S 14 U 152/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 14 U 152/08
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 17 U 678/10
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Anerkennung eines Unfalles als Arbeitsunfall.

Der am 00.00.1978 geborene Kläger war seit September 2004 Student der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen, Abteilung Paderborn.

Nach der Unfallanzeige dieser vom 19.09.2007 verdrehte er sich im Rahmen der Teilnahme als Spieler an einem Fußballturnier am 19.06.2007 das linke Knie und erlitt dabei einen Riss des vorderen Kreuzbandes. An diesem Fußballturnier, welches alljährlich in langjähriger Tradition an einer der vier Abteilungen der Fachhochschule (Aachen, Köln, Münster, Paderborn) stattfindet und vom allgemeinen Studentenausschuss (AStA) der Fachhochschule Abteilung Paderborn in Zusammenhang mit den AStA der anderen Abteilungen organisiert wurde, nahmen im konkreten Falle nach Auskunft des AStA ca. 60 Studenten aktiv teil, zuzüglich 15 Mitgliedern des AStA sowie des Studentenparlaments; die Kosten der Veranstaltung wurden aus dem Etat des AStA der ausrichtenden Abteilung übernommen, die Sportstätte, ein Kunstrasenplatz, kostenlos von der Stadt Paderborn überlassen.

Mit Bescheid vom 14.01.2008 lehnte die Beklagte eine Anerkennung eines Arbeitsunfalles mit der Begründung ab, das Fußballturnier sei weder eine Veranstaltung im Rahmen des allgemeinen Hochschulsportes gewesen, noch sei der Kläger im Unfallzeitpunkt einer studienbezogenen Tätigkeit nachgegangen; vielmehr trage das Turnier den Charakter einer Freizeitveranstaltung. Mit dem hiergegen erhobenen Widerspruch machte der Kläger geltend, das Fußballturnier sei fester Bestandteil des Hochschulprogrammes; es sei im Übrigen neben dem normalen Vorlesungsbetrieb abgehalten worden und sei von der hochschulbezogenen Institution AStA organisiert worden; an der Veranstaltung hätten auch ausschließlich Studenten und Dozenten teilgenommen. Es handele sich um eine offizielle Hochschulveranstaltung unter Leitung hochschulbezogener Institutionen, so dass ein Arbeitsunfall vorläge. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.07.2008 wies die Beklagte den Widerspruch zurück; zwar falle unabhängig vom jeweiligen Studienfach auch die Teilnahme am allgemeinen Hochschulsport unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, erforderlich sei jedoch dass das Sportangebot den Charakter einer offiziellen Hochschulveranstaltung besäße, von der Hochschule selbst oder einer hochschulbezogenen Institution durchgeführt werde und die Sportausübung innerhalb des organisierten Übungsbetriebes während festgesetzter Zeiten und unter Leitung eines Übungsleiters stattfände; in diesem Sinne gehöre das Fußballturnier nicht zum regelmäßigen Sportprogamm, da es sich um eine Veranstaltung handele, die einmal jährlich bzw. alle vier Jahre von der Abteilung in Paderborn ausgerichtet werde; gegen die Annahme von Versicherungsschutz spräche im Übrigen der Wettkampfcharakter des Turniers sowie der damit verbundene persönliche sportliche Ehrgeiz, sich mit anderen Studenten zu messen, demgegenüber allgemeinen Gesichtspunkten wie Geselligkeit, Integration bzw. Schaffung gesundheitlichen Ausgleichs zu Belastungen des Studiums nur nachrangige Bedeutung zukomme.

