L 1 U 3334/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 11 U 2757/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 3334/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Mai 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht ein Anspruch des Klägers auf Anerkennung seiner Wirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit (BK) im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X).

Der 1949 geborene Kläger stellte im September 1997 erstmals den Antrag, seine Muskelschmerzen als BK anzuerkennen. Er habe sich diese im Betonwerk B. zugezogen. Er leide unter einer Muskelverhärtung links der Wirbelsäule durch die Arbeit an einem Stahlbindegerät. Beschwerden habe er seit 1993. Nach dem Durchgangsarztbericht vom 26. Juni 1997 litt der Kläger an einer schweren Retrolisthese, die unfallunabhängig entstanden sei. Der Orthopäde Dr. L. führte unter dem 9. Dezember 1997 aus, es bestehe eine chronische Cervicobrachialgie und Wirbelsäulenfehlstatik. Im Zusammenhang mit schwerer körperlicher Arbeit würden Beschwerden auftreten, diese seien aber nicht wesentlich durch die Tätigkeit verursacht.

Mit Bescheid vom 17. März 1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) ab.

Auf ein Schreiben des Klägers vom 23. März 1998 übersandte die Beklagte an den ehemaligen Beschäftigungsbetrieb B. einen Wirbelsäulenfragebogen. Darin gab der Betrieb an, der Kläger habe vom 25. Januar 1993 bis 15. Dezember 1994 und vom 3. Februar 1995 bis 15. Dezember 1995 dort als Betonmischerfahrer gearbeitet. Der Kläger teilte der Beklagten unter dem 10. Mai 1998 mit, er habe an der Wirbelsäule keine Schmerzen, sondern durch die einseitige ständige Überbeanspruchung der linksseitigen Lendenrückenmuskulatur habe sich die Muskulatur in diesem Bereich stark überentwickelt und sei unbehandelt hart und verknotet, im Gegensatz zur rechten Seite. Am 10. Juni 1998 ging ein vom Kläger ausgefüllter Wirbelsäulenfragebogen bei der Beklagten ein.

Die Beklagte nahm daraufhin Ermittlungen auf und zog u.a. den Bericht der CT-Untersuchung der Lendenwirbelsäule (LWS) von Prof. Dr. K. vom 26. Januar 1999 bei. Danach sei ein abgewinkeltes Os sacrum zu sehen, auf den axialen Schichten bei L 4/5 eine breitbasige bulging disc, die medial in eine schon größere Protrusion übergehe, bei engen Zwischenwirbellöchern. Der Recessus sei durch dichtes Bandscheibengewebe aufgebraucht.

Der Präventionsdienst der Beklagten berichtete unter dem 31. August 1999 über die vom Kläger in der Vergangenheit verrichteten wechselnden Tätigkeiten. Der Kläger führte dabei aus, dass sich seiner Auffassung nach die gesundheitlichen Probleme beim Fahren des Betonmischers zum einen aus dem oftmaligen Drücken der sehr schwergängigen Kupplung ergeben hätten, zum anderen sei er zu etwa 25% seiner Arbeitszeit für Helfertätigkeiten, auch zum Bedienen eines Stahlbindeapparates eingesetzt worden. Mit diesem seien Pflastersteine auf Paletten befestigt worden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für das Vorliegen einer BK nach Nr. 2108 wurden verneint.

Mit Bescheid vom 18. November 1999 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Erkrankungen als BK 2108 und 2109 der Anlage 1 zur BKV ab, da bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung nicht gegeben seien. Nachdem der Kläger dagegen Widerspruch eingelegt hatte, ermittelte die Beklagte auch auf medizinischem Fachgebiet und wies mit Widerspruchsbescheid vom 9. November 2001 den Widerspruch zurück. Neben den arbeitstechnischen Voraussetzungen fehle es auch an einer berufsbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule. Die dagegen erhobene Klage zum Sozialgericht Konstanz (SG), Az.: S 7 U 2309/01, wurde mit Gerichtsbescheid vom 8. Mai 2002 nach Befragung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen abgewiesen. Die Berufung zum Landessozialgericht (Az.: L 1 U 2044/02) blieb ohne Erfolg (Urteil vom 11. Oktober 2002).

Am 25. November 2003 wandte sich der Kläger telefonisch an die Beklagte, schriftlich am 30. Dezember 2003 und machte erneut Schmerzen im Rücken als BK geltend. Mit Bescheid vom 27. Januar 2004 lehnte die Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X ab. Der dagegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 5. März 2004 zurückgewiesen. Die Klage zum SG (Az.: S 4 U 823/04) blieb ohne Erfolg (Gerichtsbescheid vom 19. August 2004), die Berufung zum LSG (Az.: L 10 U 3804/04), in der der Kläger auch Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule geltend machte, wurde durch Urteil vom 24. Februar 2005 zurückgewiesen.

Im Oktober 2005 wandte sich der Kläger erneut an die Beklagte und beantragte die Überprüfung nach § 44 SGB X. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 24. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Februar 2006 zurückgewiesen, die dagegen erhobene Klage (Az.: S 5 U 923/06) nahm der Kläger zurück. Nachdem sich der Kläger gegen die Beendigung

des Verfahrens vor dem SG wandte (Az.: S 5 U 3404/06) stellte dieses mit Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2007 fest, dass der Rechtsstreit durch die Rücknahme der Klage beendet sei. Im dagegen angestrengten Berufungsverfahren (L 9 U 1835/07) nahm der Kläger im Termin vom 12. Mai 2009 die Berufung zurück und stellte zugleich neuen Antrag nach § 44 SGB X.

Mit Bescheid vom 6. August 2009 lehnte die Beklagte den Antrag nach § 44 SGB X ab, den dagegen eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2009 zurück. Darin ging die Beklagte sowohl auf die BKen nach Nr. 2108 und 2109 der Anlage 1 zur BKV als auch auf das Bestehen einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) ein und lehnte auch diese ab. Es gebe keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse darüber, dass Baumaschinen-/Lkw-Fahrer durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung an Schmerzen/Veränderungen der Rückenmuskulatur leiden.

Auch dagegen hat der Kläger am 13. Oktober 2009 Klage zum SG erhoben. Das SG hat das nervenärztliche Gutachten des Dr. L. vom 9. November 2009 im Verfahren um die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers beigezogen. Mit Gerichtsbescheid vom 10. Mai 2010 hat das SG sowohl das Bestehen einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII als auch einer Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII abgelehnt und die Klage abgewiesen. Für die Anerkennung einer Listen-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII fehlten bereits die arbeitstechnischen Voraussetzungen (kein langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung bzw. langjährige, vorwiegend vertikale Einwirkung von Ganzkörperschwingungen im Sitzen). Dies sei bereits mehrfach festgestellt worden. Insbesondere habe auch der 10. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg in seiner Entscheidung vom 24. Februar 2005 (L 10 U 3804/04) festgestellt, dass auch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS nicht vorliege. Dies belege neben dem Vorbringen des Klägers, der seine Beschwerden vornehmlich an der Brustwirbelsäule verorte, auch der aktuelle Bericht des Dr. S. vom 7. Mai 2009. Für die Anerkennung einer Wie- BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII fehle es an neuen, wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen, dass Lkw-Fahrer oder Fahrer von Baumaschinen stärker als andere Bevölkerungsgruppen gefährdet seien, Wirbelsäulenbeschwerden zu erleiden. Dies folge aus der von der Beklagten vorgelegten Darstellung des Referats Berufskrankheiten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV).

Gegen den ihm am 15. Juni 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. Juli 2010 Berufung eingelegt. Er wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen und macht nach wie vor geltend, durch das Bedienen der Stahlbandmaschine, mit hohem Pressdruck ohne hydraulische oder pneumatische Unterstützung, seien bei ihm Schmerzen und Beschwerden links der Wirbelsäule aufgetreten. Darunter leide er noch heute. Er könne seine Schmerzen nur noch mit hoher Schmerzmedikation ertragen und habe Krämpfe in den Beinen.

Der Kläger beantragt, sinngemäß gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 10. Mai 2010 sowie den Bescheid vom 6. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. März 1998 und vom 18. November 1999 zu verurteilen, seine Rückenerkrankung als oder wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen

und verweist zur Begründung auf den Inhalt der angefochtenen Entscheidungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die Überprüfung des Bescheids vom 18. November 1999 nach § 44 SGB X abgelehnt.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem der unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X).

Wie das SG auf Seite 5 bis 8 der Entscheidungsgründe im Gerichtsbescheid vom 10. Mai 2010 zutreffend und ausführlich dargestellt hat, hat die Beklagte bei der Erteilung des Bescheids vom 18. November 1999 weder das Recht unrichtig angewandt noch ist sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat nach eigener Prüfung in vollem Umfang Bezug auf die zutreffenden und überzeugenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung und schließt sich diesen an (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Bewertung. Zum einen wiederholt er lediglich das bislang in jedem Überprüfungsverfahren Vorgebrachte, ohne dass neue Erkenntnisse daraus gewonnen werden könnten. Er lässt insbesondere unberücksichtigt, dass weder die haftungsbegründende Kausalität (sog. arbeitstechnische Voraussetzungen) noch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2108 oder 2109 der Anlage 1 zur BKV erfüllt sind und darüber hinaus auch keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII vorliegen. Der Kläger leidet sicherlich unter erheblichen gesundheitlichen Problemen auch im Bereich des Rückens. Erste Schmerzen mögen auch im Zusammenhang mit der schweren körperlichen Tätigkeit bei der Fa. B. aufgetreten sein. Da aber hinreichend belegt ist, dass die körperlichen Veränderungen des Klägers im Rückenbereich degenerativer Ursache sind und ein rein zeitlicher Zusammenhang zwischen körperlicher Arbeit und Auftreten von Beschwerden nicht genügt, um einen Kausalzusammenhang im Unfallversicherungsrecht zu begründen, ist auch durch das wiederholte Vortragen immer derselben Ausführungen ein Nachweis der Unrichtigkeit der ursprünglichen ablehnenden Entscheidung nicht zu führen.

Anlass zu Ermittlungen von Amts wegen hat der Senat deshalb nicht gesehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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