S 4 KR 276/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 KR 276/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I.
Der Bescheid der Beklagten vom 26.10.2006 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 07.06.2007 und des Ergänzungsbescheids vom 14.04.2008 wird aufgehoben.

II.
Es wird festgestellt, dass die Klägerin ab 22.08.2006 nicht der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegt.

III.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu tragen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin im Zeitraum seit August 2006 eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt.

Die 1962 geborene Klägerin hat den Beruf einer Dipl.-Volkswirtin erlernt und war nach ihren Angaben seit Januar 1999 selbstständig tätig gewesen und zuletzt bei der Beklagten freiwillig krankenversichert gewesen. Im August 2006 hat die Klägerin am Stammkapital der P. K. einen Anteil von 28,58 Prozent erworben. Gleichzeitig hat die Gesellschaft mit der Klägerin einen Geschäftsführervertrag abgeschlossen.

In einem Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH im Rahmen eines Anfrageverfahrens gemäß § 7 a Abs. 1 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) wurde angegeben, dass die P. K. im Jahr 2001 gegründet worden sei. Zuletzt vor dem Eintritt der Klägerin in die Gesellschaft habe das Stammkapital allein bei der P. Beteili-gungsgesellschaft gelegen. Für das Stimmrecht sei eine einfache Mehrheit vertraglich vereinbart. Die Klägerin könne nicht durch Sonderrechte Gesellschaftsbeschlüsse herbeiführen oder verhindern. Sie sei alleinvertretungsberechtigt und vom Selbstkontrahierungsverbot nach § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit. Sie verfüge nicht als Einzige über die für die Führung des Unternehmens erforderlichen einschlägigen Branchenkenntnisse. Die Mitarbeit sei durch einen besonderen Dienstvertrag geregelt worden. Die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 40 Stunden, während die tatsächliche durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit bei 70 Stunden liege. Die Klägerin unterliege nicht dem Direktionsrecht der Gesellschaft bezüglich Zeit, Ort und Art der Beschäftigung. Sie könne unbeschränkt selbstständig Personal einstellen und/oder entlassen und orientiere die Gestaltung der Tätigkeit an den betrieblichen Erfordernissen. Eine Kündigung sei mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten möglich. Es werde eine Basisvergütung von 1.000,00 Euro monatlich gezahlt, zu der eine variable Umsatzprovision hinzu komme. Die Vergütung werde als Lohn/Gehalt verbucht. Die erfolgsabhängigen Bezüge würden bei fünf Prozent des Jahresüberschusses vor Ertragssteuern liegen.

Aus dem Dienstvertrag vom 22.08.2006 ist weiter zu entnehmen, dass der Geschäftsführerin von der Gesellschaft ein Firmen-Pkw zur Verfügung gestellt wird, dass die Geschäftsführerin einen Urlaubsanspruch hat und dass die monatliche Basisvergütung auf die Dauer von drei Monaten im Falle einer Krankheit fortgezahlt werde. Beigefügt ist eine umfangreiche Vergütungsregelung über Provisionen, in der u.a. auch Ausgleichszahlungen im Fall von Krankheit enthalten sind.

In der Geschäftsordnung für die Geschäftsführung der P. K. ist unter anderem ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Berichterstattung der Geschäftsführung solange ausgesetzt ist, als zwischen der Gesellschaft und der Fa. P. K. Lizenz- und Marketing GmbH ein Franchise-Vertrag besteht und die Gesellschafter aufgrund dessen die Möglichkeit haben, diese Berichte unmittelbar bei P. K. Lizenz- und Marketing GmbH abzurufen.

Im Gesellschaftsvertrag ist festgehalten, dass für die Veräußerung von Geschäftsanteilen eine Sperrminorität bei 25 Prozent eingerichtet ist, während die Gesellschafterbeschlüsse im Übrigen mit einfacher Mehrheit erfolgen.

Mit Bescheid vom 25.10.2006 stellte die Beklagte daraufhin fest, dass die Klägerin in ihrer Eigenschaft als GmbH-Geschäftsführer bei der P. K.ab dem 22.08.2006 zu allen Zweigen der Sozialversicherung, Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung sowie zum Recht der Arbeitsförderung versicherungspflichtig sei. Bei der Klägerin seien durch die Kompetenzverteilung innerhalb der GmbH weitreichende Rechte vorhanden, die aber durch den Anstellungsvertrag und den Gesellschaftsvertrag generell beschnitten würden. Auch durch die Verteilung der Stammeinlage ergebe sich kein maßgeblicher Einfluss auf die Geschicke der GmbH, während die Tatsache, dass die Klägerin am Gewinn der GmbH beteiligt werde, ein Indiz für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sei. Bei der Gesamtbeurteilung würden jedoch die Eigenschaften eines Arbeit-nehmers überwiegen.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 17.11.2006 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2007 zurückgewiesen wurde. Begründet wurde dies damit, dass nur bei Gesellschafter-Geschäftsführern, die über mindestens 50 Prozent des Stammkapitals verfügten oder bei denen eine sogenannte Sperrminorität vorliege, ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis ausscheide, während in allen übrigen Fällen eine individuelle Gesamtbeurteilung vorzunehmen sei. Im Fall der Klägerin würde im Gesamtbild ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegen.

Hiergegen erhob die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten mit Telefax vom 09.07.2007 Klage zum Sozialgericht Speyer. Von dort wurde die Klage durch Beschluss vom 08.08.2007 an das Sozialgericht Würzburg verwiesen.

In der Klagebegründung wird darauf verwiesen, dass die Beklagte zwar zutreffend erkannt habe, dass die Klägerin ihre Tätigkeit im Wesentlichen frei gestalten könne und vom Selbstkontrahierungsverbot befreit sei. Bei der Beurteilung der Ausübung der Kontrollbefugnisse werde die Vertragslage überbewertet und die tatsächlichen Verhältnisse nicht ausreichend gewürdigt. Zu berücksichtigen sei, dass die Klägerin über das überragende Branchen-know-how verfüge, in erheblichstem Umfang Überstunden ohne Ausgleich leiste und - bei gleichzeitig nur geringem Basislohn - am Umsatzerfolg beteiligt sei. Insgesamt sei in der Beurteilung von einer selbstständigen Tätigkeit auszugehen, wobei zu beachten sei, dass als weiteres Indiz die Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit in der Vergangenheit gegeben sei und in Zweifelsfällen die Versicherungspflicht eben gerade nicht nachgewiesen sei.

Im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens wurde am 28.12.2007 der Gesellschaftsanteil der Klägerin erhöht, indem die P. K. ihr einen Anteil von 5.000,00 Euro veräußerte. Die Klägerin verfügte ab diesem Zeitpunkt über 42,85 Prozent der GmbH-Anteile. Die Beklagte führte im Folgenden eine erneute Prüfung der Arbeitnehmereigenschaft durch und kam mit Bescheid vom 14.04.2008 zum Ergebnis, dass die Klägerin auch ab dem 28.12.2007 weiterhin zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtig sei. Gegen diesen Bescheid wurde zwar zunächst Widerspruch eingelegt, im Weiteren teilte das Gericht jedoch den Beteiligten mit, dass nach Auffassung des Gerichtes dieser Bescheid durch § 96 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in den Rechtsstreit einbezogen sei, da der ursprüngliche Bescheid unbefristet ergangen sei und somit eine teilweise Ersetzung vorliege.

In einem Erörterungstermin vom 03.06.2008 wurde festgestellt, dass der Bescheid im Original das Datum 26.10.2006 trägt.

Die Klägerin führte aus, dass die übrigen Gesellschaftsanteile zwar nicht von Branchenfremden gehalten würden, jedoch die Bedingungen in den jeweiligen lokalen Räumen sehr unterschiedlich seien und die lokalen Kenntnisse von so überragender Bedeutung seien, dass in die Entscheidungen der Klägerin nicht durch andere eingewirkt werde.

Mit Schreiben vom 02.07.2008 teilte die Beklagte mit, dass die Klägerin in der Krankenversicherung zunächst wegen Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze als freiwillig versichert anzusehen gewesen sei, jedoch aufgrund einer Gesetzesänderung zum 01.04.2007 die Klägerin ab diesem Zeitpunkt als pflichtversicherte Arbeitnehmerin anzusehen sei. Eine entsprechende Korrektur werde die Beklagte jedoch bis zum Abschluss des Verfahrens zurückstellen.

Das Gericht befragte die Klägerseite im Folgenden zu der Ausübung der Gesellschaftstätigkeit. Die Klägerseite antwortete, dass eine Gesellschafterversammlung einmal jährlich stattfinde und hierbei ausschließlich ein Beschluss zur Feststellung des Jahresabschlusses getroffen werde. Die P. K. werde dabei von einem Herrn K. vertreten. Es gebe keine Berichte der Geschäftsführung an die Gesellschaft; Vorgabe sei ausschließlich das Jahresbudget.

Mit Beschluss vom 12.12.2008 hat das Gericht die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Rentenversicherung Bund und die BKK Mobil Oil Pflegekasse zum Verfahren beigeladen.

In der mündlichen Verhandlung vom 30.01.2009 hat das Gericht Herrn K. als Zeugen einvernommen. Er führte aus, dass die P. L. und Marketing GmbH als maßgebliche Holding mit den jeweiligen P. Franchise-Verträge geschlossen habe. In einigen Fällen bestehe auch eine direkte Beteiligung an den örtlichen Küchenhäusern. Die wichtigen Regularien würden jedoch über den Franchise-Vertrag erfolgen und die Beteiligungen seien hierzu eher als untergeordnet anzusehen. Die Holding erhalte monatliche Reports über Gewinne und Verluste, wie dies bei allen Franchise-Unternehmen der Fall sei. Der Zeuge räumt auf Nachfrage ein, dass bei einer eventuellen Misswirtschaft die Mehrheitsgesellschafter Weisungen erteilen würden; bei nur über einen Franchise-Vertrag angebundenen Unternehmen würde in einem derartigen Fall jedoch ebenfalls ein Reagieren erfolgen, z.B. über die Androhung oder Durchführung einer Kündigung.

Die Klägerin beantragt,

1. den Bescheid der Beklagten vom 26.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2007 aufzuheben,

2. festzustellen, dass die Klägerin der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung seit 22.08.2006 nicht unterliegt.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beigeladenen stellen keine eigenen Anträge.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht erhoben und an das örtlich und sachlich zuständige Sozialgericht verwiesen (§§ 51, 54, 55, 57, 87, 90, 98 SGG). Der Klageantrag ist dabei dahingehend auszulegen, dass auch die Aufhebung des Ergänzungs-bescheides vom 14.04.2008 mit beantragt ist, da offensichtlich alle Bescheide aufgehoben werden sollen, die dem Klageantrag in Ziffer 2 entgegenstehen. Der Bescheid vom 14.04.2008 ist zur Überzeugung des Gerichts durch § 96 Abs. 1 SGG n.F. Gegenstand des anhängigen Rechtsstreites geworden, nachdem der ursprüngliche Bescheid unbefristet war und durch den neuen Bescheid eine teilweise Ersetzung, wenn auch mit dem gleichen Ergebnis, vorgenommen wurde.

Die Klägerin hat auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung (§ 55 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG), da hiervon ihre Beitragszahlungen zu den verschiedenen Zweigen der Sozialversicherung abhängig sind.

Die Klage ist zur Überzeugung des Gerichts auch begründet, da das Vorliegen von Versicherungsfreiheit aufgrund der Ausübung einer selbstständigen Tätigkeit durch die Klägerin hinreichend belegt ist.

Die Versicherungspflicht in der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung wird durch die Vorschriften der §§ 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V), 1 S. 1 Nr. 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI), 20 Abs. 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI) und 25 Abs. 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) für Arbeitnehmer als gegeben angesehen. § 7 Abs. 1 SGB IV führt hierzu aus, dass Beschäftigung die nicht selbstständige Arbeit insbesondere in einem Arbeitsverhältnis ist und dies anhand von Anhaltspunkten zu beurteilen ist, wobei hierzu namentlich die Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers zählen. Die Beurteilung ist dabei aufgrund des Gesamtbildes der Tätigkeit vorzunehmen, wozu entsprechende Indizien heranzuziehen sind, ohne dass die an zahlenmäßige Verteilung den Ausschlag geben würde (vgl. Brand in Niesel, Kommentar zum SGB III, § 25 Rdnr. 14 a.E.).

Für die Beurteilung des Status eines sogenannten Gesellschafter-Geschäftsführers wird zunächst als zentrales Regelungskriterium die Beteiligung des Geschäftsführers am Stammkapital der Gesellschaft angesehen. Dabei ist bei einer fehlenden Beteiligung an der Gesellschaft regelmäßig ein Beschäftigungsverhältnis anzunehmen, während bei einer Beteiligung von mehr als der Hälfte regelmäßig kein Beschäftigungsverhältnis möglich ist (vgl. Brand, a.a.O., § 25 Rdnr. 20).

Bei einer Beteiligung von weniger als 50 Prozent, jedoch mehr als null Prozent ist in der Regel ebenfalls von einem Beschäftigungsverhältnis auszugehen. Zu den Ausnahmen zählen das Vorliegen einer Sperrminorität, durch die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in allen wesentlichen Angelegenheiten verhindert werden können, oder die Ausübung von größerem tatsächlichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft, als dies nach den Kapitalanteilen an sich möglich ist.

Entgegen den Angaben der Beteiligten lässt sich aus dem Gesellschaftsvertrag entnehmen, dass die Klägerin über eine Sperrminorität verfügt, allerdings nur in äußerst rudimentärem Umfang. Ausschließlich eine Veränderung der Gesellschaftsanteile kann sie verhindern, weil hierzu Beschlüsse mit einer Dreiviertelmehrheit erforderlich sind. Das Gericht vertritt dabei in Übereinstimmung mit der vorhandenen Rechtsprechung die Auffassung, dass eine Sperrminorität nur dann vorliegt, wenn Beschlüsse der Gesellschafterversammlung in allen wesentlichen und nicht nur in einigen Angelegenheiten verhindert werden können (vgl. z.B. SG Würzburg, Urteil vom 06.11.2007 Az.: S 4 KR 476/05; vgl. auch Brand, a.a.O, § 25 Rdnr. 18).

Die Beteiligten haben die Indizien, die für oder gegen eine abhängige Beschäftigung sprechen, ansonsten praktisch vollständig aufgezählt: So hat die Klägerin eine Entscheidungsverantwortlichkeit in Personalangelegenheiten, aber auch in konkreten Finanz- und Organisationsfragen. Sie verfügt über umfassende Branchenkenntnisse und spezielle ortsbezogene Kenntnisse. Ihre Vergütung ist im Wesentlichen erfolgsabhängig ausgestaltet. Sie ist vom Selbstkontrahierungsverbot im Sinne des § 181 BGB befreit. Sie ist hin-sichtlich Ort, Zeit, Art und Ausführung der Arbeit in ihrer Gestaltung frei. Aufgrund der Zeugenaussage ergibt sich, dass die im Geschäftsführervertrag enthaltene Mindestarbeitszeit in keiner Weise kontrolliert wird und bei entsprechendem Geschäftserfolg auch keine Vorgaben im Rahmen von Gesellschafterbeschlüssen gegenüber dem Geschäftsführer erfolgen.

Die von der Klägerseite betonte und vom Zeugen bestätigte völlige Gleichsetzung von Minderheits- und Mehrheitsgesellschaftern im Rahmen des vielfach praktizierten Franchise-Konzeptes ist allein für sich betrachtet noch kein zwingendes Argument für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin. So sind in der Vergangenheit Franchisenehmer oftmals als nur scheinbar Selbstständige angesehen worden, weil sie im Wesentlichen in ihrem geschäftlichen Handeln durch den Franchisegeber bestimmt sind (vgl. z.B. LSG Berlin, Urt. v. 23.12.1996, L 15 Kr 14/94). Dies hat sich zwischenzeitlich zwar weiter entwickelt, jedoch ist zu beachten, dass im vorliegenden Fall die Franchisenehmer im Rahmen des Franchise-Vertrages erheblichen Berichtspflichten gegenüber dem Franchi-segeber unterliegen. Diese Informationspflichten sind so ausgestaltet, dass im vorliegenden Fall einer Mehrheitsbeteiligung auf zusätzliche Berichte des geschäftsführenden Minderheitsgesellschafters an den Mehrheitsgesellschafter bzw. die Gesellschaft verzichtet wird. Letzteres wird nicht nur tatsächlich so gehandhabt, sondern ist bereits in den schriftlichen Abmachungen enthalten.

Das Gericht hat im vorliegenden Fall die Überzeugung gewonnen, dass gegenüber der Klägerin im Rahmen der vorliegenden tatsächlichen Verhältnisse ein Weisungsrecht nicht ausgeübt wird. Im Wesentlichen deshalb ist das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Rahmen der Gesamtbetrachtung zu verneinen. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Dienstvertrag einige arbeitnehmertypische Regelungen (wie Vereinbarung eines Urlaubsumfangs und einer Vergütung für den Krankheitsfall) vorsieht.

Für die vom Zeugen eingeräumten Vorbehalte einer Weisung im Falle einer wirtschaftlichen Schieflage der Gesellschaft gilt aus Sicht des Gerichtes die umgekehrte Überlegung zur Sperrminorität: Wenn das Vorliegen einer Sperrminorität für einzelne wesentliche Entscheidungen nicht ausreichend sein soll, weil diese Extremsituation den alltäglichen Geschäftsbetrieb und die dortige Weisungsunterworfenheit nicht berühren, so ist umgekehrt ein allein auf solche Extremfälle bezogener Weisungsvorbehalt, bei ansonsten faktischer völliger Weisungsfreiheit nicht ausreichend, um hieraus ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis abzuleiten.

Der Beklagten ist zuzustimmen, dass durch die Erhöhung der Gesellschaftsanteile keiner der wesentlichen Faktoren verändert wurde. Allerdings nimmt das Interesse am Erfolg der Gesellschaft tendenziell noch zu und verschiebt sich auch das subjektiv eingegangene Unternehmerrisiko noch einmal stärker in Richtung Selbstständigkeit. Gleichwohl ist aus Sicht des Gerichtes der gesamte Zeitraum einheitlich zu beurteilen.

Somit ist das Gericht im Rahmen der Gesamtbeurteilung zum Ergebnis gekommen, dass eine vertragsrechtlich zwar angelegte Abhängigkeit bei der Beschäftigung durch entgegenstehende tatsächliche Verhältnisse völlig überlagert wird.

Die angefochtenen Bescheide der Beklagten einschließlich des Ergänzungsbescheides sind daher aus Sicht des Gerichtes nicht zutreffend und sind aufzuheben. Dem Feststellungsantrag der Klägerin ist zu entsprechen: Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung wird von der Klägerin derzeit und bereits seit dem 22.08.2006 nicht ausgeübt.

Nachdem die Klägerin mit ihrer Klage Erfolg hatte, war die Beklagte auch zur Übernahme der außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu verurteilen (§ 193 SGG). Diese Vorschrift ist anzuwenden, da sich der Rechtsstreit um den Status der Klägerin als Versicherte drehte (§ 183 S. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved