Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 6049/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 4913/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 6. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die am 21. Oktober 2010 nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Während der Antragsteller im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) noch einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 60 vom Hundert begehrt hat, ist dies bei sachdienlicher Auslegung nicht mehr Gegenstand seiner vorliegenden Beschwerde. Seiner Antragsschrift vom 26. September 2010 ist insoweit zu entnehmen, dass er nach einem persönlichen Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Antragsgegners am 24. September 2010 zunächst davon ausgegangen war, dass von Seiten des Antragsgegners eine Kürzung seiner Regelleistung beabsichtigt sei. Tatsächlich hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. September 2010 aber keine Kürzung der Regelleistung verfügt, sondern ihn gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verpflichtet, sich am 20. Oktober 2010 beim Caritasverband Stuttgart vorzustellen und gegen Mehraufwandsentschädigung ab dem 15. November 2010 an einer dreimonatigen Arbeitsgelegenheit im Sozialkaufhaus Stuttgart teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass er sich in seiner Beschwerdeschrift vom 18. Oktober 2010 nicht mehr zu einer Kürzung des Arbeitslosengeldes II, sondern nur noch zum Bescheid vom 29. September 2010 und der Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2010 geäußert hat, ist sachdienlich davon auszugehen, dass sich seine Beschwerde nicht gegen eine tatsächlich überhaupt nicht erfolgte Kürzung der Regelleistung richtet.
Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 29. September 2010 begehrt, ist seine Beschwerde zulässig, insbesondere auch statthaft. Der Beschwerde steht nicht § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG entgegen, weil in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Die Berufung ist vorliegend nicht durch § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG beschränkt. Danach ist bei einer Klage, die eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, die Berufung nur zulässig, wenn die Beschwer den Betrag von 750,00 Euro übersteigt. Gegenstand des Bescheides vom 29. September 2010, mit dem der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II zur Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet hat, ist zunächst keine Dienstleistung. Die Erweiterung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG um den Begriff der Dienstleistung durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zum 1. April 2008 sollte nach gesetzgeberischer Wertung klarstellen, dass solche Leistungen bereits nach altem Recht von der Ratio der Norm erfasst seien (Bundestagsdrucksache 16/7716 S. 21 zu Nr. 24). Nicht erfasst werden damit Dienstleistungen, die in keinerlei Hinsicht unter einen Sachleistungsbegriff fallen können, wie z.B. Arbeitsvermittlung, Beratung, Auskunft (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 9b; vgl. auch Senatsurteil vom 18. November 2010 - L 7 SO 2708/10 - (juris)). So liegt es hier. Bei dem Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II handelt es sich darüber hinaus auch nicht um einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er eine Absenkung der Regelleistung zur Folge haben könnte. Denn die Berufung ist auch dann nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG beschränkt, wenn es um Verwaltungsakte geht, die eigenständige Bedeutung haben und erst die Grundlage für spätere Zahlungen bilden können (Leitherer, a.a.O. Rdnr. 10b m.w.N.). In Verfahren, deren Gegenstand ein Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ist, ist die Berufung daher nicht beschränkt (vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009 - L 19 B 140/09 AS ER -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. März 2008 - L 7 AS 267/07 - (beide juris)).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Dieser ist als Verwaltungsakt, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung sofort vollziehbar (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. Juli 2009 - L 7 AS 243/09 B ER - (juris); LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009, a.a.O.). Der Eilantrag ist damit als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Weitere Sachentscheidungsvoraussetzung ist, dass bereits ein Hauptsacherechtsbehelf eingelegt, also zumindest Widerspruch erhoben worden ist (Binder in Hk-SGG, 3. Aufl., § 86b Rdnr. 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 7). Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss zwar darauf abgestellt, dass der Antragsteller gegen den Bescheid vom 29. September 2010 noch nicht Widerspruch eingelegt habe; in seiner Beschwerdeschrift vom 18. Oktober 2010 hat der Antragsteller jedoch u.a. "Anfechtungsklage u. Widerspruchsklage ( ) 1. gegen die Eingliederungsvereinbarung vom 12.04.2010 2. gegen die per Amtsweg vom Jobcenter Stuttgart vom 29.09.2010 erlassenen Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt als Beschluss" erhoben. Darin dürfte ein fristgerecht erhobener Widerspruch (u.a.) gegen den Bescheid vom 29. September 2010 zu sehen sein. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt diese Frist auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde eingegangen ist. Als Behörden im Sinne dieser Vorschrift sind auch inländische Gerichte anzusehen (Schlegel in Hennig, SGG, § 84 Rdnr. 17; Binder, a.a.O., § 84 Rdnr. 12). Mit Eingang der Beschwerdeschrift beim LSG Baden-Württemberg am 21. Oktober 2010 hat der Antragsteller diese Frist gewahrt. Die Beschwerdeschrift wurde auch am 25. Oktober 2010 an den Antragsgegner weitergeleitet, der am 2. November 2010 hierzu Stellung genommen hat.
Der zulässige Antrag ist aber nicht begründet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist. Ebenso wenig wie ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt ein öffentliches Interesse an der Vollziehbarkeit begründen kann, so dass in diesen Fällen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu erfolgen hat, kann ein Widerspruch oder eine Klage, die offensichtlich keinen Erfolg haben können, ein überwiegendes privates Interesse begründen, das die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würde. Vorliegend hat der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. September 2010 voraussichtlich keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Hiernach sollen die Regelungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Dies setzt im Einzelnen voraus, dass eine Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II nach hinreichender Verhandlungsphase nicht zustande kommt, dass der die Vereinbarung ersetzende Verwaltungsakt denselben Inhalt aufweist wie die Eingliederungsvereinbarung, also die vorgesehenen leistungsgewährenden oder -zusichernden Bestandteile mit einer Konkretisierung der Mitwirkungsobliegenheiten zusammenfasst. Der Leistungsträger darf das Zustandekommen der Eingliederungsvereinbarung zudem nicht durch unzumutbare Anforderungen vereitelt haben und muss sich im Einzelfall ernsthaft und konsensorientiert um eine Eingliederungsvereinbarung bemüht haben (Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 39 ff., m.w.N.).
Vorliegend geht aus den Verwaltungsakten hervor, dass sich der Antragsgegner bereits seit Ende des Jahres 2005 um die berufliche Eingliederung des Antragstellers bemüht hat. Nach einem undatierten ärztlichen Bericht der Ärztin für Innere Medizin/Pneumologie/Allergologie Dr. El S. (wohl aus dem Jahr 2007) leidet der Antragsteller an einem Lungenemphysem; leider sei er nicht bereit, seinen Nikotinabusus einzustellen bzw. an einer Raucherentwöhnung teilzunehmen. Eine Medikation sei derzeit nicht sinnvoll. Nach dem Gutachten von Dr. F. vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit/Agentur für Arbeit Stuttgart vom 27. Mai 2008 liegen beim Antragsteller eine soziale Anpassungsstörung ohne Hinweis auf eine leistungseinschränkende psychiatrische Erkrankung, eine chronische Einschränkung der Lungenfunktion bei fortgesetztem Nikotinmissbrauch, Hinweise auf schädlichen Alkoholmissbrauch ohne sichere Nachweise einer Abhängigkeitserkrankung, eine chronische Leberschädigung aufgrund einer durchgemachten Virusinfektion, ein Zustand nach zeitlich zurückliegendem Sprunggelenksbruch links mit nachfolgender Heilungsstörung sowie Fußverformungen vor. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei der Antragsteller vollschichtig leistungsfähig für überwiegend mittelschwere Arbeiten. Im April 2009 vereinbarten die Beteiligten die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit; diese hat der Antragsteller aber nicht angetreten. Der Antragsteller hält sich vielmehr für nicht leistungsfähig. Die von ihm in diesem Zusammenhang immer wieder begehrte ärztliche Bescheinigung wird ihm von der behandelnden Ärztin Dr. El S. offenbar nicht ausgestellt. Anregungen des Antragsgegners, sich von einer anderen Fachärztin oder erneut vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit untersuchen zu lassen, hat der Antragsteller zunächst zurückgewiesen. Am 12. April 2010 bestimmten die Beteiligten im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung als Zwischenziel, dass der Antragsteller eine ärztliche Bescheinigung von einem Allgemeinmediziner über seine Leistungsfähigkeit und einen Nachweis über einen neuen Facharzt vorlegen solle. Dem ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Bei einem Beratungsgespräch am 24. September 2010 hat er im Übrigen den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit dem Inhalt des Angebots einer Arbeitsgelegenheit ausdrücklich abgelehnt. Damit waren die Vertragsverhandlungen nach einer hinreichend langen Verhandlungsphase gescheitert.
