Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 4953/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 5754/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. August 2009 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008.
Der 1948 geborene Kläger hat von 1963 bis 1966 den Beruf eines Kfz-Mechanikers erlernt sowie von März 1977 bis Februar 1979 eine Ausbildung zum Güteprüfer/Qualitätsprüfer absolviert. Zuletzt arbeitete er von Januar 1999 bis Dezember 2004, der Kündigung durch den Arbeitgeber, als Bereichsleiter für Medizinprodukte. Vom 22. Dezember 2004 bis 20. Februar 2007 bezog er Arbeitslosengeld und anschließend Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld II.
Vom 29. April 2003 bis 20. Mai 2003 absolvierte der Kläger ein Heilverfahren in der Kurpark-Klinik Bad Schussenried. Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 20. Mai 2003 beim Kläger folgende Diagnosen: Postnukleotomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 im Jahr 1987, Gonarthrose rechts bei Zustand nach Meniskus-Operation rechts und Epicondylopathia humeri radialis links. Sie entließen den Kläger als arbeitsunfähig und führten aus, später werde es ihm wieder möglich sein, körperlich leichte Tätigkeiten durchzuführen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung heißt es, als Qualitätsüberwacher könne der Kläger täglich sechs Stunden und mehr arbeiten sowie leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Bücken, ohne unkontrollierte Drehbewegungen, ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Das Stehen sei zur Zeit nur für kurze Zeit möglich.
Am 24. Januar 2007 beantragte der Kläger, bei dem seit dem 19. Mai 2003 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt ist, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin von dem Chirurgen Dr. R. begutachten. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 5. März 2007 folgende Diagnosen: • Deutlicher Kniegelenksverschleiß rechts, beginnend links, Funktionseinschränkung rechts • Lendenwirbelsäulen(LWS)-Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 1988 ohne Wurzelreizzeichen, leichte Funktionseinschränkung • Beginnender Hüftgelenksverschleiß beidseits, keine Reizzeichen, keine wesentliche Funktionseinschränkung Als Nebendiagnosen nannte er Gefühlsstörungen am linken Handrücken nach Hundebissverletzung, Fußverbildung, Sehminderung rechtes Auge noch Splitterverletzung 2004. Er gelangte zum Ergebnis, als Leiter einer Qualitätssicherungsabteilung sei der Kläger sechs Stunden und mehr einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule könne der Kläger täglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 8. März 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch des Klägers wies sie nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. K. vom 7. Mai 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Juni 2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und anschließend von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt.
Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. hat in der Auskunft vom 17. Oktober 2007 über die Behandlungen des Klägers und die von ihr gestellten Diagnosen berichtet sowie ausgeführt, die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers sei vor allem aufgrund der Bewegungseinschränkungen und Schmerzen des rechten Knies deutlich reduziert. Hieraus resultiere eine Behinderung beim Gehen und Stehen. Das chronische Schmerzsyndrom und die psychisch belastende Situation wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes und der Vorgehensweise der früheren Firma habe zu einem depressiven Erschöpfungssyndrom geführt. Ihres Erachtens könne der Kläger keiner vollschichtigen Tätigkeit mehr nachgehen, sondern Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich verrichten.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. hat unter dem 22. Oktober 2007 mitgeteilt, der Kläger habe sich lediglich vom 3. Juni bis zum 2. Dezember 2004 in seiner Behandlung befunden, so dass er keine Angaben über den Gesundheitszustand des Klägers seit Oktober 2006 machen könne. Mit Schreiben vom 3. März 2008 hat der Kläger einen Arztbrief von Dr. K. vom 31. Dezember 2007 vorgelegt, in dem dieser ausführt, beim Kläger liege ein chronifizierter depressiver Erschöpfungszustand vor. Zusätzlich zu der schon bestehenden Schmerzmedikation habe er Amitryptilin retard bis 75 mg zur Nacht verordnet und einen weiteren Gesprächstermin vereinbart.
Der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. E. hat am 5. November 2007 mitgeteilt, der Kläger habe sich erstmalig im März 2006 und nochmals im Januar 2007 bei ihm vorgestellt. Dem Kläger sei die Implantation einer Schlittenprothese rechts empfohlen worden. Der Leistungsbeurteilung im Gutachten von Dr. R. stimme er zu.
