L 7 AS 88/10 B

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 7 AS 1347/08 ER
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 7 AS 88/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 20. Oktober 2009 aufgehoben und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung ab Antragstellung für den ersten Rechtszug unter Beiordnung des Rechtsanwalts B. in B-Stadt bewilligt.

Gründe:

Die am Montag, 30. November 2009 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) eingelegte Beschwerde des Antragstellers gegen den Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des SG vom 20. Oktober 2009, ihm zugestellt am 28. Oktober 2009, ist zulässig und hat in der Sache Erfolg.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter anwaltlicher Beiordnung, insbesondere hinreichende Erfolgsaussichten, liegen vor.

Gemäß § 114 S. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), der über die Verweisungsnorm des § 73a Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auch im sozialgerichtlichen Verfahren gilt, ist einem Beteiligten auf Antrag Prozesskostenhilfe zu bewilligen, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Der Maßstab für die dabei geforderten Erfolgsaussichten ist im Lichte der grundrechtlich garantierten Rechtsschutzgleichheit zu bestimmen. Sie folgt aus dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i.V.m. dem Rechtsstaatsgrundsatz aus Art. 20 Abs. 3 GG. Gefordert ist hiernach eine Angleichung der Rechtsschutzmöglichkeiten eines Unbemittelten mit denen eines Bemittelten, der seine Erfolgsaussichten unter Berücksichtigung des Kostenrisikos vernünftig abwägt. Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist zu bejahen, wenn für den Antragsteller eine nicht fernliegende Möglichkeit besteht, sein Rechtsschutzziel durch Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes jedenfalls unter Zuhilfenahme aller verfahrensrechtlich vorgesehenen Rechtsbehelfe gegen instanzgerichtliche Entscheidungen durchzusetzen (Bundesverfassungsgericht, 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06; BVerfGE 81, 347 (357); stRspr). Ein höherer Wahrscheinlichkeitsgrad kann erforderlich sein, um die Prozessführung nicht mutwillig erscheinen zu lassen, wenn die Bedeutung des Rechtsschutzzieles sonst völlig außer Verhältnis zum verbleibenden Prozesskostenrisiko steht.

So verstandene hinreichende Erfolgsaussichten kommen im sozialgerichtlichen Verfahren aus zwei Gesichtspunkten in Betracht.

Sie sind einerseits anzunehmen, wenn eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage weder angesichts der gesetzlichen Regelung oder im Hinblick auf von bereits vorliegender Rechtsprechung bereitgestellter Auslegungshilfen ohne Schwierigkeiten beantwortet werden kann (BVerfGE 81, 347 (359)) noch höchstrichterlich geklärt ist. Nur so verbleibt dem Unbemittelten die Möglichkeit seinen klärungsbedürftigen Rechtsstandpunkt zumindest im Hauptsacheverfahren zu vertreten und von dort aus in die höhere Instanz zu bringen (BVerfG, 14. Juni 2006 – 2 BvR 626/06 m.w.N.).

Andererseits sind die Erfolgsaussichten grundsätzlich als hinreichend anzusehen, wenn eine weitere Sachverhaltsaufklärung - über die geforderte Mitwirkungsobliegenheit des Antragstellers nach § 103 S. 1 SGG hinaus - ernstlich in Betracht kommt. Dabei darf die Erfolgsprognose in sehr engen Grenzen auf eine vorweggenommene Beweiswürdigung gestützt sein. Hinreichende Erfolgsaussichten bestehen nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass die weitere Sachverhaltsaufklärung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lasten des Antragstellers ausgehen wird (vgl. für Zivilprozess: BVerfG, 29. September 2004 – 1 BvR 1281/04, NJW-RR 2005, 140 m.w.N.).

Dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Übernahme der Umzugskosten zugestanden hat, bedarf keiner weiteren Ausführungen, weil der Antragsgegner während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens dem mit Bewilligungsbescheid vom 24. September 2008 auf Grundlage des Kostenvoranschlags der Fa. D. entsprochen hat. Entgegen der Auffassung des SG ist dem Antragsteller auch nicht ein entscheidungserheblicher Verstoß gegen Mitwirkungsobliegenheiten nach § 103 S. 1 2. Hs. SGG vorzuwerfen. Die von dem SG benannte Aufforderung zur Vorlage eines Nachweises über gesundheitliche Beeinträchtigungen betraf ausschließlich die zusätzlich am 16. Juli 2008 schriftlich beantragten Renovierungskosten. Den Antrag auf Übernahme der Umzugskosten hatte der Antragsgegner hingegen laut Aktenvermerk vom 21. Juli 2008 nur abgelehnt, weil der Antrag vom 16. Juli 2008 nicht unterschrieben sei. Das war aber schon deshalb unschädlich, weil der Antragsteller bereits am 30. April 2008 schriftlich die Übernahme der Umzugskosten beantragt hatte und der Aufforderung zur Vorlage von drei Kostenvoranschlägen mit dem weiteren Antragsschreiben nachkam.

Die anwaltliche Beiordnung erfolgt nach § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 121 Abs. 2 ZPO. Sie ist erforderlich, weil die Gegenseite sich im Rechtsstreit rechtskundiger und prozesserfahrener Mitarbeiter bedient, deren Kenntnis- und Erfahrungsstand dem Antragsteller ohne anwaltliche Hilfe nicht zur Verfügung steht (vgl. zum Maßstab: BVerfG, 6. Mai 2009 - 1 BvR 439/08 - m.w.N.).

Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da das Bewilligungsverfahren wie das Hauptsacheverfahren kostenfrei ist (§ 183 SGG) und eine Erstattung der dem Gegner entstandenen Kosten ausgeschlossen ist (§ 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 118 Abs. 1 S. 4 ZPO, für Beschwerdeverfahren: § 127 Abs. 2 ZPO).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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