L 6 AS 27/09

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 23 AS 142/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 6 AS 27/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.08.2009 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird. Kosten haben die Beteiligten einander auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 08.02.2006.

Der 1986 geborene Kläger beantragte am 21.07.2005 bei der Beklagten Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II. Er sei seit 02.09.2002 in Ausbildung als pharmazeutisch-technischer Assistent beim X-Institut in T und habe bisher Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) erhalten. Dort habe er am 30.05.2005 einen Fortzahlungsantrag gestellt. Laut Bescheinigung vom 29.06.2005 bestand er die Prüfung zum Beruf des pharmazeutisch-technischen Assistenten im ersten Prüfungsabschnitt nicht, so dass er im Folgenden eine weitere 6-monatige Ausbildung im Umfang von weniger als 20 Wochenstunden als Voraussetzung für eine Wiederholungsprüfung anschließen musste.

Die Beklagte lehnte die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 12.08.2005 und Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 ab. Der Kläger sei nach § 7 Abs. 5 SGB II als Auszubildender, dessen Ausbildung an sich förderungsfähig sei, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Ein besonderer Härtefall liege nicht vor.

Am 01.09.2005 stellte der Kläger einen Antrag auf Einstweilige Anordnung beim Sozialgericht (SG) Düsseldorf (S 23 AS 309/05 ER) und begehrte die vorläufige Gewährung von Grundsicherungsleistungen. In diesem Verfahren äußerte er mit Schreiben vom 24.09.2005 im Wesentlichen seine Unzufriedenheit damit, dass er nach nunmehr fast einmonatiger Briefeschreiberei seinen bescheidenen Unterhalt immer noch nicht selbst bestreiten könne. Er habe gedacht, dass die Dringlichkeit der von ihm erhobenen einstweiligen Anordnung angekommen sei und ihm vom Gericht geholfen werden könne. Mit Schreiben vom 05.10.2005 wies das SG den Kläger darauf hin, dass er Klage gegen den Widerspruchsbescheid erheben müsse. Dieses Schreiben ging dem Kläger am 19.10.2005 zu.

Am 09.10.2005 erlitt der Kläger einen Unfall mit anschließender Operation und Krankenhausaufenthalt vom 18. bis 25.10.2005. In seinem Eilverfahren bat er am 29.10.2005 um Fristaufschub, am 23.11.2005 nahm er in der Sache Stellung. Das SG lehnte den Eilantrag mit Beschluss vom 28.11.2005 ab. Dem Kläger fehle es am Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, da er den Widerspruchsbescheid nicht mit einer Klage angefochten habe.

Mit Schreiben vom 21.12.2005 (Eingang 27.12.2005) wandte sich der Kläger mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde an das Landessozialgericht (LSG) und bat, "doch noch die Möglichkeit einer Klageerhebung gegen die Arge auszuloten".

Das Bezirksamt Lichtenberg von Berlin lehnte die Gewährung weiterer Ausbildungsförderung nach § 2 Abs. 5 BAföG mit Bescheid vom 12.09.2005 ab, da die Unterrichtszeit nur 20 Wochenstunden betrage und eine Förderung nur dann in Betracht komme, wenn die Arbeitskraft des Auszubildenden voll in Anspruch genommen werde (40 Wochenstunden). Nach Ende der verlängerten Ausbildungszeit gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 09.02.2006 Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger hat mit Schreiben vom 19.04.2006 (eingegangen am 24.04.2006) Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Er sei als "blutiger juristischer Laie" davon ausgegangen, dass von dem Eilantrag eine Klageerhebung mit umfasst gewesen und Widerspruchs- und Eilverfahren ein einziger Vorgang seien. Soweit das SG ihn im Eilverfahren darauf hingewiesen habe, dass er Klage gegen den Widerspruchsbescheid erheben müsse, sei die Klagefrist am Tag, an dem er das Schreiben erhalten habe, bereits verstrichen gewesen und der Inhalt dieses Schreibens damit ins Leere gegangen. Auch wegen des Unfalls vom 09.10.2005 und dem darauffolgenden Krankenhausaufenthalt sowie der Rehabilitationsmaßnahmen habe er nicht rechtzeitig Klage erheben können. Das Landessozialgericht habe ihm auf seine Dienstaufsichtsbeschwerde zu einem Antrag auf Wiedereinsetzung geraten. Hilfsweise hat der Kläger am 19.05.2007 einen Antrag gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestellt. Die Beklagte hat die Klage als unzulässig angesehen, sich jedoch "hinsichtlich der Zulässigkeit für rügelos" erklärt.

