L 5 R 1054/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 5995/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1054/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.12.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger, türkischer Staatsangehöriger (GdB 80, Merkzeichen RF), lebt seit 1972 in Deutschland. Er hat keinen Beruf erlernt. Zuletzt war er von 1985 bis 1999 als Arbeiter im Bereich der Leiterplatten- und Galvanikbearbeitung bei der Fa. S. in K. versicherungspflichtig beschäftigt. Seitdem ist der Kläger arbeitslos. Nach eigenen Angaben hat er im Jahr 2002 eine sechsmonatige Umschulung zum Dreher und Fräser erfolgreich absolviert, danach aber eine entsprechende Beschäftigung nicht aufgenommen.

Am 17.7.2003 beantragte der Kläger erstmals Rente wegen Erwerbsminderung, worauf die Beklagte das Gutachten des Dr. H. vom 10.10.2003 erhob. Dieser diagnostizierte eine beidseits kombinierte hochgradige Schwerhörigkeit, mit Hörgeräten beidseits versorgt, resultierende Gleichgewichtsstörung, einen Zustand nach Tympanoplastik nach chronischer Otitis media beidseits, und fand als Nebendiagnosen rezidivierende rechtsbetonte Coxalgie bei nur geringen morphologischen Veränderungen, rezidivierende Gonalgien links, Innenbandirritation, bei nur mäßigen degenerativen Kniegelenksveränderungen, rezidivierende helicobacter-assoziierte Gastritis, eine Neigung zu hypotoner Kreislauffehlregulation (niedriger Blutdruck), depressive Verstimmung und Cephalgien mit Durchschlafstörungen. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen: kein ständiges Stehen oder Gehen, kein Klettern und Steigen, keine Arbeit an laufenden ungeschützten Maschinen, keine Belastung durch Lärm und extreme Klimafaktoren, kein Publikumsverkehr) vollschichtig bzw. mindestens sechs Stunden täglich verrichten.

Mit Bescheid vom 21.10.2003 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 5.3.2004 zurück, worauf der Kläger am 6.4.2004 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe erhob (Verfahren S 8 RJ 1400/04). Das Sozialgericht erhob (nach Befragung der behandelnden Ärzte) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 4.11.2004 sowie auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. N. vom 7.4.2005.

Dr. H. diagnostizierte einen unsystematischen Schwindel sowie Kopfschmerzen, am ehesten von Spannungstyp. Eine für die Leistungsbeurteilung relevante stärkere depressive Verstimmung sei nicht erkennbar. Der Antrieb sei erhalten. Auch die anamnestischen Angaben ergäben keine Hinweise auf das Vorliegen einer rezidivierenden affektiven Störung. Der nach Angaben des Klägers fast nur nachts beim Aufstehen und mit äußerst ungewöhnlicher Dauer auftretende Schwindel werde wenig präzise und kaum fassbar geschildert; bei der Untersuchung habe er nicht ausgelöst werden können. Der Kläger fahre auch Auto. Er habe wiederholt einen (u. a.) mit seiner finanziellen Lage begründeten Rentenwunsch zum Ausdruck gebracht. Deshalb könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Beschwerden mit dieser Motivationslage vorgegeben würden. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Er sei auch wegefähig.

Dr. N. fand einen unsystematischen Schwindel, Neurasthenie sowie Innenohrschwerhörigkeit; der Kläger trage nach eigenen Angaben seit 10 Jahren ein Hörgerät. Sämtliche Provokationen eines Schwindels seien - bei uneinheitlichen Beschwerdeschilderungen (einmal Dreh, ein andermal Schwankschwindel) - negativ verlaufen. Eine manifeste Depression bzw. eine eigentliche depressive Störung mit Krankheitswert habe nicht diagnostiziert werden können. Lediglich die Stimmung sei leichtgradig depressiv ausgelenkt. Die Schwerhörigkeit bestehe bereits seit etwa 1994, als der Kläger noch vollschichtig gearbeitet habe. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten (unter qualitativen Einschränkungen) über sechs Stunden täglich verrichten. Besondere Arbeitsbedingungen, wie betriebsunübliche Pausen, seien nicht notwendig und der Kläger sei wegefähig.

Der Kläger nahm die Klage daraufhin zurück.

Am 26.3.2007 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Erwerbsminderung; wegen seit 1977 bestehender Schwerhörigkeit, Schwindelanfällen, Vergesslichkeit, Depressionen, Kreuzschmerzen und einer Meniskuserkrankung könne er nur noch drei bis maximal sechs Stunden täglich mittelschwere, überwiegend sitzende Tätigkeiten verrichten.

Die Beklagte zog Arztunterlagen bei (u.a. Gutachten nach Aktenlage des ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit K. vom 7.3.2007: Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich drei bis vier Stunden) und erhob das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. H. vom 26.6.2007 Dieser diagnostizierte Neurasthenie sowie Dysthymie. Seit den 90er Jahren dominierten beim Kläger eine Vielzahl von Befindlichkeitsstörungen ohne hinreichendes körperliches Korrelat. Im affektiven Bereich wirke der Kläger leicht niedergedrückt, unfroh, resignativ, allerdings seien Schwingungsfähigkeit, gedankliches Tempo, Auffassungsfähigkeit und affektive Reagibilität regelrecht erhalten. Der vorgebrachte Schwindel lasse sich nicht in Diagnosekriterien einordnen. Sehr wahrscheinlich handele es sich um ein Teilsymptom der Neurasthenie. Im Vergleich zu den Vorbefunden, insbesondere dem im Verfahren S 8 RJ 1400/04 vom Sozialgericht Karlsruhe erhobenen Gutachten des Dr. N. vom 7.4.2005 bestehe keine relevante Befundänderung. Der Kläger könne als Löter sechs Stunden täglich und mehr arbeiten und leichte bis mittelschwere Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen überwiegend im Stehen, zeitweise im Gehen und Sitzen ebenfalls sechs Stunden täglich und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 10.7.2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs verwies der Kläger auf eine schwergradige Hörminderung beidseits mit massiven Gleichgewichtsstörungen, Schwindelanfälle und Depressionen, weswegen er nicht mehr mindestens drei Stunden täglich arbeiten könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8.11.2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde mit einem am 9.11.2007 zur Post gegebenen Brief bekannt gegeben; der Widerspruchsbescheid ging dem Bevollmächtigten des Klägers am 14.11.2007 zu.

Am 14.12.2007 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Zur Begründung trug er (unter Hinweis auf das Gutachten der Agentur für Arbeit K. vom 7.3.2007) vor, neben hochgradiger Schwerhörigkeit, die mit Hörgeräten in ausreichender Art und Weise versorgt sei, leide er seit Jahren unter massiven Gleichgewichtsstörungen in Form von ohne Vorwarnung auftretenden Schwindelanfällen; deswegen komme es auch zu Stürzen. Er gehe daher ohne Begleitung nicht in die Öffentlichkeit. Außerdem habe er Angstzustände und Schlafstörungen.

Das Sozialgericht befragte zunächst behandelnde Ärzte. Der Neurologe und Psychiater Dr. D. gab im Bericht vom 2.6.2008 an, er behandele den Kläger seit 19.3.2007 etwa ein bis zweimal im 1/4 Jahr; zuletzt habe sich der Kläger am 2.6. 2008 vorgestellt. Beim Kläger liege eine farblose depressive Verstimmung vor, er sei klagsam, ansonsten aber psychopathologisch unauffällig. Der psychische Zustand habe sich in einem gewissen Umfang stabilisiert, allerdings wirke der Kläger immer noch leichtgradig depressiv-dysphorisch verstimmt. Die Belastbarkeit sei eingeschränkt; das (genaue) Leistungsvermögen müsse aber im Rahmen einer Begutachtung geklärt werden. Dem Bericht des Dr. D. waren Arztbriefe beigefügt (u.a.) des Neurologen und Psychiaters Dr. R. vom 14.2.2007 (Neuvorstellung nach ca. 3 1/2 Jahren; Angabe von Schwindel seit ungefähr 1 Jahr) und des HNO-Arztes Dr. M. vom 4.4.2007 (kein Spontannystagmus, kein Provokationsnystagmus; Kläger habe nach eigenen Angaben "immer mal wieder Schwindel, aber nicht immer", er habe gefragt, ob man "ihm auch etwas ausstellen" könne, "dass er nicht mehr arbeiten" müsse; über Ostern Flug für 14 Tage nach A.).

Der Orthopäde Dr. N. teilte im Bericht vom 16.6.2008 mit, er habe den Kläger kurzzeitig 1997 und 2003 behandelt; er habe sich nochmals am 2.8.2007 vorgestellt. Danach seien noch zwei Behandlungen in der physikalischen Therapieabteilung durchgeführt worden. Eine wesentliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit könne auf Grund der einmaligen Untersuchung am 2.8.2007 nicht festgestellt werden. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich verrichten (Befunde: Becken und Wirbelsäule gerade, Klopf- und Bewegungsschmerz über der unteren LWS, kein Kniegelenkserguss, keine Knieschwellung, diffuser Druck- und Bewegungsschmerz über den Knien, leichtes Patellaschnappen rechts bei Bewegung, Hüften frei und schmerzfrei beweglich).

Das Sozialgericht erhob sodann auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG die Gutachten des Psychiaters Dr. (Univ. Bursa) G. vom 9.2.2009 und des HNO-Arztes Dr. B. vom 5.11.2009.

Dr. G. eruierte den Tagesablauf des Klägers (Aufstehen gegen 6:00 Uhr mit gedrückter Stimmung, nach einem leichten Frühstück wieder zu Bett, sodann Rasieren, Duschen und Fernsehen, im Haus könne der Kläger nicht viel machen, nachmittags ab und zu Besuche bei Nachbarn, manchmal Einkaufen, nach dem gemeinsamen Abendessen mit der Ehefrau manchmal Fernsehen, gegen 24 Uhr zu Bett), führte testpsychologische Verfahren durch (u.a.: keine kognitiven Einschränkungen, mittelstarke bis starke Depression, schwer beeinträchtigte soziale Aktivität) und legte (u. a.) dar, die Psychomotorik sei leicht gehemmt, die Merkfähigkeit eingeschränkt. Der Kläger wirke innerlich stark angespannt und depressiv. Die Schwingungsfähigkeit sei verringert, der Antrieb sei vermindert. Der Gutachter diagnostizierte eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome. Außerdem leide der Kläger an einem Tinnitus aurium, einer Innenohrschwerhörigkeit und Schwindel unklarer Genese. Die seelische Störung sei derzeit als schwer einzuordnen. Der Kläger könne leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) nur noch bis zu drei Stunden täglich verrichten und benötige außerdem zusätzliche Arbeitspausen wegen der Schmerzsymptomatik und der verminderten Konzentrationsfähigkeit. Die Wegefähigkeit sei wegen des Übergewichts, des Schwindels und der Kreuz- und Knieschmerzen deutlich betroffen, aus psychiatrischer Sicht aber nicht eingeschränkt. Die festgestellten Leistungseinschränkungen lägen mindestens seit 2005 vor, die depressive Symptomatik habe in den letzten drei Jahren deutlich zugenommen.

Dr. B. diagnostizierte eine hochgradige Schwerhörigkeit beidseits, einen intermittierenden (bei der Untersuchung nicht vorhandenen) Tinnitus und (bei der Untersuchung ebenfalls nicht vorhandenen) unsystematischen Schwindel bei Ausschluss einer peripher-vestibulären Störung. Zudem bestehe ein Zustand nach Tympanoplastik beidseits. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen, u.a. keine Arbeit an laufenden Maschinen mit akustischer Kontrollfunktion; keine zusätzliche Lärmbelastung) drei bis sechs Stunden täglich verrichten. Auf Nachfrage des Sozialgerichts stellte Dr. B. unter dem 12.11.2009 klar, der Kläger könne mindestens drei Stunden bis "höchstens sechs Stunden täglich" arbeiten.

Die Beklagte legte zu den Gutachten der Dres. G. und B. beratungsärztliche Stellungnahmen vor:

Die Psychiaterin Dr. L.-K. führte unter dem 27.4.2009 zum Gutachten der Dr. G. aus, der Gutachter habe neben einer psychiatrischen Exploration testpsychologische Verfahren zum Screening von Demenz, ein Fremdbeurteilungsinstrument zur Einschätzung von Depressionen und einen Selbstbeurteilungsbogen zur Erfassung der sozialen Aktivitäten eingesetzt. Der Auffassung des Gutachters könne nicht gefolgt werden. Seiner diagnostischen Einschätzung lägen lediglich spärliche Angaben zur Anamnese zu Grunde; die Angaben seien stichwortartig aufgeführt, wobei der Vorteil der muttersprachlichen Exploration zur Erfassung des Kontextes der Beschwerden in keiner Weise deutlich werde. In der Beschreibung des Tagesablaufs zeichne sich eine gewisse Passivität bei insgesamt vagen Angaben ab, eine kritische Auseinandersetzung mit den verallgemeinernden Angaben, aus denen sich die konkrete Beeinträchtigung wegen der vorgebrachten Beschwerde nicht unmittelbar ableiten lasse, finde nicht statt. Die angegebenen kognitiven Störungen, wie verminderte Merkfähigkeit und Konzentrationsstörungen, bildeten sich wie erwartet im Screening-Demenztest nicht ab. Der Einsatz von Selbstbeurteilungsbögen sei erheblich mitarbeitsabhängig, weshalb das Ergebnis ebenfalls kritisch und im Vergleich zum klinischen Eindruck gesehen werden müsse. Hierfür finde sich trotz des Einsatzes der Hamilton-Depressionsskala — auf Grund fehlender und konkret nachvollziehbarer anamnestischer Angaben — wenig Anhalt. Auffällig sei, dass der Kläger während dreier Begutachtungen in vorangegangenen Rentenverfahren keines Dolmetschers bedurft habe, weshalb die aktuelle Notwendigkeit eines Dolmetschers nicht verständlich sei; gesundheitliche Störungen könnten hierfür nicht verantwortlich gemacht werden. Dr. H. habe in seinem Gutachten nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den Beschwerden und Einschränkungen angenommen, dass krankheitsferne Gründe für die neuerliche Rentenantragstellung verantwortlich sein könnten. Demgegenüber habe Dr. G. sich mit den vom Kläger geltend gemachten Beschwerden nicht kritisch auseinandergesetzt und hierzu keine Validierung vorgenommen. Negative Antwortverzerrungen oder Verdeutlichungstendenzen könnten daher in keiner Weise ausgeschlossen werden. Die von Dr. G. angenommene quantitative Leistungsminderung sei insgesamt nicht nachvollziehbar.

Der Lungenarzt und Sozialmediziner Dr. H. führte unter dem 24.11.2009 zum Gutachten des Dr. B. aus, die vom Gutachter festgestellte beidseitige Schwerhörigkeit des Klägers liege seit vielen Jahren vor, sei aber bei der Kontaktaufnahme mit den Vorgutachtern kein Hindernis gewesen. Diese hätten die Kommunikation mit dem Kläger aus akustischen Gründen nicht als problematisch beschrieben. Bei der Gleichgewichtsprüfung, die ebenfalls von den Vorgutachtern durchgeführt worden sei, hätten sich keine Auffälligkeiten gezeigt, die eine HNO-ärztliche Ursache für die angegebenen Schwindelzustände hätten erklären können. Bei den fehlenden neurologischen Ursachen hinsichtlich der Schwindelproblematik sei die Ursache für Schwindel ebenso wie die Ursache für Schmerzen Ausdruck einer Neurasthenie, die bereits in den nervenärztlichen Stellungnahmen bewertet worden sei. Die Leistungsbeurteilung des Dr. B. sei hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen gut nachvollziehbar. Unverständlich sei bei den bereits beschriebenen HNO-Befunden aber, warum der Gutachter von einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen praktisch nur wegen der Schwerhörigkeit ausgehe. Bei fehlenden HNO-ärztlichen Gründen für eine Gleichgewichtsstörung, bei fehlendem Tinnitus und bei Vorliegen einer beidseitigen Schwerhörigkeit sei nach wie vor von vollschichtiger Leistungsfähigkeit für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auszugehen. Eine erneute Begutachtung (auf welchem Fachgebiet auch immer) erscheine nicht angezeigt.

Mit Urteil vom 15.12.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheids (§ 136 Abs. 3 SGG) aus, dem Kläger stehe Erwerbsminderungsrente nicht zu, da er jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes (unter qualitativen Leistungseinschränkungen) noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. Die Beweiserhebung im sozialgerichtlichen Verfahren habe eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens nicht ergeben. Dieses sei in den (im Klageverfahren S 8 RJ 1400/04) erhobenen Gutachten des Dr. H. vom 4.11.2004 und des Dr. N. vom 7.4.2005 sowie im Verwaltungsgutachten des Dr. H. vom 26.6.2007 zutreffend beschrieben worden. Die genannten Gutachter hätten im Wesentlichen übereinstimmend angenommen, dass die auf nervenfachärztlichem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen, die Dr. H. unter die Diagnosen einer Neurasthenie und Dysthymie gefasst habe, das zeitliche Leistungsvermögen des Klägers nicht beeinträchtigten. Das gelte auch für die beidseitige Schwerhörigkeit des Klägers mit gelegentlichem Tinnitus und die vom Kläger angegebenen Schwindelerscheinungen; letztere bedingten, wie die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit, (nur) qualitative Leistungseinschränkungen. Wegen der Folgen der Neurasthenie, die dem Gutachten des Dr. N. vom 7.4.2005 zufolge neben Schwindelgefühlen und Schlafstörungen auch körperliche Schwäche und Erschöpfung sowie Muskelschmerzen verursache, dürften dem Kläger nur noch leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten abverlangt werden. Auch Arbeiten mit überdurchschnittlichen Anforderungen an das Konzentrationsvermögen könne er nicht mehr verrichten. Es bleibe aber bei einem über sechsstündigen Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Während des Gerichtsverfahrens habe sich das Leistungsvermögen des Klägers gegenüber den Feststellungen der Gutachter Dr. H., Dr. N. und Dr. H. nicht wesentlich verschlechtert. So habe der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. D. unter dem 2.6.2008 sogar von einer in gewissem Umfang eingetretenen Stabilisierung des psychischen Zustandes berichtet. Er habe den Kläger auch nur als leichtergradig depressiv-dysphorisch verstimmt beschrieben. Bestätigt werde diese Einschätzung durch die die sehr niedrige Behandlungsfrequenz von ein bis zwei Arztbesuchen innerhalb dreier Monate. Der behandelnde Orthopäde Dr. N. habe im Bericht vom 16.6.2008 ebenfalls ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte körperliche Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes angenommen.

Die Leistungseinschätzung in den auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten der Dres G. und B. sei demgegenüber nicht schlüssig und nicht nachvollziehbar. Dr. G. habe eine schwere depressive Episode diagnostiziert und sei damit sowohl von den Befunden und Diagnosen der Vorgutachter wie vom Bericht des behandelnden Nervenarztes Dr. D. erheblich abgewichen, ohne diese Abweichung ausreichend zu erklären oder sich mit den Einschätzungen der Vorgutachter und des Dr. D. auseinanderzusetzen. Sein Gutachten sei auch in sich nicht schlüssig. So beschreibe Dr. G. etwa eine verminderte Merkfähigkeit und Konzentrationsstörungen des Klägers, was sich im Mini-Mental-State-Examination-Test (MMSE-Test) nicht habe reproduzieren lassen, da der Kläger hier ein sehr gutes Ergebnis (25 von 30 erreichbaren Punkten) erzielt habe. Es fehle auch eine kritische Auseinandersetzung mit den vom Kläger angegebenen Beschwerden unter Berücksichtigung des geschilderten Tagesablaufs. Auch das Gutachten des Dr. B. könne nicht überzeugen. Dieser habe eine hochgradige Schwerhörigkeit beidseits, einen intermittierenden Tinnitus und unsystematischen Schwindel diagnostiziert, eine peripher-vestibuläre Störung aber ausgeschlossen und den bekannten Zustand nach Tympanoplastik beidseits beschrieben. Dr. B. habe den Tinnitus, der nach den Schilderungen des Klägers nur phasenweise auftrete und bei der Begutachtung nicht feststellbar gewesen sei, für irrelevant erachtet. Auch der Schwindel trete nur phasenweise auf und sei bei der Untersuchung des Klägers nicht feststellbar gewesen. Damit verbleibe als Grundlage des vom Gutachter angenommenen maximal sechsstündigen Leistungsvermögens nur noch die beidseitige hochgradige Schwerhörigkeit. Damit könnten zeitliche Einschränkungen des Leistungsvermögens aber nicht begründet werden.

Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege nicht vor. Die hochgradige Schwerhörigkeit beidseits stelle auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar, da der Kläger mit Hörgeräten ausreichend versorgt und in der Kommunikationsfähigkeit grundsätzlich unbeeinträchtigt sei; er habe in der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts ersichtlich auch den leiseren Gesprächsanteilen (etwa der leisen Übersetzung des türkischen Dolmetschers) folgen können.

Auf das ihm am 10.2.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 3.3.2010 Berufung eingelegt. Zur Begründung wiederholt und bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Wegen der hochgradigen Schwerhörigkeit, die mit Hörgeräten ausreichend versorgt zu sein scheine, leide er unter massiven Gleichgewichtsstörungen; diese seien ärztlich bekannt. Die Schwindelanfälle träten vermehrt ohne Vorwarnung auf. Es komme vor, dass er deswegen auch stürze. Er leide auch unter Angstzuständen. Als Ursache kämen psychische Probleme in Betracht, wie die von Dr. N. diagnostizierte Neurasthenie mit depressiver Verstimmung. Außerdem habe er Schlafstörungen, was Auswirkungen auf die Konzentrationsfähigkeit haben könne. Aus dem für die Agentur für Arbeit K. erstatteten Gutachten vom 7.3.2007 gehe ein unter sechsstündiges Leistungsvermögen hervor. Dr. G. habe eine schwere depressive Episode diagnostiziert und eine überdurchschnittlich rasche Erschöpfbarkeit sowie eine verminderte Stresstoleranz konstatiert. Aus psychiatrischer Sicht könne er daher nur noch bis zu drei Stunden täglich leichte Tätigkeiten (unter qualitativen Einschränkungen) verrichten. Diese Leistungseinschränkung bestehe nach Ansicht des Dr. G. mindestens seit 2005; daher stehe ihm auch ab diesem Zeitpunkt Erwerbsminderungsrente zu. Die Gutachten der Dres. G. und B. seien schlüssig. Das Sozialgericht hätte auf seine Zweifel an der Überzeugungskraft der Gutachten hinweisen müssen, damit die Gutachter weitere Stellungnahmen hätten abgeben können. Zur weiteren Abklärung der Tinnitus- und Schwindelsymptomatik hätten weitere Gutachten erhoben werden müssen; das wäre auch zum Ausschluss eines morbus menière erforderlich gewesen.

Nach Auffassung des Klägers müssten im Berufungsverfahren (erneut) Gutachten gem. § 109 SGG auf psychiatrischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet eingeholt werden. Dies sei gerechtfertigt, weil das Sozialgericht die auf diesen Fachgebieten gem. § 109 SGG bereits erhobenen Gutachten der Dres. G. und B. als nicht nachvollziehbar verworfen und in seiner Entscheidung nicht berücksichtigt habe. Es habe den Gutachtern auch keine Gelegenheit gegeben, zu den Bedenken des Gerichts Stellung zu nehmen. Das stelle einen besonderen Umstand dar, der die erneute Gutachtenserhebung gem. § 109 SGG im Berufungsverfahren rechtfertige.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 15.12.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 10.7.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 8.11.2007 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1.4.2007 zu gewähren,

hilfsweise,

gem. § 109 SGG erneut Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet zu erheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Gem. § 43 Abs. 1 und 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung wenn sie (unbeschadet versicherungsrechtlicher Voraussetzungen) wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden (teilweise Erwerbsminderung) bzw. mindestens drei Stunden (volle Erwerbsminderung) erwerbstätig zu sein. Gem. § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Hiervon ausgehend steht dem Kläger Erwerbsminderungsrente nicht zu. Er ist gem. § 43 Abs. 3 SGB VI nicht erwerbsgemindert, da er (jedenfalls) leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) noch mindestens sechs Stunden täglich verrichten kann. Das geht aus den vorliegenden Gutachten der Dres. H., N. und H. überzeugend hervor. Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug. Ergänzend ist, insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Der Kläger ist im vorausgegangenen Klageverfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (S 8 RJ 1400/04) eingehend begutachtet worden. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet konnten die Dres. H. und N. eine für die rentenrechtliche Leistungsfähigkeit in sozialmedizinischer Hinsicht relevante Erkrankung des depressiven Formenkreises nicht finden. Sie diagnostizierten (u.a.) auch den im neuerlichen Rentenverfahren vorgebrachten unsystematischen Schwindel. Zweifel an einem hinreichenden Gewicht der Schwindelerscheinungen kamen bei der Begutachtung freilich insoweit auf, als der (mit äußerst ungewöhnlicher Dauer beschriebene) Schwindel in der Untersuchungssituation bei sämtlichen Provokationsversuchen nicht auslösbar war und vom Kläger zudem wenig präzise und kaum fassbar und auch widersprüchlich geschildert wurde; bei Dr. N. war einmal von Schwank-, sodann von Drehschwindel die Rede. Außerdem hatte der Kläger bei Dr. R. am 14.2.2007 über Schwindel erst seit etwa 1 Jahr — also seit 2006 — geklagt (Arztbrief vorn 14.2.2007), was mit den (Schwindel-)Angaben bei der Begutachtung durch die Dres. H. und N. (am 4.11.2004 und 7.4.2005) nicht vereinbar ist. Davon abgesehen fuhr der Kläger zur Begutachtung mit dem Auto, was bei einer entsprechend gravierenden Schwindelsymptomatik nicht möglich, zumindest aber völlig unverantwortlich wäre. Bei der Begutachtung durch Dr. H. hat der Kläger auch einen mit seiner finanziellen Lage begründeten Rentenwunsch zum Ausdruck gebracht, weswegen der Gutachter nicht ausschließen konnte, dass die Beschwerden mit dieser Motivationslage vorgegeben würden. Die übereinstimmende Leistungseinschätzung der Dres. H. und N., wonach die festgestellten Erkrankungen, namentlich die Neurasthenie des Klägers und dessen seit langem bestehende und mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bedingten, das zeitliche Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten aber nicht in rentenberechtigendem Maße verminderten, ist insgesamt schlüssig und überzeugend.

Mit dem Sozialgericht ist auch der Senat der Auffassung, dass sich hieran nichts Wesentliches geändert hat.

Das geht zunächst aus dem im Verwaltungsverfahren erhobenen Gutachten des Dr. H. vom 26.6.2007 hervor. Auch dieser fand beim Kläger im Kern lediglich die bereits vorbekannten Erkrankungen und diagnostizierte Neurasthenie und Dysthymie. Er konnte den vorgebrachten Schwindel (ebenfalls) nicht klar diagnostisch erfassen und ordnete ihn daher dem Symptomkomplex der Neurasthenie zu. Im Vergleich zu den Vorbefunden, insbesondere dem Gutachten des Dr. N. war eine relevante Befundänderung nicht zu konstatieren, weswegen Dr. H. den Kläger nach wie vor für fähig erachtete, jedenfalls leichte Tätigkeiten unter qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten.

Das Sozialgericht ist den abweichenden Auffassungen in den auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten der Dres. G. und B. mit Recht nicht gefolgt. Deren Leistungseinschätzung kann nicht überzeugen. Die von Dr. G. gestellte Diagnose einer schweren Depression ist durch entsprechende Befunde nicht belegt. Sie weicht von den Erkenntnissen der Vorgutachter, die eine sozialmedizinisch relevante Depressionserkrankung beim Kläger nicht finden konnten, in erheblichem Umfang ab, ohne hierfür eine Erklärung — etwa in neuen Befunden — zu geben. Sie widerspricht auch-klar den Erkenntnissen des vom Kläger konsultierten Neurologen und Psychiaters Dr. D ... Dieser hatte im Bericht vom 2.6.2008 lediglich eine farblose depressive Verstimmung mitgeteilt und den Kläger für klagsam, aber psychopathologisch unauffällig befunden. Sein psychischer Zustand hatte sich sogar in einem gewissen Umfang stabilisiert und ließ lediglich eine noch leichtgradig depressiv-dysphorische Verstimmung erkennen. Für eine schwere Depressionserkrankung konnte Dr. D. keine Befunde erheben. Dies korreliert mit der geringen Frequenz, in der der Kläger den Arzt konsultiert; er sucht Dr. D. (seit 19.3.2007) nur etwa ein bis zweimal im 1/4 Jahr auf. Über eine bei schweren Depressionserkrankungen neben einer hohen Behandlungsfrequenz regelmäßig indizierte intensive Begleitmedikation ist nichts berichtet. Auch Dr. H. hat im Verwaltungsgutachten vom 26.6.2007 eine affektive Erkrankung bei erhaltener Schwingungsfähigkeit und regelrechter affektiver Reagibilität nicht gefunden. Mit all dem hat sich Dr. G. nicht auseinandergesetzt, namentlich den Bericht des Dr. D. lediglich erwähnt, sich damit inhaltlich aber nicht befasst. Gleiches gilt für die Gutachten der Dres H. und N. vom 4.11.2004 bzw. 7.4.2005, obgleich Dr. G. ohne weitere Begründung die von ihm festgestellten Leistungseinschränkungen auf (mindestens) das Jahr 2005 zurückdatiert hat. Die Dres. H. und N. konnten seinerzeit aber relevante psychische Erkrankungen nicht finden. Die ebenfalls nicht weiter aus Befunden belegte Annahme des Dr. G., die depressive Symptomatik habe in den letzten drei Jahren (also seit 2006) deutlich zugenommen, steht außerdem in offensichtlichem Widerspruch zu den Erkenntnissen des Verwaltungsgutachters Dr. H. im Gutachten vom 26.6.2007 wie des behandelnden Nervenarztes Dr. D., der keine Verschlechterung, sondern sogar eine Stabilisierung des psychischen Zustands und damit eine Befundverbesserung konstatiert hat.

Die Auffassung der Psychiaterin Dr. L.-K., die der Leistungseinschätzung des Dr. G. in der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 27.4.2009 entgegen getreten ist, ist vor diesem Hintergrund für den Senat schlüssig und überzeugend. Die Beratungsärztin hat zu Recht darauf verwiesen, dass Dr. G. seiner diagnostischen Einschätzung nur spärliche Angaben zur Anamnese zu Grunde gelegt und sich auch mit den verallgemeinernden Angaben des Klägers (auch etwa hinsichtlich der vorgebrachten Schwindelsymptomatik) nicht hinreichend kritisch auseinandergesetzt und eine Validierung nicht vorgenommen hat. Letzteres wäre aber umso mehr veranlasst gewesen, als Dr. H. in seinem Gutachten nach ausführlicher Auseinandersetzung mit den Beschwerden und Einschränkungen des Klägers krankheitsferne Gründe für die neuerliche Rentenantragstellung angesprochen hatte, weswegen negative Antwortverzerrungen oder Verdeutlichungstendenzen nicht ohne nähere und differenziertere Betrachtung ausgeschlossen werden können. Dr. G. hat in seinem Gutachten aber letztendlich nur die entsprechende Beweisfrage des Sozialgerichts (nach Simulations- und Aggravationstendenzen) ohne weitere Erörterung (formelhaft) verneint. Die von Dr. G. verwandten testpsychologischen Verfahren, insbesondere die vom Kläger auszufüllenden Selbstbeurteilungsbögen, hat die Beratungsärztin nicht zuletzt im Hinblick auf deren Mitarbeitsabhängigkeit als für die sozialmedizinische Leistungsbeurteilung wenig aussagekräftig eingestuft. Der in rentenrechtlicher Hinsicht im Vordergrund stehende klinische Befund ergab für eine von Dr. G. angenommene schwere Depressionserkrankung aber wenig Anhalt. Dr. L.-K. hat damit überzeugend angenommen, dass die von Dr. G. befürwortete quantitative Leistungsminderung insgesamt nicht nachvollziehbar ist. Das gilt auch für die von Dr. G. postulierte Notwendigkeit von Pausen (10 Minuten je Stunde), wofür es in seinem Gutachten nach dem Gesagten eine tragfähige Begründung ebenfalls nicht gibt.

Auch die Leistungsbeurteilung im Gutachten des Dr. B. kann nicht überzeugen. Dieser konnte den geklagten Schwindel (ebenfalls) nicht feststellen und fand neben der (während des Erwerbslebens des Klägers bereits lange vorbestehenden) Schwerhörigkeit nur einen intermittierenden Tinnitus, den Dr. B. selbst (mangels entsprechender Folgesymptomatik) für sozialmedizinisch irrelevant erachtete. Die mit Hörgeräten versorgte Schwerhörigkeit des Klägers kann aber ebenfalls nur qualitative Leistungseinschränkungen, jedoch keine zeitliche Herabsetzungen des Leistungsvermögens begründen. Davon abgesehen hat Dr. B. (am 12.11.2009) auch (klarstellend) ein mindestens sechsstündiges Leistungsvermögen (für leichte Tätigkeiten) nicht vollständig ausgeschlossen.

Der Sozialmediziner Dr. H. schließlich hat in der zum Gutachten des Dr. B. abgegebenen beratungsärztlichen Stellungnahme vom 24.11.2009 mit Recht hervorgehoben, dass die beidseitige Schwerhörigkeit des Klägers seit vielen Jahren besteht, dessen Kommunikationsfähigkeit (etwa mit den Gutachtern) aber nicht wesentlich beeinträchtigt hatte. Eine HNO-ärztliche Ursache für die angegebenen Schwindelzustände besteht auch nach Auffassung des Dr. H. nicht, so dass eine rentenberechtigende (quantitative) Leistungsminderung durch Erkrankungen des HNO-ärztlichen Fachgebiets nicht zu begründen ist.

Auf orthopädischem Fachgebiet hat der behandelnde Orthopäde Dr. N. ebenfalls ein sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen (Bericht vom 16.6.2008). Seine Auffassung, wonach eine wesentliche Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit nicht vorliegt, ist im Hinblick auf die erhobenen orthopädischen Befunde überzeugend.

Das Gutachten der Agentur für Arbeit K. vom 7.3.2007 kann dem Rentenbegehren des Klägers nicht zum Erfolg verhelfen. Das Gutachten wurde nach Aktenlage und ohne persönliche Untersuchung des Klägers und nicht unter spezifisch rentenrechtlicher Fragstellung angefertigt. Es hat als Bestandteil der Verwaltungsakten dem Verwaltungsgutachter Dr. H. vorgelegen, der in seinem Gutachten vom 26.6.2007 eine rentenberechtigende Leistungsminderung aber nicht feststellen konnte.

Der Kläger ist nach alledem in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Eine konkrete Tätigkeit muss ihm nicht benannt werden. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung, die eine entsprechende Benennungspflicht auslösen würde (vgl. BSG, Urt. v. 19.8.1997, - 13 RJ 29/95 -; Urt. v. 5.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R -) liegt auch mit der seit langem bestehenden Schwerhörigkeit des Klägers nicht vor. Diese ist mit entsprechenden Hörgeräten hinreichend versorgt; sie hat den Kläger in der Vergangenheit an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch nicht gehindert.

Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) steht dem Kläger ebenfalls nicht zu, da er als Ungelernter mangels Berufsschutzes auf den allgemeinen Arbeitsmarkt breit verweisbar ist.

Bei dieser Sachlage drängen sich dem Senat angesichts der vorliegenden Gutachten und Arztunterlagen weitere Ermittlungen nicht auf. Die Tinnitus-Problematik hat Dr. B. für rentenrechtlich irrelevant erachtet, nachdem der Tinnitus auch nur intermittierend auftritt. Die Schwindelerscheinungen sind in den vorliegenden Gutachten gewürdigt und im Hinblick auf daraus folgende qualitative Leistungseinschränkungen ausreichend berücksichtigt worden.

Den im Berufungsverfahren gestellten Antrag des Klägers, erneut gem. § 109 SGG Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet zu erheben, lehnt der Senat ab. Das Antragsrecht nach § 109 SGG steht grundsätzlich nur einmal in den beiden Tatsacheninstanzen zur Verfügung. Gutachten auf den genannten Fachgebieten wurden auf Antrag des Klägers gem. § 109 SGG aber bereits im sozialgerichtlichen Verfahren eingeholt (Gutachten der Dres. G. und B.). Die erneute Gutachtenserhebung bedarf daher der Rechtfertigung durch besondere Umstände (näher etwa LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 6.2.2006, - L 1 U 2572/05 -), etwa neue ärztlichen Befunde o.ä ... Solche liegen nicht vor. Der Kläger hat sich vielmehr nur darauf berufen, dass das Sozialgericht die gem. § 109 SGG erhobenen Gutachten der Dres G. und B. in seiner Beweiswürdigung für nicht überzeugend erachtet hat. Ein besonderer Grund für weitere Begutachtungen liegt darin für sich allein nicht. Schließlich war das Sozialgericht auch nicht verpflichtet, den Beteiligten vor Verkündung des Urteils die Ergebnisse seiner in der Beratung gewonnenen Erkenntnisse hinsichtlich der Beweiswürdigung zu eröffnen und diesen oder den Gutachtern Dres. G. und B. Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu zu gewähren. Das ist insbesondere zur Gewährung rechtlichen Gehörs nicht geboten, jedenfalls solange nicht, wenn das SG - wie hier - im Rahmen der bereits von den Beteiligten diskutierten Beweiswürdigungen bleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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