L 4 R 2487/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1461/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 2487/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. November 2008 wird zurückgewiesen. Die Klage wegen des Bescheids vom 15. Januar 2010 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Klägers in seiner Tätigkeit als "hauptamtlicher Mitarbeiter" der beigeladenen GmbH.

Der am 1979 geborene Kläger und N. V. (geb. 1982), der seit dem Jahr 2000 die Einzelfirma Wirtschaftsberatung V. betrieb, schlossen am 26. Juli 2006 vor dem Notariat IV in S. einen Gesellschaftsvertrag zur Gründung der Beigeladenen in B ... Gemäß § 2 der Satzung ist Gegenstand des Unternehmens der Vertrieb von Versicherungsprodukten als Makler, Vermittlung und Vertrieb von Bausparverträgen und Investmentfonds sowie Vermittlung von Darlehen und alle damit in Zusammenhang stehenden Geschäfte. Das Stammkapital beträgt EUR 25.000,00, wovon N. V. EUR 18.750,00 und der Kläger EUR 6.250,00 übernahmen. Gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 der Satzung wird die Gesellschaft bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer von zwei Geschäftsführern gemeinschaftlich oder von einem Geschäftsführer gemeinschaftlich mit einem Prokuristen vertreten. Durch Beschluss der Gesellschafterversammlung kann jeder Geschäftsführer von den Beschränkungen des § 181 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) befreit werden (§ 5 Abs. 3). Die Geschäftsführer sind an diejenigen Beschränkungen der Geschäftsführungsbefugnis gebunden, die sich aus dem Gesellschaftsvertrag oder einer Geschäftsordnung ergeben (§ 5 Abs. 4). Gesellschafterbeschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, soweit nicht Satzung oder Gesetz zwingend eine andere Mehrheit vorschreiben (§ 7). Verfügungen über Geschäftsanteile einschließlich dinglicher Belastungen sind nur mit schriftlicher Zustimmung aller Gesellschafter zulässig (§ 10). Zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer ist N. V. bestellt. Dem Kläger ist Einzelprokura erteilt.

Unter dem 31. Juli 2006 schlossen die Beigeladene, vertreten durch N. V. und den Kläger, einerseits und der Kläger andererseits einen "Anstellungsvertrag für einen Prokuristen". Nach § 1 Abs. 1 wurde der Kläger mit Wirkung vom 01. August 2006 als hauptamtlicher Mitarbeiter der Gesellschaft angestellt. Hauptaufgabe ist die Beratung und Vermittlung von Versicherungs-, Bauspar- und Finanzprodukten sowie die Ausbildung (§ 1 Abs. 2). Er ist verpflichtet, gemeinsam mit seinen Kollegen und Mitarbeitern seine Aufgaben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften, insbesondere des Handels- und Steuerrechts, und nach den Weisungen der Gesellschafter zu erfüllen (§ 1 Abs. 3). Als Prokurist ist der Kläger gemeinsam mit einem Gesellschafter, einem weiteren Prokuristen oder einem Handlungsbevollmächtigten befugt, die Gesellschaft zu vertreten. Weisungen der Gesellschafter sind zu beachten (§ 2 Abs. 2). Der Mitarbeiter wird "als leitender Angestellter" angesehen (§ 2 Abs. 3). § 3 regelt eine Probezeit sowie den Abschluss des Anstellungsvertrags auf unbefristete Dauer. Nebentätigkeiten im Geschäftszweig der Gesellschaft sind nicht gestattet, solche außerhalb des Geschäftszweigs nach vorheriger Zustimmung der Gesellschaft (§ 4 Abs. 1 bzw. 2). Vereinbart wurde ein festes Monatsgehalt von EUR 3.300,00 und Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für sechs Wochen (§ 5 Abs. 1 und 4). § 6 regelt eine jährliche Gehaltsanpassung entsprechend dem Erfolg der Gesellschaft, der gewachsenen Verantwortung und den Lebenshaltungskosten. Der Urlaub beträgt 24 Werktage im Jahr (§ 9). Arbeitsverhinderung, Erkrankung oder Antritt eines Kur- oder Heilverfahrens sind unverzüglich mitzuteilen (§ 10 Abs. 1 bis 4). § 11 regelt Verschwiegenheits- und Treuepflicht, § 12 ein Wettbewerbsverbot und § 15 Stellenbeschreibung und ggf. Unterwerfung unter eine Betriebs- oder Sozialordnung.

