Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
180
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 180 SF 2119/09 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 10. August 2009 (Az. S 91 AS 3 .../08) wird zurückgewiesen. Der Erinnerungsführer hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsgegner für dieses Erinnerungsverfahren zu erstatten.
Gründe:
I. Die Erinnerungsgegner, eine vierköpfige Familie, klagten Anfang Dezember 2008 vor dem Sozialgericht Berlin auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 516,53 EUR. Es ging dabei um die Übernahme einer Betriebskostennachforderung des Vermieters der Erinnerungsgegner. Der beklagte Erinnerungsführer erkannte im April 2009 die Klageforderung an. Mit Schriftsatz vom 27. April 2009 nahm der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner das Anerkenntnis des Beklagten an und beantragte die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 568,82 EUR. Dabei rechnete er wie folgt ab:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 08,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 90,82 EUR Gesamtbetrag 568,82 EUR.
Der Erinnerungsführer wendete zunächst ein, die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3103 VV RVG auf 170,00 EUR zu bemessen, da der Bevollmächtigte im Vorverfahren tätig gewesen sei. Nachdem der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner dem widersprach, erklärte der Erinnerungsgegner schließlich mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009, die Kostennote werde anerkannt und der Betrag überwiesen.
Durch Schriftsatz vom 24. Juni 2009 erklärte der Bevollmächtigte, dass er seinen Kostenfestsetzungsantrag auf den Betrag von nunmehr 836,57 EUR korrigiere. Die höheren Kosten resultierten daraus, dass er nunmehr neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG eine "Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG (3x)" in Höhe von 225,00 EUR abrechnete.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. August 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kosten antragsgemäß auf den Betrag von 836,57 EUR fest.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 08. September 2009, die hier am 10. September 2010 eingegangen ist. Der Erinnerungsführer wendet ein, die am 27. April 2009 geltend gemachten Kosten seien durch ihn anerkannt und am 18.06.2009 überwiesen worden. Der Bevollmächtigte habe im Rahmen seines Ermessens die Gebühren geltend gemacht. Durch die Kostenbegleichung sei die Angelegenheit rechtmäßig und endgültig erledigt. Für das Nachschieben einer höheren Kostennote gebe es angesichts dessen keine Rechtsgrundlage. Durch antragsgemäße Erfüllung sei der Gebührenanspruch aufgebraucht.
Die Erinnerungsgegner verteidigen den angefochtenen Beschluss. Sie meinen, es bestehe ein Anspruch auf Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag. Der Kostenfestsetzungsantrag sei nicht erledigt. Für eine einseitig erklärte Erledigung bleibe kein Raum. Ein Kostenanerkenntnis und eine Annahme dieses Anerkenntnisses lägen nicht vor.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Unrecht geht der Erinnerungsführer davon aus, dass eine Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Gebührenerhöhung gem. 1008 VV RVG ausgeschlossen ist.
Zunächst kann die Kammer entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers nicht feststellen, dass sich das Kostenfestsetzungsverfahren durch die Zahlung in Höhe von 568,82 EUR vollständig erledigt hat. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn die nunmehr geltend gemachten Kosten von 836,57 EUR insgesamt erstattet worden wären. In diesem Falle bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Kostenfestsetzung. Das ist hier nicht festzustellen. Wollte man der Ansicht des Erinnerungsgegners folgen, würde das zudem bedeuten, dass die allgemein anerkannte Nachliquidation von zunächst nicht abgerechneten Kosten bei einer raschen Zahlung durch den Kostenschuldner stets unzulässig wäre (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 197 Rn. 9d m. w. N.).
Die Erinnerung ist auch in der Sache nicht begründet. Die Kammer kommt zum Ergebnis, dass im Falle einer offensichtlich unterbliebenen Berücksichtigung der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG die Nachliquidation im Umfang der Gebührenerhöhung auch bei Betragsrahmengebühren zulässig ist. Dem steht die grundsätzlich bestehende Bindungswirkung bei der Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 RVG nicht entgegen (vgl. zur Bindungswirkung: Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 4 m. w. N.).
Nach § 14 Absatz 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit soweit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. An seine Ermessensentscheidung, die eine Ausübung eines Gestaltungsrechts nach § 315 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellt, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich gebunden (BGH, Urteil v. 04.12.1986, III ZR 51/85, zitiert nach juris = NJW 1987, 3203). Es entspricht jedoch der wohl überwiegenden Ansicht, dass im Falle eines Irrtums des Rechtsanwalts über den einschlägigen gesetzlichen Gebührentatbestand ausnahmsweise eine Korrektur der Ermessensentscheidung möglich ist (Mayer in: Gerold/Schmidt, a. a. O.; Römermann in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl.; 2006, § 14 Rn. 76, 78; Onderka in: Anwaltskommentar zum RVG, 5. Aufl., § 14 Rn. 91; a. A.: Rick in: Anwaltskommentar zum RVG, 3. Aufl., § 14 Rn. 82; Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 14 Rn. 51; Meyer in: JurBüro 2007, 472, 473). Weitergehend wird zum Teil bei sämtlichen Berechnungsirrtümern dem Rechtsanwalt die Nachliquidation gestattet (BGH, Urteil v. 04.12.1986, III ZR 51/85, zitiert nach juris Rn. 26; OLG Köln, Urteil v. 22.07.1997, 17 U 7/97, zitiert nach juris) bzw. dies jedenfalls im Falle eines Irrtums über bemessungsrelevante "Umstände" zugelassen (Römermann in: a. a. O., § 14 Rn. 76, 78). Die Kammer folgt der Ansicht, dass im Fall der irrtümlichen Ansetzung eines Gebührentatbestands die Bindungswirkung der Gebührenbestimmung durchbrochen wird und dies auch für eine versehentlich unterbliebene Berücksichtung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zu gelten hat (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.02.1995, 2 BvR 502/95, 2 BvR 648/95, 2 BvR 770/92, 2 BvR 800/92, zitiert nach juris). Insoweit ist eine Änderung der Gebührenabrechnung durch den Rechtsanwalt ebenso wie eine Nachliquidation von Gebühren bzw. der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zulässig. Ob eine Änderungsmöglichkeit des Rechtsanwalts darüber hinaus anzuerkennen ist, kann hier dahinstehen.
Zwar handelt es sich bei Nr. 1008 VV RVG um keinen eigenständigen Gebührentatbestand (vgl. BSG, Urteil v. 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R; Müller-Raabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Nr. 1008 Rn. 3, 258). Die dort vorgesehene Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr ist aber mit einem Gebührentatbestand vergleichbar. Er ist in einem eigenständigen Tatbestand geregelt und hat oft, so wie auch hier, eine nicht unerhebliche Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr zur Folge. Zudem ist eine unterbliebene Berücksichtigung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG in der Kostennote für den Kostenschuldner in der Regel ohne weiteres erkennbar. So ist auch hier offensichtlich, dass bei der Kostenrechnung vom 27.04.2009 die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG übersehen worden ist. Denn es war unstreitig, dass der Bevollmächtigte vier Personen im Klageverfahren vertrat, dennoch wird bei der Verfahrensgebühr von 250,00 EUR nur Nr. 3102 VV RVG genannt. Weiter wurde dort die (fiktive) Terminsgebühr mit 200,00 EUR, also der entsprechenden Mittelgebühr, angesetzt. Es gab also für den Erinnerungsführer keinen berechtigten Grund zur Annahme, der Bevollmächtigte habe trotz Berücksichtigung der Gebührenerhöhung für die Verfahrensgebühr nur 250,00 EUR abgerechnet.
Der hier vertretenen Ansicht kann nicht entgegengehalten werden, dass mit der Ausübung der Gebührenbestimmung das Gestaltungsrecht des Rechtsanwalts nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG verbraucht und somit eine Nachliquidation ausgeschlossen ist. Hierbei wird übersehen, dass die Ermessensausübung zumindest in den Fällen eines Irrtums über die Einschlägigkeit von Nr. 1008 VV RVG nur zum Teil erfolgt sein kann. Indem die Gebührenerhöhung bei der Rechnungserstellung übersehen wird, wird bei Betragsrahmengebühren nämlich auch der weitergehende Gebührenrahmen nicht berücksichtigt. Wenn das insoweit bestehende Ermessen nicht gesehen worden ist, kann es mithin nicht durch eine vorherige Gebührenbestimmung verbraucht worden sein (ähnlich Römermann in: a. a. O., § 14 Rn. 78). Vielmehr führt die Gegenansicht dazu, dass dem Rechtsanwalt eine Ermessensausübung unterstellt wird, die von ihm in dieser Form offensichtlich nicht ausgeführt worden ist.
Für die Möglichkeit der Nachliquidation der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG spricht weiter, dass dies im Falle von Wertgebühren ohne weiteres zuzulassen sein dürfte und offenbar auch nicht bestritten wird (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 27.09.2002, 14 W 578/02, zitiert nach juris). Denn insoweit kann mangels einer Ermessensentscheidung eine Bindungswirkung nicht bestehen. Aus Sicht der Kammer besteht allerdings jedenfalls dann kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber Rahmengebühren, wenn wie hier bei der Gebührenbestimmung eine gesetzlich vorgesehene Gebührenerhöhung offenbar versehentlich nicht berücksichtigt worden ist.
Schließlich erscheint es nicht nachvollziehbar, im Fall der gänzlich unterbliebenen Geltendmachung der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr eine Nachliquidation zuzulassen, aber eine nachträgliche Abrechnung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG abzulehnen. Wenn eine Gebühr insgesamt unstreitig nachliquidiert werden kann, so muss dies jedenfalls für einen klar abgrenzbaren Teil der Gebühr wie die Gebührenerhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG gelten.
Einwendungen gegen den Anfall der festgesetzten Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG werden vom Erinnerungsführer nicht geltend gemacht und sind für die Kammer ebenfalls nicht ersichtlich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind augenscheinlich erfüllt.
Insgesamt kommt die Kammer somit zu dem Ergebnis, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG anerkannt worden ist. Die Erinnerung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Kammer hält im Einklang mit der Rechtsprechung der 164. Kammer und 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin eine eigenständige Kostenentscheidung auch im Erinnerungsverfahren für notwendig, und zwar aus den z. B. in den Beschlüssen der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 164 SF 118/09 E vom 6. März 2009 - und der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar 2009 - grundsätzlich dargelegten Gründen.
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Gründe:
I. Die Erinnerungsgegner, eine vierköpfige Familie, klagten Anfang Dezember 2008 vor dem Sozialgericht Berlin auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 516,53 EUR. Es ging dabei um die Übernahme einer Betriebskostennachforderung des Vermieters der Erinnerungsgegner. Der beklagte Erinnerungsführer erkannte im April 2009 die Klageforderung an. Mit Schriftsatz vom 27. April 2009 nahm der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner das Anerkenntnis des Beklagten an und beantragte die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 568,82 EUR. Dabei rechnete er wie folgt ab:
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 250,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 200,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Dokumentenpauschale Nr. 7000 VV RVG 08,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 90,82 EUR Gesamtbetrag 568,82 EUR.
Der Erinnerungsführer wendete zunächst ein, die Verfahrensgebühr sei nach Nr. 3103 VV RVG auf 170,00 EUR zu bemessen, da der Bevollmächtigte im Vorverfahren tätig gewesen sei. Nachdem der Bevollmächtigte der Erinnerungsgegner dem widersprach, erklärte der Erinnerungsgegner schließlich mit Schriftsatz vom 17. Juni 2009, die Kostennote werde anerkannt und der Betrag überwiesen.
Durch Schriftsatz vom 24. Juni 2009 erklärte der Bevollmächtigte, dass er seinen Kostenfestsetzungsantrag auf den Betrag von nunmehr 836,57 EUR korrigiere. Die höheren Kosten resultierten daraus, dass er nunmehr neben der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG eine "Erhöhungsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG (3x)" in Höhe von 225,00 EUR abrechnete.
Durch Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10. August 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Kosten antragsgemäß auf den Betrag von 836,57 EUR fest.
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung vom 08. September 2009, die hier am 10. September 2010 eingegangen ist. Der Erinnerungsführer wendet ein, die am 27. April 2009 geltend gemachten Kosten seien durch ihn anerkannt und am 18.06.2009 überwiesen worden. Der Bevollmächtigte habe im Rahmen seines Ermessens die Gebühren geltend gemacht. Durch die Kostenbegleichung sei die Angelegenheit rechtmäßig und endgültig erledigt. Für das Nachschieben einer höheren Kostennote gebe es angesichts dessen keine Rechtsgrundlage. Durch antragsgemäße Erfüllung sei der Gebührenanspruch aufgebraucht.
Die Erinnerungsgegner verteidigen den angefochtenen Beschluss. Sie meinen, es bestehe ein Anspruch auf Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag. Der Kostenfestsetzungsantrag sei nicht erledigt. Für eine einseitig erklärte Erledigung bleibe kein Raum. Ein Kostenanerkenntnis und eine Annahme dieses Anerkenntnisses lägen nicht vor.
II.
Die Erinnerung ist zulässig, aber nicht begründet. Zu Unrecht geht der Erinnerungsführer davon aus, dass eine Berücksichtigung der nachträglich geltend gemachten Gebührenerhöhung gem. 1008 VV RVG ausgeschlossen ist.
Zunächst kann die Kammer entgegen der Ansicht des Erinnerungsführers nicht feststellen, dass sich das Kostenfestsetzungsverfahren durch die Zahlung in Höhe von 568,82 EUR vollständig erledigt hat. Davon könnte nur ausgegangen werden, wenn die nunmehr geltend gemachten Kosten von 836,57 EUR insgesamt erstattet worden wären. In diesem Falle bestünde kein Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag auf Kostenfestsetzung. Das ist hier nicht festzustellen. Wollte man der Ansicht des Erinnerungsgegners folgen, würde das zudem bedeuten, dass die allgemein anerkannte Nachliquidation von zunächst nicht abgerechneten Kosten bei einer raschen Zahlung durch den Kostenschuldner stets unzulässig wäre (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 197 Rn. 9d m. w. N.).
Die Erinnerung ist auch in der Sache nicht begründet. Die Kammer kommt zum Ergebnis, dass im Falle einer offensichtlich unterbliebenen Berücksichtigung der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG die Nachliquidation im Umfang der Gebührenerhöhung auch bei Betragsrahmengebühren zulässig ist. Dem steht die grundsätzlich bestehende Bindungswirkung bei der Gebührenbestimmung nach § 14 Abs. 1 RVG nicht entgegen (vgl. zur Bindungswirkung: Mayer in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 14 Rn. 4 m. w. N.).
Nach § 14 Absatz 1 Satz 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit soweit der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. An seine Ermessensentscheidung, die eine Ausübung eines Gestaltungsrechts nach § 315 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) darstellt, ist der Rechtsanwalt grundsätzlich gebunden (BGH, Urteil v. 04.12.1986, III ZR 51/85, zitiert nach juris = NJW 1987, 3203). Es entspricht jedoch der wohl überwiegenden Ansicht, dass im Falle eines Irrtums des Rechtsanwalts über den einschlägigen gesetzlichen Gebührentatbestand ausnahmsweise eine Korrektur der Ermessensentscheidung möglich ist (Mayer in: Gerold/Schmidt, a. a. O.; Römermann in: Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl.; 2006, § 14 Rn. 76, 78; Onderka in: Anwaltskommentar zum RVG, 5. Aufl., § 14 Rn. 91; a. A.: Rick in: Anwaltskommentar zum RVG, 3. Aufl., § 14 Rn. 82; Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, 4. Aufl., § 14 Rn. 51; Meyer in: JurBüro 2007, 472, 473). Weitergehend wird zum Teil bei sämtlichen Berechnungsirrtümern dem Rechtsanwalt die Nachliquidation gestattet (BGH, Urteil v. 04.12.1986, III ZR 51/85, zitiert nach juris Rn. 26; OLG Köln, Urteil v. 22.07.1997, 17 U 7/97, zitiert nach juris) bzw. dies jedenfalls im Falle eines Irrtums über bemessungsrelevante "Umstände" zugelassen (Römermann in: a. a. O., § 14 Rn. 76, 78). Die Kammer folgt der Ansicht, dass im Fall der irrtümlichen Ansetzung eines Gebührentatbestands die Bindungswirkung der Gebührenbestimmung durchbrochen wird und dies auch für eine versehentlich unterbliebene Berücksichtung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zu gelten hat (vgl. BVerfG, Beschluss v. 17.02.1995, 2 BvR 502/95, 2 BvR 648/95, 2 BvR 770/92, 2 BvR 800/92, zitiert nach juris). Insoweit ist eine Änderung der Gebührenabrechnung durch den Rechtsanwalt ebenso wie eine Nachliquidation von Gebühren bzw. der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG zulässig. Ob eine Änderungsmöglichkeit des Rechtsanwalts darüber hinaus anzuerkennen ist, kann hier dahinstehen.
Zwar handelt es sich bei Nr. 1008 VV RVG um keinen eigenständigen Gebührentatbestand (vgl. BSG, Urteil v. 21.12.2009, B 14 AS 83/08 R; Müller-Raabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., Nr. 1008 Rn. 3, 258). Die dort vorgesehene Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr ist aber mit einem Gebührentatbestand vergleichbar. Er ist in einem eigenständigen Tatbestand geregelt und hat oft, so wie auch hier, eine nicht unerhebliche Erhöhung der Verfahrens- oder Geschäftsgebühr zur Folge. Zudem ist eine unterbliebene Berücksichtigung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG in der Kostennote für den Kostenschuldner in der Regel ohne weiteres erkennbar. So ist auch hier offensichtlich, dass bei der Kostenrechnung vom 27.04.2009 die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG übersehen worden ist. Denn es war unstreitig, dass der Bevollmächtigte vier Personen im Klageverfahren vertrat, dennoch wird bei der Verfahrensgebühr von 250,00 EUR nur Nr. 3102 VV RVG genannt. Weiter wurde dort die (fiktive) Terminsgebühr mit 200,00 EUR, also der entsprechenden Mittelgebühr, angesetzt. Es gab also für den Erinnerungsführer keinen berechtigten Grund zur Annahme, der Bevollmächtigte habe trotz Berücksichtigung der Gebührenerhöhung für die Verfahrensgebühr nur 250,00 EUR abgerechnet.
Der hier vertretenen Ansicht kann nicht entgegengehalten werden, dass mit der Ausübung der Gebührenbestimmung das Gestaltungsrecht des Rechtsanwalts nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG verbraucht und somit eine Nachliquidation ausgeschlossen ist. Hierbei wird übersehen, dass die Ermessensausübung zumindest in den Fällen eines Irrtums über die Einschlägigkeit von Nr. 1008 VV RVG nur zum Teil erfolgt sein kann. Indem die Gebührenerhöhung bei der Rechnungserstellung übersehen wird, wird bei Betragsrahmengebühren nämlich auch der weitergehende Gebührenrahmen nicht berücksichtigt. Wenn das insoweit bestehende Ermessen nicht gesehen worden ist, kann es mithin nicht durch eine vorherige Gebührenbestimmung verbraucht worden sein (ähnlich Römermann in: a. a. O., § 14 Rn. 78). Vielmehr führt die Gegenansicht dazu, dass dem Rechtsanwalt eine Ermessensausübung unterstellt wird, die von ihm in dieser Form offensichtlich nicht ausgeführt worden ist.
Für die Möglichkeit der Nachliquidation der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG spricht weiter, dass dies im Falle von Wertgebühren ohne weiteres zuzulassen sein dürfte und offenbar auch nicht bestritten wird (vgl. OLG Koblenz, Beschluss v. 27.09.2002, 14 W 578/02, zitiert nach juris). Denn insoweit kann mangels einer Ermessensentscheidung eine Bindungswirkung nicht bestehen. Aus Sicht der Kammer besteht allerdings jedenfalls dann kein sachlicher Grund für eine unterschiedliche Behandlung gegenüber Rahmengebühren, wenn wie hier bei der Gebührenbestimmung eine gesetzlich vorgesehene Gebührenerhöhung offenbar versehentlich nicht berücksichtigt worden ist.
Schließlich erscheint es nicht nachvollziehbar, im Fall der gänzlich unterbliebenen Geltendmachung der Geschäfts- oder Verfahrensgebühr eine Nachliquidation zuzulassen, aber eine nachträgliche Abrechnung der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG abzulehnen. Wenn eine Gebühr insgesamt unstreitig nachliquidiert werden kann, so muss dies jedenfalls für einen klar abgrenzbaren Teil der Gebühr wie die Gebührenerhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG gelten.
Einwendungen gegen den Anfall der festgesetzten Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG werden vom Erinnerungsführer nicht geltend gemacht und sind für die Kammer ebenfalls nicht ersichtlich. Die tatbestandlichen Voraussetzungen sind augenscheinlich erfüllt.
Insgesamt kommt die Kammer somit zu dem Ergebnis, dass im Kostenfestsetzungsbeschluss zu Recht die Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG anerkannt worden ist. Die Erinnerung war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung für das Verfahren beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung und folgt dem Ergebnis in der Hauptsache.
Die Kammer hält im Einklang mit der Rechtsprechung der 164. Kammer und 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin eine eigenständige Kostenentscheidung auch im Erinnerungsverfahren für notwendig, und zwar aus den z. B. in den Beschlüssen der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 164 SF 118/09 E vom 6. März 2009 - und der 165. Kammer des Sozialgerichts Berlin - S 165 SF 11/09 E vom 2. Februar 2009 - grundsätzlich dargelegten Gründen.
Dieser Beschluss ist, auch hinsichtlich der Kostengrundentscheidung, unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
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