schädigende Maschinen im Sinne der BK Ziff. 2104 (Hilti-Bohrhämmer und Aufbruchhämmer) als auch Winkelschleifer, Rüttelplatten, Stampfer, Bohrmaschinen und Innenrüttler bedient habe. Die Tages-Schwingungsbelastung im Beurteilungszeitraum vom 07.05.1973 bis zum 30.01.2003 habe ahv(8) = 4,9 m/s 2 betragen. Die Gesamtzahl der Expositionsjahre, nach welchen bei 10 % der Beschäftigten mit dem Auftreten erster Symptome einer Erkrankung im Sinne der BK Ziff. 2104 zu rechnen sei, betrage beim Kläger 5,9 Jahre, bei einer Gesamtbelastungszeit von 29,8 Jahren. Der Richtwert nach der DIN EN ISO 5349 sei bei der Beschäftigung des Klägers überschritten worden.
Nach einem Bericht von PD Dr. K. und Dr. B. vom U. T. vom 30.08.2004 seien bei dem Kläger ein Morbus Raynaud (ohne Hinweis für Kollagenose/Vaskulitis), ein Fibromyalgiesyndrom sowie degenerative Wirbelsäulenveränderungen festgestellt worden. Während eines stationären Heilverfahrens in der Reha-Klinik K. auf Veranlassung der LVA B.-W. vom 22.07.2003 bis 19.08.2003 wurden beim Kläger ein Fibromyalgiesyndrom, ein BWS-Syndrom bei spangenbildender Spondylosis deformans, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronisch rezidivierende Cephalgien, eine Gonalgie beidseits, eine Hyperlipidämie sowie eine Polyarthralgie (an Ellenbogen, Schultern, HWS und LWS) diagnostiziert.
Die Beklagte gab ein Gutachten bei Prof. Dr. L. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin von der Universität M. in Auftrag. In dem Gutachten vom 27.06.2006 wird ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom (VVS) ausgeschlossen. Beim Kläger bestünden eine Adipositas, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, ein volares Ganglion links mit Bewegungseinschränkung und Schmerzen im Handgelenk, eine Prostatahyperthropie, eine Polyarthralgie sowie Zustände nach Apendektomie und Arbeitsunfall mit Splitterverletzung des linken Auges. Keine der genannten Diagnosen sei auf die beruflichen Belastungen des Klägers mit Vibrationen zurückzuführen. Zwar seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Ziff. 2104 erfüllt, doch bestehe für die geltend gemachte BK ein untypisches Krankheitsbild. Außerdem habe die Tätigkeit auch nicht wegen der Erkrankung der Hände aufgegeben werden müssen. Bei der beruflich bedingten Erkrankung im Sinne der BK Ziff. 2104 seien typischerweise die Finger am stärksten betroffen, an denen die Vibrationsbelastungen am höchsten seien. Außerdem handele es sich bei der Symptomatik um ein anfallartiges Geschehen der Hände, bei dem die Füße in der Regel nicht betroffen seien. Unter Abwägung der Anamnese, der Aktenlage und aller vorliegenden Befunde sei jedoch festzustellen, dass sich die Symptomatik für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom als untypisch darstelle, da die Symptome beim Kläger nicht anfallsartig aufträten. Außerdem seien beim Kläger Hände und Füße gleichermaßen betroffen, und die Lokalisation an den Händen (Verteilung des Verfärbungsmusters) ebenfalls eher untypisch. Außerdem sei in der Vergangenheit bereits ein von der beruflichen Belastung unabhängiges primäres Raynaud-Syndrom diagnostiziert worden. Die Tatsache, dass Hände und Füße betroffen seien, spreche eher dafür, dass diese Diagnose richtig sei und kein sekundäres Raynaud-Syndrom aufgrund von Vibrationsbelastungen vorliege.
Mit Bescheid vom 17.08.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer durch die Tätigkeit des Klägers verursachten Durchblutungsstörung als BK Ziffer 2104 der Anlage 1 zur BKV ab, wobei sie sich auf das eingeholte Gutachten stützte. Den deswegen am 20.09.2006 eingelegten Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2006 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 05.12.2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Im Klageverfahren hat die Beklagte ein Gutachten der Dres. R. und V. vom 10.05.2006 vorgelegt, welches sich nicht in den Verwaltungsakten befindet. Eine Erklärung für die vom Kläger geklagten Kribbelparästhesien aller distalen Extremitäten sowie die Hemihypästhesie rechts sei auf neurologischem Fachgebiet nicht gefunden worden. Das komplexe Schmerzsyndrom des Klägers werde im Zusammenhang mit den radiologisch gesicherten degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenveränderungen gesehen, sowie einer am ehesten sekundären myofaszialen Schmerzproblematik. In Zusammenschau mit der Anamnese werde vom Vorliegen eines vibrationsinduziert vasospastischen Syndroms mit intermittierender Raynaud-Symptomatik ausgegangen. Hinweise auf eine rheumatologische oder andere Erkrankung oder sonstige Ursache für das Raynaud-Syndrom seien nicht erkennbar.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 15.01.2008 hat Prof. Dr. L.seine Einschätzung, dass keine BK vorliege, bekräftigt. Beim Kläger bestehe eine für ein beruflich verursachtes VVS untypische Symptomatik, weil die Weißfärbung der Finger nicht anfallsartig auftrete. Zudem verlaufe die Weißfärbung von proximal nach distal und nicht wie bei VVS-Patienten in umgekehrter Richtung. Auch gehe aus den neurologischen Gutachten hervor, dass die Weißfärbung beim Kläger einen ganzen Tag anhalten könne, wohingegen sie bei VVS-Patienten in etwa einer Stunde durch erneut eintretende Erwärmung der Hände wieder aufhöre. Auch das Verteilungsmuster der Weißfärbung sei beim Kläger untypisch. Demgegenüber sei darauf hinzuweisen, dass das Raynaud-Phänomen eine häufige Erkrankung mit charakteristischer Symptomatik sei, an der in unserer Klimazone 13 % der Männer und 20 % der Frauen erkrankten. Hiervon entfielen auf das sog. primäre Raynaud-Phänomen ohne erkennbare Grundkrankheit 87,4 bis 93 % aller Raynaud-Phänomene, und nur die verbleibenden Prozent seien einem sekundären Raynaud-Phänomen (mit zugrunde liegender Erkrankung oder äußeren Ursache wie beispielsweise Medikamenteneinwirkung oder Vibrationsschaden) kausal in Verbindung zu bringen. Zwar sei noch die Mitverursachung der beim Kläger bestehenden primären Raynaud-Symptomatik an den Händen durch die berufliche Vibrationsbelastung zu diskutieren. Prinzipiell sei diese Möglichkeit gegeben, im Falle des Klägers jedoch nicht wahrscheinlich zu machen. Dies begründe sich durch den Krankheitsverlauf, wonach wegen der Beteiligung der Füße bis in die distale Hälfte des Unterschenkels von einer ausgeprägten Form eines primären Raynaud-Syndroms ohne berufliche Verursachung auszugehen sei. Durch diese Erkrankung sei auch die Art der Ausprägung der Symptomatik an den Händen erklärbar. Auch die Tatsache, dass die Erkrankung trotz Aufgabe der beruflichen Vibrationsbelastung nach Angaben des Klägers fortschreite, spreche eher gegen eine wesentliche Mitverursachung durch die berufliche Schwingungsbelastung.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist am 19.05.2009 ein weiteres Gutachten durch den Internisten und Angiologen Dr. D. erstellt worden. Dieser hat als Grunderkrankung ein von der beruflichen Belastung unabhängiges primäres Raynaud-Syndrom bestätigt, worauf das Krankheitsmuster beim Kläger hinweise. Da arbeitstechnisch eine in ihrer Dosis und im Zeitverlauf ausgeprägte berufliche Vibrationsbelastung beim Kläger vorliege, die oberhalb der Schwelle liege, bei der vasospastische Reaktionen am Gefäßsystem ausgelöst werden könnten, sei eine Verschlimmerung der Beschwerden durch diese langjährige berufliche Exposition eingetreten. Diese Verschlimmerung betreffe das Ausmaß und die Dauer der Beschwerden. Auch wenn die Gefäßerkrankung des Klägers nicht ausschließlich auf die berufliche Belastung zurückzuführen sei, habe die berufliche Belastung doch zu einer deutlichen Verschlimmerung im Krankheitsverlauf geführt. Da bisher noch keine spontan aufgetretenen Wunden oder Wundheilungsstörungen an den Händen aufgetreten seien, und der Kläger durch eigene Gegenmaßnahmen (Reiben der Hände) bisher die Beschwerden jeweils nach geraumer Zeit habe lindern können, habe die vasospastische Gefäßerkrankung bei dem Kläger nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die mit der Entstehung und Verschlimmerung seiner Krankheit im Zusammenhang stünden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch diese Erkrankung bestehe seit der ärztlichen Anzeige des Verdachts auf die berufliche Erkrankung am 18.04.2005 in Höhe von 20 von Hundert (v.H.).
Die Beklagte ist dem Gutachten des Dr. D. mit der Begründung entgegengetreten, dass dieser in seiner Argumentation lediglich aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von einer richtunggebenden Verschlimmerung durch die berufliche Belastung des Klägers ausgehe, was nicht zulässig sei.
Hierzu hat Dr. D. in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 26.08.2009 angegeben, dass er anders als der Vorgutachter bei der Grunderkrankung des primären Raynaud-Syndroms des Klägers und dem Krankheitsbild des vibrationsbedingten vasospastischen Syndroms nicht von zwei prinzipiell getrennten Erkrankungen ausgehe, weil das primäre Raynaud-Syndrom und das VVS sich am selben Organsystem, nämlich in peripheren Aufzweigungen der Handarterien, manifestierten. Es sei aus angiologischer Sicht nicht statthaft, Überlappungen der Symptomatik oder auch eine gegenwärtige Wirkungsverstärkung der verschiedenen Auslöser auf die sehr einheitlichen Reaktionsmechanismen der Gefäßmuskulatur prinzipiell auszuschließen. Es sei im Gegenteil pathophysiologisch eindeutig zu erklären, dass verschiedene Reize, die dieselben physiologischen Reaktionen am Organsystem hervorriefen, sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkten. Offen sei lediglich, ob es sich bei dieser Verstärkung um additive oder potentielle Effekte handele, wozu es in der Literatur nach seinem Kenntnisstand keine quantitativen Angaben gebe. Er verbleibe daher bei seiner Beurteilung einer beruflich bedingten Verschlimmerung des vasospastischen Reaktionsmusters bei einem vorbestehenden hyperreagiblen Gefäßsystem im Rahmen eines primären Raynaud-Syndroms.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 27.05.2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 verurteilt, beim Kläger eine BK nach der Ziff. 2104 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und dem Kläger deswegen eine Verletztenrente entsprechend einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. In Übereinstimmung mit den Gutachtern sei beim Kläger vom Vorliegen eines von der Beschäftigung unabhängigen primären Raynaud-Syndroms als Grunderkrankung auszugehen. Dies bedeute indes nicht, dass nachfolgend aufgrund beruflich bedingter Expositionen sich ergebende gesundheitliche Verschlimmerungen nicht mehr als berufliche Erkrankung anerkannt werden könnten. Ein solches Ergebnis widerspreche dem Schutzbereich des Normgefüges des Berufskrankheitenrechts. Es sei durchaus sinnvoll, mit den schlüssigeren Argumenten von Dr. D. eine berufsbedingte wesentliche Verschlimmerung des Leidens anzunehmen. Nach den Ausführungen des Dr. D. sei unter Beachtung der Wesentlichkeitstheorie und unter Berücksichtigung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen von einer wesentlichen Teilursache auszugehen. Bei dieser vorzunehmenden Abwägung könne der Schwere der berufsbedingten spezifischen Belastungen Bedeutung zukommen (mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.10.2007 - L 1 U 1593/07 -). Insbesondere aus der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters Dr. D. vom 26.08.2009 werde deutlich, dass eine strikte Trennung zwischen einem primären Raynaud-Syndrom einerseits und einem vibrationsbedingten vasospastischen Syndrom nicht statthaft erscheine, da insofern Überlappungen im Krankheitsbild vorlägen, welche auch nach der offenen Formulierung der BK Ziff 2104 vom beschriebenen Tatbestand der BK umfasst sei. Das Urteil ist der Beklagten am 24.06.2010 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 09.07.