Hiergegen richtet sich die am 21.07.2008 erhobene Klage, mit welcher der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Er macht geltend, das Fußballturnier habe im normalen Lehrbetrieb stattgefunden und sei zumindest wie eine Hochschulsportveranstaltung durchgeführt worden. Grundlage der Teilnahme am Fußballturnier sei die Teilnahme am allgemeinen Hochschulsport, insoweit er seit Beginn seines Studiums an der Fußball-Volleyball- und Badminton-AG, welche als ergänzende Lehrveranstaltungen im Vorlesungsverzeichnis aufgeführt seien, teilgenommen habe; dabei sei seine Teilnahme in den ersten Semestern regelmäßig gewesen, wohingegen er zur Zeit des Turniers sich im Praxissemester befunden habe und von daher seine Teilnahme eher unregelmäßig stattgefunden habe, weshalb er auch ein zusätzliches Angebot zur Vorbereitung auf das Fußballturnier aus zeitlichen Gründen nicht habe wahrnehmen können. Zumindest unter dem Gesichtspunkt einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung sei die Teilnahme am Turnier unfallversichert gewesen.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Bescheides vom 14.01.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 festzustellen, dass der Unfall vom 19.06.2007 ein Arbeitsunfall war.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht zunächst die Ausführungen ihrer Verwaltungsentscheidungen zum Gegenstand ihrer Klageerwiderung und bekräftigt ihre Auffassung, Unfallversicherungsschutz sei nicht zu begründen; die bloße zeitliche Deckungsgleichheit mit normalem Lehrbetrieb vermöge dem Turnier nicht den Charakter einer Hochschulveranstaltung zu verleihen. Dass es sich nicht um eine Veranstaltung allgemeinen Hochschulsports gehandelt habe, ergäbe sich im Übrigen aus der im Turniercharakter und dem jährlichen Abstand der Veranstaltung bzw. deren Nichtaufnahme in das Vorlesungsprogramm. Abgesehen davon habe das Bundessozialgericht (BSG) hinsichtlich Versicherungsschutz bei Teilnahme am Betriebssport seine frühere Auffassung ausdrücklich revidiert und konstatiert, eine Ausdehnung des Versicherungsschutzes auch auf gelegentliche Turniere bzw. Wettkämpfe mit anderen Betriebssportgemeinschaften sei durch triftige sachliche Gründe nicht mehr gerechtfertigt. Ebensowenig sei Versicherungsschutz unter dem Aspekt der Teilnahme an einer betrieblichen Gemeinschaftsveranstaltung zu begründen, sollten die entsprechenden Grundsätze überhaupt anwendbar sein; keine Gemeinschaftsveranstaltungen seien nämlich solche, die rein sportlichen Charakter hätten und nur einen begrenzten Kreis der Beschäftigten ansprächen.

Wegen der sonstigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG- statthafte Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 14.08.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.07.2008 es zu Recht abgelehnt, den Unfall des Klägers vom 19.06.2007 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Hierdurch ist der Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 des 7. Buches Sozialgesetzbuch -SGB VII- Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit. Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem der Unfall sich ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusam-menhang zwischen versicherter Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalles ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu welcher Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.

Im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und unter Versicherungsschutz steht seit der grundlegenden Entscheidung des BSG vom 28.11.1961 (BSGE 16, 1, 3) der Betriebssport unter bestimmten Voraussetzungen; sportliche Betätigungen nämlich, die einen Ausgleich für die Betriebsarbeit bezwecken, dienen nicht nur den persönlichen Interessen des Beschäftigen, sondern wesentlich auch denen des Unternehmens und sind insoweit der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Nach der weiteren Entscheidung des BSG vom 28.08.1968 (BSGE 28, 204) gilt entsprechendes für Lernende bzw. Studenten; der Versicherungsschutz gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 8 c SGB VII umfasst insoweit nicht nur alle unmittelbar studienbezogenen Tätigkeiten, sondern auch die Teilnahme am allgemeinen Hochschulsport.

Voraussetzung für die Annahme versicherten Betriebssportes ist, dass der Sport Ausgleichs -und nicht Wettkampfcharakter hat, dem Sinne der Leibesübungen entsprechend die sportliche Betätigung mit Regelmäßigkeit stattfindet und der Teilnehmerkreis im Wesentlichen auf Angehörige des Unternehmens (hier Mitglieder der Hochschule im Sinne von Hochschulbeschäftigten und Studierenden - vgl. hierzu Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 27.04.2006 - Az ... L 2 U 238/05) beschränkt ist.

Diese Voraussetzungen sind zwar hinsichtlich der Teilnahme an den im Vorlesungsverzeichnis als ergänzende Lehrveranstaltungen aufgeführten Sport-Arbeitsgemeinschaften gegeben, jedoch nicht hinsichtlich der Teilnahme des hier in Rede stehenden Fußballturniers. Das BSG hat insoweit unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, nach welcher auch ein gelegentlicher Wettkampf gegen Mannschaften anderer Betriebssportgemeinschaften den Ausgleichszwecken der sportlichen Betätigung als nichtentgegenstehend erachtet wurde, auch wenn dieser außerhalb regelmäßiger Übungsstunden erfolgte (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 29) ausdrücklich und allgemein aufgegeben (Urteil vom 13.12.2005 -Az. B 2 U 29/04 R) und dabei die Verfolgung eigener Interessen, nämlich der Gesunderhaltung und körperlichen Leistungstüchtigkeit bzw. des Ehrgeizes, sich im Wettkampf mit Anderen zu messen, gegenüber nur noch entfernt unternehmensbezogenen Zwecken (nämlich mittelbar die Begeisterung an der regelmäßigen betriebssportlichen oder hochschulsportlichen Betätigung zu erhalten bzw. zu erhöhen) bei wertender Betrachtungsweise ein deutliches Überragen zugemessen. Dem schließt sich das Gericht unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten an. Im Gegensatz zur eigentlichen versicherten Tätigkeit, die mit der Handlungstendenz ausgeübt wird, den Unternehmenszwecken zu dienen, dient der Betriebssport wesentlich auch eigenen Interessen des Beschäftigten, so dass seine Einbeziehung bereits eine Ausnahme und Erweiterung des Versicherungsschutzes darstellt; diese Erweiterung nochmals auszudehnen, erscheint, dem BSG folgend, auch dem Gericht nicht mehr durch triftige Gründe tragbar (noch weitergehend Sozialgericht Chemnitz, Urteil vom 26.10.2005 -Az. S 8 U 159/05-, welches sogar die sportliche Betätigung im Rahmen des Betriebssportes nicht in hinreichend deutlichem Bezug zur versicherten Tätigkeit ansieht und als lediglich indirekt der beruflichen Leistungsfähigkeit zuträglich nicht geeignet ansieht, Versicherungsschutz zu begründen).

Die Teilnahme am unfallbringenden Fußballturnier als vom regelmäßigen, auf Ausgleich der studentischen Lerntätigkeit abzielenden Hochschulsports weitgehend losgelöste, ihr entfernt stehende Betätigung vermochte somit Unfallversicherungsschutz nicht zu begründen; soweit das BSG noch in seiner Entscheidung vom 28.08.1968 (BSGE 28, 204, 206) meinte, Fälle ähnlicher Art seien nach besonderen Gesichtspunkten zu beurteilen bzw. die strikte Anwendung der Grundsätze des Betriebssportes sei bei Lernenden ein "nicht ganz adäquater Maßstab" besteht hierfür bei der gebotenen Wertung in Anbetracht der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung kein Raum mehr. Überdies ist im Falle des Klägers ausgehend von seinen eigenen Angaben festzustellen, dass er zuletzt jedenfalls nicht einmal mehr regelmäßig an der allgemeinen im Vorlesungsverzeichnis ausgewiesenen Sport-AG teilgenommen hat, so dass, selbst der aktuellen Rechtsprechung des BSG nicht folgend, es bereits der Grundlage der Einbeziehung auch gelegentlicher Wettkampfveranstaltungen in den Unfallversicherungsschutz fehlte; wie ausgeführt muss, dem Sinn von Leibesübungen entsprechend, die sportliche Betätigung mit einer Regelmäßigkeit stattfinden und muss auch die Teilnahme regelmäßig erfolgen (vgl. hierzu Bereiter-Hahn/Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, Handkommentar, § 8 SGB VII Anm. 7.12.2 m.w.N.).

Die Klage war nach alledem abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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