L 11 KR 5203/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4750/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 5203/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 28. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auch im Beschwerdeverfahren.

Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt F., Fr., bewilligt.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren eine einstweilige Regelung über das Bestehen von Versicherungsschutz (über eine Mitgliedschaft bzw in Form der Familienversicherung) in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Die Antragsteller zu 2 bis 4 sind die ehelichen Kinder der am 1984 geborenen Antragstellerin zu 1. Die Antragstellerin zu 1 war bis zum 31. Mai 1984 als Tochter einer Beamtin bei einer deutschen Versicherungsgesellschaft privat krankenversichert. Nach ihrer Heirat zog sie mit ihrem Ehemann nach Ägypten. Dort war sie bei verschiedenen Arbeitgebern, ua an der Rezeption und im Empfang eines Hotels in K., erwerbstätig. Am 21. September 2009 reiste die Antragstellerin zu 1 mit ihren Kindern, den Antragstellern zu 2 bis 4, wieder nach Deutschland ein. Der Ehemann der Antragstellerin, der nach dem derzeitig bekannten Sachverhalt weder gesetzlich noch privat krankenversichert ist, verblieb zunächst in Ägypten. Auf ihren Antrag erhielten die Antragsteller ab dem 1. Oktober 2009 Arbeitslosengeld II.

Die Antragsgegnerin teilte der Antragstellerin zu 1 allerdings mit Bescheid vom 16. Juni 2010 mit, dass eine Mitgliedschaft bei ihr nicht zustande gekommen sei. Seit dem 1. Januar 2009 trete für zuletzt privat krankenversicherte Personen durch den Bezug von Arbeitslosengeld II keine Versicherungspflicht mehr ein. Eine Mitgliedschaft ab dem Tag der Einreise in die Bundesrepublik sei ebenfalls nicht mehr möglich, da die Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) nur für Personen eintrete, die keinen anderweitigen Versicherungsschutz im Krankheitsfall hätten und zuletzt gesetzlich krankenversichert gewesen seien. Gegen diesen Bescheid legte die anwaltlich vertretene Antragstellerin zu 1 Widerspruch ein, über den bislang noch nicht entschieden ist.

Am 16. September 2010 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Freiburg (SG) den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt und geltend gemacht, der Krankenversicherungsschutz könne nicht unter Berufung auf § 5 Abs 5a SGB V verweigert werden. Diese Vorschrift setze voraus, dass der private Krankenversicherungsschutz tatsächlich unmittelbar vor dem Alg II-Bezug vorgelegen haben müsse. Irrelevant sei hingegen, ob sie zu irgendeinem Zeitpunkt einmal privat krankenversichert gewesen seien. Der Rechtsstreit bedürfe auch einer sofortigen Regelung, da die Antragstellerin zu 1 dringend auf zahnärztliche Behandlung angewiesen sei. Am 24. September 2010 hat die Antragstellerin zu 1 dem SG zur Kenntnis gegeben, dass ihr Ehemann zwischenzeitlich in die Bundesrepublik Deutschland (BRD) eingereist sei und notfallmäßig in der Uniklinik Fr. stationär habe aufgenommen werden müssen. Es bestehe der Verdacht auf eine Hepatitiserkrankung.

Mit Beschluss vom 28. Oktober 2010 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antragstellern vorläufig bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens die Leistungen der GKV zu gewähren. Der SG hat in den Gründen seiner Entscheidung dargelegt, weshalb im vorliegenden Fall aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II bei der Antragstellerin zu 1 Versicherungspflicht in der GKV eingetreten sei.

Gegen diesen Beschluss hat die Antragsgegnerin am 8. November 2010 beim SG Beschwerde eingelegt. Sie sieht sich in ihrer Rechtsauffassung durch die Entscheidung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 23. August 2010 (L 16 KR 329/10 B ER) bestätigt.

II.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft und nicht durch § 172 Abs 3 Nr 1 SGG ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt. Sie ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Denn das SG hat die Antragsgegnerin zu Recht verpflichtet, den Antragstellern vorläufig bis zum Abschluss des Vorverfahrens die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewähren.

Gemäß § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung von wesentlichen Nachteilen nötig erscheint (sog Regelungsanordnung). Die Voraussetzungen sind gemäß § 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm § 920 Abs 2 Zivilprozessordnung glaubhaft zu machen. Mit der Regelungsanordnung kann eine Rechtsposition vorläufig begründet oder erweitert werden. Der Erlass einer Regelungsanordnung setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, also des materiellen Anspruchs, der grundsätzlich die summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache verlangt, und eines Anordnungsgrundes, der Eilbedürftigkeit, voraus. Der Anordnungsgrund ist gegeben, wenn es dem Antragsteller nicht zuzumuten ist, die Entscheidung über den Anspruch in der Hauptsache abzuwarten. Das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache darf nicht mit wesentlichen Nachteilen verbunden sein; dh es muss eine dringliche Notlage vorliegen, die eine sofortige Entscheidung erfordert.

