Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mainz (RPF)
Aktenzeichen
S 8 KA 196/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 5 KA 45/10 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Die Klage gegen einen aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten festgesetzten Arzneimittelregress hat aufschiebende Wirkung.
1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mainz vom 9.9.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird, auch für die erste Instanz unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mainz vom 9.9.2010, auf 2.453,11 EUR festgesetzt.
I.
Umstritten ist, ob die Klage der Antragstellerin gegen einen Arzneimittelregress aufschiebende Wirkung hat; hilfsweise begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage.
Der beigeladene Beschwerdeausschuss setzte durch Bescheid vom 2.3.2010 gegenüber der Antragstellerin, einer Vertragsärztin, aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten für mehrere Quartale einen Regress fest, wobei auf die Quartale II bis IV/2005 ein Regress von 7.359,33 EUR entfiel. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 15.3.2010 beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage erhoben.
Unter dem 11.8.2010 teilte die Antragsgegnerin (Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz - KÄV -) der Antragstellerin mit, sie werde deren Honorarkonto mit einem Betrag von 7.359,33 EUR belasten, da die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 2.3.2010 keine aufschiebende Wirkung habe. Am 19.8.2010 hat die Antragstellerin beim SG Mainz beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Durch Beschluss vom 9.9.2010 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Arzneimittelregress für die Quartale II bis IV/2005 festgestellt und angeordnet, dass die Antragsgegnerin die auf dem Regress basierende Belastung des Honorarkontos der Antragstellerin rückgängig zu machen habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die grundsätzlich nach § 86a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehende aufschiebende Wirkung der beim SG Mainz anhängigen Klage sei nicht nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V ausgeschlossen, da sich die Antragstellerin nicht gegen einen Honorarbescheid wende. § 106 Abs 5 Satz 7 SGB V greife ebenfalls nicht zugunsten der Antragsgegnerin ein. Wegen der ausdrücklichen Beschränkung dieser Vorschrift auf Honorarkürzungen erfasse sie nur Honorarberichtigungen aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der vertragsärztlichen Leistungen, nicht aber aufgrund eines Arzneimittelregresses oder wegen eines sonstigen Schadens (Hinweis auf SG Marburg 23.8.2007 - S 12 KA 316/07 ER). Die sofortige Vollziehbarkeit des Regressbescheides folge auch nicht aus § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V. Denn der Bescheid vom 2.3.2010 beruhe nicht auf einer Richtgrößenprüfung, wie es nach dieser Vorschrift erforderlich sei, sondern auf einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten. Die Beklagte könne sich letztlich auch nicht auf die Übergangsregelung des Art 3 § 2 Satz 4 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (ABAG) stützen, da der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nach ihrer Überschrift auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Jahre 2002 und 2003 beschränkt sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17.9.2010 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, die vorträgt: Die Klage der Antragstellerin gegen den beigeladenen Beschwerdeausschuss habe keine aufschiebende Wirkung, auch wenn der Bescheid vom 2.3.2010 nicht auf einer Richtgrößenprüfung beruhe. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe die Klage gegen einen Regressbescheid bei allen Varianten der Wirtschaftlichkeitsprüfung keine aufschiebende Wirkung (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen 11.3.2003 - L 11 B 6/03 KA ER).
II.
Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die beim SG gegen den Beigeladenen erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat.
Ist zweifelhaft, ob eine Klage aufschiebende Wirkung hat, ist auf Antrag entsprechend § 86b Abs 1 SGG die aufschiebende Wirkung festzustellen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn 15). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend erfüllt.
Die nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG grundsätzlich bestehende aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ist nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG). Aufschiebende Wirkung nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V kommt von vornherein nicht in Betracht, weil sich die Antragstellerin mit ihrer beim SG anhängigen Klage gegen den Beigeladenen nicht gegen die Honorarfestsetzung durch die Antragsgegnerin wendet.