Der Kläger beantragte am 18. August 2006 bei der Beklagten Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Er legte Gesellschaftsvertrag und Anstellungsvertrag vor. Die Beklagte wies im Anhörungsschreiben vom 15. November 2006 darauf hin, der Kläger sei lediglich zu 25 v.H. am Stammkapital beteiligt und der Anstellungsvertrag weise deutlich auf eine nichtselbstständige Beschäftigung hin. Der Kläger äußerte sich mit Schriftsatz vom 01. Dezember 2006, er sei selbst Gesellschafter, hafte mit seiner Einlage und habe finanzielle Mittel eingesetzt, um einen ungewissen Gewinn zu erzielen; er trage als Gesellschafter die Risiken und Chancen des Unternehmens und sei keineswegs weisungsgebunden.

Durch Bescheid vom 22. Februar 2007 stellte die Beklagte fest, der Kläger übe die Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) bei der Beigeladenen im Rahmen eines abhängigen und damit dem Grunde nach sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Die Versicherungspflicht beginne mit Aufnahme der Tätigkeit. Der Kläger verfüge nicht über die Hälfte des Stammkapitals und besitze auch keine Sperrminorität. Er unterliege selbst bei Belassung großer Freiheiten dem Direktionsrecht der Beigeladenen und des Hauptgesellschafters. Da ein festes Monatsgehalt bezahlt werde, werde kein für eine selbstständige Tätigkeit erforderliches erhebliches Unternehmerrisiko begründet. Die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwögen. Der Bescheid erging gleichlautend gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen.

Der Kläger erhob Widerspruch. Er habe eine eigenständige Altersvorsorge getroffen. Im Übrigen sei die Höhe seines Einkommens erfolgsabhängig. Es könne sich bei schlechter Geschäftslage verringern oder ganz ausfallen. Er sei maßgeblich am Erfolg des Unternehmens beteiligt. Sein Ausfall würde zu einer erheblichen Verschlechterung der Situation der Beigeladenen beitragen. Seinen Urlaub habe er kaum zur Hälfte beanspruchen können. Bei positiver Geschäftsentwicklung habe er Aussicht auf größere Verdienstmöglichkeiten. Nachteilig ausfallende Beschlüsse der Gesellschafterversammlung wären ihm gegenüber in keinster Weise durchsetzbar. Er könne sein Aufgabengebiet aufgrund seiner Stärken und Vorlieben selbst auswählen. Seine Entscheidungsbefugnisse gingen über das normale Maß eines Angestellten hinaus, nachdem er Kontovollmacht habe und Mitarbeiter eigenverantwortlich einstellen könne. Diesen gegenüber sei er weisungsbefugt. Schließlich habe er eine selbstschuldnerische Bürgschaft erteilt und hafte mit seinem Privatvermögen. Nach alledem trage er faktisch das unternehmerische Risiko. Vorgelegt wurde der Gesellschafterbeschluss vom 26. Juli 2006, das Einkommen sei an die geschäftliche Entwicklung der Beigeladenen gebunden und diese sei berechtigt, bei Gefährdung des Geschäftsbetriebs und zu dessen Aufrechterhaltung das Einkommen zu kürzen oder auf unbestimmte Zeit auszusetzen, ein Berufsausbildungsvertrag, in welchem der Kläger als Ausbilder genannt ist, sowie die Erklärung des Klägers und des N. V. vom 17. November 2006 über eine selbstschuldnerische Bürgschaft zu Gunsten der Gothaer Krankenversicherung AG, die mit der Beigeladenen eine Courtagevereinbarung geschlossen hatte.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 04. April 2008. Zur Begründung wurde im Wesentlichen diejenigen des angefochtenen Bescheids vom 22. Februar 2007 wiederholt.