Prof. Dr. R., Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, hat im Gutachten vom 5. März 2008 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: • Degenerative Veränderungen und Bewegungseinschränkungen der Brustwirbelsäule (BWS) • Degenerative Veränderungen der LWS bei Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 mit rezidivierenden Muskelreizerscheinungen und mittelgradiger Funktionseinschränkung • Stenose des Nervenaustrittloches L4 rechts, Gefühlsstörung rechte Wade • Deutliche degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes, beginnende degenerative Veränderungen der Innenseite des linken Kniegelenkes mit Funktionsbehinderung rechts • Beginnende degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke mit geringer Funktionsbehinderung rechts • Mäßige Fußverbildung beidseits • Gefühlstörungen am linken Handrücken mit geringer Bewegungseinschränkung der Langfinger nach Hundebissverletzung Wesentliche, die Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Störungen seien die Veränderungen der LWS und des rechten Kniegelenks. Vermeiden müsse der Kläger das Heben und Tragen schwerer Gegenstände. Eine überwiegend sitzende Tätigkeit, bei der er die Körperhaltung und die Stellung des rechten Beines häufiger und nach eigenem Befinden wechseln könne, könne der Kläger mindestens drei bis maximal sechs Stunden täglich verrichten. Das rechte Kniegelenke sollte durch ein Kunstgelenk saniert werden. Der Kläger sei unter Benutzung einer Gehstütze in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG Dr. B., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 4. August 2008 folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger auf seinen Fachgebieten festgestellt: • Mittelgradige depressive Episode, rezidivierend mit somatischem Syndrom • Dysthymia und somit doppelte Depression • Verdacht auf hirnorganisch kognitive Störung - erworben - • Chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium 3. Das Leistungsvermögen des Klägers sei insbesondere durch das Schmerzsyndrom und die Depression beeinträchtigt. Dies betreffe die Konzentration, Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeitsspanne und Antriebslage. Es bestehe eine rasche Erschöpfbarkeit. Der Kläger könne derzeit mit Pausen lediglich unter drei Stunden täglich arbeiten. Die Frage, seit wann die von ihm festgestellte Leistungseinschränkung bestehe, sei von ihm nur annäherungsweise zu beantworten, da er den Kläger nun erstmals gesehen habe. Nach den Einlassungen des Klägers müsse man von einem Zeitraum von drei bis vier Jahren ausgehen; nach den Angaben der Ehefrau sei es zu dem psychischen Einbruch mit der Kündigung nach dem Reha-Verfahren gekommen. Der Kläger schaffe es nicht täglich, viermal 500 m zurückzulegen.
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2008 hat die Beklagte anerkannt, dass der Kläger, der seit 1. Oktober 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhält (Bescheid vom 18. Juli 2008), seit dem 15. November 2007 sowohl teilweise als auch voll erwerbsgemindert ist. Sie hat sich bereit erklärt, dem Kläger befristet ab 1. Juni 2008 bis 30. November 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren und die höhere der Renten zu zahlen. Hierzu hat sie Stellungnahmen von Dr. St. vom 16. September 2008 und 16. Januar 2009 vorgelegt, der ausgeführt hat, die Beschwerden des Klägers würden jetzt ganz überwiegend auf nervenärztlich/psychiatrischem Gebiet liegen. Aufgrund der geschilderten Symptomatik sei ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich vorhanden. Da zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. R. im März 2007 nicht die jetzt erhobenen Befunde vorgelegen hätten und die depressive Symptomatik zum damaligen Zeitpunkt nicht im Vordergrund gestanden habe, könne als Leistungsfall hilfsweise die Mitte zwischen der Begutachtung im März 2007 und der aktuellen im August 2008 angenommen werden. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 hat die Beklagte das Anerkenntnis ausgeführt.
Mit Schriftsatz vom 14. November 2008 hat der Kläger das Anerkenntnis vom 7. Oktober 2008 als Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren, fortgeführt.
Das SG hat die Akten des Parallelverfahrens S 3 SB 4634/04, in dem die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers streitig war, beigezogen. Auf den Inhalt der Akte, insbesondere auch das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie F. vom 7. Oktober 2005, wird verwiesen.
