L 3 U 228/09

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 98 U 801/05
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 228/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juni 2009 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund der bei ihm anerkannten Berufskrankheit Nr. 2301 der Anlage zur Berufskrankheiten-verordnung (BK 2301).

Der 1937 in der damaligen Tschechoslowakei geborene Kläger war von 1963 bis 2000 auf Seeschiffen als Maschinist beziehungsweise als Schiffsingenieur im Maschinen-raum tätig. Seine letzte Fahrt endete am 07. August 2000.

Am 09. Februar 2004 reichte der Kläger bei der Beklagten eine Arbeitsgeschichte, eine Bescheinigung über arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen nebst unter dem 28. November 2001 und 04. Februar 2004 erstellter Audiogramme ein. Die Be-klagte erhielt vom den Kläger behandelnden Hals-, Nasen- und Ohrenarzt (HNO-Arzt) Dr. med. G im Februar 2004 eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit, wonach der Kläger an Ohrensausen und Schwerhörigkeit litt. Diese Beschwerden seien erst-mals 1993 aufgetreten. Auf Anfrage der Beklagten gab der Kläger an, erstmals 1990 Hörstörungen bemerkt zu haben und seit dem 11. Februar 2004 Hörgeräte zu tragen. Er legte Kopien seiner Seefahrtbücher vor, ferner die ohrenärztliche Verordnung einer Hörhilfe sowie ein Audiogramm seines Hörgeräte-Akustikers vom 11. Februar 2004. Die Beklagte zog weitere Tonaudiogramme vom 27. Mai 1993, 02. Juni 1993, 15. März 1995, 11. Juni 1997 und 23. Juni 1999 bei. Im weiteren Verfahrensgang gab der Kläger an, seit 1980 an einem Ohrgeräusch mit Zischen und gelegentlichem hohen Pfeifen zu leiden, ohne dass die Nachtruhe hierdurch gestört werde. Von den von der Beklagten zur Wahl gestellten drei Gutachtern ließ sich der Kläger vom HNO-Facharzt Dr. med. F begutachten. Dieser erstellte nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers unter dem 22. Oktober 2004 ein HNO-ärztliches Gutachten, wonach sich an-hand der Tonaudiogramme von 1993 bis 2001 eine beidseitige, über die Jahre lang-sam zunehmende Hochtonschwerhörigkeit zeige. Die nach Beendigung der Lärmex-position erstellten Tonaudiogramme vom 09. Dezember 2003 und 04. Februar 2004 zeigten eine deutliche Zunahme der Schwerhörigkeit unter Mitbeteiligung der tiefen Frequenzen. Bei der eigenen gutachterlichen Untersuchung vom 28. September 2004 finde sich im Tonaudiogramm eine beidseitige Schallempfindungsschwerhörigkeit. Da beruflich bedingter gehörschädigender Lärm beim Kläger nur bis zum August 2000 vorgelegen habe und nach Beendigung von gehörschädigendem Lärm keine Zunah-me der lärmbedingten Schwerhörigkeit zu erwarten sei, sei für die Feststellung der lärmbedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf das Audiogramm vom 28. November 2001 abzustellen. Hieraus ergebe sich ein prozentualer Hörverlust von 40 % rechts und 30 % links und hieraus wiederum eine MdE zwischen 15 und 20 v.H. Angesichts der vom Kläger nur als mäßig störend empfundenen Ohrengeräusche werde eine lärmbedingte MdE von insgesamt 20 v.H. vorgeschlagen. Die Schiffssi-cherheitsabteilung der Beklagten gelangte bei ihren arbeitsmedizinischen Ermittlun-gen zum Ergebnis, dass der Kläger von 1968 bis 2000 einem durchschnittlichen Lärmpegel von mindestens durchschnittlich 90 dB(A) ausgesetzt war. Dr. F führte nach einer weiteren Untersuchung des Klägers am 04. Mai 2005 in einer weiteren Stellungnahme vom 17. August 2005 aus, dass im Hinblick auf die nunmehr vorlie-gende Lärmaufstellung zwar in den beiden Tonaudiogrammen vom 23. Juni 1999 und 28. November 2001, die zur Berechnung der MdE herangezogen worden seien, für eine Lärmschwerhörigkeit typische Kurvenverläufe vorlägen; jedoch sei die Entste-hung einer entschädigungspflichtigen Lärmscherhörigkeit nach der nur jeweils drei-monatigen Lärmbelastung mit 90 bis 95 dB(A) nicht gegeben bis unwahrscheinlich. Deshalb müssten für die Verschlechterung des Hörvermögens im Zeitraum von 1997 bis 2001 primär andere Gründe als die sechsmonatige Lärmbelastung vorgelegen ha-be. Das Ohrgeräusch, das nach den jüngsten Angaben des Klägers sich mit einem Schmalbandrauschen bei 1500 Hz verdecken ließe, sei mithin tieffrequent und spre-che so gegen eine überwiegend lärmbedingte Ursache der Hörstörung mit Tinnitus. Aufgrund der nun vorliegenden genaueren Angaben der Schiffsicherheitsabteilung zur Lärmbelastung und der Charakteristik des Ohrgeräusches revidiere er seine Einschät-zung im Gutachten vom 25. Oktober 2004 und schätze die gesamte berufsbedingte MdE ab August 2000 auf unter 10 v.H. ein.

Die Beklagte erkannte beim Kläger mit Bescheid vom 23. September 2005 das Beste-hen der BK 2301 an und lehnte die Gewährung einer Rente wegen der Berufskrank-heit ab, weil keine messbare MdE vorliege. Die Hörstörung des Klägers habe sich nach den dokumentierten audiologischen Untersuchungsergebnissen währen der Zeit vom 11. Juni 1997 bis zum 04. Februar 2004 massiv verschlechtert. In diesem Zeit-raum sei der Kläger während seiner beruflichen Tätigkeit aber nur vom 20. April 1998 bis zum 20. Juli 1998 und vom 29. April 2000 bis zum 07. August 2000 als Schiffsin-genieur tätig und so gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen. Diese jeweils nur rund drei Monate währenden Lärmbelastungen seien nach arbeitsmedizinischen Er-kenntnissen zu kurz, um als Ursache für die zunehmende Hörminderung in Betracht zu kommen. Selbst nach dem Ende der beruflichen Lärmarbeit im August 2000 habe sich das Gehör des Klägers weiter verschlechtert, was beweise, dass seine zuneh-mende Hörminderung von einer anlagebedingten Ursache unterhalten werde. Auch das Ohrgeräusch sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf seine Lärmarbeit zurückzuführen, weil es im eher tieffrequenten Bereich von 1500 Hz habe lokalisiert werden können.

Der Kläger hat unter dem 22. Oktober 2005 am 24. Oktober 2005 Klage zum Sozial-gericht Berlin (SG) erhoben. Die Beklagte sah in der Klage zugleich den gegen ihren Bescheid gerichteten Widerspruch und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2007 zurück. Beim Kläger liege unbestritten eine beruflich verursachte Schwerhörigkeit vor. Allerdings sei die kurze Lärmexposition in den Jahren 1998 und 2000 nach arbeitsmedizinischen Erkenntnissen nicht ausreichend, um als Ursache für die zunehmende Hörminderung in Betracht zu kommen. Der Kläger hat sich mit dem am 22. Februar 2007 beim SG eingegangenen Schriftsatz auch gegen den Wider-spruchsbescheid gewandt. Er hat behauptet, dass er gerade aufgrund der berufslärm-bedingten Schwerhörigkeit in seiner Erwerbsfähigkeit um mindestens 20 v.H. gemin-dert sei. Die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid seien unzutref-fend und in sich widersprüchlich. Da seine Lärmschwerhörigkeit als Berufskrankheit anerkannt worden sei, müsse er nicht weiter darüber streiten, ob seine Lärmarbeit Ursache der Hörminderung sei. Das SG hat Befundberichte der den Kläger behan-delnden HNO-Ärzte Dr. Gl und Dres. med. Z und C eingeholt.

Das SG hat von Amts wegen aufgrund der Beweisanordnung vom 26. März 2008 Be-weis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens auf HNO-ärztlichem Fachgebiet. Die gerichtliche Sachverständige Dr. med. H ist in ihrem unter dem 03. Juli 2008 nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 24. Juni 2008 erstell-ten Gutachten zur Feststellung gelangt, dass beim Kläger auf HNO-ärztlichem Gebiet eine Schallempfindungsschwerhörigkeit beidseits und ein rezidivierend auftretendes Ohrgeräusch beidseitig bestehe. Wesentliche Ursache für die Schwerhörigkeit sei - auch eingedenk der Altersschwerhörigkeit - der berufsbedingte Lärm. Seit dem Audio-gramm vom 23. Juni 1999 bestehe zumindest eine berufsbedingte MdE von 10, wenn nicht sogar 15 v.H. allein für die Hörstörung. Seit dem Audiogramm vom 28. Novem-ber 2001 sei von einer berufsbedingten MdE von 15 v.H. auszugehen. Da die Sprach-audiogramme nicht nach gutachterlichen Kriterien angefertigt worden seien, ließen sich diese nur zur Schätzung der MdE heranziehen. Die seither eingetretene Progre-dienz zu einer MdE von 20 v.H. sei nicht berufsbedingt. Das SG hat auf Antrag des Klägers aufgrund Beweisanordnung vom 27. November 2008 Beweis erhoben durch Einholung eines weiteren schriftlichen Gutachtens auf HNO-ärztlichem Fachgebiet. Die gerichtliche Sachverständige Dr. med. Z hat in ihrem nach einer ambulanten Un-tersuchung des Klägers am 09. März 2009 unter dem 31. März 2009 erstellten Gut-achten ausgeführt, dass beim Kläger eine symmetrische Schallempfindungsschwerhö-rigkeit ohne Schwindel oder Tinnitus bestehe. Die bis 2001 dokumentierte Hochton-schwerhörigkeit biete die Grundlage zur Festlegung der Berufskrankheit. Die in den Jahren danach entstandene zusätzliche Komponente der Tieftonschwerhörigkeit be-ruhe am ehesten auf altersentsprechenden degenerativen Innenohrveränderungen. Für den jetzigen Grad der Schwerhörigkeit sei die Lärmschwerhörigkeit wesentlich. Nach dem am 23. Juni 1999 erstellten Audiogramm habe eine MdE von 10 v.H. be-standen, und nach dem am 28. November 2001 durchgeführten Audiogramm ergebe sich eine MdE von 15 v.H. Da die Sprachaudiogramme nicht nach gutachterlichen Kriterien angefertigt worden seien, ließen sich diese – möglicherweise zu Lasten des Klägers - nicht und nur die Tonaudiogramme verwerten.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 09. Juni 2009 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass es dem Kläger nicht gelungen sei, den erforderlichen Vollbeweis für eine rentenberechtigende MdE von zumindest 20 v.H. zu erbringen. Die auf der Lärm-schwerhörigkeit beruhende MdE betrage nach dem insofern übereinstimmenden Er-gebnis der beiden gerichtlichen Gutachten und des Vorgutachtens Dr. Fs höchstens 15 v.H. Soweit der Kläger selbst wiederholt angegeben habe, das Ohrgeräusch nur als mäßig beziehungsweise nicht störend zu empfinden, komme insofern auch keine Erhöhung der MdE in Betracht.

Der Kläger hat gegen das ihm am 25. Juni 2009 zugestellte Urteil am 21. Juli 2009 Berufung eingelegt. Er trägt im Wesentlichen vor, das Ausmaß seiner Schwerhörigkeit ergebe sich aus den beiden gerichtlichen Gutachten. Dr. H bescheinige ihm aufgrund der derzeit bei ihm bestehenden Schwerhörigkeit eine MdE von 20 v.H. Die Frage, ob und inwieweit die Erkrankung auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sei, sei ge-rade nicht im Vollbeweis zu klären. Hier genüge die hinreichende Wahrscheinlichkeit.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 09. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagten zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 20 v.H. ab dem 01. Januar 2000 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Beteiligten unter dem 17. Juni 2010 zur beabsichtigten Entschei-dung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ange-hört.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts-akte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, die Gegenstand der Entscheidungsfindung des Gerichts waren, Bezug genommen.

Gründe:

II.

Die Berufung ist gemäß § 153 Abs. 4 S. 1 SGG nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss zurückzuweisen, weil der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich hält.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat aufgrund der bei ihm anerkannten BK 2301 keinen Anspruch auf Ver-letztenrente.

Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Verletztenren-te ist § 56 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Nach Abs. 1 S. 1 die-ser Vorschrift haben Versicherte Anspruch auf Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und BKen (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als sol-che bezeichnet und welche Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Zu den vom Verordnungsge-ber bezeichneten BKen gehört unter Nr. 2301 auch die Lärmschwerhörigkeit.

Die Feststellung dieser BK setzt voraus, dass zum einen die arbeitstechnischen Vor-aussetzungen in Form einer adäquaten Lärmexposition gegeben sind und dass zum anderen das typische Krankheitsbild dieser BK, das heißt eine Innenohrschwerhörig-keit beziehungsweise ein Tinnitus vorliegt und dieses im Sinne der unfallrechtlichen Kausalitätslehre wesentlich ursächlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen ist (haftungsbegründende Kausalität). Es müssen die versicherte Tätigkeit, die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß und die Krankheit im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrschein-lichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht grundsätzlich die (hinreichende) Wahr-scheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit ausreicht (ständige Rspr. des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herr-schender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Hiervon ausgehend sind nach den Empfehlungen für die Begutachtung der beruflichen Lärmschwerhörigkeit - Königsteiner Merkblatt – (4. Auflage 1995, abge-druckt in Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, Stand Mai 2010, M 2301, S. 6b ff.) und den Darlegungen hierzu etwa in Schönberger/ Mehrtens/Valentin, 8. Auflage 2010, S. 326 ff. für die Anerkennung einer Lärmschwer-hörigkeit folgende Kriterien zu prüfen:

1. Es muss eine adäquate Lärmexposition bei der beruflichen Tätigkeit vorgele-gen haben. 2. Es muss sich um eine reine Schallempfindungsschwerhörigkeit handeln. 3. Es muss ein positives Recruitment vorliegen, das heißt eine Hörstörung in den Sinneszellen des Innenohres (cochleäre Hörstörung) lokalisiert werden. 4. Die Schwerhörigkeit muss sich während der Lärmarbeit entwickelt haben, sie darf nach Beendigung der Lärmexposition nur im Rahmen der altersentspre-chenden Entwicklung fortgeschritten sein. 5. Die Tonschwellenkurven müssen typisch sein, das heißt bei beginnender Lärmschwerhörigkeit umschriebene Hochtonsenke bei 4000 Hz, in fortgeschrit-tenen Stadien Steilabfall oder Übergang in einen Schrägverlauf. 6. Die Tonschwellenkurven müssen beidseits annähernd symmetrisch sein.

Dies zugrunde gelegt steht zur Überzeugung des Senats fest, dass der Kläger ange-sichts seiner berufslebenslangen Lärmexposition von mindestens 90 dB(A) die so ge-nannten arbeitsmedizinischen Voraussetzungen erfüllt. Im Sinne eines Vollbeweises sind die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2301 gemäß dem Kriterium zu 1 erfüllt, und es liegt eine den Kriterien zu 2, 3, 5 und 6 entsprechende Erkrankung vor. Allerdings führt diese im Fall des Klägers nicht zu einer rentenberechtigenden MdE.

Die MdE bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalles bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungs-einbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2000 - B 2 U 14/99 R –, zitiert nach juris Rn. 22 ff.). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Erfahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (etwa BSG, Urteil vom 02. Mai 2001 - B 2 U 24/00 –, zitiert nach juris Rn. 20 ff.). Wie weit die Unfallfolgen beziehungsweise die Folgen der anerkannten Berufskrankheit die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, welche die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versi-cherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfah-rungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägli-chen Praxis (etwa BSG, Urteil vom 30. Juni 1998 - B 2 U 41/97 R –, zitiert nach juris Rn. 20 f.). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bil-den die Basis für einen Vorschlag, welchen der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeig-netes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, zitiert nach juris Rn. 17).

Hieran gemessen kann wegen der Folgen der beim Kläger anerkannten BK 2301 eine MdE von 20 v.H. nicht festgestellt werden. Soweit sich wegen des beim Kläger beste-henden Ohrenleidens nach den Feststellungen der gerichtlichen Sachverständigen Dr. H aufgrund des bei ihrer Untersuchung erstellten Audiogramms überhaupt eine MdE von 20 v.H. annehmen lässt, ist für die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass eben diese MdE auf die berufliche Lärmexposition des Klägers zurückzuführen ist, nichts ersichtlich. Vielmehr ist entsprechend dem ob genannten Kriterium zu 4 für das Vorliegen einer BK 2301 auf die Schwerhörigkeit abzustellen, wie sie sich in ei-nem Zeitraum entwickelte, in welchem eine adäquate Lärmexposition bestand (vgl. Schönberger u.a., a.a.O., S. 326). Dementsprechend ist dies auch der für die Bemes-sung der MdE maßgebliche Zeitraum. Hiervon ausgehend stimmen die beiden gericht-lichen Sachverständigen nachvollziehbar darin überein, dass für die Bewertung der BK 2301 spätestens auf das erste nach der beruflichen Lärmexposition am 28. No-vember 2001 erstellte Tonaudiogramm abzustellen ist. Hieraus ergibt sich eine beid-seitige Hörschwelle von 20-70-70 dB. Auf das beim Kläger gleichzeitig durchgeführte, das Zahlwort- und Einsilberverständnis prüfende Sprachaudiogramm (so genannter Freiburger Sprachtest, vgl. Schönberger u.a., a.a.O., S. 339) lässt sich nach den zu-treffenden übereinstimmenden Einschätzungen der gerichtlichen Sachverständigen nicht abstellen. Zum einen vermerkte der behandelnde Arzt Dr. Gauf dem Sprachau-diogramm vom 23. Juni 1999 nachvollziehbar, dass der Kläger als Slowake Schwie-rigkeiten habe, die Einsilber zu verstehen. Zum anderen waren die Sprachaudio-gramme nach der zutreffenden Einschätzung der beiden gerichtlichen Sachverständi-gen in der Tat nicht nach den gutachterlichen Kriterien angefertigt, welche eine Additi-on der Einsilberverständniswerte bei 60, 80 und 100 dB verlangen (vgl. Schönerber-ger u.a., a.a.O., S. 339), wohingegen hier die Verständniswerte bei den Lautstärken 50, 65 und 80 dB berücksichtigt wurden. Da sich vorliegend aus dem beim Kläger durchgeführten Sprachaudiogramm mithin keine verlässlichen Werte ergeben, lässt sich der prozentuale Hörverlust nur aus den Tonaudiogrammen nach der so genann-ten Drei-Frequenz-Tabelle nach Röser 1980 (abgedruckt bei Schönberger u.a., a.a.O., S. 342) ermitteln. Hieraus folgt ein 35 %-iger Hörverlust auf jedem Ohr. Dies ergibt nach den auch insofern übereinstimmenden Bewertungen der beiden gerichtlichen Sachverständigen auf der Grundlage der so genannten MdE-Tabelle nach Feldmann 1995 (abgedruckt bei Schönberger u.a., a.a.O. S. 346), welche eine herkömmliche, den derzeitigen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft auf HNO-fachärztlichem Gebiet entsprechende Bewertungsmethode ist (Schönberger u.a., a.a.O. S. 345), eine MdE von höchstens 15 v.H.

Der von der Beklagten beauftragte Sachverständige Dr. F gelangte unter Hinweis auf die in den Jahren 1997 bis 2001 nur sechsmonatige Lärmexposition sogar zu einer MdE von nur 10 v.H. Auch Dr. F ging – wiederum in Übereinstimmung mit den gericht-lichen Sachverständigen - davon aus, dass die Zunahme der Schwerhörigkeit nach Beendigung der Lärmarbeit ein Nachschaden und somit versicherungsrechtlich nicht relevant ist.

Bei alldem kann dahinstehen, ob sich beim Kläger zusätzlich überhaupt ein Tinnitus objektiv befunden lässt, zumal er bei der letzten Untersuchung durch die Sachver-ständige Dr. Z angegeben hat, aktuell weder unter einem Tinnitus noch unter Schwin-del zu leiden. Eine MdE-erhöhende Wirkung etwaiger beim Kläger bestehender Ohrengeräusche vermag der Senat bereits im Ansatz nicht zu erkennen. Der Kläger hat sein Ohrensausen beziehungsweise –geräusch bereits gegenüber dem Gutachter Dr. F als nur mäßig störend bezeichnet. Die Sachverständige Dr. H ist nach der Be-fragung des Klägers davon ausgegangen, dass bei ihm ein rezidivierend, aber nicht persistierend vorliegendes Ohrengeräusch besteht, welches keine nennenswerte psy-chovegetative Begleitsymptomatik verursacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Ver-fahrens in der Sache selbst.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2, Nr. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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