L 13 AS 5138/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AS 2469/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AS 5138/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2010 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger (darlehensweise) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts gem. §§ 19 ff SGB II oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit gem. §§ 16 ff SGB II zur Verfügung zu stellen, damit dieser Gebühren zur Aufrechterhaltung eines US-Patents (7.080.056 B1) bezahlen kann.

Seit dem Jahr 2003 hat der Kläger alleine beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) 137 Verfahren anhängig gemacht, der Großteil betrifft die Rechtsgebiete des SGB II und des SGB XII.

Der am 29. Oktober 1963 geborene Kläger ist erwerbsfähig und bezieht - nach vorangegangenem Sozialhilfebezug - seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach den §§ 19 ff SGB II (Regelleistung (Alg II)). Er ist - nach seinen eigenen Angaben - "selbständig tätig" im Bereich IT-Dienstleistungen (automatisierte Programmentwicklung); er bezieht aus dieser Tätigkeit kein Einkommen und kämpft um die Aufrechterhaltung seines US-Patents. Vermögen hat der Kläger nicht. Der Kläger wohnt in einem Landkreis in dem die Aufgaben des SGB II in getrennter Trägerschaft erledigt werden.

Am 9. Juni 2010 beantragte er bei der Beklagten, ihm 550,00 US-$ für die Aufrechterhaltung seines US-Patentes 7.080.056 B1 zuzüglich 17,00 Euro Überweisungskosten darlehensweise zur Verfügung zu stellen und die Darlehenstilgung vorläufig auszusetzen. Im November 1999 habe er beim Deutschen Patent- und Markenamt sein "Verfahren der automatisierten Programmentwicklung bis hin zur Generierung einer einfachen Vorform künstlichen Bewusstseins auf Computerbasis" als Patent angemeldet. Binnen eines Prioritätsjahres habe er dasselbe Patent beim United Staats Patent and Trademark Office in den USA ebenfalls angemeldet und hierfür am 18. Juni 2006 auch die Patenterteilung erhalten. Um den Patentschutz nicht zu verlieren, müsse er nun die Patent-Aufrechterhaltungsgebühr entrichten. Nach Ablauf der maßgeblichen Frist verfalle das Patent.

Mit Bescheid vom 14. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2010 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da die beantragte Sonderleistung durch die gewährte Regelleistung abgedeckt sei und keinen unabweisbaren Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhaltes darstelle. Durch weiteren Bescheid vom 15. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2010 wurde auch eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget abgelehnt. Mittel aus diesem Budget dürften nur für die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Ausbildung gewährt werden.

Der Kläger hat hiergegen am 4. Juli 2010 (S 4 AS 2469/10) und am 12. Juli 2010 (S 4 AS 2511/10) beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage erhoben, das die Verfahren durch Beschluss vom 16. Juli 2010 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden hat. Mit Schriftsatz vom 14. September 2010 hat der Kläger sein ursprüngliches Begehren, ihm 550,00 US-$ zuzüglich der Überweisungsgebühr in Höhe von 17,00 Euro zu gewähren, erweitert. Er könne durch die zusätzliche Zahlung von 770,00 US-$ nach 37 C.F.R. § 1.20 in Verbindung mit 37 C.F.R. 1.378 "sein verfallenes Patent" wieder einsetzen lassen.

Mit Gerichtsbescheid vom 22. September 2010 hat das SG die Klagen abgewiesen. Für den Kläger bestehe kein Rechtsanspruch auf Übernahme der für die Aufrechterhaltung seines US-Patents 7.080.056 B1 anfallenden Kosten. Der Kläger könne über die ihm nach §§ 19, 20 SGB II gewährte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhaltes hinaus nicht verlangen, dass ihm die Kosten für die Aufrechterhaltung seines US-Patentes als einmalige oder als laufende monatliche Leistung gezahlt werde. Dem Kläger stehe hier kein Anspruch nach § 21 Abs. 6 SGB II in der ab 3. Juni 2010 geltenden Fassung zu. Die Kosten, die dem Kläger zur Aufrechterhaltung seines US-Patentes entstünden, stellten keinen unabweisbaren Bedarf dar. Auch über die Eingliederungsleistungen nach §§ 16 ff. SGB II könne der Kläger nicht zum Erfolg kommen. Im Mittelpunkt der §§ 16 ff SGB II stünden dabei die Arbeitsvermittlung, d. h. alle unterstützenden Maßnahmen, die geeignet seien, die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses herbei zu führen (§ 35 Abs. 1 Satz 2 SGB III). Dazu gehörten Patenterhaltungskosten eindeutig nicht. § 16 c Abs. 1 Satz 1 SGB II scheide als Rechtsgrundlage aus, da bisher keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass eine auf der Basis des bestehenden Patentes begründete selbstständige Tätigkeit in der Zukunft wirtschaftlich tragfähig sei und dadurch die Hilfebedürftigkeit des Klägers innerhalb eines angemessenen Zeitraumes dauerhaft überwunden oder verringert werden könne. Die Öffnungsklausel des § 16 f SGB II für weitere - freie - Leistungen greife ebenfalls nicht. Auch diese Leistungen seien zweckgebunden an dem Ziel ausgerichtet, die Eingliederung in Arbeit zu fördern. Dass das von dem Kläger entworfene US-Patent bessere Voraussetzungen für eine Reintegration in den Arbeitsmarkt bieten könne, sei nicht ersichtlich. Das SG hat über das Rechtsmittel der Berufung belehrt.

Gegen den ihm am 24. September 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 8. Oktober 2010 die Berichtigung des Tatbestandes beantragt, die mit Beschluss des SG vom 12. Oktober, dem Kläger am 15. Oktober 2010 zugestellt, abgelehnt wurde. Am 25. Oktober 2010 hat der Kläger beim SG die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragt. Das SG hat dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 2. November 2010 mitgeteilt, dieser Antrag sei nur zulässig, wenn die Berufung nicht gegeben wäre. Die Entscheidung sei jedoch berufungsfähig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 Euro übersteige.

Daraufhin hat der Kläger am 4. November 2010 beim LSG Berufung eingelegt und zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist gestellt. Zur Begründung hat der Kläger ausgeführt, dass der Streitgegenstand der Klage unter der Berufungssumme gelegen habe. Mit Klageerweiterungsantrag vom 14. September 2010 habe er zwar versucht die Klage zu erweitern, wonach die Berufungssummen überschritten wäre, jedoch habe diese ausweislich der Tatbestandswiedergabe im Gerichtsbescheid keinen Erfolg gehabt. Das SG habe die Berufung nicht zugelassen. Da das SG nun erstmals mitgeteilt habe, der Streitgegenstand liege doch über 750,00 Euro sei Wiedereinsetzung in die Berufungsfrist zu gewähren. Da das SG eine Antwort verlange beantrage er eine Zwischenentscheidung über die Statthaftigkeit der Berufung.

Der Kläger beantragt, 1. festzustellen, dass die Berufung zulässig ist und 2. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 22. September 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2010 bzw. den Bescheid der Beklagten vom 15. Juni 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. Juli 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, seine Kosten für die Aufrechterhaltung seines US-Patentes 7.080.056B 1 zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zu verwerfen, hilfsweise zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts wird auf die Akten des Verfahrens sowie die beigezogenen Akten des SG (auch S 4 AS 2113/10 ER) und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.

Die Berufung ist zwar statthaft aber unzulässig.

Der Kläger hat mit seiner Klage zwar zunächst einen Betrag von 550,00 US-$ sowie weiteren 17,00 Euro geltend gemacht; insoweit wäre - isoliert betrachtet - der von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG geforderte Wert des Beschwerdegegenstand von mehr als 750,00 Euro nicht erreicht. Der Kläger hat jedoch seine Klage um einen Betrag von weiteren 770,00 US-$ erweitert (§ 99 SGG). Insoweit macht er einen Betrag von insgesamt 1.320,00-US $ zuzüglich 17,00 Euro geltend. Hinsichtlich des Werts des Beschwerdegegenstands kommt es dabei nicht darauf an, ob der Kläger die Klage zulässig um den Betrag vom 770,00 US-$ erweitern durfte. Maßgeblich ist vielmehr, dass der diesen Betrag mit Klage geltend gemacht hat und diesen Streitgegenstand noch im Berufungsverfahren verfolgt. Da der Wert der auf Geldleistungen gerichteten Klagen, über die das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid entschieden hat, zusammen zu rechnen ist (§ 202 SGG in Verbindung mit § 5 ZPO) und sich am Tag der Berufungseinlegung hinsichtlich beider Streitgegenstände (1.320,00 US-$) ein umgerechneter Eurowert in Höhe von 940,338 Euro zuzüglich 17,00 Euro ergab, war die Berufung statthaft; die Rechtsmittelbelehrung des SG daher nicht unzutreffend.

Das SG hat entgegen der Annahme des Klägers auch über seine mit Schriftsatz vom 14. September 2010 erweiterte Klage entscheiden, denn es hat den sinngemäß gefassten Antrag des Klägers nicht auf sein ursprüngliches Begehren von 550,00 US $ zuzüglich 17,00 Euro begrenzt.

Die Berufung ist jedoch nicht zulässig, denn sie ist nicht fristgemäß eingelegt. Gemäß § 151 Abs. 1 SGG ist die Berufung beim LSG innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. Der Gerichtsbescheid war dem Kläger am 24. September 2010 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt worden. Seine Berufung vom 4. November 2010 ist daher außerhalb der Monatsfrist eingelegt. Mit der zutreffenden Rechtsmittelbelehrung des SG verlängert sich die Berufungsfrist auch nicht nach § 66 Abs. 2 SGG.

Dem Kläger ist auch nicht nach § 67 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, denn die Versäumung der Berufungsfrist ist nicht unverschuldet. Der Kläger war zutreffend vom SG über das Rechtsmittel der Berufung und dessen Voraussetzungen belehrt worden. Umstände, die die Fristversäumung des Klägers entschuldigten, sind weder vorgetragen noch konnte der Senat solche feststellen. Allein, dass der Kläger annahm, das SG habe nicht über seine Klageerweiterung entscheiden, weshalb die Berufung entgegen der ausdrücklichen Belehrung des SG nicht statthaft sei, begründet keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung im Sinne des § 67 Abs. 1 SGG. Auch der Umstand, dass der Kläger am 8. Oktober 2010 einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung gestellt hatte, der mit Beschluss des SG vom 12. Oktober 2010, dem Kläger zugestellt am 15. Oktober 2010, abgelehnt worden war, begründet keine unverschuldete Versäumung der Berufungsfrist nach § 151 Abs. 1 SGG.

Die Berufung war daher verfristet; sie ist als unzulässig zu verwerfen. Da die Berufung unzulässig ist, war auch dem Feststellungsbegehren des Klägers nicht nachzukommen. Dieser Antrag ist mangels Rechtsschutz- bzw. Feststellungsinteresse bereits unzulässig, da der Kläger sein Begehren mit vorgehenden Rechtsmittel der Berufung verfolgen konnte.

Nur am Rande sei erwähnt, dass die Voraussetzungen einer zulässigen Klageerweiterung im Sinne des § 99 SGG nicht vorgelegen hatten, denn weder war die Klageerweiterung sachdienlich, noch hat die Beklagte darin eingewilligt oder sich auf die geänderte Klage eingelassen. Sachdienlichkeit wird auch nicht dadurch begründet, dass erst mit der geänderten Klage die Schwelle des § 144 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGG überwunden werden kann. Dies gilt umso mehr, als eine Klage hinsichtlich der 770,00 US-$ mangels Verwaltungsentscheidung (und Vorverfahren) der Beklagten hierüber unzulässig war. In der Sache würde jedoch auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers in seinem Schriftsatz vom 30. November 2010 die Rechtsauffassung des SG geteilt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG; dabei wurde als wesentlich berücksichtigt, dass der Kläger in vollem Umfang unterlegen ist.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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