Das SG hat ärztliche Berichte über den Unfall des Klägers (Patellaluxation des rechten Kniegelenks beim Absteigen vom Skateboard) sowie die anschließenden medizinischen Behandlungen beigezogen. Mit Urteil vom 25.08.2009 hat es die Klage abgewiesen. Die Klage sei zulässig aber nicht begründet. Der Kläger habe im Eilverfahren deutlich gemacht, sich gegen die Entscheidung der Beklagten zur Wehr setzen zu wollen. Dies bekräftige sein Schreiben vom 24.09.2005, das die Kammer als Klage auslege. Er sei aber nach § 7 Abs. 5 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Seine Ausbildung sei dem Grunde nach förderfähig, wie ja auch die vorige BAföG-Leistung gezeigt habe. Dass der Kläger keine BAföG-Leistungen erhalte, liege (allein) an der zeitlichen Ausgestaltung seines konkreten Ausbildungsabschnitts. Ein Leistungsausschluss durch seine tatsächliche Inanspruchnahme durch das Studium (§ 2 Abs. 5 S. 1 BAföG) ändere an der grundsätzlichen Förderungsfähigkeit der Ausbildung als solcher nichts.

Gegen das ihm am 02.09.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18.09.2009 Berufung eingelegt. Er hat sich auf sein erstinstanzliches Vorbringen bezogen und ist der Auffassung, dass die Ablehnung der Weitergewährung von BAföG-Leistungen nicht auf einem individuellen Grund beruht habe, sondern dass grundsätzlich alle "Wiederholenden" von BAföG-Leistungen ausgeschlossen worden seien. Ferner habe die Beklagte den Kläger Ende Juli 2005 bei der Antragsabgabe nicht korrekt behandelt. Die Abweisung sei damit begründet worden, dass er erst einmal seine Ausbildung erfolgreich abschließen solle. Auch sei nicht geprüft worden, ob ggf. darlehensweise Leistungen hätten gewährt werden können, sozusagen als "Notanker". Ebenso wenig sei eine Prüfung der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung erfolgt. Insbesondere wenn das Prüfungsende so nahe stehe wie bei ihm, könne es nicht sein, dass man in eine Regelungslücke falle.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.08.2009 zu ändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 12.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.09.2005 zu verurteilen, ihm Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.08.2005 bis 08.02.2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Ausbildung des Klägers dem Grunde nach förderfähig gewesen sei und der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II im streitigen Zeitraum damit greife.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und der von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakte sowie den der Akten SG Düsseldorf - S 23 AS 75/09 und S 23 AS 309/05 ER verwiesen; dieser ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Sozialgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Es hätte allerdings nicht in der Sache entscheiden dürfen, weil die Klage mangels rechtzeitiger Klageerhebung unzulässig ist und die Voraussetzungen für die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht vorliegen. Die Einhaltung der Klagefrist ist eine Prozessvoraussetzung, die auch in der Rechtsmittelinstanz noch von Amts wegen geprüft werden muss (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 87 Rn 8; zum Revisionsverfahren BSG, Urteil vom 27.05.2008, B 2 U 5/07 R Rn 8 m.w.N. in SozR 4-1500 § 67 Nr 7). Auf die Fristeinhaltung kann nicht verzichtet werden (Leitherer, a.a.O., Rn 7); die Möglichkeit eines Verzichts des Klagegegners auf Fristeinhaltung sieht das Gesetz nicht vor. Entsprechend ist die "rügelose Einlassung" der Beklagten ins Leere gegangen.