Im Rahmen des Anordnungsanspruchs ist die Sach- und Rechtslage wegen des Grundrechts auf effektiven Rechtsschutz (Art 19 Abs 4 Grundgesetz) nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschlüsse vom 12. Mai 2005, 1 BvR 569/05, Breith 2005, 803, und vom 22. November 2002, 1 BvR 1586/02, NJW 2003, 1236, mwN). Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009, 1 BvR 120/09, NZS 2009, 674). Eine solche Fallgestaltung ist anzunehmen, wenn es im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes um die Sicherung des verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums oder um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung bzw den Krankenversicherungsschutz als solchen - wie vorliegend - geht. Ist dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden.

Die Antragsteller haben vorliegend sowohl einen Anordnungsanspruch als auch den Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Versicherungspflichtig sind gemäß § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V in der Fassung des Art 5 Nr 1b des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2954) Personen in der Zeit, für die sie Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch (SGB II) beziehen, soweit sie nicht familienversichert sind, es sei denn, dass diese Leistung nur darlehensweise gewährt wird oder nur Leistungen nach § 23 Abs 3 Satz 1 SGB II bezogen werden; dies gilt auch, wenn die Entscheidung, die zum Bezug der Leistung geführt hat, rückwirkend aufgehoben oder die Leistung zurückgefordert oder zurückgezahlt worden ist.

Die Antragstellerin zu 1 ist nach Auffassung des Senats unter Berücksichtigung des nach Aktenlage bekannten Sachverhalts versicherungspflichtig im Sinne des § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V. Denn sie bezieht Arbeitslosengeld II nicht nur darlehensweise und ist auch nicht familienversichert, da ihr Ehemann, der sich mittlerweile auch in der BRD aufhält, derzeit ebenfalls nicht gesetzlich pflichtversichert ist.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Versicherungspflicht nicht nach § 5 Abs 5a Satz 1 SGB V in der ab 1. Januar 2009 gültigen Fassung des Art 1 Nr 2b GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, 378) ausgeschlossen. Danach ist nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V nicht versicherungspflichtig, wer unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war oder weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs 5 SGB V oder den in § 6 Abs 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte. Dies gilt wiederum gemäß § 5 Abs 5a Satz 2 SGB V nicht für Personen, die am 31. Dezember 2008 nach § 5 Abs 1 Nr 2a SGB V versicherungspflichtig waren, für die Dauer ihrer Hilfebedürftigkeit.

Schon nach dem eindeutigen Wortlaut enthält § 5 Abs 5a Satz 1 SGB V zwei Alternativen, nach denen die Versicherungspflicht ausgeschlossen ist, wobei die zweite Alternative wiederum selbst zwei Unteralternativen vorsieht.

Der Ausschluss der Versicherungspflicht kann nicht auf § 5 Abs 5a Satz 1 1. Alt SGB V gestützt werden, da die Antragstellerin zu 1 nicht unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II privat krankenversichert war. Denn die 1984 geborene Antragstellerin zu 1 war zwar – zusammen mit ihrer verbeamteten Mutter - bis 31. Mai 2004 privat in der BRD krankenversichert, ist jedoch nach ihrer Heirat nach Ägypten umgezogen und war dort zuletzt auf ein Jahr befristet ab 16. März 2009 in Vollzeit im M. Resort K. zu einem Gehalt von 400 $ monatlich beschäftigt. Am 21. September 2009 ist die Antragstellerin zu 1 mit ihren 2007 und 2008 geborenen Kindern, den Antragstellern zu 2 bis 4, wieder in die BRD eingereist und bezieht seit 1. Oktober 2009 Arbeitslosengeld II. Die Zeitspanne zwischen dem 31. Mai 2004 und dem 1. Oktober 2009 kann nicht mehr als ein Zeitraum angesehen werden, der unmittelbar vor dem 1. Oktober 2009 liegt. Denn der Begriff der Unmittelbarkeit, der in § 5 Abs 5a SGB V verwendet wird, ist seinem Wortsinn nach jedenfalls auf einen eher engen zeitlichen Zusammenhang gerichtet und kann keinesfalls – wie vorliegend – mehrere Jahre umfassen (überwiegend wird sogar die Auffassung vertreten, dass am Tag vor dem Arbeitslosengeld-II-Bezug die private Krankenversicherung (PKV) bestanden haben muss, vgl Gerlach in Hauck/Haines, SGB V, Stand IV/09, § 5 RdNr 211a; Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21. Mai 2010, L 9 KR 33/10 B ER, juris mwN).