Mit Urteil vom 19. August 2009 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2007 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 7. Oktober 2008 und i.d.F. des Bescheides vom 21. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, zur Überzeugung des SG stehe fest, dass der Kläger voll erwerbsgemindert sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien seit dem 1. Januar 2007 erfüllt. Dem liege zu Grunde, das die maßgebliche Reduzierung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers nach Auffassung des Gerichts für einen Zeitpunkt deutlich vor dem 1. Januar 2007 nachgewiesen sei. Das SG stütze sich hierbei maßgeblich auf das Gutachten des Dr. B ... Hiernach lägen die festgestellten Einschränkungen seit drei bis vier Jahren vor. Der Gutachter habe sich dabei auf die im Rahmen der Anamnese erhobenen Angaben des Klägers und die fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau des Klägers gestützt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 24. November 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Dezember 2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, zunächst sei zu beanstanden, dass sich weder aus dem Tenor noch aus den Gründen des angefochtenen Urteils mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, wann nach Auffassung des SG die volle Erwerbsminderung eingetreten sein soll. Eine volle Erwerbsminderung müsse im Übrigen sowohl hinsichtlich ihres Eintritts als auch ihrer - ununterbrochenen - Fortdauer mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Dies sei aber nach dem vorliegenden Beweisergebnis für Zeiten vor dem anerkannten Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht gegeben. Würdige man das gesamte vorliegende Beweisergebnis, so sei zu bedenken, dass der Kläger vom 3. Juni bis 2. Dezember 2004 und erst wieder im Dezember 2007 bei Dr. K. in nervenärztlicher Behandlung gewesen sei. Die Tatsache, dass in der Zwischenzeit keine nervenfachärztliche Behandlung stattgefunden habe, spreche gegen ein schwerwiegendes Krankheitsgeschehen auf diesem Gebiet. In dieser Auffassung sehe sie sich durch die Ausführungen im nervenärztlichen Gutachten von Dr. F. vom 7. Oktober 2005 bestätigt. Dr. W. habe zwar in ihrer Auskunft vom 17. Oktober 2007 mitgeteilt, dass am 2. August 2007 beim Kläger ein depressives Syndrom bestanden habe und gebe eine Arbeitsunfähigkeit vom 2. August bis 17. August 2007 an, vermerke aber im Untersuchungsbefund vom 11. Oktober 2007, dass die Stimmung besser als im Sommer sei, weshalb Insidon abgesetzt worden sei. Sie gehe deshalb davon aus, dass eine volle Erwerbsminderung für Zeiten vor dem 15. November 2007 nicht nachgewiesen worden sei, ebenso wenig eine teilweise Erwerbsminderung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat vom SG Stuttgart die Akte S 3 SB 4634/04 beigezogen und Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört.
Dr. K. hat in der Auskunft vom 28. April 2010 mitgeteilt, im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008 habe er den Kläger am 28. Dezember 2007, am 28. Februar, 14. Mai und 14. August 2008 gesehen. Auf psychiatrischem Gebiet habe eine rezidivierend depressive Störung vorgelegen. Während des von ihm zu übersehenden Zeitraum sei eine wesentliche Besserung nicht erkennbar gewesen. Über den weiteren Verlauf seit dem letzten Gespräch am 12. August 2008 könne er keine Angaben machen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG (S 2 R 4953/07 und S 3 SB 4634/04) sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008 hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Der Kläger war, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats in der Zeit von Januar 2007 bis Mai 2008 nicht erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats vor dem 15. November 2007 nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten der Chirurgen und Orthopäden Dr. R. vom 5. März 2007 und Prof. Dr. R. vom 5. März 2008, der sachverständigen Zeugenaussage des Chirurgen Dr. E. vom 5. November 2007, des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 4. August 2008 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 22. Oktober 2007 und 28. April 2010.
Die auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, insbesondere der deutliche Kniegelenksverschleiß rechts sowie die LWS-Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 im Jahr 1988, hinderten den Kläger in der streitigen Zeit nicht, körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden täglich zu verrichten und eine entsprechende Tätigkeit als Qualitätsprüfer/Güteprüfer auszuüben. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der übereinstimmenden Beurteilungen der Chirurgen und Orthopäden Dr. R. im Gutachten vom 5. März 2007 und Prof. Dr. R. im Gutachten vom 5. März 2008 sowie in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. E. vom 5. November 2007.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass in der noch streitigen Zeit das beim Kläger vorliegende Schmerzsyndrom und die depressive Störung so St. ausgeprägt waren, dass er körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. die Tätigkeit eines Qualitätsprüfers/Güteprüfer nicht mehr sechs Stunden täglich ausüben konnte. Ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für die Zeit vor dem 15. November 2007 vermag der Senat auch nicht aus dem Gutachten von Dr. B. vom 4. August 2008 abzuleiten.
