L 12 AS 2217/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 4219/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 2217/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. April 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Widerspruchs als verfristet. In der Sache begehrt sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Klägerin, ihr Ehemann und ihre drei jüngsten Kinder bewohnen in Heilbronn eine Wohnung im Haus des ältesten Sohnes Flamur. Die Agentur für Arbeit gewährte der Klägerin vorläufig mit Bescheiden vom 4. und 26. März 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 25. Januar bis 25. März 2008 sowie vom 26. März bis 28. Mai 2008.

Die Beklagte lehnte den Antrag vom 25. Januar 2008 auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II betreffend Kosten der Unterkunft und Heizung mit Bescheid vom 30. Juni 2008, zugestellt am 2. Juli 2008 wegen fehlender Mitwirkung ab. Zuvor hatte die Klägerin trotz mehrfacher schriftlicher Aufforderung der Beklagten angeforderte Unterlagen nicht vorgelegt.

Am 5. August 2008 legte der damalige Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. Dezember 2008 wegen Verfristung als unzulässig zurückwies.

Hiergegen richtet sich die am 22. Dezember 2008 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage. Zur Begründung wird geltend gemacht, der Ehemann der Klägerin habe immer wieder Unterlagen bei der Beklagten vorlegen müssen, es seien aber immer wieder neue Unterlagen gefordert worden. Er sei dann zum Anwalt gegangen, der sofort Widerspruch eingelegt habe.

Mit Gerichtsbescheid vom 14. April 2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen, da einem Anspruch schon der bestandskräftige Bescheid vom 30. Juni 2008 entgegenstehe. Der Widerspruch sei nicht innerhalb der Frist des § 84 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden, der Klägerin sei auch keine Wiedereinsetzung zu gewähren. Der Bescheid vom 30. Juni 2008 sei der Klägerin am 2. Juli 2008 zugestellt worden, er habe eine zutreffende Rechtsmittelbelehrung enthalten über die Erhebung eines Widerspruchs binnen Monatsfrist. Diese Frist sei am Montag, den 4. August 2008 abgelaufen (§ 64 Abs. 3 SGG). Das Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin vom 28. Juli 2008 sei nicht als Widerspruch aufzufassen, es habe sich auf ein anderes Verwaltungsverfahren zwischen den Beteiligten bezogen. Die Zurückweisung des Widerspruchs als verfristet sei zu Recht ergangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Widerspruchsfrist sei nicht zu gewähren, denn die Klägerin habe die Frist schuldhaft versäumt. Sie habe nicht glaubhaft gemacht, dass sie vor Ablauf der Frist gehindert gewesen sei, rechtzeitig den Widerspruch einzulegen, vielmehr habe ihr Ehemann angegeben, sie hätten gedacht, dies sei nicht erforderlich.

Hiergegen richtet sich die am 12. Mai 2009 eingelegte Berufung der Klägerin. Sie macht weiter geltend, dass ihr Ehemann jede Woche zur Beklagten gegangen sei und verschiedene Unterlagen vorgelegt habe. Die Agentur für Arbeit habe Leistungen bewilligt, nicht aber die Beklagte, die mit der Agentur für Arbeit zusammenarbeiten müsse. Die Beklagte habe daher nach Auffassung der Klägerin die Gesetze verletzt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 14. April 2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2008 zu verpflichten, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Die Klägerin mache keinerlei Ausführungen, weshalb der Gerichtsbescheid unrichtig sein solle, hierfür seien auch keinerlei Anhaltspunkte vorhanden.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), Berufungsausschließungsgründe (§ 144 Abs. 1 SGG) liegen nicht vor. Die somit zulässige Berufung ist jedoch nicht begründet, denn das SG hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Soweit die Klägerin der Sache nach eine Leistungsklage nach § 54 Abs. 4 SGG wegen der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts betreffend die Kosten für Unterkunft und Heizung erhoben hat, war die Klage bereits unzulässig. Nach § 54 Abs. 4 SGG kann neben der Aufhebung des Verwaltungsaktes gleichzeitig die Leistung verlangt werden, wenn der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung betrifft, auf die ein Rechtsanspruch besteht. Die Zulässigkeit einer solchen Klage setzt jedoch voraus, dass die Verwaltung gerade über die begehrte Leistung entschieden hat, hier also über die materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Davon kann indes keine Rede sein, wenn die Beklagte - wie hier - gemäß § 66 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) bis zur Nachholung der Mitwirkung eine Leistung mit der Begründung versagt, der Antragsteller sei seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen. Die Vorschrift des § 66 Abs. 1 SGB I erlaubt es dem Leistungsträger, "ohne weitere Ermittlungen", also ohne abschließende Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen, bis zur Nachholung der Mitwirkung die Leistung zu versagen. Maßgeblich ist allein, ob die in § 66 SGB I geregelten Voraussetzungen bei dem Erlass des Versagungsbescheides gegeben waren (vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), BVerwGE 71, 8 , 11 = Buchholz 435.11 § 66 Nr. 1). Mit der Versagung der Leistung mangels Mitwirkung hat die Beklagte eine Entscheidung getroffen, die sich ihrem Wesen nach von der Ablehnung des Leistungsanspruchs wegen des Fehlens einer Anspruchsvoraussetzung unterscheidet. Dies hat zur Folge, dass die Anfechtung einer Versagung grundsätzlich nicht mit einer Leistungsklage verbunden werden kann, die Versagung vielmehr allein mit der Anfechtungsklage anzugreifen ist, so dass sich die gerichtliche Überprüfung eines auf § 66 SGB I gestützten Bescheids auf die in dieser Vorschrift bestimmten Voraussetzungen für die Versagung der Leistung zu beschränken pflegt (vgl. Bundessozialgericht (BSG) SozR 1200 § 66 Nr. 13 und BVerwGE 71, 8 , 11 = Buchholz 435.11 § 66 Nr. 1).

Eine - somit allein statthafte - Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 SGG gegen den Versagungsbescheid vom 30. Juni 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. Dezember 2008 ist indes unbegründet, denn die angegriffenen Bescheide sind rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat zu Recht den Widerspruch als verfristet zurückgewiesen. Insoweit sieht der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheids als unbegründet zurück (§ 153 Abs. 2 SGG). Eine inhaltliche Befassung damit, ob der Versagungsbescheid zu Recht ergangen ist, ist dem Senat insoweit verwehrt.

Nur zur Klarstellung wird noch darauf hingewiesen, dass die Versagungsentscheidung nur bis zu dem Zeitpunkt fortwirkt, in dem der Betroffene seine Mitwirkung nachholt (§ 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Dies hat die Klägerin jedoch bis zum heutigen Tag nicht getan.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved