L 12 AS 5098/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AS 565/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 5098/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. September 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Berücksichtigung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung im Zeitraum 1. Juni bis 30. September 2007 in Höhe von 51,13 EUR monatlich.

Der 1958 in Afghanistan geborene Kläger bezieht seit dem 1. Januar 2005 von der Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Hierbei gewährte ihm die Beklagte wegen ärztlich bescheinigter Notwendigkeit kostenaufwändiger Ernährung bei Vorliegen von Diabetes mellitus Typ IIa und Hyperlipidämie bis zum 31. Mai 2007 einen Mehrbedarf in Höhe von 51,13 EUR monatlich.

Auf Folgeantrag bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 10. April 2007 dem Kläger Leistungen für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2007 in Höhe von 660 EUR. Mit Änderungsbescheid vom 2. Juli 2007 bewilligte sie für Juli Leistungen in Höhe von 724,84 EUR und für August bis September in Höhe von 715,25 EUR wegen höherer Heizkosten. Ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung wurde nicht mehr berücksichtigt.

Am 11. Mai 2007 beantragte der Kläger die Gewährung eines Mehrbedarfs wegen kostenaufwändiger Ernährung und legte Bescheinigungen seiner Hausärztin Dr. L.-P. vom 9. Mai und 9. Juli 2007 vor, wonach er lipidsenkende Kost und Diabeteskost benötige. Die Beklagte holte daraufhin eine Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit Stuttgart ein. In der gutachterlichen Äußerung vom 31. August 2007 kam Dr. K. unter Bezugnahme auf das Rationalisierungsschema der führenden Deutschen Gesellschaften für Ernährungsmedizin zu der Einschätzung, dass die Notwendigkeit einer kostenaufwändigen Ernährung nicht gegeben sei.

Mit Bescheid vom 14. September 2007 lehnte daraufhin die Beklagte die Gewährung eines Mehrbedarfs für die Zeit ab 1. Juni 2007 ab. Der Widerspruch, zu dem der Kläger ein weiteres Attest von Dr. L.-P. vom 20. November 2007 vorlegte, wonach er unbedingt Diätkost einhalten müsse, um seinen Zustand nicht zu verschlechtern, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 14. Dezember 2007).

Hiergegen richtet sich die am 18. Januar 2008 zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhobene Klage. Der Kläger macht geltend, dass er ausweislich der vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen eine spezielle Diätkost benötige, um eine Entgleisung des Diabetes zu verhindern.

Mit Urteil vom 25. September 2008 hat das SG die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 10. April 2007 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 2. Juli 2007, des Bescheids vom 14. September 2007 und des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2007 verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 1. Juni bis 30. September 2007 monatlich weitere 51,13 EUR zu gewähren. Streitgegenstand seien die genannten Bescheide. Der Antrag auf Gewährung eines Mehrbedarfs vom 11. Mai 2007 stelle sich als Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. April 2007 dar, der Änderungsbescheid vom 2. Juli 2007 sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden. Mit Bescheid vom 14. September 2007 sei die bereits erfolgte Ablehnung höherer Leistungen wegen Berücksichtigung eines Mehrbedarfs nochmals bestätigt worden.

Dem Kläger sei ein Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung zu gewähren. Gemäß § 21 Abs. 5 SGB II erhielten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürften, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Zur Frage der Angemessenheit verweise der Gesetzgeber ausdrücklich darauf, dass hierzu die vom Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge entwickelten Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe herangezogen werden könnten. Nach den Empfehlungen (Kleinere Schriften des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge, Heft 48, 2. Aufl. 1997) betrage der Mehrbedarf u.a. für lipidsenkende Kost 70 DM (35,79 EUR) und für Diabeteskost 100 DM (51,13 EUR). Bei Vorliegen mehrerer Erkrankungen sei in der Regel die Gewährung der höchsten in Betracht kommenden Krankenkostzulage sachgerecht. Nach den Empfehlungen sei die Frage des Ernährungsbedarfs nach dem jeweils aktuellen Stand der ernährungsmedizinischen Wissenschaft zu beurteilen. Mittlerweile lägen mit dem Begutachtungsleitfaden der Mehrbedarfe des Landschaftsverbandes W.-L. von Januar 2002 und dem Rationalisierungsschema des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner neuere Publikationen vor, die davon ausgingen, dass für eine Vielzahl von Erkrankungen wie z.B. alle Formen von Diabetes, Hyperlipidämie und Bluthochdruck keine spezielle Diät erforderlich sei, sondern die zur Gesunderhaltung empfohlene normale Mischkost, entsprechend der Vollkost, ausreiche. Angesichts dieser aktuelleren Erkenntnisse könnten die Empfehlungen nach Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 64/06 R -) nicht mehr als antizipierte Sachverständigengutachten gelten, sie könnten aber im Regelfall noch als Orientierungshilfe dienen. Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 - 1 BvR 2673/05 -) sei ein Abweichen von den vom Gesetzgeber ausdrücklich in Bezug genommenen Empfehlungen begründungsbedürftig und setze entsprechende Fachkompetenz voraus. Solange die derzeit beim Deutschen Verein stattfindende Überarbeitung der Empfehlungen nicht abgeschlossen sei, seien daher nach Auffassung des Gerichts weiterhin die alten Empfehlungen zu Grunde zu legen. Danach seien dem Kläger monatlich weitere Leistungen in der beantragten Höhe von 51,13 EUR zu gewähren.

Gegen das ihr am 8. Oktober 2008 zugestellte Urteil richtet sich die vom SG zugelassene, am 4. November 2008 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie verweist darauf, dass auch die nunmehr veröffentlichten, überarbeiteten Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008 im Ergebnis davon ausgingen, dass u.a. bei Diabetes mellitus und Hyperlipidämie ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen sei. Der Deutsche Verein habe sich ausdrücklich auf Ausarbeitungen gestützt, die vom SG nicht als ausreichende Grundlage für die Ablehnung des Mehrbedarfs gesehen worden seien. Eine Abweichung von den Empfehlungen sei mithin auch bereits vor Veröffentlichung der zum Oktober 2008 überarbeiteten Fassung möglich gewesen. Eine gesunde Vollkost sei ausweislich der aktualisierten Empfehlungen aus der Regelleistung zu bestreiten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. September 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass die überarbeiteten Empfehlungen, die erst im Oktober 2008 veröffentlicht worden seien, nicht herangezogen werden könnten. Das SG habe sich daher zu Recht auf die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 gestützt, da zum Entscheidungszeitpunkt die überarbeiteten Empfehlungen nicht vorgelegen hätten und auch keine aktuellen Gutachten darüber, inwieweit durch Vollkost Mehrkosten gegenüber dem in der Regelleistung enthaltenen Anteil für Ernährung entstünden. Unabhängig davon werde nochmals darauf hingewiesen, dass im Fall des Klägers der Blutzucker nur mit Medikamenten in Verbindung mit einer entsprechenden Diät zufriedenstellend eingestellt werden könne. Der Kläger habe versucht, sich normal mit Vollkost zu ernähren. Dies habe jedoch zu einer starken Erhöhung des Blutzuckers und massivem Schwindel geführt. Der Blutzucker habe gedroht zu entgleisen, weshalb er auf Anraten seiner Hausärztin die Diätkost wieder aufgenommen habe. Der Kläger habe inzwischen Schulden von 700 EUR, da er sich gezwungen gesehen habe, Geld zu leihen um sich weiterhin mit den entsprechenden Produkten versorgen zu können. Im Übrigen werde bestritten, dass vom Ernährungsanteil im Regelsatz von 4,52 EUR täglich eine gesunde Vollkost finanziert werden könne.

Der Senat hat die Hausärztin des Klägers, Dr. L.-P. schriftlich als sachverständige Zeugin befragt. In ihrer Aussage vom 9. September 2010 hat sie ausgeführt, dass der Kläger eine geeignete Diabetesdiät einhalten müsse, um eine Verschlechterung des Zuckerstandes und damit das Auftreten Diabetes bedingter Komplikationen zu vermeiden. Zucker- und kohlehydrathaltige Lebensmittel müssten vermieden werden. Außerdem müsse wegen Hyperlipidämie eine fettreduzierte Diät eingehalten werden (kein fettes Fleisch, Wurst, Käse, keine cholesterinhaltigen Lebensmittel). Der Senat hat sodann den Internisten Dr. S., H., mit der Erstellung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens beauftragt. In dem Gutachten vom 5. Oktober 2010 kommt Dr. S. zu dem Ergebnis, dass der Kläger im Jahr 2007 aufgrund der Erkrankungen Diabetes mellitus Typ IIa und Hyperlipidämie keiner besonderen Ernährung bedurft habe. Bezüglich der Ernährung bei Diabetes müsse die Energiezufuhr dem tatsächlichen Energiebedarf angepasst werden, es werde eine Vollkost empfohlen, wobei durchaus 45 Prozent der Energiezufuhr in Form von Kohlehydraten verabreicht werden könne. Das früher empfohlene Verbot von zuckerhaltigen Lebensmitteln sei mittlerweile nicht mehr begründbar, wichtig seien diätetische Schulungsmaßnahmen. Die Ausführungen des Hausarztes seien nicht geeignet, die wissenschaftlich begründeten Feststellungen zu widerlegen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.

Gegenstand des Verfahrens ist allein noch die Frage, ob der Kläger im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung im Zeitraum 1. Juni bis 30. September 2007 einen Anspruch auf weitere Leistungen in Höhe von 51,13 EUR monatlich hat. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG handelt es sich bei den Kosten der Unterkunft einerseits und den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts andererseits um voneinander abtrennbare Verfügungssätze und verschiedene Streitgegenstände (vgl. BSG SozR 4-4200 § 22 Nr. 1 = BSGE 97, 217). Eine weitere Aufsplitterung des Streitgegenstands etwa bezogen auf den Mehrbedarf ist dagegen nicht zulässig (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 59/09 R - (juris)). Da das SG die Beklagte nur im Bereich der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für einen konkreten Zeitraum zur Gewährung höherer Leistungen verurteilt und nur die Beklagte Berufung eingelegt hat, ist der im Berufungsverfahren nachzuprüfende Verfahrensgegenstand hierauf beschränkt.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist statthaft (§ 143 SGG), da das SG die Berufung zugelassen hat; der Senat ist hieran gebunden (§ 144 Abs. 3 SGG). Die zulässige Berufung ist auch begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer Leistungen, insbesondere auf Gewährung eines Zuschlags für einen ernährungsbedingten Mehrbedarf.

Nach § 21 Abs. 5 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme ist der Senat zur vollen Überzeugung gelangt, dass der Kläger aus medizinischen Gründen einer kostenaufwändigen Ernährung nicht bedarf und daher auch keinen Anspruch auf einen entsprechenden Mehrbedarf hat. Denn nur für aus medizinischen Gründen erforderliche kostenaufwändige Ernährung ist nach § 21 Abs. 5 SGB II ein Mehrbedarf zu gewähren (vgl. Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 21 Rdnr. 49).

Einen Anspruch auf den Mehrbedarf kann der Kläger nicht daraus herleiten, dass ihm im vorangehenden Bewilligungsabschnitt ein derartiger Anspruch nach § 21 Abs. 5 SGB II zugebilligt worden war. Bereits für die Arbeitslosenhilfe hatte das BSG mit Rücksicht auf den einjährigen Bewilligungszeitraum erkannt, dass für einen neuen Bewilligungsabschnitt alle Voraussetzungen der Leistung dem Grunde und der Höhe nach neu zu überprüfen waren (vgl. BSG SozR 4-4300 § 200 Nr. 2). Für die Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gilt angesichts des Bewilligungszeitraums nach § 41 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB II nichts anderes, denn auch hier soll die zeitliche Beschränkung der Bewilligung eine regelmäßige Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen ermöglichen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010 - B 4 AS 59/09 R - (juris)).

Beim Kläger bestanden im Jahr 2007 ausweislich der sachverständigen Zeugenaussage von Dr. L.-P. und des Gutachtens von Dr. S. an Erkrankungen, die einen ernährungsbedingten Mehrbedarf verursachen können, lediglich Diabetes mellitus Typ IIa und Hyperlipidämie. Nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 1. Oktober 2008, welche an die Stelle der Empfehlungen aus dem Jahr 1997 getreten sind, ist bei Diabetes mellitus und Hyperlipidämie regelmäßig eine Vollkost angezeigt und in der Regel ein krankheitsbedingt erhöhter Ernährungsaufwand zu verneinen. Nach dem Willen des Gesetzgebers können zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom Deutschen Verein entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden (BT-Drucks. 15/1516 S. 57). Insoweit hat der Senat die aktuellen Empfehlungen zu berücksichtigen, denn die in ihnen enthaltenen wissenschaftlichen Erkenntnisse gelten nicht erst ab dem Datum der Veröffentlichung im Oktober 2008. Die aktuellen Empfehlungen beruhen auf Erkenntnissen, die bereits seit 2005 Gültigkeit hatten. So sahen sowohl der Begutachtungsleitfaden von 2002 als auch das 2004 veröffentlichte Rationalisierungsschema für die beim Kläger bestehenden Erkrankungen lediglich das Erfordernis einer Vollkost vor. Den Empfehlungen kommt auch keine gesetzesähnliche Wirkung zu, die Fragen der Zulässigkeit einer Rückwirkung auf einen Sachverhalt im Jahr 2007 aufwerfen könnte, denn sie sind keine Rechtsnormen (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Im Übrigen sind auch die Mehrbedarfsempfehlungen nach dem Stand von 1997 nicht einheitlich für die Beurteilung des Mehrbedarfs von den Leistungsträgern der Grundsicherung und Sozialhilfe zugrunde gelegt worden. Vielmehr haben sich diese in der Vergangenheit teilweise an dem Begutachtungsleitfaden bei ihrer Entscheidung orientiert (vgl. Mehrbedarfsempfehlungen, 3. Aufl., unter III. 1.), der für die Bedarfsgruppe A, zu der die Erkrankungen des Klägers gehören, einen Mehrbedarf verneinte (vgl. Begutachtungsleitfaden S 10 ff). Da die Mehrbedarfsempfehlungen mangels Rechtsnormqualität die Leistungsträger ohnehin nicht binden konnten, führt die Nichtberücksichtigung ihrer früheren Fassung daher auch nicht zu einer rechtswidrigen Ungleichbehandlung des Klägers (vgl. Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 22. Juli 2009 - L 19 AS 41/08 -; LSG Bayern, Urteil vom 23. April 2009 - L 11 AS 124/08 -; LSG Sachsen, Urteil vom 27.August 2009 - L 3 AS 245/08 - (alle juris)). Ob den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins (3. Aufl., 2008) die Rechtsnatur eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (so Hessisches LSG, Beschluss vom 22. Dezember 2008 - L 7 SO 7/08 B-ER -; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 3. Februar 2009 - L 9 B 339/08 AS - und Urteil vom 22. Januar 2009 - L 8 SO 32/07 -; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9. März 2009 - L 8 AS 68/08 - (alle juris)), ist vorliegend nicht entscheidungserheblich. Für die 1997 in überarbeiteter Form herausgegebenen Mehrbedarfsempfehlungen hat die Rechtsprechung dies abgelehnt, weil seit 1996 erfolgte Entwicklungen nicht berücksichtigt und abweichende Auffassungen, die ebenfalls von Ärzten begründet worden waren und daher auf medizinischer Sachkunde beruhten, nicht berücksichtigt worden seien (vgl. BSG SozR 4-4200 § 21 Nr. 2). Aber auch wenn den aktuellen Empfehlungen die Bedeutung eines antizipierten Sachverständigengutachtens nicht zukommt, ist auch für die früheren Mehrbedarfsempfehlungen anerkannt gewesen, dass sie als Orientierungshilfe dienen können Dies muss für die nunmehr vorliegende Fassung erst recht gelten, weil sie die einheitliche Auffassung der medizinischen Wissenschaft in diesen Fragen wiedergibt und die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse berücksichtigt hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 15. März 2010 - L 19 (20) AS 50/09 - (juris)).

Unter Bezugnahme auf die aktuellen Empfehlungen hat der Sachverständige Dr. S. überzeugend und nachvollziehbar ausgeführt, dass nach dem aktuellen Stand der Ernährungswissenschaft entgegen den nicht begründeten Behauptungen der Hausärztin eine besondere Diät nicht erforderlich ist. Auf der Grundlage des gerichtlichen Sachverständigengutachtens steht zur Überzeugung des Senats fest, dass auch bei dem individuellen Krankheitsbild des Klägers eine besondere Ernährung nicht erforderlich, sondern eine Vollkost geboten ist.

Jedenfalls kann auf die Empfehlungen zurückgegriffen werden für die Frage, welchen Kostenaufwand eine Ernährung mit Vollkost verursacht. Eine in die Empfehlungen des deutschen Vereins eingegangene wissenschaftliche Ausarbeitung der deutschen Gesellschaft für Ernährung zum Thema: Lebensmittelkosten für eine vollwertige Ernährung, April 2008 hat insoweit ergeben, dass der bei der Bemessung des Regelsatzes für Ernährung eingeflossene Betrag den Aufwand für eine Vollkost deckt (http://www.dge.de/pdf/ws/Lebensmittelkosten-vollwertige-Ernaehrung.pdf). Dabei wird Vollkost aktuell definiert als eine Kost, die 1. den Bedarf an essenziellen Nährstoffen deckt, 2. in ihrem Energiegehalt den Energiebedarf berücksichtigt, 3. Erkenntnisse der Ernährungsmedizin zur Prävention und (neu!) auch zur Therapie berücksichtigt, 4. in ihrer Zusammensetzung den üblichen Ernährungsgewohnheiten angepasst ist, soweit Punkt 1 bis 3 nicht tangiert werden (Empfehlungen des Deutschen Vereins, 3. Aufl., S. 16). Es muss daher nunmehr als wissenschaftlich gesichert gelten, dass Vollkost nicht teurer als "normale ungesunde" Kost ist, oder doch jedenfalls aus dem für Ernährung vorgesehenen Anteil des Regelsatzes finanziert werden kann (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. Januar 2009; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 9.März 2009, jeweils a.a.O.). Einzelfallbezogene Ermittlungen, welchen Kostenaufwand eine vollwertige Ernährung verursacht, sind daher vorliegend nicht erforderlich (vgl. hierzu auch Senatsurteile vom 10. Juli 2009 - L 12 AS 3241/08 - und vom 23. Oktober 2009 - L 12 AS 4179/08 - (beide juris)).

Nach alledem hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs. Da er auch aus anderen Gründen keinen Anspruch auf höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts von 51,13 EUR im Monat hat, war auf die Berufung der Beklagten das zusprechende Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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