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass das beim Kläger festgestellte primäre Raynaud-Syndrom insgesamt nicht durch Tätigkeiten hervorgerufen werden könne, welche von der BK nach der Ziffer 2104 der Anlage 1 zur BKV umfasst würden. Eine Verschlimmerung dieses Leidens sei daher, unabhängig davon dass diese nicht zutreffend diagnostiziert worden sei, schon auf diesem Grunde ausgeschlossen. Selbst wenn man die Differenzierung zwischen einem primären Raynaud-Syndrom und dem sekundären Raynaud-Syndrom nicht so strikt vornehmen wollte, könne der Beweis für eine berufliche Mitverursachung des primären Raynaud-Syndroms mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht geführt werden. Hierzu hat die Beklagte auf die Ausführungen des Prof. Dr. L. über das Verteilungsbild der Symptome beim Kläger verwiesen, welches gegen eine beruflich bedingte Verursachung der Erkrankung spreche. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) allein wegen der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht schon auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises zu Gunsten des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den gefährdenden beruflichen Einwirkungen und der Erkrankung geschlossen werden (BSG vom 18.01.1997 - 2 RU 48/96 -).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.05.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich auf dessen Entscheidungsgründe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist begründet. Beim Kläger liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten BK Ziffer 2104 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Durchblutungsstörungen an den Händen, wie sie beim Kläger im Sinne eines Raynaud-Syndroms unstreitig vorliegen, können als BK nach der Ziff. 2104 der Anlage 1 zur BKV anerkannt werden, wenn sie auf berufliche Vibrationseinwirkungen zurückgehen und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK), im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (unter Hinweis auf BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 09. 05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff.).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit des Klägers bei seinem letzten Arbeitgeber ist gegeben. Auch hat der Kläger ausweislich der Ermittlungen des Dipl.-Ing. E. am 04.10.2005 in einem Umfang mit Winkelschleifer, Rüttelplatten, Stampfer, Bohrmaschinen und Innenrüttler hantiert, der grundsätzlich geeignet ist, die geltend gemachte BK zu verursachen.
Es sprechen jedoch nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unabhängig voneinander mehrere Gründe gegen die Anerkennung der geltend gemachten BK.
Es liegt bereits kein sekundäres Raynaud-Syndrom vor. Das Gutachten von Prof. Dr. L. ist insoweit überzeugender, weil es hinsichtlich der entscheidenden Frage der Verursachung wesentlich präziser auf die Frage eingeht, welche Indizien für und gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Beim Kläger besteht danach eine für ein beruflich verursachtes VVS untypische Symptomatik, weil die Weißfärbung der Finger nicht anfallsartig auftritt und zudem die auftretende Weißfärbung der Finger von proximal nach distal und nicht wie bei VVS-Patienten in umgekehrter Richtung verläuft. Auch das Anhalten der Weißfärbung über einen ganzen Tag, wohingegen bei VVS-Patienten in etwa einer Stunde durch erneut eintretende Erwärmung der Hände diese wieder eine normale Farbe annehmen, spricht gegen eine berufliche Verursachung. Schließlich ist auch das Verteilungsmuster der Weißfärbung beim Kläger untypisch. Der Krankheitsverlauf mit einer Beteiligung der Füße bis in die distale Hälfte des Unterschenkels spricht zudem dafür, von einer ausgeprägten Form eines primären Raynaud-Syndroms ohne berufliche Verursachung auszugehen. Durch diese Erkrankung ist auch die Art der Ausprägung der Symptomatik an den Händen erklärbar. Das Fortschreiten der Erkrankung trotz Aufgabe der beruflichen Vibrationsbelastung spricht außerdem gegen ein sekundäres Raynaud-Phänomen. Da das Raynaud-Phänomen zudem noch eine häufige Erkrankung mit charakteristischer Symptomatik ist, an der in unserer Klimazone 13 % der Männer und 20 % der Frauen erkranken (87,4 bis 93 % hiervon ohne erkennbare Grundkrankheit), erscheint eine berufliche Verursachung im Falle des Klägers nicht mehr hinreichend wahrscheinlich. Es ist danach weder erkennbar noch nachgewiesen, dass ein sekundäres Raynaud-Phänomen vorliegt, und zwar weder als Grunderkrankung noch als richtunggebende Verschlimmerung des nachgewiesenen primären Raynaud-Phänomens.
Abgesehen vom fehlenden Nachweis eines sekundären Raynaud-Phänomens besteht entsprechend den Ausführungen von Prof. Dr. L. auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erkrankung des Klägers durch die berufliche Tätigkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG a.a.O.) verursacht wurde.
Die anderslautende Argumentation von Dr. D. erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass der Kläger wegen der grundsätzlich ausreichenden beruflichen Belastung und des Fehlens von Anhaltspunkten für andere Krankheitsauslöser sowie der Einwirkung auf dasselbe Zielorgan (Hände) eine richtunggebende Verschlimmerung durch seine berufliche Tätigkeit habe erleiden müssen. Diese Vermutung des Dr. D., welche auch durch die neurologischen Gutachter Dres. R. und V. (Gutachten vom 10.05.2006) geäußert wurde, kann indes weder die im Wege des Vollbeweises erforderliche Diagnose eines sekundären Raynaud-Phänomens noch den Nachweis einer hinreichend wahrscheinlichen Verursachung durch die berufliche Belastung ersetzen.