Dr. B. selbst hat eingeräumt, dass er die Frage, seit wann das von ihm beim Kläger festgestellte Leistungsvermögen bestehe, nur annäherungsweise beantworten könne, da er den Kläger erstmals aus Anlass der Begutachtung, das heißt im August 2008, gesehen hat. Soweit er auf die Angaben des Klägers bzw. dessen Ehefrau abstellt, ist seine Argumentation nicht geeignet, mit hinreichender Gewissheit zu belegen, dass das von Dr. B. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers ununterbrochen in dem im August 2008 festgestellten Ausmaß seit drei bis vier Jahren bzw. seit der Kündigung bestanden hat. Insofern ist das Gutachten von Dr. B. angesichts der vorliegenden weiteren ärztlichen Äußerungen nicht überzeugend.
Zutreffend ist zwar, dass der Kläger im Jahr 2004 wegen eines sich immer mehr zuspitzenden Arbeitsplatzkonfliktes unter einem ausgeprägten depressiven Erschöpfungszustand gelitten hat, wie der Senat dem Arztbrief von Dr. K. vom 16. Juni 2004 und der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 8. November 2004 im Parallelverfahren (Akte S 3 SB 4634/04) entnimmt und er deswegen vom 3. Juni 2004 bis 2. Dezember 2004 in psychiatrischer Behandlung bei Dr. K. stand, wie dieser in der Zeugenaussage vom 22. Oktober 2007 angegeben hat. Nicht belegt ist jedoch, dass auch in der Zeit von Januar 2007 bis Mai 2008 eine gravierende depressive Störung beim Kläger vorlag, zumal er in der Zeit vom 2. Dezember 2004 bis 28. Dezember 2007, d.h. über drei Jahre, nicht wegen Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet behandelt wurde.
Dr. W. hat zwar beim Kläger am 15. März 2007 einen nervösen Erschöpfungszustand und am 2. August 2007 ein depressives Syndrom beim Kläger diagnostiziert und ihm im August 2007 Insidon verordnet, das jedoch aufgrund einer am 11. Oktober 2007 festgestellten gebesserten Stimmung wieder abgesetzt wurde. Da in der Zeit vor dem 28.12.2007 keine psychiatrische Behandlung erfolgte und dementsprechend kein aussagekräftiger psychischer Befund erhoben wurde, vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers vor dem 15. November 2007 für körperlich leichte Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten eines Qualitätsprüfers/Güteprüfers auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken war. Hinzu kommt, dass auch bei der Begutachtung durch Dr. R. im März 2007 kein auffälliger psychischer Befund erhoben wurde und der Kläger über Beschwerden auf psychischem Gebiet nicht geklagt hat.
Angesichts dessen ist der Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung oder der Berufsunfähigkeit vor dem 15. November 2007 nicht feststellbar. Auf die Berufung der Beklagten musste deswegen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008.
Der 1948 geborene Kläger hat von 1963 bis 1966 den Beruf eines Kfz-Mechanikers erlernt sowie von März 1977 bis Februar 1979 eine Ausbildung zum Güteprüfer/Qualitätsprüfer absolviert. Zuletzt arbeitete er von Januar 1999 bis Dezember 2004, der Kündigung durch den Arbeitgeber, als Bereichsleiter für Medizinprodukte. Vom 22. Dezember 2004 bis 20. Februar 2007 bezog er Arbeitslosengeld und anschließend Krankengeld bzw. Arbeitslosengeld II.
Vom 29. April 2003 bis 20. Mai 2003 absolvierte der Kläger ein Heilverfahren in der Kurpark-Klinik Bad Schussenried. Die dortigen Ärzte stellten im Entlassungsbericht vom 20. Mai 2003 beim Kläger folgende Diagnosen: Postnukleotomiesyndrom bei Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 im Jahr 1987, Gonarthrose rechts bei Zustand nach Meniskus-Operation rechts und Epicondylopathia humeri radialis links. Sie entließen den Kläger als arbeitsunfähig und führten aus, später werde es ihm wieder möglich sein, körperlich leichte Tätigkeiten durchzuführen. In der sozialmedizinischen Leistungsbeurteilung heißt es, als Qualitätsüberwacher könne der Kläger täglich sechs Stunden und mehr arbeiten sowie leichte Tätigkeiten ohne schweres Heben und Tragen von Lasten, ohne Bücken, ohne unkontrollierte Drehbewegungen, ohne Nachtschicht sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Das Stehen sei zur Zeit nur für kurze Zeit möglich.