Es ist darüber hinaus auch nicht erkennbar, dass der Antragsgegner das Zustandekommen der Eingliederungsvereinbarung durch unzumutbare Anforderungen vereitelt hätte. Dabei kann offen bleiben, ob die Wahrnehmung eines ärztlichen Untersuchungstermins zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit bereits deshalb nicht Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sein kann, weil die Erwerbsfähigkeit Voraussetzung für deren Abschluss ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Juli 2007 - L 3 ER 175/07 - (juris); Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 15 Rdnrn. 85.1 und 115.1). Zwar war Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2010 u.a. eine Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über seine Leistungsfähigkeit. Diese Eingliederungsvereinbarung sollte bis zum 11. Oktober 2010 gültig sein, sofern zwischenzeitlich nichts anderes vereinbart wird. Eine abweichende Regelung ist insofern jedenfalls in dem hier angefochtenen Bescheid vom 29. September 2010 zu sehen, der auf der Grundlage eines Beratungsgesprächs am 24. September 2010 erlassen wurde. Zu Recht ist das SG vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sachdienlich gegen den Bescheid vom 29. September 2010 richtet; denn ein Eilantrag gegen die Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2010 wäre bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Der Bescheid vom 29. September 2010 enthält aber jedenfalls keine unzumutbaren Anforderungen. Nachdem der Antragsteller bei einer Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit auch unter Berücksichtigung seiner Erkrankungen für vollschichtig leistungsfähig gehalten wurde und er weder eine ärztliche Bescheinigung über die von ihm behauptete mangelnde Leistungsfähigkeit vorgelegt hat noch bereit ist, sich erneut untersuchen zu lassen, erscheint das Angebot einer Arbeitsgelegenheit zur Prüfung der Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit jedenfalls nicht unzumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die am 21. Oktober 2010 nach § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegte Beschwerde hat keinen Erfolg.
Während der Antragsteller im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) noch einstweiligen Rechtsschutz gegen eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II um 60 vom Hundert begehrt hat, ist dies bei sachdienlicher Auslegung nicht mehr Gegenstand seiner vorliegenden Beschwerde. Seiner Antragsschrift vom 26. September 2010 ist insoweit zu entnehmen, dass er nach einem persönlichen Gespräch mit einer Mitarbeiterin des Antragsgegners am 24. September 2010 zunächst davon ausgegangen war, dass von Seiten des Antragsgegners eine Kürzung seiner Regelleistung beabsichtigt sei. Tatsächlich hat der Antragsgegner mit Bescheid vom 29. September 2010 aber keine Kürzung der Regelleistung verfügt, sondern ihn gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) verpflichtet, sich am 20. Oktober 2010 beim Caritasverband Stuttgart vorzustellen und gegen Mehraufwandsentschädigung ab dem 15. November 2010 an einer dreimonatigen Arbeitsgelegenheit im Sozialkaufhaus Stuttgart teilzunehmen. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstandes, dass er sich in seiner Beschwerdeschrift vom 18. Oktober 2010 nicht mehr zu einer Kürzung des Arbeitslosengeldes II, sondern nur noch zum Bescheid vom 29. September 2010 und der Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2010 geäußert hat, ist sachdienlich davon auszugehen, dass sich seine Beschwerde nicht gegen eine tatsächlich überhaupt nicht erfolgte Kürzung der Regelleistung richtet.
Soweit der Antragsteller die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den eine Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheid vom 29. September 2010 begehrt, ist seine Beschwerde zulässig, insbesondere auch statthaft. Der Beschwerde steht nicht § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG entgegen, weil in der Hauptsache die Berufung zulässig wäre. Die Berufung ist vorliegend nicht durch § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG beschränkt. Danach ist bei einer Klage, die eine Geld-, Sach- oder Dienstleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, die Berufung nur zulässig, wenn die Beschwer den Betrag von 750,00 Euro übersteigt. Gegenstand des Bescheides vom 29. September 2010, mit dem der Antragsgegner den Antragsteller gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II zur Aufnahme einer Arbeitsgelegenheit verpflichtet hat, ist zunächst keine Dienstleistung. Die Erweiterung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG um den Begriff der Dienstleistung durch das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) zum 1. April 2008 sollte nach gesetzgeberischer Wertung klarstellen, dass solche Leistungen bereits nach altem Recht von der Ratio der Norm erfasst seien (Bundestagsdrucksache 16/7716 S. 21 zu Nr. 24). Nicht erfasst werden damit Dienstleistungen, die in keinerlei Hinsicht unter einen Sachleistungsbegriff fallen können, wie z.B. Arbeitsvermittlung, Beratung, Auskunft (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 144 Rdnr. 9b; vgl. auch Senatsurteil vom 18. November 2010 - L 7 SO 2708/10 - (juris)). So liegt es hier. Bei dem Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II handelt es sich darüber hinaus auch nicht um einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt i.S.v. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass er eine Absenkung der Regelleistung zur Folge haben könnte. Denn die Berufung ist auch dann nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG beschränkt, wenn es um Verwaltungsakte geht, die eigenständige Bedeutung haben und erst die Grundlage für spätere Zahlungen bilden können (Leitherer, a.a.O. Rdnr. 10b m.w.N.). In Verfahren, deren Gegenstand ein Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ist, ist die Berufung daher nicht beschränkt (vgl. auch LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009 - L 19 B 140/09 AS ER -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. März 2008 - L 7 AS 267/07 - (beide juris)).