Die Antragsgegnerin will zwar unter Berufung auf den Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. August 2010 (L 16 KR 329/10 B ER) davon ausgehen, dass entscheidend für die Zuordnung zur GKV die letzte Krankenversicherung in Form einer Privatversicherung ist, ohne dem Begriff der Unmittelbarkeit Bedeutung zuzumessen. Dabei übersieht die Antragsgegnerin, dass das LSG Nordrhein-Westfalen ausdrücklich offen gelassen hat, ob der dortige in der BRD lebende Antragsteller, der nicht privat krankenversichert war, aber über eine zumindest früher ausgeübte selbständige Tätigkeit hätte sein müssen, die Voraussetzungen der 1. Alternative des § 5 Abs 5a Satz 1 SGB V erfüllt hat (RdNr 14 des Beschlusses). Denn es hat seine Entscheidung auf den Ausschluss nach § 5 Abs 5a Satz 1 2. Alt SGB V gestützt (RdNr 15 ff des Beschlusses) und ausdrücklich "an den auf Grund der vorherigen Erwerbstätigkeit erlangten Status", unabhängig von der Frage, ob die vorangegangene Tätigkeit das Unmittelbarkeitskriterium erfüllt (hierzu siehe unten), angeknüpft.

Richtig dürfte allerdings sein, dass die Antragstellerin zu 1 zum Zeitpunkt ihrer Einreise nach Deutschland am 21. September 2009 gemäß § 193 Abs 3 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) zum Abschluss einer privaten Krankheitskostenversicherung verpflichtet gewesen wäre. Eine Versicherungspflicht in der GKV nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB V dürfte nicht bestanden haben, weil die Klägerin zuletzt nicht gesetzlich, sondern privat krankenversichert war. Die Pflicht, sich privat gegen Krankheit zu versichern, ist jedoch nicht gleichbedeutend mit dem Bestehen eines privaten Krankenversicherungsschutzes und führt auch nicht automatisch zur Begründung eines Versicherungsverhältnisses. Auch zeigt die Regelung in § 5 Abs 5a Satz 1 2. Alt SGB V, dass ungeachtet der bestehenden Versicherungspflicht Personen weiter ohne Versicherungsschutz sein können (LSG Nordrhein-Westfalen aaO).

Schließlich ist die Versicherungspflicht der Antragstellerin zu 1 nicht nach § 5 Abs 5a Satz 1 2. Alt SGB V ausgeschlossen. Nicht versicherungspflichtig ist danach, wer weder gesetzlich noch privat krankenversichert war und zu den in § 5 Abs 5 SGB V oder den in § 6 Abs 1 oder 2 SGB V genannten Personen gehört oder bei Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit im Inland gehört hätte.

Die Antragstellerin zu 1 erfüllt zwar die Voraussetzung, dass sie unmittelbar vor dem Bezug von Arbeitslosengeld II nicht gesetzlich oder privat krankenversichert war (siehe oben), aber keine der beiden alternativ zusätzlich geforderten Voraussetzungen, von denen zwingend eine für den Ausschluss von der Versicherungspflicht zu erfüllen wäre. Denn die Antragstellerin zu 1 gehört nicht zu den in § 5 Abs 5 SGB V (hauptberuflich selbständig Erwerbstätige) oder den in § 6 Abs 1 oder 2 SGB V genannten Personen (zB als Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt, oder als Person, die durch die Tätigkeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften oder Grundsätzen bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe oder Heilfürsorge hat) und hätte dazu auch nicht bei Ausübung der letzten Tätigkeit im Inland gehört.

Die Antragstellerin zu 1 war bis 1984 nur als Tochter einer Beamtin privat krankenversichert; sie war selbst keine Beamtin. Zudem hat sie keine selbständige Tätigkeit ausgeübt. Ihre Erwerbstätigkeit im Ausland wäre im Inland auch keine versicherungsfreie Tätigkeit gewesen. Eine Zuordnung der Antragstellerin zu 1 zum System der privaten Krankenversicherung aufgrund eines durch Erwerbsarbeit erlangten Status ist bei ihr daher, anders als in der Entscheidung des LSG Nordrhein-Westfalen, nicht möglich. Deshalb kann dahinstehen, ob mit dem Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen davon auszugehen ist, dass entscheidend für die Zuordnung zur GKV die letzte Tätigkeit unabhängig davon ist, ob sie unmittelbar vor dem Arbeitslosengeld II-Bezug ausgeübt worden ist oder nicht und somit lediglich auf den Status, wie er durch die letzte Tätigkeit erworben wird, abzustellen ist.