§ 106 Abs 5 Satz 7 SGG greift ebenfalls nicht zugunsten der Antragsgegnerin ein. Nach dieser Vorschrift hat die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Honorarkürzung keine aufschiebende Wirkung. Bei der vorliegenden Fallkonstellation handelt es sich nicht um eine Honorarkürzung im Sinne dieser Vorschrift. Gegen eine weite Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals, die auch Arzneimittelregresse aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten einschließt, spricht die Rechtsnatur des Arzneimittelregresses. Obwohl es bei diesem nicht um einen "sonstigen Schaden" geht (vgl BSG 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R, juris), verkörpert der Arzneimittelregress einen besonderen Typus eines Schadensersatzanspruchs (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 Rn 90). Entscheidend kommt hinzu, dass die Gesetzessystematik eine weite Ausweitung des Begriffs "Honorarkürzung" verbietet, die auch den Fall des Arzneimittelregresses erfasst (ebenso SG Marburg 23.8.2007 - S 12 KA 316/07 ER, juris; dazu tendierend auch Engelhard aaO Rn 631; aA Clemens in jurisPK-SGB V, § 106 Rn 279: keine aufschiebende Wirkung von Klagen gegen Verordnungsregresse aufgrund Durchschnittsprüfungen). Anderenfalls wäre die Regelung des § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V, wonach Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses aufgrund von Richtgrößenprüfungen der Verordnungsweise keine aufschiebende Wirkung haben, überflüssig. Dafür, dass § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V nur klarstellende Bedeutung zukommen könnte, sind keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich.
§ 106 Abs 5a Satz 11 SGB V kann für Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten nicht entsprechend angewandt werden. Diese Prüfmethode ist seit dem 1.1.2004 keine Regelprüfmethode mehr, auch wenn sie weiterhin zwischen den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen einerseits und den Kassenärztlichen Vereinigungen andererseits vereinbart werden kann (§ 106 Abs 2 Satz 4 SGB V). Dafür, dass das Gesetz für diese Prüfmethode eine planwidrige Lücke enthält, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden müsste (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe 1983, S 241 ff), gibt es keine genügenden Hinweise. Die Rechtslage in Bezug auf die sofortige Vollziehbarkeit von Regressbescheiden bei der Regelprüfmethode der Richtgrößenprüfung - keine aufschiebende Wirkung der Klage - entspricht nicht zwangsläufig derjenigen bei der nur ausnahmsweise aufgrund vertraglicher Regelung möglichen statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten.
Dafür, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Beigeladenen bei der vorliegenden Konstellation aufschiebende Wirkung hat, spricht auch die Übergangsnorm des Art 3 § 2 Satz 4 ABAG. Nach dieser Vorschrift hat die Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses bei Prüfungen ärztlich verordneter Arznei- und Verbandmittel nach Durchschnittswerten keine aufschiebende Wirkung. Diese Vorschrift ist nach ihrer Überschrift nur für die Jahre 2002 und 2003 anwendbar (aA Steinhilper MedR 2004, 253, 254). Dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich dieser Norm auf die Jahre 2002 und 2003 beschränkt hat, zeigt, dass solche Klagen ab 2004 wieder aufschiebende Wirkung entfalten. Die Gesetzesbegründung des Art 3 § 2 Satz 4 ABAG rechtfertigt keine andere Entscheidung. Zwar heißt es hierin ua: " ... Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses in diesem Verfahren der Übergangsregelung haben wie in den übrigen Prüfungsverfahren keine aufschiebende Wirkung ..." (Bundestags-Drucksache 14/7170 S 16 zu Art 3). Ein gesetzgeberischer Wille, dass auch über das Jahr 2003 hinaus allen Klagen gegen Arzneimittelregresse keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, wird jedoch aus dieser Formulierung nicht hinreichend deutlich. Der Normierung des Art 3 § 2 Satz 4 ABAG hätte es im Übrigen nicht bedurft, wenn unabhängig von dieser Regelung alle Klagen gegen Arzneimittelregresse keine aufschiebende Wirkung hätten.
Dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen (11.3.2003 - L 11 B 6/03 KA ER, MedR 2003, 476), nach dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept der §§ 106 Abs 5, Abs 5a, Art 3 § 2 ABAG sei der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet, dass in allen Fallgestaltungen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen Klagen keine aufschie-bende Wirkung haben, vermag der Senat - jedenfalls für die Zeit nach Ablauf des Zeitraums der Anwendbarkeit des Art 3 § 2 ABAG Ende 2003 - nicht zu folgen. Ein solches Gesamtkonzept ist aus den genannten Vorschriften nicht zweifelsfrei erkennbar.
Die Regelung in der zwischen der Antragsgegnerin und den Verbänden der Krankenkassen geschlossenen Prüfvereinbarung, wonach eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses keine aufschiebende Wirkung hat, ist nicht geeignet, die aufschiebende Wirkung der Klage entfallen zu lassen, da es sich nicht um eine Regelung durch Bundesgesetz handelt, wie sie § 86a Abs 2 Nr 4 SGG fordert.
Die Anordnung des SG, dass die Antragsgegnerin die Belastung des Honorarkontos der Antragstellerin mit dem Betrag von 7.359,33 EUR rückgängig zu machen habe, entspricht der gegebenen Rechtslage (§ 86b Abs 1 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt regelmäßig 1/2 bis 1/4 des Streitwerts der Hauptsache (vgl Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, B.7.1.). Bei Berücksichtigung des Interesses der Antragstellerin an der begehrten Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist als Streitwert 1/3 des Streitwerts der Hauptsache angemessen. Der Senat ändert auch die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung entsprechend ab, wozu er nach § 63 Abs 3 GKG von Amts wegen befugt ist.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG; zur Streitwertentscheidung vgl § 66 Abs 3 Satz 3 GKG).
In dem Beschwerdeverfahren
hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz am 22. November 2010 durch den Vizepräsident des Landessozialgerichts Dr. Follmann beschlossen:
Der Beschluss von 25.10.2010 wird berichtigt. Auf Seite 4 II 3. Absatz 3. Zeile heißt es richtigerweise anstelle von "Aufschiebende Wirkung nach " "Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach".
Gründe:
Es handelt sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach § 138 SGG zu berichtigen ist.
2. Die Antragsgegnerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
3. Der Streitwert wird, auch für die erste Instanz unter Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts Mainz vom 9.9.2010, auf 2.453,11 EUR festgesetzt.
I.
Umstritten ist, ob die Klage der Antragstellerin gegen einen Arzneimittelregress aufschiebende Wirkung hat; hilfsweise begehrt die Antragstellerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage.
Der beigeladene Beschwerdeausschuss setzte durch Bescheid vom 2.3.2010 gegenüber der Antragstellerin, einer Vertragsärztin, aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten für mehrere Quartale einen Regress fest, wobei auf die Quartale II bis IV/2005 ein Regress von 7.359,33 EUR entfiel. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 15.3.2010 beim Sozialgericht (SG) Mainz Klage erhoben.
Unter dem 11.8.2010 teilte die Antragsgegnerin (Kassenärztliche Vereinigung Rheinland-Pfalz - KÄV -) der Antragstellerin mit, sie werde deren Honorarkonto mit einem Betrag von 7.359,33 EUR belasten, da die Klage der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 2.3.2010 keine aufschiebende Wirkung habe. Am 19.8.2010 hat die Antragstellerin beim SG Mainz beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage festzustellen, hilfsweise die aufschiebende Wirkung anzuordnen.
Durch Beschluss vom 9.9.2010 hat das SG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Arzneimittelregress für die Quartale II bis IV/2005 festgestellt und angeordnet, dass die Antragsgegnerin die auf dem Regress basierende Belastung des Honorarkontos der Antragstellerin rückgängig zu machen habe. Zur Begründung hat das SG ausgeführt: Die grundsätzlich nach § 86a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bestehende aufschiebende Wirkung der beim SG Mainz anhängigen Klage sei nicht nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V ausgeschlossen, da sich die Antragstellerin nicht gegen einen Honorarbescheid wende. § 106 Abs 5 Satz 7 SGB V greife ebenfalls nicht zugunsten der Antragsgegnerin ein. Wegen der ausdrücklichen Beschränkung dieser Vorschrift auf Honorarkürzungen erfasse sie nur Honorarberichtigungen aufgrund einer Wirtschaftlichkeitsprüfung der vertragsärztlichen Leistungen, nicht aber aufgrund eines Arzneimittelregresses oder wegen eines sonstigen Schadens (Hinweis auf SG Marburg 23.8.2007 - S 12 KA 316/07 ER). Die sofortige Vollziehbarkeit des Regressbescheides folge auch nicht aus § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V. Denn der Bescheid vom 2.3.2010 beruhe nicht auf einer Richtgrößenprüfung, wie es nach dieser Vorschrift erforderlich sei, sondern auf einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten. Die Beklagte könne sich letztlich auch nicht auf die Übergangsregelung des Art 3 § 2 Satz 4 des Gesetzes zur Ablösung des Arznei- und Heilmittelbudgets (ABAG) stützen, da der Anwendungsbereich dieser Vorschrift nach ihrer Überschrift auf Wirtschaftlichkeitsprüfungen für die Jahre 2002 und 2003 beschränkt sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17.9.2010 eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin, die vorträgt: Die Klage der Antragstellerin gegen den beigeladenen Beschwerdeausschuss habe keine aufschiebende Wirkung, auch wenn der Bescheid vom 2.3.2010 nicht auf einer Richtgrößenprüfung beruhe. Nach dem Willen des Gesetzgebers habe die Klage gegen einen Regressbescheid bei allen Varianten der Wirtschaftlichkeitsprüfung keine aufschiebende Wirkung (Hinweis auf Landessozialgericht - LSG - Nordrhein-Westfalen 11.3.2003 - L 11 B 6/03 KA ER).