Der Gutachter Dr. D. geht auf die detaillierte Argumentation des Prof. Dr. L. nicht ein, sondern insistiert auch in seiner ergänzenden Stellungnahme pauschal auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen und darauf, dass die beiden Krankheitsbilder aufgrund des Betroffenseins desselben Zielorgans nicht vollständig auseinander gehalten werden könnten.
Allein aus dem Umstand, dass bei einem Versicherten die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK erfüllt sind, kann indes noch nicht auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises zugunsten des ursächlichen Zusammenhangs eines Gesundheitsschadens mit schädigenden Einwirkungen bei der versicherten Tätigkeit geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 48/96 - = SGb 1999, 39). Das vom SG zur Begründung zitierte Urteil des erkennenden Senats vom 29.10.2007 (Az. L 1 U 1593/07), bei dem es um das streitige Fortdauern einer von der dortigen Beklagten als Unfallfolge bereits anerkannten Anpassungsstörung ging, enthält keine hiervon abweichende Aussage.
Schließlich scheidet die Anerkennung der BK unabhängig von den voranstehenden Ausführungen bereits deswegen aus, weil der nach dem Tatbestand der BK erforderliche Unterlassungszwang nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen von Dr. Dohmen und Prof. Dr. L. nicht bestanden hat. Der Zweck des bei einigen BK-Ziffern aufgeführten Unterlassungszwangs liegt darin, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern (Präventionsgedanke) und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (vgl. u. a. BSGE 10, 286). Angesichts dessen ist es entscheidend, dass die wegen der berufsbedingten Erkrankung objektiv notwendige Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich verwirklicht ist. Hierzu genügt es nicht, dass lediglich diejenige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, die die BK herbeigeführt oder verschlimmert hat. Vielmehr soll mit dem tätigkeitsbezogenen einschränkenden Tatbestandsmerkmal erreicht werden, dass auch in Zukunft die Gefahr eines Wiederauflebens oder der Verschlimmerung der BK möglichst vermieden wird. Dies hat der Verordnungsgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er auch das Unterlassen solcher Tätigkeiten verlangt, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können (BSGE 40, 66; BSGE 41, 211). Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist aus objektiver Sicht im Sinne einer nachträglichen Betrachtung festzustellen (BSGE 50, 187-190). Bei Krankheiten, bei denen die Entschädigungspflicht an diesen Unterlassungszwang gebunden ist, kann der Versicherungsfall daher nicht eher gegeben sein, als nicht sämtliche nach der BKV genannten Voraussetzungen erfüllt sind, also auch das endgültige Unterlassen (vgl. BSGE 56, 94, 97).
Die fehlende Notwendigkeit des Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit steht für den Senat nach den Äußerungen der Gutachter fest. Danach waren beim Kläger noch keine spontan aufgetretenen Wunden oder Wundheilungsstörungen an den Händen aufgetreten, und der Kläger konnte durch eigene Gegenmaßnahmen (Reiben der Hände) bisher die Beschwerden jeweils nach geraumer Zeit lindern, weswegen kein Unterlassungszwang bestand (S. 11. des Gutachtens von Dr. D.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Außergerichtliche Kosten sind weder im erstinstanzlichen Klageverfahren noch im Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung einer Berufskrankheit (BK) nach der Ziffer 2104 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) im Streit ("vibrationsbedingte Durchblutungsstörungen an den Händen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können").
Der 1949 geborene Kläger arbeitete vom 07.05.1973 bis zum 30.01.2003 für das Bauunternehmen H. S. GmbH in E. als Maurer und Maschinenbediener. In den letzten 12 Jahren seiner Tätigkeit für dieses Unternehmen war er auch mit Vorarbeiterfunktionen betraut.
Am 17.06.2005 erhielt die Beklagte von Dr. B. in E. eine ärztliche Anzeige über den Verdacht des Vorliegens von BKen nach den Ziffern 2104 (vorliegendes Verfahren) und 2108 (Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart mit dem Aktenzeichen S 6 U 4976/06) der Anlage 1 zur BKV. Der Anzeige war ein Arztbericht des Internisten und Angiologen Dr. N. vom 16.04.2005 beigefügt, wonach bei dem Kläger ein "Morbus Raynaud" (= Gefäßerkrankung, bei der ein anfallsweises Abblassen/Erbleichen der Hände oder Füße aufgrund von Vasospasmen auftritt) mit seit zwei Jahren bestehenden Schmerzen, Kribbeln in den Ellenbogen bis in beide Hände auch im Sommer bestehe.
Der Diplomingenieur W. E. der Beklagten stellte nach Ermittlungen am Arbeitsplatz des Klägers am 04.10.2005 fest, dass der Kläger bei seiner Tätigkeit sowohl nicht schädigende Maschinen im Sinne der BK Ziff. 2104 (Hilti-Bohrhämmer und Aufbruchhämmer) als auch Winkelschleifer, Rüttelplatten, Stampfer, Bohrmaschinen und Innenrüttler bedient habe. Die Tages-Schwingungsbelastung im Beurteilungszeitraum vom 07.05.1973 bis zum 30.01.2003 habe ahv(8) = 4,9 m/s 2 betragen. Die Gesamtzahl der Expositionsjahre, nach welchen bei 10 % der Beschäftigten mit dem Auftreten erster Symptome einer Erkrankung im Sinne der BK Ziff. 2104 zu rechnen sei, betrage beim Kläger 5,9 Jahre, bei einer Gesamtbelastungszeit von 29,8 Jahren. Der Richtwert nach der DIN EN ISO 5349 sei bei der Beschäftigung des Klägers überschritten worden.
Nach einem Bericht von PD Dr. K. und Dr. B. vom U. T. vom 30.08.2004 seien bei dem Kläger ein Morbus Raynaud (ohne Hinweis für Kollagenose/Vaskulitis), ein Fibromyalgiesyndrom sowie degenerative Wirbelsäulenveränderungen festgestellt worden. Während eines stationären Heilverfahrens in der Reha-Klinik K. auf Veranlassung der LVA B.-W. vom 22.07.2003 bis 19.08.2003 wurden beim Kläger ein Fibromyalgiesyndrom, ein BWS-Syndrom bei spangenbildender Spondylosis deformans, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung, chronisch rezidivierende Cephalgien, eine Gonalgie beidseits, eine Hyperlipidämie sowie eine Polyarthralgie (an Ellenbogen, Schultern, HWS und LWS) diagnostiziert.
Die Beklagte gab ein Gutachten bei Prof. Dr. L. vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin von der Universität M. in Auftrag. In dem Gutachten vom 27.06.2006 wird ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom (VVS) ausgeschlossen. Beim Kläger bestünden eine Adipositas, degenerative Wirbelsäulenveränderungen, ein volares Ganglion links mit Bewegungseinschränkung und Schmerzen im Handgelenk, eine Prostatahyperthropie, eine Polyarthralgie sowie Zustände nach Apendektomie und Arbeitsunfall mit Splitterverletzung des linken Auges. Keine der genannten Diagnosen sei auf die beruflichen Belastungen des Klägers mit Vibrationen zurückzuführen. Zwar seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK Ziff. 2104 erfüllt, doch bestehe für die geltend gemachte BK ein untypisches Krankheitsbild. Außerdem habe die Tätigkeit auch nicht wegen der Erkrankung der Hände aufgegeben werden müssen. Bei der beruflich bedingten Erkrankung im Sinne der BK Ziff. 2104 seien typischerweise die Finger am stärksten betroffen, an denen die Vibrationsbelastungen am höchsten seien. Außerdem handele es sich bei der Symptomatik um ein anfallartiges Geschehen der Hände, bei dem die Füße in der Regel nicht betroffen seien. Unter Abwägung der Anamnese, der Aktenlage und aller vorliegenden Befunde sei jedoch festzustellen, dass sich die Symptomatik für ein vibrationsbedingtes vasospastisches Syndrom als untypisch darstelle, da die Symptome beim Kläger nicht anfallsartig aufträten. Außerdem seien beim Kläger Hände und Füße gleichermaßen betroffen, und die Lokalisation an den Händen (Verteilung des Verfärbungsmusters) ebenfalls eher untypisch. Außerdem sei in der Vergangenheit bereits ein von der beruflichen Belastung unabhängiges primäres Raynaud-Syndrom diagnostiziert worden. Die Tatsache, dass Hände und Füße betroffen seien, spreche eher dafür, dass diese Diagnose richtig sei und kein sekundäres Raynaud-Syndrom aufgrund von Vibrationsbelastungen vorliege.
Mit Bescheid vom 17.08.2006 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer durch die Tätigkeit des Klägers verursachten Durchblutungsstörung als BK Ziffer 2104 der Anlage 1 zur BKV ab, wobei sie sich auf das eingeholte Gutachten stützte. Den deswegen am 20.09.2006 eingelegten Widerspruch, der nicht begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2006 als unbegründet zurück.
Der Kläger hat am 05.12.2006 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Im Klageverfahren hat die Beklagte ein Gutachten der Dres. R. und V. vom 10.05.2006 vorgelegt, welches sich nicht in den Verwaltungsakten befindet. Eine Erklärung für die vom Kläger geklagten Kribbelparästhesien aller distalen Extremitäten sowie die Hemihypästhesie rechts sei auf neurologischem Fachgebiet nicht gefunden worden. Das komplexe Schmerzsyndrom des Klägers werde im Zusammenhang mit den radiologisch gesicherten degenerativen Gelenk- und Wirbelsäulenveränderungen gesehen, sowie einer am ehesten sekundären myofaszialen Schmerzproblematik. In Zusammenschau mit der Anamnese werde vom Vorliegen eines vibrationsinduziert vasospastischen Syndroms mit intermittierender Raynaud-Symptomatik ausgegangen. Hinweise auf eine rheumatologische oder andere Erkrankung oder sonstige Ursache für das Raynaud-Syndrom seien nicht erkennbar.
In einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 15.01.2008 hat Prof. Dr. L.seine Einschätzung, dass keine BK vorliege, bekräftigt. Beim Kläger bestehe eine für ein beruflich verursachtes VVS untypische Symptomatik, weil die Weißfärbung der Finger nicht anfallsartig auftrete. Zudem verlaufe die Weißfärbung von proximal nach distal und nicht wie bei VVS-Patienten in umgekehrter Richtung. Auch gehe aus den neurologischen Gutachten hervor, dass die Weißfärbung beim Kläger einen ganzen Tag anhalten könne, wohingegen sie bei VVS-Patienten in etwa einer Stunde durch erneut eintretende Erwärmung der Hände wieder aufhöre. Auch das Verteilungsmuster der Weißfärbung sei beim Kläger untypisch. Demgegenüber sei darauf hinzuweisen, dass das Raynaud-Phänomen eine häufige Erkrankung mit charakteristischer Symptomatik sei, an der in unserer Klimazone 13 % der Männer und 20 % der Frauen erkrankten. Hiervon entfielen auf das sog. primäre Raynaud-Phänomen ohne erkennbare Grundkrankheit 87,4 bis 93 % aller Raynaud-Phänomene, und nur die verbleibenden Prozent seien einem sekundären Raynaud-Phänomen (mit zugrunde liegender Erkrankung oder äußeren Ursache wie beispielsweise Medikamenteneinwirkung oder Vibrationsschaden) kausal in Verbindung zu bringen. Zwar sei noch die Mitverursachung der beim Kläger bestehenden primären Raynaud-Symptomatik an den Händen durch die berufliche Vibrationsbelastung zu diskutieren. Prinzipiell sei diese Möglichkeit gegeben, im Falle des Klägers jedoch nicht wahrscheinlich zu machen. Dies begründe sich durch den Krankheitsverlauf, wonach wegen der Beteiligung der Füße bis in die distale Hälfte des Unterschenkels von einer ausgeprägten Form eines primären Raynaud-Syndroms ohne berufliche Verursachung auszugehen sei. Durch diese Erkrankung sei auch die Art der Ausprägung der Symptomatik an den Händen erklärbar. Auch die Tatsache, dass die Erkrankung trotz Aufgabe der beruflichen Vibrationsbelastung nach Angaben des Klägers fortschreite, spreche eher gegen eine wesentliche Mitverursachung durch die berufliche Schwingungsbelastung.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist am 19.05.2009 ein weiteres Gutachten durch den Internisten und Angiologen Dr. D. erstellt worden. Dieser hat als Grunderkrankung ein von der beruflichen Belastung unabhängiges primäres Raynaud-Syndrom bestätigt, worauf das Krankheitsmuster beim Kläger hinweise. Da arbeitstechnisch eine in ihrer Dosis und im Zeitverlauf ausgeprägte berufliche Vibrationsbelastung beim Kläger vorliege, die oberhalb der Schwelle liege, bei der vasospastische Reaktionen am Gefäßsystem ausgelöst werden könnten, sei eine Verschlimmerung der Beschwerden durch diese langjährige berufliche Exposition eingetreten. Diese Verschlimmerung betreffe das Ausmaß und die Dauer der Beschwerden. Auch wenn die Gefäßerkrankung des Klägers nicht ausschließlich auf die berufliche Belastung zurückzuführen sei, habe die berufliche Belastung doch zu einer deutlichen Verschlimmerung im Krankheitsverlauf geführt. Da bisher noch keine spontan aufgetretenen Wunden oder Wundheilungsstörungen an den Händen aufgetreten seien, und der Kläger durch eigene Gegenmaßnahmen (Reiben der Hände) bisher die Beschwerden jeweils nach geraumer Zeit habe lindern können, habe die vasospastische Gefäßerkrankung bei dem Kläger nicht zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen, die mit der Entstehung und Verschlimmerung seiner Krankheit im Zusammenhang stünden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) durch diese Erkrankung bestehe seit der ärztlichen Anzeige des Verdachts auf die berufliche Erkrankung am 18.04.2005 in Höhe von 20 von Hundert (v.H.).
Die Beklagte ist dem Gutachten des Dr. D. mit der Begründung entgegengetreten, dass dieser in seiner Argumentation lediglich aus dem Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen von einer richtunggebenden Verschlimmerung durch die berufliche Belastung des Klägers ausgehe, was nicht zulässig sei.
Hierzu hat Dr. D. in einer ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 26.08.2009 angegeben, dass er anders als der Vorgutachter bei der Grunderkrankung des primären Raynaud-Syndroms des Klägers und dem Krankheitsbild des vibrationsbedingten vasospastischen Syndroms nicht von zwei prinzipiell getrennten Erkrankungen ausgehe, weil das primäre Raynaud-Syndrom und das VVS sich am selben Organsystem, nämlich in peripheren Aufzweigungen der Handarterien, manifestierten. Es sei aus angiologischer Sicht nicht statthaft, Überlappungen der Symptomatik oder auch eine gegenwärtige Wirkungsverstärkung der verschiedenen Auslöser auf die sehr einheitlichen Reaktionsmechanismen der Gefäßmuskulatur prinzipiell auszuschließen. Es sei im Gegenteil pathophysiologisch eindeutig zu erklären, dass verschiedene Reize, die dieselben physiologischen Reaktionen am Organsystem hervorriefen, sich in ihrer Wirkung gegenseitig verstärkten. Offen sei lediglich, ob es sich bei dieser Verstärkung um additive oder potentielle Effekte handele, wozu es in der Literatur nach seinem Kenntnisstand keine quantitativen Angaben gebe. Er verbleibe daher bei seiner Beurteilung einer beruflich bedingten Verschlimmerung des vasospastischen Reaktionsmusters bei einem vorbestehenden hyperreagiblen Gefäßsystem im Rahmen eines primären Raynaud-Syndroms.
Das SG hat die Beklagte mit Urteil vom 27.05.2010 unter Aufhebung des Bescheides vom 17.08.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 verurteilt, beim Kläger eine BK nach der Ziff. 2104 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen und dem Kläger deswegen eine Verletztenrente entsprechend einer MdE um 20 v.H. zu gewähren. In Übereinstimmung mit den Gutachtern sei beim Kläger vom Vorliegen eines von der Beschäftigung unabhängigen primären Raynaud-Syndroms als Grunderkrankung auszugehen. Dies bedeute indes nicht, dass nachfolgend aufgrund beruflich bedingter Expositionen sich ergebende gesundheitliche Verschlimmerungen nicht mehr als berufliche Erkrankung anerkannt werden könnten. Ein solches Ergebnis widerspreche dem Schutzbereich des Normgefüges des Berufskrankheitenrechts. Es sei durchaus sinnvoll, mit den schlüssigeren Argumenten von Dr. D. eine berufsbedingte wesentliche Verschlimmerung des Leidens anzunehmen. Nach den Ausführungen des Dr. D. sei unter Beachtung der Wesentlichkeitstheorie und unter Berücksichtigung des Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen von einer wesentlichen Teilursache auszugehen. Bei dieser vorzunehmenden Abwägung könne der Schwere der berufsbedingten spezifischen Belastungen Bedeutung zukommen (mit Hinweis auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.10.2007 - L 1 U 1593/07 -). Insbesondere aus der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters Dr. D. vom 26.08.2009 werde deutlich, dass eine strikte Trennung zwischen einem primären Raynaud-Syndrom einerseits und einem vibrationsbedingten vasospastischen Syndrom nicht statthaft erscheine, da insofern Überlappungen im Krankheitsbild vorlägen, welche auch nach der offenen Formulierung der BK Ziff 2104 vom beschriebenen Tatbestand der BK umfasst sei. Das Urteil ist der Beklagten am 24.06.2010 zugestellt worden.
Die Beklagte hat am 09.07.2010 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, dass das beim Kläger festgestellte primäre Raynaud-Syndrom insgesamt nicht durch Tätigkeiten hervorgerufen werden könne, welche von der BK nach der Ziffer 2104 der Anlage 1 zur BKV umfasst würden. Eine Verschlimmerung dieses Leidens sei daher, unabhängig davon dass diese nicht zutreffend diagnostiziert worden sei, schon auf diesem Grunde ausgeschlossen. Selbst wenn man die Differenzierung zwischen einem primären Raynaud-Syndrom und dem sekundären Raynaud-Syndrom nicht so strikt vornehmen wollte, könne der Beweis für eine berufliche Mitverursachung des primären Raynaud-Syndroms mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht geführt werden. Hierzu hat die Beklagte auf die Ausführungen des Prof. Dr. L. über das Verteilungsbild der Symptome beim Kläger verwiesen, welches gegen eine beruflich bedingte Verursachung der Erkrankung spreche. Im Übrigen dürfe nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) allein wegen der Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen nicht schon auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises zu Gunsten des ursächlichen Zusammenhangs zwischen den gefährdenden beruflichen Einwirkungen und der Erkrankung geschlossen werden (BSG vom 18.01.1997 - 2 RU 48/96 -).
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.05.2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich auf dessen Entscheidungsgründe.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des LSG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. und 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Berufung ist begründet. Beim Kläger liegen die Voraussetzungen für die Anerkennung der geltend gemachten BK Ziffer 2104 der Anlage 1 zur BKV nicht vor. Der Senat hat vorliegend mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden.
Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VII -). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente.
Durchblutungsstörungen an den Händen, wie sie beim Kläger im Sinne eines Raynaud-Syndroms unstreitig vorliegen, können als BK nach der Ziff. 2104 der Anlage 1 zur BKV anerkannt werden, wenn sie auf berufliche Vibrationseinwirkungen zurückgehen und zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.
Wie das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 02.04.2009 (B 2 U 9/08 R = SGb 2009, 355) ausgeführt hat, lassen sich aus der gesetzlichen Formulierung bei einer BK, die in der BKV aufgeführt ist (sog. Listen-BK), im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten:
Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Die Tatbestandsmerkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung", "Einwirkungen" und "Krankheit" müssen im Sinne des Vollbeweises, also mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (unter Hinweis auf BSG vom 27.06.2006 - B 2 U 20/04 R - BSGE 96, 291 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 7, jeweils RdNr. 15; BSG vom 09. 05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 13 ff.).
Klarstellend und abweichend von der früheren gelegentlichen Verwendung des Begriffs durch den 2. Senat des BSG (vgl. BSG vom 02.05.2001 - B 2 U 16/00 R - SozR 3-2200 § 551 Nr. 16; BSG vom 04.12.2001 - B 2 U 37/00 R - SozR 3-5671 Anl. 1 Nr. 4104 Nr. 1) hat das BSG in der genannten Entscheidung betont, dass im BK-Recht der ursächliche Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und den Einwirkungen nicht als haftungsbegründende Kausalität bezeichnet werden kann. Durch diesen Zusammenhang wird keine Haftung begründet, weil Einwirkungen durch die versicherte Tätigkeit angesichts ihrer zahlreichen möglichen Erscheinungsformen und ihres unterschiedlichen Ausmaßes nicht zwangsläufig schädigend sind. Denn Arbeit - auch körperliche Arbeit - und die damit verbundenen Einwirkungen machen nicht grundsätzlich krank. Erst die Verursachung einer Erkrankung durch die der versicherten Tätigkeit zuzurechnenden Einwirkungen begründet eine "Haftung". Ebenso wie die haftungsausfüllende Kausalität zwischen Gesundheits(-erst-)schaden und Unfallfolge beim Arbeitsunfall (vgl. nur BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, jeweils RdNr. 10) ist die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der berufsbedingten Erkrankung und den BK-Folgen, die dann ggf. zu bestimmten Versicherungsansprüchen führen, bei der BK keine Voraussetzung des Versicherungsfalles.
Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit des Klägers bei seinem letzten Arbeitgeber ist gegeben. Auch hat der Kläger ausweislich der Ermittlungen des Dipl.-Ing. E. am 04.10.2005 in einem Umfang mit Winkelschleifer, Rüttelplatten, Stampfer, Bohrmaschinen und Innenrüttler hantiert, der grundsätzlich geeignet ist, die geltend gemachte BK zu verursachen.
Es sprechen jedoch nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unabhängig voneinander mehrere Gründe gegen die Anerkennung der geltend gemachten BK.
Es liegt bereits kein sekundäres Raynaud-Syndrom vor. Das Gutachten von Prof. Dr. L. ist insoweit überzeugender, weil es hinsichtlich der entscheidenden Frage der Verursachung wesentlich präziser auf die Frage eingeht, welche Indizien für und gegen eine berufliche Verursachung sprechen. Beim Kläger besteht danach eine für ein beruflich verursachtes VVS untypische Symptomatik, weil die Weißfärbung der Finger nicht anfallsartig auftritt und zudem die auftretende Weißfärbung der Finger von proximal nach distal und nicht wie bei VVS-Patienten in umgekehrter Richtung verläuft. Auch das Anhalten der Weißfärbung über einen ganzen Tag, wohingegen bei VVS-Patienten in etwa einer Stunde durch erneut eintretende Erwärmung der Hände diese wieder eine normale Farbe annehmen, spricht gegen eine berufliche Verursachung. Schließlich ist auch das Verteilungsmuster der Weißfärbung beim Kläger untypisch. Der Krankheitsverlauf mit einer Beteiligung der Füße bis in die distale Hälfte des Unterschenkels spricht zudem dafür, von einer ausgeprägten Form eines primären Raynaud-Syndroms ohne berufliche Verursachung auszugehen. Durch diese Erkrankung ist auch die Art der Ausprägung der Symptomatik an den Händen erklärbar. Das Fortschreiten der Erkrankung trotz Aufgabe der beruflichen Vibrationsbelastung spricht außerdem gegen ein sekundäres Raynaud-Phänomen. Da das Raynaud-Phänomen zudem noch eine häufige Erkrankung mit charakteristischer Symptomatik ist, an der in unserer Klimazone 13 % der Männer und 20 % der Frauen erkranken (87,4 bis 93 % hiervon ohne erkennbare Grundkrankheit), erscheint eine berufliche Verursachung im Falle des Klägers nicht mehr hinreichend wahrscheinlich. Es ist danach weder erkennbar noch nachgewiesen, dass ein sekundäres Raynaud-Phänomen vorliegt, und zwar weder als Grunderkrankung noch als richtunggebende Verschlimmerung des nachgewiesenen primären Raynaud-Phänomens.
Abgesehen vom fehlenden Nachweis eines sekundären Raynaud-Phänomens besteht entsprechend den Ausführungen von Prof. Dr. L. auch keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Erkrankung des Klägers durch die berufliche Tätigkeit im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung (vgl. BSG a.a.O.) verursacht wurde.
Die anderslautende Argumentation von Dr. D. erschöpft sich im Wesentlichen darin, dass der Kläger wegen der grundsätzlich ausreichenden beruflichen Belastung und des Fehlens von Anhaltspunkten für andere Krankheitsauslöser sowie der Einwirkung auf dasselbe Zielorgan (Hände) eine richtunggebende Verschlimmerung durch seine berufliche Tätigkeit habe erleiden müssen. Diese Vermutung des Dr. D., welche auch durch die neurologischen Gutachter Dres. R. und V. (Gutachten vom 10.05.2006) geäußert wurde, kann indes weder die im Wege des Vollbeweises erforderliche Diagnose eines sekundären Raynaud-Phänomens noch den Nachweis einer hinreichend wahrscheinlichen Verursachung durch die berufliche Belastung ersetzen.
Der Gutachter Dr. D. geht auf die detaillierte Argumentation des Prof. Dr. L. nicht ein, sondern insistiert auch in seiner ergänzenden Stellungnahme pauschal auf die arbeitstechnischen Voraussetzungen und darauf, dass die beiden Krankheitsbilder aufgrund des Betroffenseins desselben Zielorgans nicht vollständig auseinander gehalten werden könnten.
Allein aus dem Umstand, dass bei einem Versicherten die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer BK erfüllt sind, kann indes noch nicht auf das Vorliegen eines Anscheinsbeweises zugunsten des ursächlichen Zusammenhangs eines Gesundheitsschadens mit schädigenden Einwirkungen bei der versicherten Tätigkeit geschlossen werden (vgl. BSG, Urteil vom 18.11.1997 - 2 RU 48/96 - = SGb 1999, 39). Das vom SG zur Begründung zitierte Urteil des erkennenden Senats vom 29.10.2007 (Az. L 1 U 1593/07), bei dem es um das streitige Fortdauern einer von der dortigen Beklagten als Unfallfolge bereits anerkannten Anpassungsstörung ging, enthält keine hiervon abweichende Aussage.
Schließlich scheidet die Anerkennung der BK unabhängig von den voranstehenden Ausführungen bereits deswegen aus, weil der nach dem Tatbestand der BK erforderliche Unterlassungszwang nach den insoweit übereinstimmenden Ausführungen von Dr. Dohmen und Prof. Dr. L. nicht bestanden hat. Der Zweck des bei einigen BK-Ziffern aufgeführten Unterlassungszwangs liegt darin, ein Verbleiben des Versicherten auf dem ihn gefährdenden Arbeitsplatz zu verhindern (Präventionsgedanke) und dadurch eine Verschlimmerung der Krankheit mit der Folge einer erhöhten Entschädigungsleistung zu verhüten (vgl. u. a. BSGE 10, 286). Angesichts dessen ist es entscheidend, dass die wegen der berufsbedingten Erkrankung objektiv notwendige Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit tatsächlich verwirklicht ist. Hierzu genügt es nicht, dass lediglich diejenige Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wird, die die BK herbeigeführt oder verschlimmert hat. Vielmehr soll mit dem tätigkeitsbezogenen einschränkenden Tatbestandsmerkmal erreicht werden, dass auch in Zukunft die Gefahr eines Wiederauflebens oder der Verschlimmerung der BK möglichst vermieden wird. Dies hat der Verordnungsgeber dadurch zum Ausdruck gebracht, dass er auch das Unterlassen solcher Tätigkeiten verlangt, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich sein können (BSGE 40, 66; BSGE 41, 211). Ob der Zwang zum Unterlassen der bisherigen Tätigkeit medizinisch geboten war, d. h. deren Fortsetzung wegen der schon eingetretenen Gesundheitsstörungen oder der Gefahr der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens der Krankheit aus medizinischer Sicht nicht verantwortet werden konnte, ist aus objektiver Sicht im Sinne einer nachträglichen Betrachtung festzustellen (BSGE 50, 187-190). Bei Krankheiten, bei denen die Entschädigungspflicht an diesen Unterlassungszwang gebunden ist, kann der Versicherungsfall daher nicht eher gegeben sein, als nicht sämtliche nach der BKV genannten Voraussetzungen erfüllt sind, also auch das endgültige Unterlassen (vgl. BSGE 56, 94, 97).
Die fehlende Notwendigkeit des Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit steht für den Senat nach den Äußerungen der Gutachter fest. Danach waren beim Kläger noch keine spontan aufgetretenen Wunden oder Wundheilungsstörungen an den Händen aufgetreten, und der Kläger konnte durch eigene Gegenmaßnahmen (Reiben der Hände) bisher die Beschwerden jeweils nach geraumer Zeit lindern, weswegen kein Unterlassungszwang bestand (S. 11. des Gutachtens von Dr. D.).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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