Bei Auslandsrückkehrern, die seit ihrer Einreise nach Deutschland keine Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt und weder privat noch gesetzlich krankenversichert waren, ist nicht der letzte in Deutschland innegehabte Krankenversicherungsstatus entscheidend, sondern die im Ausland ausgeübte Tätigkeit und deren hypothetische Zuordnung zur GKV oder PKV. Dies kommt auch in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck. Mit dem GKV-WSG verfolgt der Gesetzgeber nicht nur das Ziel, einen Versicherungsschutz für alle Einwohner ohne Absicherung im Krankheitsfall in der gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung zu schaffen, er will auch für eine gleichmäßige Lastenverteilung zwischen GKV und PKV sorgen (BT-Drs 16/3100). Grundsätzlich wird in der Gesetzesbegründung zur Zuordnung der Einwohner zu den Systemen ausgeführt (BT-Drs aaO S 87 und 94, Anm: Unterstreichungen durch den Senat): "Alle Einwohner ohne Absicherung im Krankheitsfall, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung haben und die zuletzt gesetzlich krankenversichert waren, werden in die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung einbezogen. Für Personen mit Wohnsitz in Deutschland, die zuletzt privat krankenversichert waren, werden die privaten Krankenversicherungsunternehmen verpflichtet, einen Versicherungsschutz im Basistarif anzubieten. Fehlt eine frühere Krankenversicherung, werden sie in dem System versichert, dem sie zuzuordnen sind. Die private Krankenversicherung wird hierfür einen dem Leistungsumfang der GKV entsprechenden Basistarif mit Kontrahierungszwang zu bezahlbaren Prämien anbieten – ohne Risikozuschläge und ohne Leistungsausschlüsse. Sie ersetzt den bisherigen, in seiner Wirkung unzureichenden Standardtarif in der privaten Krankenversicherung." "Bei Auslandsrückkehrern, insbesondere solchen im Rentenalter, richtet sich die Zuordnung zur privaten oder zur gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Status, den sie aufgrund ihrer zuletzt ausgeübten Berufstätigkeit im Ausland gehabt haben."

Da die Antragstellerin zu 1 zuletzt ihren Wohnsitz nicht in der BRD hatte, kommt es auf ihre PKV, der sie zuletzt in der BRD angehörte, nicht (mehr) an. Denn sie ist auch nach der Gesetzesintention als Auslandsrückkehrerin nur danach zu beurteilen, welchen Status ihr die Auslandstätigkeit im Inland verschafft hätte. Dieser Status wäre nicht der einer selbständigen oder versicherungsfreien Tätigkeit, sondern der einer versicherungspflichtigen Tätigkeit gewesen. Auch nach den Gesetzesmaterialien ergibt sich demnach kein Hinweis darauf, dass der vorliegende Fall nicht der GKV zugeordnet werden sollte.

Über die Versicherungspflicht der Antragstellerin zu 1 erlangen die Antragsteller zu 2 bis 4 den Status als Familienversicherte nach § 10 SGB V.

Die Antragsteller haben ferner einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Denn sie können jederzeit erkranken oder einen Unfall erleiden. Aufgrund des Bezugs von Arbeitslosengeld II ist davon auszugehen, dass den Antragstellern weder eigene Mittel zur Bezahlung von Krankenkosten noch ein Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann der Antragstellerin zu 1 zur Verfügung stehen, so dass die Sicherstellung eines angemessenen Schutzes im Krankheitsfall notwendig ist. Ein Verweis auf Krankenhilfe nach § 48 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch scheidet bereits deshalb aus, weil im Rahmen des § 86b Abs 2 SGG ein Verweis auf Sozialhilfe grundsätzlich nicht statthaft ist (vgl nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl, § 86b RdNr 29 f mwN).

Den Antragstellern war gemäß §§ 73a Abs 1 SGG iVm §§ 114 ff, 119 Abs 1 Satz 2 Zivilprozessordnung auch für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten zu bewilligen, da sie die Kosten der Prozessführung nicht - auch nicht ratenweise - aufbringen können.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das BSG angefochten werden.
Rechtskraft
Aus
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