Der Kläger erhob am 02. Mai 2008 Klage zum Sozialgericht Mannheim (SG). Er verblieb dabei, es müsse sich um eine selbstständige Tätigkeit handeln. Die Tätigkeit als Prokurist stelle nur einen Bruchteil der Leistung dar. Er genieße alle unternehmerischen Freiheiten, trage ein erhebliches Unternehmerrisiko mit und habe sehr wohl die Möglichkeit, unternehmerische Chancen zu nutzen. Nebentätigkeiten außerhalb des unmittelbaren Geschäftszwecks seien erlaubt. Er habe erhebliches Eigenkapital eingesetzt und gegenüber der Gothaer Krankenversicherung eine selbstschuldnerische Bürgschaft erklärt. Das Wohl und Wehe der Gesellschaft hänge allein von seinen Leistungen ab und der Mitgesellschafter V. hätte keine realistische Möglichkeit, das Unternehmen in der gegenwärtigen Form allein fortzuführen. Er, der Kläger, erwirtschafte im Wesentlichen den Umsatz des Unternehmens. Zwischen den Gesellschaftern bestünden faktisch keine Kompetenzunterschiede. Er sei vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB befreit. Er habe sein Einkommen für den Fall einer Krise zur Disposition der Gesellschaft gestellt. Von Weisungsgebundenheit und Eingliederung könne nicht gesprochen werden. Seine Pflichten erfülle er vorrangig aufgrund Gesellschaftsrechts und nicht im Rahmen eines Anstellungsvertrags. Personelle Maßnahmen könne er eigenverantwortlich treffen. Das Aufgabengebiet sei auf seine Person ausgerichtet. Mithin sei er keineswegs "funktionsgerecht dienend" tätig.

Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Statusfeststellung sei gerade auf die Tätigkeit als Prokurist beantragt und beschränkt worden. Der Kläger könne gemäß § 2 Abs. 1 des Anstellungsvertrags die Gesellschaft nur gemeinsam mit einem weiteren Gesellschafter, Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten vertreten. Er habe die Weisungen der Gesellschafter zu beachten. In § 2 Abs. 3 des Anstellungsvertrags hätten sich die Parteien darüber geeinigt, dass der Kläger als leitender Angestellter anzusehen sei.

Das SG lud durch Beschluss vom 24. September 2008 die W.-O. M. GmbH (jetzt Sitz in M.) zum Verfahren bei. Diese (Mitgesellschafter N. V.) trug vor, der Kläger sei trotz Minderheitsbeteiligung ein gleichberechtigter Partner. Für unternehmerisches Handeln, Arbeitszeit und Ausübung der Tätigkeit gebe es keinerlei Vorgaben. Der Kläger kümmere sich eigenverantwortlich um die ihm zugefallenen Bereiche. Es sei auch nochmals auf die selbstschuldnerische Bürgschaft hinzuweisen. Es sei faktisch nicht möglich, gegen den Willen des Klägers Beschlüsse durchzusetzen. Dieser sei auch am finanziellen Erfolg oder Misserfolg beteiligt. Das monatliche Einkommen sei keineswegs fest und stehe in einer Notsituation zur Disposition. Die Beklagte dürfe nicht allein auf die vertraglichen Gegebenheiten abstellen, sondern müsse den Vorrang der tatsächlichen Situation beachten.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 05. November 2008 hörte das SG den Kläger und den Mitgesellschafter V. an. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen.