II.
Die nach §§ 172, 173 SGG zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass die beim SG gegen den Beigeladenen erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat.
Ist zweifelhaft, ob eine Klage aufschiebende Wirkung hat, ist auf Antrag entsprechend § 86b Abs 1 SGG die aufschiebende Wirkung festzustellen (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn 15). Die Voraussetzungen hierfür sind vorliegend erfüllt.
Die nach § 86a Abs 1 Satz 1 SGG grundsätzlich bestehende aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ist nicht kraft Gesetzes ausgeschlossen (§ 86a Abs 2 Nr 4 SGG). Aufschiebende Wirkung nach § 85 Abs 4 Satz 9 SGB V kommt von vornherein nicht in Betracht, weil sich die Antragstellerin mit ihrer beim SG anhängigen Klage gegen den Beigeladenen nicht gegen die Honorarfestsetzung durch die Antragsgegnerin wendet.
§ 106 Abs 5 Satz 7 SGG greift ebenfalls nicht zugunsten der Antragsgegnerin ein. Nach dieser Vorschrift hat die Klage gegen eine vom Beschwerdeausschuss festgesetzte Honorarkürzung keine aufschiebende Wirkung. Bei der vorliegenden Fallkonstellation handelt es sich nicht um eine Honorarkürzung im Sinne dieser Vorschrift. Gegen eine weite Auslegung dieses Tatbestandsmerkmals, die auch Arzneimittelregresse aufgrund einer statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten einschließt, spricht die Rechtsnatur des Arzneimittelregresses. Obwohl es bei diesem nicht um einen "sonstigen Schaden" geht (vgl BSG 5.5.2010 - B 6 KA 5/09 R, juris), verkörpert der Arzneimittelregress einen besonderen Typus eines Schadensersatzanspruchs (Engelhard in Hauck/Noftz, SGB V, K § 106 Rn 90). Entscheidend kommt hinzu, dass die Gesetzessystematik eine weite Ausweitung des Begriffs "Honorarkürzung" verbietet, die auch den Fall des Arzneimittelregresses erfasst (ebenso SG Marburg 23.8.2007 - S 12 KA 316/07 ER, juris; dazu tendierend auch Engelhard aaO Rn 631; aA Clemens in jurisPK-SGB V, § 106 Rn 279: keine aufschiebende Wirkung von Klagen gegen Verordnungsregresse aufgrund Durchschnittsprüfungen). Anderenfalls wäre die Regelung des § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V, wonach Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses aufgrund von Richtgrößenprüfungen der Verordnungsweise keine aufschiebende Wirkung haben, überflüssig. Dafür, dass § 106 Abs 5a Satz 11 SGB V nur klarstellende Bedeutung zukommen könnte, sind keine ausreichenden Anhaltspunkte ersichtlich.
§ 106 Abs 5a Satz 11 SGB V kann für Wirtschaftlichkeitsprüfungen der Verordnungsweise nach Durchschnittswerten nicht entsprechend angewandt werden. Diese Prüfmethode ist seit dem 1.1.2004 keine Regelprüfmethode mehr, auch wenn sie weiterhin zwischen den Landesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen einerseits und den Kassenärztlichen Vereinigungen andererseits vereinbart werden kann (§ 106 Abs 2 Satz 4 SGB V). Dafür, dass das Gesetz für diese Prüfmethode eine planwidrige Lücke enthält, die im Wege der Analogie ausgefüllt werden müsste (vgl Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, Studienausgabe 1983, S 241 ff), gibt es keine genügenden Hinweise. Die Rechtslage in Bezug auf die sofortige Vollziehbarkeit von Regressbescheiden bei der Regelprüfmethode der Richtgrößenprüfung - keine aufschiebende Wirkung der Klage - entspricht nicht zwangsläufig derjenigen bei der nur ausnahmsweise aufgrund vertraglicher Regelung möglichen statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten.
