L 4 R 664/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 1837/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 664/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Januar 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Die am 1958 geborene Klägerin stammt aus der Türkei und lebt nach eigenen Angaben seit 1972/1973 in Deutschland. Eine Berufsausbildung hat sie nicht absolviert. Sie war nach eigenen Angaben stets als ungelernte Arbeiterin tätig. Letztmals versicherungspflichtig beschäftigt war sie bis 30. Juni 1994, und zwar nach eigenen Angaben als Löterin in der Produktion von Brillen. Seither hat sie durchgängig Pflichtbeitragszeiten wegen des Bezugs von Leistungen der Bundesagentur für Arbeit, sonstiger Sozialleistungen (Krankengeld und Übergangsgeld) oder Kindererziehung zurückgelegt (Versicherungsverlauf der Beklagten vom 24. Oktober 2007, hiernach jedenfalls bis 31. August 2007).

Wie sich aus einem Gutachten der Internistin Dr. med. S. von der Beklagten vom 31. Juli 2002 offensichtlich erstellt im Hinblick auf einen vorangegangenen Rentenantrag - ergibt, klagte die Klägerin bereits damals über rezidivierende Lumbalgien. Am 27. April 2006 war eine Spondylodese LWK 4/5 durchgeführt worden. Im Anschluss nahm die Klägerin vom 17. Juli bis 11. August 2006 an einer teilstationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im Wagner-Ruland-Gesundheitszentrum P. teil. Facharzt für Orthopädie/Sozialmedizin Dr. B. nannte im Entlassungsbericht vom 16. August 2006 über die Maßnahme als Diagnosen rückläufige Beschwerden nach Spondylodese LWK 4/5 wegen Osteochondrose sowie Diabetes mellitus Typ II. Nach weiterer Rekonvaleszenz von ca. ein bis zwei Monaten bestehe ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in Wechselbelastung in allen Schichtformen. Vermieden werden sollten anhaltende wirbelsäulenungünstige Zwangshaltungen sowie Rotationsbelastung unter Last.

Am 23. März 2007 fand eine Revisionsspondylodese L4/5 sowie Spondylodese L5/S1 wegen Anschlussdegeneration L5/S1 statt. Vom 18. Juni bis 13. Juli 2007 nahm die Klägerin daraufhin erneut an einer teilstationären medizinischen Rehabilitationsmaßnahme im W.-R.-Gesundheitszentrum P. teil. Erneut gelangte der dortige Orthopäde Dr. B. im Entlassungsbericht vom 19. Juli 2007 zu dem Ergebnis, es bestehe nach weiterer Rekonvaleszenz, nunmehr sechs Monate postoperativ, ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für eine leichte Tätigkeit in wechselnder Belastung mit nur zeitweisem Stehen und Sitzen in allen Schichtformen. Vermieden sollten anhaltende wirbelsäulenungünstige Zwangshaltungen sowie Rotationsbewegungen der Wirbelsäule unter Last. Als Löterin sei die Klägerin nurmehr drei bis unter sechs Stunden täglich leistungsfähig.

Am 24. Mai 2007 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung bei der Beklagten nach entsprechender Aufforderung durch die Agentur für Arbeit P ... Sie gab an, sie halte sich wegen einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Bandscheibenschaden und Versteifung von Wirbelsäulenabschnitten, wegen Polyneuropathie, Diabetes mellitus, Schulter-Arm-Syndrom und depressiver Verstimmung bei bevorstehender Operation an der Wirbelsäule für erwerbsgemindert. Auf der Grundlage des Entlassungsberichts vom 19. Juli 2007 lehnte die Beklagte den gestellten Rentenantrag mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 mit der Begründung ab, die Klägerin könne mit ihrem vorhandenen Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Tätigkeiten im Umfang von sechs Stunden täglich ausüben.

Mit hiergegen gerichteten Widerspruch machte die Klägerin geltend, die erwartete Rekonvaleszenz sei leider nicht eingetreten. Vielmehr hätten die Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule erheblich zugenommen. Geh- und Stehfähigkeit seien aufgrund einer Taubheit an beiden Beinen massiv beeinträchtigt. Angesichts der bisherigen Operationsergebnisse sei sie zu weiteren Operationen nicht bereit.

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine mehrfachärztliche Begutachtung auf ihrer klinischen Begutachtungsstation Karlsruhe. Am 31. Januar 2008 untersuchte Facharzt für Orthopädie Dr. Sc. die Klägerin und erstattete sein Gutachten am 10. Februar 2008. Er diagnostizierte ein chronisches Lumbalsyndrom bei Osteochondrose L4/5 und nach Spondylodese L4/5/S1. Die Rumpfbewegungen sei leicht bis mittelgradig eingeschränkt, die Gehfähigkeit sei nicht erkennbar beeinträchtigt. Den Befunden nach sei es jedoch glaubhaft, dass besonders bei längerem Sitzen stärkere Beschwerden aufträten. Daher könne die Klägerin den beschriebenen Befunden nach schwere und regelmäßig mittelschwere körperliche Arbeiten, in Zwangshaltung des Rumpfes, mit häufigen und vollen Bückanforderungen, mit Heben und Tragen von Lasten über etwa zehn Kilogramm, mit Steigen auf Leitern und Gerüste sowie mit Stauchungen und Vibrationen der Wirbelsäule nicht mehr ausführen. Keine gesundheitlichen Bedenken ergäben sich gegen leichte, allenfalls in geringem Ausmaß mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, wenn die Möglichkeit bestehe, in selbst gewählten Abständen von 10 bis 20 Minuten kurze Bewegungspausen einzulegen. Unter diesen Voraussetzungen sei ein vollschichtiger Einsatz möglich.

Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Sch. untersuchte die Klägerin ebenfalls am 31. Januar 2008 und erstattete sein Gutachten am 06. Februar 2008. Er diagnostizierte eine leichtgradige chronisch depressive Verstimmung sowie ein Lendenwirbelsäulensyndrom und chronisches Schmerzsyndrom ohne neurologische Ausfälle. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei ein vollschichtiges Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben.

Unter Integration dieser beiden Zusatzgutachten erstattete Medizinaldirektor L., Internist und Sozialmediziner, das Hauptgutachten vom 21. Februar 2008. Er diagnostizierte auf seinem Fachgebiet einen Diabetes mellitus Typ II (Erstdiagnose 1989) mit beginnender diabetischer Nephropathie. Eine quantitative Leistungseinschränkung ergebe sich auch nicht in der Gesamtschau mit den orthopädischen und nervenärztlichen Erkrankungen. Wenigstens leichte Arbeiten könne die Klägerin über sechsstündig verrichten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. April 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten daraufhin den Widerspruch zurück. Zumindest leichte Arbeiten mindestens sechs Stunden täglich seien der Klägerin noch zumutbar.

Am 24. April 2008 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zu deren Begründung trug sie weiterhin vor, an den Folgen der zweimaligen Bandscheibenoperation zu leiden und unter Mitberücksichtigung der neurologischen Ausfälle an den unteren Extremitäten nur in zeitlich sehr begrenztem Umfang arbeiten zu können.

Die Beklagte trat der Klage entgegen.

Das SG zog die Akten des Landratsamts des Enzkreises (Integrations- und Versorgungsamt) über ein Verwaltungsverfahren der Klägerin betreffend die Schwerbehinderteneigenschaft bei und befragte behandelnde Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen wie folgt: Facharzt für Innere Medizin und Hausarzt Dr. R. berichtete unter dem 22. August 2008 über die Behandlung der Zuckererkrankung der Klägerin, die kein Hindernis für die Arbeitsfähigkeit darstelle. Das vordringliche Problem der Klägerin seien jedoch ihre knöchernen Beschwerden, bedingt durch Spinalkanalstenose, Bandscheibenvorfälle und Osteochondrose. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. berichtete unter dem 09. September 2008 über die Behandlung der Klägerin, die über Dauerschmerzen klage. Eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin habe er im Laufe der Behandlung (vom 11. Januar 2005 bis 24. Juli 2008) nicht festgestellt. Die berufliche Leistungsfähigkeit müsse im Rahmen eines Gutachtens von einem Arbeitsmediziner geklärt werden. Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. W. berichtete unter dem 18. Dezember 2008, die Beschwerden der Klägerin seien nachvollziehbar. Soweit sie zuträfen, könne die Klägerin keine geregelten Tätigkeit mindestens sechs Stunden pro Tag nachgehen. Allerdings könnten die Beschwerden nicht objektiviert werden. Er legte den Bericht des Prof. Dr. Pf., Chirurgische Abteilung der H. R. Klinik B., vom 05. Dezember 2008 über die im Rahmen einer vom 17. bis 19. November 2008 dauernden stationären Behandlung durchgeführte Akutschmerzbehandlung vor, wonach es zu einer Schmerzbesserung gekommen sei.

Das SG beauftragte sodann Dr. T., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in M., mit der Erstattung eines Gutachtens über die Klägerin. Dr. T. untersuchte die Klägerin am 21. April 2009. In seinem Gutachten vom 12. Mai 2009 stellte er folgende Diagnosen: Beginnende degenerative Verschleißerkrankung der Halswirbelsäule ohne radikuläre Ausfallsymptomatik und ohne funktionelle Beeinträchtigungen, Spondylodese L 4/5 sowie Operation nach Wiltse L 5/S 1 ohne radikuläre Ausfallsymptomatik, ohne funktionelle Beeinträchtigung mit verbliebener Restbeschwerdesymptomatik, nicht insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ 2, geringgradige depressive Episoden sowie Schilddrüsenunterfunktion nach operativer Entfernung. Aufgrund der Wirbelsäulenleiden seien der Klägerin noch leichte bis gelegentlich mittelschwere Arbeiten sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Es sollten wechselnde Körperhaltungen eingenommen werden können, keine Zwangshaltungen wie ständiges Bücken oder Gehen. Das Tragen und Heben von Lasten über zehn Kilogramm ohne technische Hilfsmittel sollte vermieden werden. Aufgrund der Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule sowie der oberen Extremitäten, seien Arbeiten über Kopf oder mit besonderer Beanspruchung der Arme nur noch gelegentlich zumutbar. Aufgrund der Beschwerden vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule sowie im Bereich der unteren Extremitäten seien permanente Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder Arbeiten in ständigem Gehen und Stehen oder mit ständigem Treppensteigen verbunden, nur noch gelegentlich zumutbar. Zusätzliche Faktoren, wie ständiges Arbeiten im Freien oder Arbeiten unter ständiger Exposition von Hitze, Kälte, Nässe, Zugluft und Temperaturschwankungen seien aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung sowie der degenerativen Verschleißerkrankung nur noch gelegentlich zumutbar. Aufgrund der Diabeteserkrankung sowie der leichtgradigen depressiven Episoden sei der Klägerin eine Tages-, Früh- und Spätschicht zumutbar, eine Nachtschicht jedoch nicht mehr.

Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Orthopäde Dr. C. ein weiteres Gutachten über die Klägerin aufgrund einer Untersuchung am 29. Oktober 2009. In dem Gutachten vom 30. Oktober 2009 gelangte Dr. C. zu dem Ergebnis, eine von den bereits eingeholten Gutachten abweichende Leistungsbeurteilung lasse sich aufgrund der von ihm erhobenen Befunde nicht begründen. Die Diagnosen fasste er wie folgt: chronische Lumbalgie nach Spondylodese L4/5/S 1, ohne segmentale neurologische Ausfälle an den unteren Extremitäten, Hinweise auf chronische Wurzelirritation L 4; endgradige Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule aufgrund degenerativer Veränderungen, ohne segmentale neurologische Ausfälle an den oberen Extremitäten; chronische radiale und ulnare Epicondylopathie am re. Ellenbogen; reizfreie Narbe nach zweimal operiertem dorsalen Handgelenksganglion rechts. Der aktuell festgestellte Gesundheitszustand sei im Wesentlichen die Folge der ersten Spondylodesenoperation vom 23. März 2007.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Januar 2010 wies das SG die Klage ab. Das SG schloss sich den Einschätzungen der Sachverständigen Dr. T. und Dr. C. sowie der für die Beklagte tätig gewordenen Gutachter Dres. Sch., Sc. und L. an. Alle Gutachter verfügten über breite sozialmedizinische Erfahrung. Insbesondere hätten segmentale neurologische Ausfälle sowohl an den oberen wie an den unteren Extremitäten nicht festgestellt werden können. Da das Berufsleben der Klägerin von ungelernten Tätigkeiten geprägt sei, könne sie auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden.

Am 09. Februar 2010 hat die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, es sei eine wesentliche Verschlechterung der Psyche und der Schmerzen seit der ersten Instanz eingetreten. Die Wechselwirkungen der multiplen Beschwerden und die schweren Schmerzen seien neben neurologisch-psychiatrischen Störungen der Hauptgrund ihrer völligen Erwerbsminderung. Auch den Haushalt könne sie nicht mehr alleine erledigen. Sie hat die Atteste des Dr. R. vom 25. Februar 2010 und von Arzt M. vom 16. März 2010, den Bericht des Prof. Dr. Pf. vom 05. Dezember 2008 und den vorläufigen Arztbericht des Stationsarztes V., Chirurgische Klinik des Klinikums P. (S./S. T.), vom 25. Februar 2010 über die stationäre Behandlung vom 17. bis 22. Februar 2010 sowie den Schwerbehindertenausweis (Grad der Behinderung 60 seit 23. April 2010, Nachteilsausgleich G) vorgelegt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheids des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. Januar 2010 sowie des Bescheids der Beklagten vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 zu verurteilen, ihr ab 01. Mai 2007 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Der Senat hat behandelnde Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich befragt. Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. W. hat unter dem 17. Mai 2010 mitgeteilt, bei der Klägerin bestünden unveränderte Beschwerden mit kurzfristiger Besserung bei Schmerzakupunktur. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. hat unter dem 21. Juni 2010 ebenfalls berichtet, Änderungen im Gesundheitszustand im Laufe der Behandlung (Januar 2005 bis 03. Mai 2009) nicht festgestellt zu haben.

Beide Beteiligten haben jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 24. Oktober 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. April 2008 den Rentenantrag der Klägerin abgelehnt. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die Beklagte. Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung hat die Klägerin im Berufungsverfahren nicht (mehr) beantragt.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin ist zur Überzeugung des Senats nicht voll erwerbsgemindert, denn sie ist in der Lage, leichte körperliche Berufstätigkeiten im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten, sofern einige Einschränkungen qualitativer Art beachtet werden.

Die Klägerin leidet in erster Linie unter dem Zustand nach durchgeführter Spondylodese L 4/5/S 1. Die chronische Lumbalgie ist allerdings nicht mit segmentalen neurologischen Ausfällen an den unteren Extremitäten verbunden. Zusätzlich besteht eine endgradige Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule aufgrund einer beginnenden degenerativen Verschleißerkrankung in diesem Bereich, ebenfalls ohne segmentale neurologische Ausfälle. Eine chronische radiale und ulnare Epicondylopathie am rechten Ellenbogen, nicht insulinabhängiger Diabetes mellitus Typ II, geringgradige depressive Episoden und Schilddrüsenunterfunktion kommen hinzu.

Die wesentlichen Einschränkungen für die berufliche Einsetzbarkeit der Klägerin folgen hierbei aus dem Befund an der Lendenwirbelsäule. Die insbesondere durch den Sachverständigen Dr. T. sehr gründlich dargestellte Ableitung der einzelnen Funktionseinschränkungen und der Einschränkungen der beruflichen Leistungsfähigkeit aus den jeweils erhobenen Befunden ist ohne weiteres schlüssig und nachvollziehbar und wird auch durch den Sachverständigen Dr. C. bestätigt. Schwerergradige Einschränkungen der beruflichen Einsetzbarkeit lassen sich angesichts fehlender radikulärer Ausfälle und nur endgradiger Bewegungseinschränkungen (im Bereich der Halswirbelsäule) und der von den Sachverständigen detailliert beschriebenen Einschränkungen im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht begründen. Auch die von Dr. C. zuletzt noch zusätzlich genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen im Bereich des rechten Ellenbogen und rechten Handgelenks führen zu keiner anderen Beurteilung, da sie nach den ausdrücklichen und klaren Ausführungen des Sachverständigen nicht mit Funktionseinbußen in diesem Bereich verbunden sind. Ebenso wie die Gutachter Dr. Sc. (im Widerspruchsverfahren für die Beklagte), Dr. T. und Dr. C. (im SG-Verfahren) sieht damit auch der Senat keine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens der Klägerin.

Den Erkrankungen der Klägerin außerhalb des orthopädischen Fachgebiets kommt keine wesentliche Bedeutung zu, wie dies auch von dem Hausarzt der Klägerin Dr. R. wiederholt (zuletzt mit Attest vom 25. Februar 2010) bestätigt worden ist. Insbesondere ist auch keine eigenständige Erkrankung des psychiatrischen Fachgebiets von wesentlicher Bedeutung erkennbar. Behandelnder Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. gibt lediglich pauschal und ohne zeitliche Zuordnung die Diagnosen einer Depression und eines chronischen Schmerzsyndroms an. Eine manifeste und konsequent zu behandelnde und behandelte eigenständige psychiatrische Erkrankung ist nicht zu erkennen. So hat die Klägerin auch beim Sachverständigen Dr. T. über ihren umfangreichen durchstrukturierten Tagesablauf berichtet. Sie betreut vier Kinder, kocht, macht Hausarbeiten, kauft ein, fährt selbst Auto, geht Hobbys nach und macht Urlaub in der Türkei.

Insbesondere der Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren, ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, ist durch die im Berufungsverfahren eingeholten Auskünfte der behandelnden Ärzte gerade nicht bestätigt worden. Übereinstimmend haben Orthopäde Dr. W. und Facharzt für Neurologie und Psychiatrie M. von einem gleichbleibenden Gesundheitszustand berichtet.

Die von der Klägerin nach wie vor beklagten weitaus gravierenderen Beschwerden und Schmerzen aufgrund ihrer Erkrankungen des Bewegungsapparats als dies nach den objektiven Befunden zu erwarten wäre, sind damit nach wie vor, wie bereits vom behandelnden Orthopäden Dr. W. in seiner Auskunft an das SG so formuliert, nicht objektivierbar und können damit unter Berücksichtigung der objektiven Beweislast nicht zur Begründung einer Erwerbsminderung im Sinne eines unter sechs Stunden täglich betragenden Leistungsvermögens für leichte Arbeiten dienen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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