Durch Urteil vom 05. November 2008 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung legte es dar, der Kläger halte lediglich eine Minderheitsbeteiligung von 25 v.H. Hätten der Kläger und der Mitgesellschafter V. gleichberechtigt ein Unternehmen aufbauen wollen, hätten sie ihre Stellung im Unternehmen - auch finanziell - gleichberechtigt ausgestalten können. Stattdessen seien die monatlich vereinbarten Entgelte ausgezahlt worden und der Kläger gebe sich nach wie vor mit einem deutlich geringeren Entgelt zufrieden, obwohl er nach seiner Behauptung und auch der der Beigeladenen den Erfolg des Unternehmens in gleicher Weise trage. Die Darstellung, man habe sich bei der Differenzierung zwischen Prokuristenstellung einerseits und Geschäftsführerstellung andererseits nichts gedacht, könne angesichts der beruflichen Qualifikation des Klägers und des Mitgesellschafters V. nicht nachvollzogen werden. Es sei zweifelhaft, ob die noch am Tag des Gesellschaftsvertrags vom 26. Juli 2006 behauptete Änderung, das Einkommen sei an die geschäftliche Entwicklung der Beigeladenen gebunden, so getroffen worden sei, nachdem der Anstellungsvertrag erst von einem späteren Zeitpunkt datiere. Die tatsächlichen Umstände der Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen widerlegten letztlich nicht die durch die objektiven Indizien (Geschäftsanteil, Anstellungsvertrag, Gehalt, Prokurist statt Geschäftsführer) gegebene Vermutung seiner nicht gleichberechtigten Stellung im Unternehmen und damit seiner abhängigen Beschäftigung.

Gegen das am 14. November 2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. Dezember 2008 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt (am 03. Juni 2009 formlose Abgabe des zunächst unter L 9 R 5840/08 geführten Verfahrens an den zuständigen Senat zu L 4 R 2487/09). Zur Begründung hat der Kläger vorgetragen, nach übereinstimmenden Aussagen gingen seine nach der schriftlichen Vereinbarung zustehenden Befugnisse weit über das hinaus, was einem leitenden Angestellten üblicherweise zuteilwerde. Der sozialversicherungsrechtliche Status dürfe nicht an Begrifflichkeiten festgemacht werden. Das Wohl und Wehe der Gesellschaft hänge insbesondere aufgrund seiner überragenden Fachkenntnisse und Kontakte von ihm ab. Der Mitgesellschafter V. habe seine Stellung nicht zuletzt deshalb inne, weil die Beigeladene aus seinem seinerzeitigen Einzelunternehmen entsprungen sei. Im Übrigen seien bei der Vertragsgestaltung "juristische Laien" am Werk gewesen. Schließlich sei durch Gesellschafterbeschluss vom 26. Juli 2006 das Einkommen an die geschäftliche Entwicklung gekoppelt worden. Die Beklagte vertrete schablonenhafte Rechtsansichten, ohne die Besonderheiten des Einzelfalls zu würdigen. Es gehe um die tatsächliche Durchführung des Rechtsverhältnisses.

Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15. Januar 2010 den Bescheid vom 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. April 2008 dahin abgeändert, dass in der vom Kläger seit dem 01. August 2006 ausgeübten Beschäftigung als mitarbeitender Gesellschafter (Prokurist) bei der Beigeladenen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 05. November 2008 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. April 2008 sowie in der Fassung des Bescheids vom 15. Januar 2010 festzustellen, dass er seit 01. August 2006 nicht in einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zur Beigeladenen stehe.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage wegen des Bescheids vom 15. Januar 2010 abzuweisen.

Sie erwidert, die Rechtsmacht des Mehrheitsgesellschafters sei in keinem Punkt so weit eingeschränkt, dass es dem Kläger erlaubt würde, Einzelweisungen zu verhindern. Auch wenn juristische Laien am Werk gewesen seien, seien sich diese durchaus der unterschiedlichen Stellungen innerhalb einer Gesellschaft bewusst gewesen, zumal sie in Versicherungsdingen berufsmäßig berieten.

Die Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand des Rechtsstreits ist der gegenüber dem Kläger und der Beigeladenen ergangene Bescheid der Beklagten vom 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. April 2008, zuletzt in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15. Januar 2010. Dieser im Lauf des Berufungsverfahrens ergangene Änderungsbescheid hat den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. April 2008 nicht ersetzt, sondern nur ergänzt. Mit dem ursprünglich angefochtenen Bescheid traf die Beklagte allein die nach neuerer Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - (grundlegend Urteil vom 11. März 2009 - B 12 R 11/07 R - BSGE 103, 17 = SozR 4-2400 § 7a Nr. 2) nicht zulässige Elementenfeststellung, dass der Kläger eine dem Grunde nach gesamtsozialversicherungspflichtige Beschäftigung ausübt. An dieser Feststellung hält die Beklagte im Änderungsbescheid grundsätzlich fest, ergänzt diese aber um die konkrete Feststellung, in welchen Zweigen der Sozialversicherung die festgestellte Beschäftigung zur Sozialversicherung führt. Der Änderungsbescheid ist damit nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Über ihn ist auf Klage zu entscheiden (ständige Rechtsprechung).

Die zulässige Berufung sowie die Klage wegen des genannten Änderungsbescheids ist in der Sache nicht begründet. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 05. November 2008 die Klage zu Recht abgewiesen und zutreffend dargelegt, dass der Bescheid vom 22. Februar 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04. April 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 15. Januar 2010 im materiellen Ergebnis rechtmäßig war. Der Kläger übt seine Tätigkeit im Unternehmen der Beigeladenen seit 01. August 2006 als gesamtsozialversicherungspflichtig Beschäftigter aus.

Die Beklagte war zur Entscheidung über den Antrag des Klägers berufen. Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) können die Beteiligten - in der Regel der Dienstgeber und der Dienstnehmer - schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Für eine solche Statusfeststellung ist nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV die Beklagte zuständig, nicht die nach § 28h Abs. 2 Satz 1 SGB IV zur Entscheidung berufene Einzugsstelle. Einen solchen Antrag auf Statusfeststellung hat der Kläger, also Dienstnehmer, am 18. August 2006 bei der Beklagten gestellt. Ein vorheriges Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung durch einen anderen Versicherungsträger oder die Einzugsstelle ist nicht ersichtlich.

Versicherungspflichtig sind in der Krankenversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), in der Rentenversicherung nach § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), in der Arbeitslosenversicherung nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) sowie in der Pflegeversicherung nach § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Personen. Nach § 7 Abs. 1 SGB IV ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2; eingefügt mit Wirkung vom 01. Januar 1999 durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a, 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Selbstständigkeit vom 20. Dezember 1999, BGBl. I 2000, S. 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der der Senat folgt, setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben letztere den Ausschlag (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 5 m.w.N.; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Kammerbeschluss vom 20. Mai 1996 - 1 BvR 21/96 - = SozR 3-2400 § 7 Nr. 11). Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7 RdNr. 17).

Auf dieser Grundlage ist auch zu beurteilen, ob der Gesellschafter einer GmbH zu dieser gleichzeitig in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Dies ist grundsätzlich neben seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung möglich. Eine Abhängigkeit gegenüber der Gesellschaft ist nicht bereits durch die Stellung des Geschäftsführers oder wie hier des Prokuristen als Gesellschafter ausgeschlossen. Beim am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Geschäftsführern ist der Umfang der Beteiligung und das Ausmaß des sich daraus für ihn ergebenen Einflusses auf die Gesellschaft ein wesentliches Merkmal. Bei Fremdgeschäftsführern, die nicht am Gesellschaftskapital beteiligt sind, hat das BSG dementsprechend regelmäßig eine abhängige Beschäftigung angenommen, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die eine Weisungsgebundenheit im Einzelfall ausnahmsweise aufheben (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 20; SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Vergleichbares gilt auch bei Geschäftsführern, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen (BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1). Auch für diesen Personenkreis ist im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung kommt wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Eine Sperrminorität in diesem Sinne liegt dann vor, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer nach dem Gesetz und den Abreden des Gesellschaftsvertrags Einzelanweisungen an sich im Bedarfsfall jederzeit verhindern könnte (BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 4 S. 13; BSG NJW 1994, 2974).

