L 2 U 397/10 ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 397/10 ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Zur Unzulässigkeit eines wiederholenden Antrags auf einstweilige Anordnung.
2. Der Senat lässt es offen, ob eine Umdeutung des Antrags in einen Antrag auf Abänderung oder Aufhebung zulässig ist.
I. Der Antrag vom 29. Juni 2010 auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz wird verworfen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe:


I.

Der Antragsteller (im Folgenden: Ast.) begehrt erneut im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes die Gewährung einer Verletztenrente.

Der Ast. hatte sich am 29. Mai 1999 auf dem landwirtschaftlichen Betrieb seines Bruders Verbrennungen 1. und 2. Grades des rechten Unterschenkels zugezogen. Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ag.) hatte mit Bescheid vom 23. Juni 2000 den Unfall als Arbeitsunfall anerkannt, die Gewährung einer Rente jedoch abgelehnt, da zu Beginn der 27. Woche nach dem Unfall die unfallbedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 20 v.H. betragen habe. Dem war u.a. ein Gutachten des HNO-Arztes Dr. M. vom 2. März 2000 zugrunde gelegen, der zu dem Ergebnis gelangt war, dass der geklagte Tinnitus nicht auf einen verbrennungsbedingten Eiweißschock zurückzuführen sei. Die Nervenärzte Prof. Dr. von B./Dr. K. hatten in ihrem Gutachten vom 5. Juni 2000 als Unfallfolgen leichte Empfindungsstörungen im Bereich der Hautverbrennungen am rechten Unterschenkel und eine posttraumatische Angstsymptomatik als wahrscheinlich unfallbedingt eingeschätzt. Als unfallunabhängig bestünden Kopfschmerzen, halbseitige Empfindungsstörungen, eine angebliche Beinschwäche sowie eine schwerwiegende Persönlichkeitsstörung. Eine unfallbedingte MdE liege auf neurologischem Fachgebiet nicht vor.

Den Widerspruch hatte die Ag. mit Widerspruchsbescheid vom 29. August 2000 zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Klage hatte das Sozialgericht Konstanz mit Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2001 (Az.: S 7 U 1890/00) rechtskräftig abgewiesen.

Einen erneuten Antrag des Ast. hatte die Ag. mit Bescheid vom 19. Dezember 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Februar 2003 abgelehnt. Nach der Art der Verletzung könne nicht davon ausgegangen werden, dass sich in medizinischer Hinsicht seitdem eine Änderung der Verhältnisse eingestellt habe. Einen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes gestellten Antrag auf Gewährung einer Rente hatte das Sozialgericht Augsburg mit Beschluss vom 2. Juni 2003 (Az.: S 5 U 5006/03 ER) abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Beschwerde hatte das Bayer. Landessozialgericht mit Beschluss vom 17. September 2003 (Az.: L 3 B 247/03 U ER) zurückgewiesen. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) lägen nicht vor.

Am 28. Oktober 2009 ging bei der Ag. ein weiterer Rentenantrag des Ast. ein. Seit dem Unfall sei er zu 60 % schwerbehindert und leide unter posttraumatischen Belastungsstörungen, einem Hörsturz sowie weiteren Symptomen aus der erlittenen Verbrennung.

Mit Bescheid vom 18. November 2009 lehnte die Ag. auch diesen Antrag ab. Eine Änderung der Unfallfolgen sei nicht nachgewiesen. Im Widerspruchsverfahren zog sie u.a. die in den Rentenverfahren vom Sozialgericht Augsburg (Az.: S 2 R 779/08; S 2 R 747/08) eingeholten ärztlichen Berichte sowie das im Rahmen dieser Verfahren eingeholte nervenärztliche Gutachten des Dr. H. vom 2. Juni 2009 bei. Auf Nachfrage der Ag. teilte Dr. H. am 22. Februar 2010 mit, dass keine der von ihm im Juni 2009 festgestellten Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf das angeschuldigte Unfallereignis vom 29. Mai 1999 zurückzuführen sei, weder im Sinne der Entstehung noch der Verschlimmerung. Mit Widerspruchsbescheid vom 29. März 2010 wies die Ag. daraufhin den Widerspruch zurück.

Einen Antrag auf Gewährung einer Verletztenrente im Wege der einstweiligen Anordnung vom 10. April 2010 lehnte das Sozialgericht mit Beschluss vom 21. April 2010 ab. Aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen und Gutachten sei ein Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente infolge des Arbeitsunfalls auszuschließen. Eine rentenberechtigende MdE sei nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Die erlittenen Verbrennungen seien innerhalb weniger Wochen weitgehend folgenlos abgeheilt. Mit Ausnahme von leichten Empfindungsstörungen im Bereich der betroffenen Hautareale seien keine funktionellen Beeinträchtigungen verblieben. Dies habe bereits das Sozialgericht Konstanz im Gerichtsbescheid vom 25. Oktober 2001 rechtskräftig festgestellt. Insbesondere seien auch die Ohrgeräusche nicht dem Arbeitsunfall zuzurechnen (Gutachten Dr. M. vom 2. März 2000). Dies gelte auch für die bestehenden psychischen Störungen. Insoweit bezog sich das Sozialgericht auf die Stellungnahme des Dr. H. vom 22. Februar 2010. Danach leide der Bf. an einer unfallfremden seelischen Störung in Form einer kombinierten Persönlichkeitsstörung, Dysthymie und einem chronischen Alkoholabhängigkeitssyndrom.

Die hiergegen gerichtete Beschwerde wies der Senat mit Beschluss vom 18. Mai 2010 zurück.

Am 29. Juni 2010 ist beim Sozialgericht Augsburg ein erneuter Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz eingegangen, den dieses zuständigkeitshalber an das Bayer. Landessozialgericht weitergeleitet hat. Die Ag. drücke sich seit Jahren, ihn aus dem Unfall zu entschädigen. Seitdem hätten die gesundheitlichen Beschwerden massiv zugenommen. Dies gelte vor allem für den Tinnitus; ferner seien eine posttraumatische Belastung sowie Schlafstörungen mit einzubeziehen.

Die Ag. hat beantragt, den Antrag abzulehnen und zur Begründung auf den zum gleichen Streitgegenstand ergangenen Beschluss des Senats vom 18. Mai 2010 verwiesen.

Daneben ist derzeit beim Senat ein Berufungsverfahren des Ast. gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Mai 2010 anhängig (Az.: L 2 U 249/10) mit dem das Sozialgericht die Klage in der Hauptsache abgewiesen hat. Mit Beweisanordnung vom 29. Juli 2010 hat der Senat die Neurologin und Psychiaterin Dr. P. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Das Gutachten liegt noch nicht vor.

II.

Da das Hauptsacheverfahren seit 27. Mai 2010 beim Bayer. Landessozialgericht anhängig ist, obliegt dem Senat gemäß § 86 b Abs. 2 S. 3 SGG die Entscheidung über den Antrag.

Ein erneuter Antrag auf Gewährung der Verletztenrente im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG ist unzulässig. Grundsätzlich erwächst der Beschluss des Senats vom 18. Mai 2010 in materieller Rechtskraft mit der Folge, dass dieser die Beteiligten bindet. Ein neuer Antrag kann nur gestellt werden, wenn der Streitgegenstand nicht identisch ist (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86 b Rdnr. 45 a). Der Antrag betrifft jedoch weiterhin die - zumindest vorläufige - Gewährung von Verletztenrente aufgrund des Arbeitsunfalls vom 29. Mai 1999. Es ist vom Ast. hierzu keine wesentliche Änderung der Sach- oder Rechtslage vorgebracht, die zu einer erneuten Überprüfung der Antragsvoraussetzungen führen könnten. Die gesundheitlichen Verschlechterungen, die der Ast. aufführt, beziehen sich auf eine Entwicklung seit dem Unfallereignis und sind nicht erst seit Mai 2010 eingetreten. Darüber hinaus ist auch keine Änderung beim Anordnungsgrund ersichtlich. Der Antrag vom 29. Juni 2010 ist daher als lediglich wiederholender Antrag unzulässig (so z.B. auch: LSG Berlin, NZS 2002, 670).

Sofern der Antrag des Ast. vom Senat dahingehend ausgelegt wird, dass er als Antrag auf Aufhebung bzw. Abänderung der Maßnahme zu werten ist, ist der Antrag jedenfalls unbegründet. Dabei bestehen bereits erhebliche rechtliche Bedenken, eine derartige Auslegung vorzunehmen, da § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG anders als beim einstweiligen Rechtsschutz im Bereich der aufschiebenden Wirkung nach § 86 b Abs. 1 S. 4 SGG keine Regelung für ein Abänderungsverfahren bei einstweiligen Anordnungen enthält. § 86 b Abs. 2 S. 4 SGG verweist auch nicht auf § 927 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der die Aufhebung wegen veränderter Umstände betrifft (zum Streitstand: Meyer-Ladewig/Keller/ Leitherer, a.a.O., Rdnr. 45 m.w.N.). Der Senat lässt dies jedoch ausdrücklich offen, da jedenfalls keine veränderten Umstände erkennbar sind. Es besteht keine Veranlassung, von dem ergangenen Beschluss abzuweichen. Insbesondere ist eine Änderung der Sach- oder Rechtslage in der Zwischenzeit (seit Mai 2010), wie bereits dargelegt, nicht eingetreten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes hat eine gesonderte Kostenentscheidung zu ergehen (vgl. Meyer-Ladewig, a.a.O., § 193 Rdnr. 2).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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