Nach § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG ist die Klage binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides zu erheben (§ 87 Abs. 2 SGG). Diese Frist hat der Kläger nicht gewahrt. Der Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 war mit einer ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung gem. § 66 SGG versehen. Er ist dem Kläger unter Berücksichtigung der gesetzlichen Zustellungsvorschriften spätestens am 17.09.2005 bekannt gegeben worden, da ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post im Inland übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben gilt (§ 37 Abs. 2 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch, SGB X). Der Tag, an dem der Brief zur Post gegeben wird, ist nach der gemäß § 26 Abs. 1 SGB X für Fristen und Terminsbestimmungen geltenden Vorschrift des § 187 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nicht mitzuzählen. Dritter Tag im Sinne der Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB X ist damit der 17.09.2005. Begann die Monatsfrist des § 87 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 SGG am 17.09.2005, endete sie gemäß § 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB am 17.10.2005, einem Montag, um 24 Uhr. Der Eingang der Klage beim Sozialgericht am 24.04.2006 war damit verfristet.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann auch das im Eilverfahren vom Kläger an das Sozialgericht gerichtete Schreiben vom 24.09.2005 nicht als Klage ausgelegt werden. Vielmehr handelte es sich bei diesem Schreiben lediglich um eine Eingabe im laufenden Eilverfahren. Wesentlich für die Auslegung eines Schriftsatzes als (Anfechtungs-)Klage ist, dass der Kläger sein Ziel, einen von der Behörde erlassenen Widerspruchsbescheid durch das Sozialgericht überprüfen zu lassen, verständlich macht. Ist dieses Ziel ersichtlich, bleibt unwesentlich, wie der Kläger die Klage bezeichnet, z.B. als Beschwerde, Widerspruch, Berufung (vgl. Leitherer, a.a.O. § 90 Rn 4a). Ein solches Ziel lässt sich aus dem Schreiben des Klägers vom 24.09.2005 nicht herauslesen. Mit keinem Wort nimmt der Kläger auf den Widerspruchsbescheid vom 14.09.2005 Bezug. Vielmehr rügt er (lediglich), dass sein Eilverfahren vom Gericht nicht entsprechend der Dringlichkeit seines Anliegens bearbeitet worden sei, obwohl er gedacht habe, dass das Gericht ihm helfen könne. Ebenfalls äußert er seine Unzufriedenheit mit dem Umstand, dass er seinen Unterhalt nach fast einmonatiger Briefeschreiberei (somit einen Monat nach Beginn des Eilverfahrens) immer noch nicht bestreiten könne. Darüber hinaus fehlt dem Schreiben jeglicher Bezug darauf, dass der Kläger über das Eilverfahren hinaus ein weiteres gerichtliches Verfahren betreffend den Widerspruchsbescheid anstrebe. Vielmehr bezieht er sich ausdrücklich auf den seinem Schreiben nochmals in Kopie beigefügten Eilantrag. Die Auslegung, dass das Schreiben vom 24.09.2005 lediglich eine Eingabe im laufenden Eilverfahren darstellen sollte, wird auch durch die eigenen Einlassungen des Klägers in seinem Antrag auf Wiedereinsetzung gestützt. Soweit er dort ausführt, gedacht zu haben, ein Eilverfahren ersetze eine Klageerhebung, zeigt dies deutlich, dass er eine gesonderte Klageerhebung in dem bis zum 28.11.2005 andauernden Eilverfahren zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt hat.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 67 Abs. 1 SGG. Nach dieser Vorschrift ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Ein Verschulden liegt dann vor, wenn der Beteiligte nicht diejenige Sorgfalt angewendet hat, die einem gewissenhaften Prozessführenden nach den gesamten Umständen nach allgemeiner Verkehrsanschauung zuzumuten ist. Das Versäumnis der Verfahrensfrist muss auch bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt durch einen sachgerecht Prozessführenden nicht vermeidbar gewesen sein (BSG, Urteil vom 27.05.2008, B 2 U 5/07 R Rn 14 m.w.N. in SozR 4-1500 § 67 Nr. 7; Beschluss des BSG Großer Senat vom 10.12.1974, GS 2/73 Rn 18 in SozR 1500 § 67 Nr. 1). Dabei haben juristisch nicht geschulte Privatpersonen ebenfalls eine Sorgfaltspflicht, müssen die Rechtsmittelbelehrung beachten und sich notfalls erkundigen. Für die Vorwerfbarkeit der Fristversäumnis kommt es auf die persönlichen Verhältnisse, insbesondere auch den Bildungsgrad an (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 67 Rn 3; BSG, Urteil vom 30.01.2002, B 5 RJ 10/01 R Rn 18 in SozR 3-1500 § 67 Nr. 21). Im vorliegenden Fall war der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides eindeutig zu entnehmen, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage zu erheben sei. Hieran war der Kläger nicht gehindert. Weder sein Irrtum darüber, dass ein laufendes Eilverfahren eine Klageerhebung ersetze noch sein Unfall vom 09.10.2005 rechtfertigen sein diesbezügliches Versäumnis.

Bei einem Rechtsirrtum trifft den Beteiligten nur ganz ausnahmsweise dann kein Verschulden, wenn er den Irrtum auch bei sorgfältiger Prüfung nicht vermeiden konnte, was in der Regel zu verneinen ist (Keller, a.a.O, § 67 Rn 8a m.w.N.). Beachtet der Beteiligte die Rechtsbehelfsbelehrung nicht, wird Verschulden angenommen, dies in der Regel sogar bei sprachunkundigen Ausländern (Keller, a.a.O, § 67 Rn 8, § 61 Rn 7e). Nach dem aus den Akten ersichtlichen intellektuellen Stand des Klägers, der sich 2005 in der Ausbildung zum pharmazeutisch-technischen Assistenten befand, ist für den Senat ohne Zweifel, dass der Kläger die Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides lesen, verstehen und sich danach richten konnte.

Soweit der Kläger die Auffassung vertritt, dass eine Wiedereinsetzung erfolgen müsse, weil ihm das Schreiben des Sozialgerichts vom 05.10.2005 über die Notwendigkeit einer Klageerhebung erst nach Ablauf der Klagefrist und damit verspätet zugegangen sei, lässt sich sein Versäumnis damit nicht rechtfertigen. Seine Pflicht zur Klageerhebung konnte der Kläger allein aus der Rechtsmittelbelehrung des Widerspruchsbescheides erkennen. Eines weiteren diesbezüglichen Hinweises des Sozialgerichts bedurfte es nicht. Das Sozialgericht trifft in einem Eilverfahren keine Pflicht, den Kläger auf eine notwendige Klageerhebung gegen einen zwischenzeitlich erlassenen Widerspruchsbescheid hinzuweisen. Entsprechend kann der Kläger aus einem solchen Informationsschreiben des Gerichts auch dann keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung herleiten, wenn das Schreiben ihm verspätet zugeht.

Soweit der Kläger meint, der Unfall vom 09.10.2005 und die anschließend notwendigen Behandlungen hätten ihn an der Klageerhebung gehindert, trifft dies gleichfalls nicht zu. Der Unfall war nicht so gravierend, dass dem Kläger eine Klageerhebung praktisch unmöglich gewesen wäre. Krankheit schließt ein Verschulden nur dann aus, wenn der Beteiligte so schwer erkrankt ist, dass er nicht selbst handeln und auch nicht einen Anderen beauftragen kann (Keller, a.a.O., § 67 Rn 7c). Die Krankheit muss in verfahrensrelevanter Form Einfluss auf die Entschluss-, Urteils- und Handlungsfähigkeit des Klägers genommen haben (BVerfG, Beschluss vom 17.07.2007, 2 BvR 1164/07 in NJW-RR 2007, 1717). Dies war hier nicht der Fall. Der Kläger wurde nach dem Unfall zunächst nur ambulant behandelt. Eine stationäre Behandlung war lediglich ab dem 18.10.2005 für nur eine Woche notwendig. Dem Kläger stand somit ein ausreichender Zeitraum innerhalb der Klagefrist zur Verfügung, in dem er Klage erheben konnte. Hinzu kommt, dass er im gesamten Zeitraum der Klagefrist auch seine Eltern hätte bitten können, für ihn Klage zu erheben. Dass hier Hilfsbereitschaft bestand, zeigt sich u.a. darin, dass die Mutter des Klägers im Eilverfahren für ihn beim Sozialgericht um Fristverlängerung gebeten hat.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass dem Wiedereinsetzungsantrag des Klägers selbst dann nicht stattgegeben werden könnte, wenn er die Klage unverschuldet nicht rechtzeitig erhoben hätte. Grund hierfür ist, dass der Kläger seinen Antrag auf Wiedereinsetzung nicht innerhalb der Antragsfrist des § 67 Abs. 2 S. 1 SGG gestellt und die versäumte Rechtshandlung, d.h. die Klageerhebung, auch nicht innerhalb dieser Frist nachgeholt hat (§ 67 Abs. 2 S. 3 SGG). Spätestens ab Zugang des gerichtlichen Schreibens vom 05.10.2005 am 19.10.2005 im Eilverfahren ist der Rechtsirrtum des Klägers über die Vermengung von Eilverfahren und Klageverfahren beseitigt worden. Ausdrücklich hat das SG den Kläger in diesem Schreiben darauf hingewiesen, dass er (trotz des Eilverfahrens) Klage gegen den Widerspruchsbescheid erheben müsse. Der Kläger hätte somit bis Montag, den 21.11.2005 (- da der 19.11.2005 ein Samstag war -) einen Wiedereinsetzungsantrag stellen und Klage erheben müssen. Gleichwohl hat er im Anschluss an den gerichtlichen Hinweis über zwei Monate keine weiteren Handlungen vorgenommen. Erst am 21.12.2005 - und damit deutlich verspätet - hat er sich mit einer Dienstaufsichtsbeschwerde an das Landessozialgericht gewandt und in dieser erstmalig davon gesprochen, dass das LSG "doch noch die Möglichkeit einer Klageerhebung gegen die Arge ausloten möge". Der tatsächliche Wiedereinsetzungsantrag des Klägers samt Klageerhebung ist sogar erst mit Schreiben vom 19.04.2006 erfolgt und am 24.04.2006 beim zuständigen Sozialgericht eingegangen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht als gegeben angesehen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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