Gemessen an diesen Maßstäben ist die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen seit 01. August 2006 als abhängiges Beschäftigungsverhältnis einzustufen. Der Kläger verfügte nicht über eine allgemeine Sperrminorität am Stammkapital der Beigeladenen. Mit seinem Anteil von 25 v.H. konnte er grundsätzlich Gesellschafterbeschlüsse, die mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden mussten, nicht verhindern. Er hatte auch kein Veto-Recht, konnte also bestimmte Geschäfte nicht verhindern.

Der Anstellungsvertrag des Klägers vom 31. Juli 2006 zeigt deutlich das Bild einer abhängigen Beschäftigung. In ihm haben der Kläger und die Beigeladene u.a. vereinbart, dass er als Prokurist gemeinsam mit einem Gesellschafter, einem weiteren Prokuristen oder einem Handlungsbevollmächtigten befugt sei, die Gesellschaft zu vertreten; hierbei sind jedoch die Weisungen der Gesellschafter, also auch die von der Gesellschafterversammlung erteilten Direktiven zu beachten (§ 2 Abs. 2 des Vertrags). Weiterhin ist im Vertrag ein festes Monatsgehalt von EUR 3.300,00 eine zwischenzeitliche Änderung dieses Betrages haben weder der Kläger noch die Beigeladene behauptet -, eine sechswöchige Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und ein Urlaubsanspruch von 24 Tagen im Jahr vereinbart. Diese Vereinbarungen entsprechen nahezu vollständig jenen, die im Arbeitsleben für abhängige Beschäftigungsverhältnisse üblich sind.

Auch die tatsächliche Ausgestaltung des Anstellungsvertrags, die der erkennende Senat regelmäßig als besonders gewichtiges Kriterium erachtet, spricht deutlich für eine abhängige Beschäftigung, jedenfalls liegen keine Umstände vor, die ausnahmsweise dazu führen könnten, den Kläger trotz seiner Minderheitenstellung als Unternehmer einzustufen. Insbesondere ist der vereinbarte Anstellungsvertrag insoweit tatsächlich praktiziert worden, als dem Kläger das vereinbarte regelmäßige monatliche Entgelt gezahlt worden ist, wie sich aus den Angaben des Klägers und des Geschäftsführers der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung beim SG am 05. November 2008 ergibt. Soweit - angeblich - bereits am 26. Juli 2006, also vor Abschluss des Anstellungsvertrags vom 31. Juli 2006, eine Änderung des Gesellschaftervertrags dahingehend erfolgt sein soll, das Einkommen sei an die geschäftliche Entwicklung der Beigeladenen gebunden und diese sei berechtigt, bei Gefährdung des Geschäftsbetriebs und zu dessen Aufrechterhaltung das Einkommen zu kürzen oder auszusetzen, ist es nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 05. November 2008 hierzu aufgrund erfreulicher Geschäftsentwicklung noch nicht gekommen. Es ist zweifelhaft, welche Rechtsqualität der Gesellschafterbeschluss vom 26. Juli 2006 haben soll. Für eine einseitige Kürzung oder Aussetzung des Gehalts bzw. dessen Zahlung ist eine zivilrechtliche Rechtsgrundlage nicht ersichtlich; soweit ein Anspruch der Beigeladenen auf Eintritt in entsprechende Verhandlungen normiert sein soll, kann dies nicht entscheidend die gewollte abhängige Beschäftigung entkräften, da solche Klauseln im Einzelfall auch bei unstreitig abhängigen Angestellten ohne Beteiligung am Unternehmen zulässig sein können.

Der Kläger trug in seiner Tätigkeit als Prokurist der Beigeladenen kein unternehmerisches Risiko. Zunächst war ihm, wie dargelegt, ein Festgehalt zugesagt. Der Anstellungsvertrag enthält auch keine Klauseln, nach denen der Kläger verpflichtet gewesen wäre, im Falle einer wirtschaftlichen Krise Kapital nachzuschießen. Angesichts seines geringen Anteils am Stammkapital von 25 v.H., nämlich EUR 6.250,00 war auch die allgemeine Gefahr, in einer Krisensituation faktisch gezwungen zu sein, in erheblichem Umfang Kapital nachzuschießen, etwa um eine Insolvenz zu verhindern, eher gering.

Gegenüber diesen Entgeltbedingungen vermag der Kläger seinen Anteil an den unternehmerischen Dispositionen nicht entscheidend ins Feld zu führen. Zwar mag der Erfolg der Beigeladenen tatsächlich wesentlich auf seinem Arbeitseinsatz beruhen. All dies vollzieht sich jedoch im Rahmen der Rechtsmacht des Mehrheitsgesellschafters V., der es wegen der fehlenden Sperrminorität in der Hand hat, hindernd in die Freiheiten des Klägers einzugreifen. Wenn der Mehrheitsgesellschafter aufgrund der Fähigkeiten und Fertigkeiten des Klägers dies weitgehend unterlässt, unterscheidet sich die Situation nicht wesentlich von derjenigen jedes geschäftsführenden Minderheitsgesellschafters, dem von der Mehrheit trotz bestehender Rechtsmacht freie Hand gelassen wird (vgl. hierzu BSGE SozR 3-2400 § 7 Nr. 4).

Ein sozialversicherungsrechtlich entscheidendes Unternehmerrisiko ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger eine selbstschuldnerische Bürgschaft erteilt hat. Das hiermit eingegangene Risiko der Haftung mit dem privaten Vermögen ist vom Kapitaleinsatz für das Unternehmen abzutrennen und tritt deshalb gegenüber den Gesichtspunkten, die für eine - auch gewollte - abhängige Beschäftigung sprechen, in den Hintergrund. Solche Einsätze sind auch seitens unstreitig abhängig Beschäftigter nicht unüblich. Eine Unternehmerstellung wird allein hierdurch nicht begründet.

Die Beklagte hat im Änderungsbescheid vom 15. Januar 2010 zutreffend die Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung festgestellt. Keine der Voraussetzungen für eine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung (§ 6 SGB V), in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 6 SGB VI) und in der Arbeitslosenversicherung (§ 27 SGB III) sind gegeben. Insbesondere bestand keine Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind versicherungsfrei Arbeiter und Angestellte, deren regelmäßiges Jahresarbeitsentgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze nach den Absätzen 6 oder 7 übersteigt und in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren überstiegen hat; Zuschläge, die mit Rücksicht auf den Familienstand gezahlt werden, bleiben unberücksichtigt. Mit dem monatlichen Gehalt von EUR 3.300,00, was einem Jahresgehalt von EUR 39.600,00 entspricht, wird seit dem Beginn der Beschäftigung am 01. August 2006 die Jahresarbeitsentgeltgrenze in keinem Jahr (2006 EUR 47.250,00, 2007 EUR 47.700,00, 2008 EUR 48.150,00, 2009 EUR 48.600,00, 2010 EUR 49.950,00) überschritten. Zusätzliche Zahlungen abhängig vom finanziellen Erfolg der Beigeladenen sind nach den Angaben des Klägers und des Geschäftsführers der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung beim SG am 05. November 2008 nicht erfolgt. Die Zahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld ist nach dem Anstellungsvertrag nicht vereinbart.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
Saved