Dafür, dass die Klage der Antragstellerin gegen den Beigeladenen bei der vorliegenden Konstellation aufschiebende Wirkung hat, spricht auch die Übergangsnorm des Art 3 § 2 Satz 4 ABAG. Nach dieser Vorschrift hat die Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses bei Prüfungen ärztlich verordneter Arznei- und Verbandmittel nach Durchschnittswerten keine aufschiebende Wirkung. Diese Vorschrift ist nach ihrer Überschrift nur für die Jahre 2002 und 2003 anwendbar (aA Steinhilper MedR 2004, 253, 254). Dass der Gesetzgeber den Anwendungsbereich dieser Norm auf die Jahre 2002 und 2003 beschränkt hat, zeigt, dass solche Klagen ab 2004 wieder aufschiebende Wirkung entfalten. Die Gesetzesbegründung des Art 3 § 2 Satz 4 ABAG rechtfertigt keine andere Entscheidung. Zwar heißt es hierin ua: " ... Klagen gegen Entscheidungen des Beschwerdeausschusses in diesem Verfahren der Übergangsregelung haben wie in den übrigen Prüfungsverfahren keine aufschiebende Wirkung ..." (Bundestags-Drucksache 14/7170 S 16 zu Art 3). Ein gesetzgeberischer Wille, dass auch über das Jahr 2003 hinaus allen Klagen gegen Arzneimittelregresse keine aufschiebende Wirkung zukommen soll, wird jedoch aus dieser Formulierung nicht hinreichend deutlich. Der Normierung des Art 3 § 2 Satz 4 ABAG hätte es im Übrigen nicht bedurft, wenn unabhängig von dieser Regelung alle Klagen gegen Arzneimittelregresse keine aufschiebende Wirkung hätten.
Dem Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen (11.3.2003 - L 11 B 6/03 KA ER, MedR 2003, 476), nach dem gesetzgeberischen Gesamtkonzept der §§ 106 Abs 5, Abs 5a, Art 3 § 2 ABAG sei der Wille des Gesetzgebers darauf gerichtet, dass in allen Fallgestaltungen der Wirtschaftlichkeitsprüfungen Klagen keine aufschie-bende Wirkung haben, vermag der Senat - jedenfalls für die Zeit nach Ablauf des Zeitraums der Anwendbarkeit des Art 3 § 2 ABAG Ende 2003 - nicht zu folgen. Ein solches Gesamtkonzept ist aus den genannten Vorschriften nicht zweifelsfrei erkennbar.
Die Regelung in der zwischen der Antragsgegnerin und den Verbänden der Krankenkassen geschlossenen Prüfvereinbarung, wonach eine Klage gegen die Entscheidung des Beschwerdeausschusses keine aufschiebende Wirkung hat, ist nicht geeignet, die aufschiebende Wirkung der Klage entfallen zu lassen, da es sich nicht um eine Regelung durch Bundesgesetz handelt, wie sie § 86a Abs 2 Nr 4 SGG fordert.
Die Anordnung des SG, dass die Antragsgegnerin die Belastung des Honorarkontos der Antragstellerin mit dem Betrag von 7.359,33 EUR rückgängig zu machen habe, entspricht der gegebenen Rechtslage (§ 86b Abs 1 Satz 2 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 197a SGG iVm § 154 Abs 2, § 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf § 52 Abs 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes beträgt regelmäßig 1/2 bis 1/4 des Streitwerts der Hauptsache (vgl Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, B.7.1.). Bei Berücksichtigung des Interesses der Antragstellerin an der begehrten Feststellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist als Streitwert 1/3 des Streitwerts der Hauptsache angemessen. Der Senat ändert auch die erstinstanzliche Streitwertfestsetzung entsprechend ab, wozu er nach § 63 Abs 3 GKG von Amts wegen befugt ist.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde beim Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG; zur Streitwertentscheidung vgl § 66 Abs 3 Satz 3 GKG).
In dem Beschwerdeverfahren
hat der 5. Senat des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz in Mainz am 22. November 2010 durch den Vizepräsident des Landessozialgerichts Dr. Follmann beschlossen:
Der Beschluss von 25.10.2010 wird berichtigt. Auf Seite 4 II 3. Absatz 3. Zeile heißt es richtigerweise anstelle von "Aufschiebende Wirkung nach " "Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nach".
Gründe:
Es handelt sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die nach § 138 SGG zu berichtigen ist.
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