Die Beschwerde ist aber nicht begründet.
Das SG hat den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend begehrt der Antragsteller einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Verwaltungsakt zur Eingliederung in Arbeit nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Dieser ist als Verwaltungsakt, der Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen bei der Eingliederung in Arbeit regelt, gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II in der ab dem 1. Januar 2009 geltenden Fassung sofort vollziehbar (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 15. Juli 2009 - L 7 AS 243/09 B ER - (juris); LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 8. Juli 2009, a.a.O.). Der Eilantrag ist damit als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft.
Weitere Sachentscheidungsvoraussetzung ist, dass bereits ein Hauptsacherechtsbehelf eingelegt, also zumindest Widerspruch erhoben worden ist (Binder in Hk-SGG, 3. Aufl., § 86b Rdnr. 10; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 7). Das SG hat in dem angefochtenen Beschluss zwar darauf abgestellt, dass der Antragsteller gegen den Bescheid vom 29. September 2010 noch nicht Widerspruch eingelegt habe; in seiner Beschwerdeschrift vom 18. Oktober 2010 hat der Antragsteller jedoch u.a. "Anfechtungsklage u. Widerspruchsklage ( ) 1. gegen die Eingliederungsvereinbarung vom 12.04.2010 2. gegen die per Amtsweg vom Jobcenter Stuttgart vom 29.09.2010 erlassenen Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt als Beschluss" erhoben. Darin dürfte ein fristgerecht erhobener Widerspruch (u.a.) gegen den Bescheid vom 29. September 2010 zu sehen sein. Gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 SGG ist der Widerspruch binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Nach § 84 Abs. 2 Satz 1 SGG gilt diese Frist auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde eingegangen ist. Als Behörden im Sinne dieser Vorschrift sind auch inländische Gerichte anzusehen (Schlegel in Hennig, SGG, § 84 Rdnr. 17; Binder, a.a.O., § 84 Rdnr. 12). Mit Eingang der Beschwerdeschrift beim LSG Baden-Württemberg am 21. Oktober 2010 hat der Antragsteller diese Frist gewahrt. Die Beschwerdeschrift wurde auch am 25. Oktober 2010 an den Antragsgegner weitergeleitet, der am 2. November 2010 hierzu Stellung genommen hat.
Der zulässige Antrag ist aber nicht begründet. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch oder Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist. Ebenso wenig wie ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt ein öffentliches Interesse an der Vollziehbarkeit begründen kann, so dass in diesen Fällen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung zu erfolgen hat, kann ein Widerspruch oder eine Klage, die offensichtlich keinen Erfolg haben können, ein überwiegendes privates Interesse begründen, das die Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigen würde. Vorliegend hat der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 29. September 2010 voraussichtlich keinen Erfolg.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II. Hiernach sollen die Regelungen i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB II durch Verwaltungsakt erfolgen, wenn eine Eingliederungsvereinbarung nicht zustande kommt. Dies setzt im Einzelnen voraus, dass eine Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II nach hinreichender Verhandlungsphase nicht zustande kommt, dass der die Vereinbarung ersetzende Verwaltungsakt denselben Inhalt aufweist wie die Eingliederungsvereinbarung, also die vorgesehenen leistungsgewährenden oder -zusichernden Bestandteile mit einer Konkretisierung der Mitwirkungsobliegenheiten zusammenfasst. Der Leistungsträger darf das Zustandekommen der Eingliederungsvereinbarung zudem nicht durch unzumutbare Anforderungen vereitelt haben und muss sich im Einzelfall ernsthaft und konsensorientiert um eine Eingliederungsvereinbarung bemüht haben (Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 15 Rdnr. 39 ff., m.w.N.).
Vorliegend geht aus den Verwaltungsakten hervor, dass sich der Antragsgegner bereits seit Ende des Jahres 2005 um die berufliche Eingliederung des Antragstellers bemüht hat. Nach einem undatierten ärztlichen Bericht der Ärztin für Innere Medizin/Pneumologie/Allergologie Dr. El S. (wohl aus dem Jahr 2007) leidet der Antragsteller an einem Lungenemphysem; leider sei er nicht bereit, seinen Nikotinabusus einzustellen bzw. an einer Raucherentwöhnung teilzunehmen. Eine Medikation sei derzeit nicht sinnvoll. Nach dem Gutachten von Dr. F. vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit/Agentur für Arbeit Stuttgart vom 27. Mai 2008 liegen beim Antragsteller eine soziale Anpassungsstörung ohne Hinweis auf eine leistungseinschränkende psychiatrische Erkrankung, eine chronische Einschränkung der Lungenfunktion bei fortgesetztem Nikotinmissbrauch, Hinweise auf schädlichen Alkoholmissbrauch ohne sichere Nachweise einer Abhängigkeitserkrankung, eine chronische Leberschädigung aufgrund einer durchgemachten Virusinfektion, ein Zustand nach zeitlich zurückliegendem Sprunggelenksbruch links mit nachfolgender Heilungsstörung sowie Fußverformungen vor. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei der Antragsteller vollschichtig leistungsfähig für überwiegend mittelschwere Arbeiten. Im April 2009 vereinbarten die Beteiligten die Zuweisung in eine Arbeitsgelegenheit; diese hat der Antragsteller aber nicht angetreten. Der Antragsteller hält sich vielmehr für nicht leistungsfähig. Die von ihm in diesem Zusammenhang immer wieder begehrte ärztliche Bescheinigung wird ihm von der behandelnden Ärztin Dr. El S. offenbar nicht ausgestellt. Anregungen des Antragsgegners, sich von einer anderen Fachärztin oder erneut vom Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit untersuchen zu lassen, hat der Antragsteller zunächst zurückgewiesen. Am 12. April 2010 bestimmten die Beteiligten im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung als Zwischenziel, dass der Antragsteller eine ärztliche Bescheinigung von einem Allgemeinmediziner über seine Leistungsfähigkeit und einen Nachweis über einen neuen Facharzt vorlegen solle. Dem ist der Antragsteller nicht nachgekommen. Bei einem Beratungsgespräch am 24. September 2010 hat er im Übrigen den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit dem Inhalt des Angebots einer Arbeitsgelegenheit ausdrücklich abgelehnt. Damit waren die Vertragsverhandlungen nach einer hinreichend langen Verhandlungsphase gescheitert.
Es ist darüber hinaus auch nicht erkennbar, dass der Antragsgegner das Zustandekommen der Eingliederungsvereinbarung durch unzumutbare Anforderungen vereitelt hätte. Dabei kann offen bleiben, ob die Wahrnehmung eines ärztlichen Untersuchungstermins zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit bereits deshalb nicht Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sein kann, weil die Erwerbsfähigkeit Voraussetzung für deren Abschluss ist (so LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. Juli 2007 - L 3 ER 175/07 - (juris); Sonnhoff in jurisPK-SGB II, 2. Aufl. 2007, § 15 Rdnrn. 85.1 und 115.1). Zwar war Gegenstand der Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2010 u.a. eine Verpflichtung des Antragstellers zur Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung über seine Leistungsfähigkeit. Diese Eingliederungsvereinbarung sollte bis zum 11. Oktober 2010 gültig sein, sofern zwischenzeitlich nichts anderes vereinbart wird. Eine abweichende Regelung ist insofern jedenfalls in dem hier angefochtenen Bescheid vom 29. September 2010 zu sehen, der auf der Grundlage eines Beratungsgesprächs am 24. September 2010 erlassen wurde. Zu Recht ist das SG vor diesem Hintergrund davon ausgegangen, dass sich der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sachdienlich gegen den Bescheid vom 29. September 2010 richtet; denn ein Eilantrag gegen die Eingliederungsvereinbarung vom 12. April 2010 wäre bereits mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Der Bescheid vom 29. September 2010 enthält aber jedenfalls keine unzumutbaren Anforderungen. Nachdem der Antragsteller bei einer Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Bundesagentur für Arbeit auch unter Berücksichtigung seiner Erkrankungen für vollschichtig leistungsfähig gehalten wurde und er weder eine ärztliche Bescheinigung über die von ihm behauptete mangelnde Leistungsfähigkeit vorgelegt hat noch bereit ist, sich erneut untersuchen zu lassen, erscheint das Angebot einer Arbeitsgelegenheit zur Prüfung der Leistungswilligkeit und Leistungsfähigkeit jedenfalls nicht unzumutbar.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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