Am 24. Januar 2007 beantragte der Kläger, bei dem seit dem 19. Mai 2003 ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt ist, die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte ließ den Kläger daraufhin von dem Chirurgen Dr. R. begutachten. Dieser stellte beim Kläger im Gutachten vom 5. März 2007 folgende Diagnosen: • Deutlicher Kniegelenksverschleiß rechts, beginnend links, Funktionseinschränkung rechts • Lendenwirbelsäulen(LWS)-Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 1988 ohne Wurzelreizzeichen, leichte Funktionseinschränkung • Beginnender Hüftgelenksverschleiß beidseits, keine Reizzeichen, keine wesentliche Funktionseinschränkung Als Nebendiagnosen nannte er Gefühlsstörungen am linken Handrücken nach Hundebissverletzung, Fußverbildung, Sehminderung rechtes Auge noch Splitterverletzung 2004. Er gelangte zum Ergebnis, als Leiter einer Qualitätssicherungsabteilung sei der Kläger sechs Stunden und mehr einsetzbar. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule könne der Kläger täglich sechs Stunden und mehr verrichten.
Mit Bescheid vom 8. März 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag des Klägers ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege. Den Widerspruch des Klägers wies sie nach Einholung einer beratungsärztlichen Stellungnahme bei Dr. K. vom 7. Mai 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 2007 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 21. Juni 2007 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart erhoben, mit der er die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung weiterverfolgt hat.
Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört und anschließend von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten und auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten eingeholt.
Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. W. hat in der Auskunft vom 17. Oktober 2007 über die Behandlungen des Klägers und die von ihr gestellten Diagnosen berichtet sowie ausgeführt, die berufliche Leistungsfähigkeit des Klägers sei vor allem aufgrund der Bewegungseinschränkungen und Schmerzen des rechten Knies deutlich reduziert. Hieraus resultiere eine Behinderung beim Gehen und Stehen. Das chronische Schmerzsyndrom und die psychisch belastende Situation wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes und der Vorgehensweise der früheren Firma habe zu einem depressiven Erschöpfungssyndrom geführt. Ihres Erachtens könne der Kläger keiner vollschichtigen Tätigkeit mehr nachgehen, sondern Tätigkeiten nur noch unter drei Stunden täglich verrichten.
Der Neurologe und Psychiater Dr. K. hat unter dem 22. Oktober 2007 mitgeteilt, der Kläger habe sich lediglich vom 3. Juni bis zum 2. Dezember 2004 in seiner Behandlung befunden, so dass er keine Angaben über den Gesundheitszustand des Klägers seit Oktober 2006 machen könne. Mit Schreiben vom 3. März 2008 hat der Kläger einen Arztbrief von Dr. K. vom 31. Dezember 2007 vorgelegt, in dem dieser ausführt, beim Kläger liege ein chronifizierter depressiver Erschöpfungszustand vor. Zusätzlich zu der schon bestehenden Schmerzmedikation habe er Amitryptilin retard bis 75 mg zur Nacht verordnet und einen weiteren Gesprächstermin vereinbart.
Der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. E. hat am 5. November 2007 mitgeteilt, der Kläger habe sich erstmalig im März 2006 und nochmals im Januar 2007 bei ihm vorgestellt. Dem Kläger sei die Implantation einer Schlittenprothese rechts empfohlen worden. Der Leistungsbeurteilung im Gutachten von Dr. R. stimme er zu.
Prof. Dr. R., Arzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie, hat im Gutachten vom 5. März 2008 beim Kläger folgende Diagnosen gestellt: • Degenerative Veränderungen und Bewegungseinschränkungen der Brustwirbelsäule (BWS) • Degenerative Veränderungen der LWS bei Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 mit rezidivierenden Muskelreizerscheinungen und mittelgradiger Funktionseinschränkung • Stenose des Nervenaustrittloches L4 rechts, Gefühlsstörung rechte Wade • Deutliche degenerative Veränderungen des rechten Kniegelenkes, beginnende degenerative Veränderungen der Innenseite des linken Kniegelenkes mit Funktionsbehinderung rechts • Beginnende degenerative Veränderungen beider Hüftgelenke mit geringer Funktionsbehinderung rechts • Mäßige Fußverbildung beidseits • Gefühlstörungen am linken Handrücken mit geringer Bewegungseinschränkung der Langfinger nach Hundebissverletzung Wesentliche, die Leistungsfähigkeit beeinträchtigende Störungen seien die Veränderungen der LWS und des rechten Kniegelenks. Vermeiden müsse der Kläger das Heben und Tragen schwerer Gegenstände. Eine überwiegend sitzende Tätigkeit, bei der er die Körperhaltung und die Stellung des rechten Beines häufiger und nach eigenem Befinden wechseln könne, könne der Kläger mindestens drei bis maximal sechs Stunden täglich verrichten. Das rechte Kniegelenke sollte durch ein Kunstgelenk saniert werden. Der Kläger sei unter Benutzung einer Gehstütze in der Lage, viermal täglich eine Wegstrecke von 500 m innerhalb von 20 Minuten zurückzulegen und zweimal täglich öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG Dr. B., Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, mit der Begutachtung des Klägers beauftragt. Dieser hat im Gutachten vom 4. August 2008 folgende Gesundheitsstörungen beim Kläger auf seinen Fachgebieten festgestellt: • Mittelgradige depressive Episode, rezidivierend mit somatischem Syndrom • Dysthymia und somit doppelte Depression • Verdacht auf hirnorganisch kognitive Störung - erworben - • Chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Gerbershagen Stadium 3. Das Leistungsvermögen des Klägers sei insbesondere durch das Schmerzsyndrom und die Depression beeinträchtigt. Dies betreffe die Konzentration, Aufmerksamkeit, Daueraufmerksamkeitsspanne und Antriebslage. Es bestehe eine rasche Erschöpfbarkeit. Der Kläger könne derzeit mit Pausen lediglich unter drei Stunden täglich arbeiten. Die Frage, seit wann die von ihm festgestellte Leistungseinschränkung bestehe, sei von ihm nur annäherungsweise zu beantworten, da er den Kläger nun erstmals gesehen habe. Nach den Einlassungen des Klägers müsse man von einem Zeitraum von drei bis vier Jahren ausgehen; nach den Angaben der Ehefrau sei es zu dem psychischen Einbruch mit der Kündigung nach dem Reha-Verfahren gekommen. Der Kläger schaffe es nicht täglich, viermal 500 m zurückzulegen.
Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2008 hat die Beklagte anerkannt, dass der Kläger, der seit 1. Oktober 2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen erhält (Bescheid vom 18. Juli 2008), seit dem 15. November 2007 sowohl teilweise als auch voll erwerbsgemindert ist. Sie hat sich bereit erklärt, dem Kläger befristet ab 1. Juni 2008 bis 30. November 2010 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren und die höhere der Renten zu zahlen. Hierzu hat sie Stellungnahmen von Dr. St. vom 16. September 2008 und 16. Januar 2009 vorgelegt, der ausgeführt hat, die Beschwerden des Klägers würden jetzt ganz überwiegend auf nervenärztlich/psychiatrischem Gebiet liegen. Aufgrund der geschilderten Symptomatik sei ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden täglich vorhanden. Da zum Zeitpunkt der Begutachtung durch Dr. R. im März 2007 nicht die jetzt erhobenen Befunde vorgelegen hätten und die depressive Symptomatik zum damaligen Zeitpunkt nicht im Vordergrund gestanden habe, könne als Leistungsfall hilfsweise die Mitte zwischen der Begutachtung im März 2007 und der aktuellen im August 2008 angenommen werden. Mit Bescheid vom 21. Oktober 2008 hat die Beklagte das Anerkenntnis ausgeführt.
Mit Schriftsatz vom 14. November 2008 hat der Kläger das Anerkenntnis vom 7. Oktober 2008 als Teilanerkenntnis angenommen und den Rechtsstreit mit dem Begehren, die Beklagte zu verurteilen, ihm auch für die Zeit ab Antragstellung Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung, zu gewähren, fortgeführt.
Das SG hat die Akten des Parallelverfahrens S 3 SB 4634/04, in dem die Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers streitig war, beigezogen. Auf den Inhalt der Akte, insbesondere auch das Gutachten des Arztes für Psychiatrie und Neurologie F. vom 7. Oktober 2005, wird verwiesen.
Mit Urteil vom 19. August 2009 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 8. März 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juni 2007 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 7. Oktober 2008 und i.d.F. des Bescheides vom 21. Oktober 2008 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt, zur Überzeugung des SG stehe fest, dass der Kläger voll erwerbsgemindert sei. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien seit dem 1. Januar 2007 erfüllt. Dem liege zu Grunde, das die maßgebliche Reduzierung des beruflichen Leistungsvermögens des Klägers nach Auffassung des Gerichts für einen Zeitpunkt deutlich vor dem 1. Januar 2007 nachgewiesen sei. Das SG stütze sich hierbei maßgeblich auf das Gutachten des Dr. B ... Hiernach lägen die festgestellten Einschränkungen seit drei bis vier Jahren vor. Der Gutachter habe sich dabei auf die im Rahmen der Anamnese erhobenen Angaben des Klägers und die fremdanamnestischen Angaben der Ehefrau des Klägers gestützt. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.
Gegen das am 24. November 2009 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Dezember 2009 Berufung eingelegt und vorgetragen, zunächst sei zu beanstanden, dass sich weder aus dem Tenor noch aus den Gründen des angefochtenen Urteils mit hinreichender Deutlichkeit ergebe, wann nach Auffassung des SG die volle Erwerbsminderung eingetreten sein soll. Eine volle Erwerbsminderung müsse im Übrigen sowohl hinsichtlich ihres Eintritts als auch ihrer - ununterbrochenen - Fortdauer mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit bewiesen sein. Dies sei aber nach dem vorliegenden Beweisergebnis für Zeiten vor dem anerkannten Eintritt der vollen Erwerbsminderung nicht gegeben. Würdige man das gesamte vorliegende Beweisergebnis, so sei zu bedenken, dass der Kläger vom 3. Juni bis 2. Dezember 2004 und erst wieder im Dezember 2007 bei Dr. K. in nervenärztlicher Behandlung gewesen sei. Die Tatsache, dass in der Zwischenzeit keine nervenfachärztliche Behandlung stattgefunden habe, spreche gegen ein schwerwiegendes Krankheitsgeschehen auf diesem Gebiet. In dieser Auffassung sehe sie sich durch die Ausführungen im nervenärztlichen Gutachten von Dr. F. vom 7. Oktober 2005 bestätigt. Dr. W. habe zwar in ihrer Auskunft vom 17. Oktober 2007 mitgeteilt, dass am 2. August 2007 beim Kläger ein depressives Syndrom bestanden habe und gebe eine Arbeitsunfähigkeit vom 2. August bis 17. August 2007 an, vermerke aber im Untersuchungsbefund vom 11. Oktober 2007, dass die Stimmung besser als im Sommer sei, weshalb Insidon abgesetzt worden sei. Sie gehe deshalb davon aus, dass eine volle Erwerbsminderung für Zeiten vor dem 15. November 2007 nicht nachgewiesen worden sei, ebenso wenig eine teilweise Erwerbsminderung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. August 2009 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat vom SG Stuttgart die Akte S 3 SB 4634/04 beigezogen und Dr. K. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört.
Dr. K. hat in der Auskunft vom 28. April 2010 mitgeteilt, im Zeitraum vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008 habe er den Kläger am 28. Dezember 2007, am 28. Februar, 14. Mai und 14. August 2008 gesehen. Auf psychiatrischem Gebiet habe eine rezidivierend depressive Störung vorgelegen. Während des von ihm zu übersehenden Zeitraum sei eine wesentliche Besserung nicht erkennbar gewesen. Über den weiteren Verlauf seit dem letzten Gespräch am 12. August 2008 könne er keine Angaben machen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG (S 2 R 4953/07 und S 3 SB 4634/04) sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung der Beklagten ist auch begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. Januar 2007 bis 31. Mai 2008 hat.
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI -). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (s. hierzu § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI). Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Darüber hinaus ist nach § 43 Abs. 3 SGB VI generell nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigten (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Gemäß § 240 Abs. 1 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres bzw. bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze auch Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind.
Der Kläger war, an diesem gesetzlichen Maßstab orientiert, zur Überzeugung des Senats in der Zeit von Januar 2007 bis Mai 2008 nicht erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig.
Eine Erwerbsminderung des Klägers, das heißt ein Absinken seiner beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als sechs Stunden täglich, lässt sich zur Überzeugung des Senats vor dem 15. November 2007 nicht belegen. Dies ergibt sich im Wesentlichen aus der Gesamtwürdigung der Gutachten der Chirurgen und Orthopäden Dr. R. vom 5. März 2007 und Prof. Dr. R. vom 5. März 2008, der sachverständigen Zeugenaussage des Chirurgen Dr. E. vom 5. November 2007, des Gutachtens des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 4. August 2008 sowie der sachverständigen Zeugenaussagen des Neurologen und Psychiaters Dr. K. vom 22. Oktober 2007 und 28. April 2010.
Die auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen, insbesondere der deutliche Kniegelenksverschleiß rechts sowie die LWS-Beschwerden bei degenerativen Veränderungen und Zustand nach Bandscheiben-Operation L 4/5 im Jahr 1988, hinderten den Kläger in der streitigen Zeit nicht, körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen sechs Stunden täglich zu verrichten und eine entsprechende Tätigkeit als Qualitätsprüfer/Güteprüfer auszuüben. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat aufgrund der übereinstimmenden Beurteilungen der Chirurgen und Orthopäden Dr. R. im Gutachten vom 5. März 2007 und Prof. Dr. R. im Gutachten vom 5. März 2008 sowie in der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. E. vom 5. November 2007.
Der Senat vermag auch nicht festzustellen, dass in der noch streitigen Zeit das beim Kläger vorliegende Schmerzsyndrom und die depressive Störung so St. ausgeprägt waren, dass er körperlich leichte Tätigkeiten überwiegend im Sitzen bzw. die Tätigkeit eines Qualitätsprüfers/Güteprüfer nicht mehr sechs Stunden täglich ausüben konnte. Ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen für die Zeit vor dem 15. November 2007 vermag der Senat auch nicht aus dem Gutachten von Dr. B. vom 4. August 2008 abzuleiten.
Dr. B. selbst hat eingeräumt, dass er die Frage, seit wann das von ihm beim Kläger festgestellte Leistungsvermögen bestehe, nur annäherungsweise beantworten könne, da er den Kläger erstmals aus Anlass der Begutachtung, das heißt im August 2008, gesehen hat. Soweit er auf die Angaben des Klägers bzw. dessen Ehefrau abstellt, ist seine Argumentation nicht geeignet, mit hinreichender Gewissheit zu belegen, dass das von Dr. B. festgestellte Leistungsvermögen des Klägers ununterbrochen in dem im August 2008 festgestellten Ausmaß seit drei bis vier Jahren bzw. seit der Kündigung bestanden hat. Insofern ist das Gutachten von Dr. B. angesichts der vorliegenden weiteren ärztlichen Äußerungen nicht überzeugend.
Zutreffend ist zwar, dass der Kläger im Jahr 2004 wegen eines sich immer mehr zuspitzenden Arbeitsplatzkonfliktes unter einem ausgeprägten depressiven Erschöpfungszustand gelitten hat, wie der Senat dem Arztbrief von Dr. K. vom 16. Juni 2004 und der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. K. vom 8. November 2004 im Parallelverfahren (Akte S 3 SB 4634/04) entnimmt und er deswegen vom 3. Juni 2004 bis 2. Dezember 2004 in psychiatrischer Behandlung bei Dr. K. stand, wie dieser in der Zeugenaussage vom 22. Oktober 2007 angegeben hat. Nicht belegt ist jedoch, dass auch in der Zeit von Januar 2007 bis Mai 2008 eine gravierende depressive Störung beim Kläger vorlag, zumal er in der Zeit vom 2. Dezember 2004 bis 28. Dezember 2007, d.h. über drei Jahre, nicht wegen Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Gebiet behandelt wurde.
Dr. W. hat zwar beim Kläger am 15. März 2007 einen nervösen Erschöpfungszustand und am 2. August 2007 ein depressives Syndrom beim Kläger diagnostiziert und ihm im August 2007 Insidon verordnet, das jedoch aufgrund einer am 11. Oktober 2007 festgestellten gebesserten Stimmung wieder abgesetzt wurde. Da in der Zeit vor dem 28.12.2007 keine psychiatrische Behandlung erfolgte und dementsprechend kein aussagekräftiger psychischer Befund erhoben wurde, vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Leistungsvermögen des Klägers vor dem 15. November 2007 für körperlich leichte Tätigkeiten bzw. Tätigkeiten eines Qualitätsprüfers/Güteprüfers auf unter sechs Stunden täglich herabgesunken war. Hinzu kommt, dass auch bei der Begutachtung durch Dr. R. im März 2007 kein auffälliger psychischer Befund erhoben wurde und der Kläger über Beschwerden auf psychischem Gebiet nicht geklagt hat.
Angesichts dessen ist der Eintritt eines Leistungsfalles der Erwerbsminderung oder der Berufsunfähigkeit vor dem 15. November 2007 nicht feststellbar. Auf die Berufung der Beklagten musste deswegen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor
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