Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 38 AS 235/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1094/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 26.04.2010 werden zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über ihre Zeugnisverweigerung im Rechtsstreit ihres Sohnes, des Klägers, um Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit ab dem 01.08.2006.
In dieser Zeit wohnte der Kläger mit beiden Beschwerdeführern in einer gemeinsamen Wohnung. Den für den Zeitraum ab dem 01.08.2006 gestellten Leistungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 ab; der Kläger lebe in Haushaltsgemeinschaft mit seinen Eltern, habe jedoch trotz Fristsetzung Unterlagen über die Einkommensverhältnisse seiner Eltern nicht vorgelegt. Seine Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen. Im Rahmen einer Beweislastentscheidung sei daher zu seinen Lasten zu entscheiden.
Mit der am 14.12.2006 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ab dem 01.08.2006 begehrt und unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Implikationen im Wesentlichen geltend gemacht, er könne Unterlagen ohne Mitwirkung seiner Eltern nicht beibringen.
Das Sozialgericht hat den Kläger zunächst in nichtöffentlicher Sitzung vom 27.04.2007 gehört. Sodann hat es zur mündlichen Verhandlung am 26.04.2010 die Beschwerdeführer zu 1) und 2) als Zeugen geladen unter Benennung der folgenden Beweisthemen:
- Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse im Haus C Straße von August 2006 bis Oktober 2007 - Eigene Einkünfte von August 2006 bis Oktober 2007
Mit Schriftsätzen vom 21.04.2010 haben die Beschwerdeführer angekündigt, sich zu beiden Beweisthemen im Termin am 26.04.2010 nicht zu äußern. Die Ladung als Zeuge/Zeugin sei eine fehlerhafte Ermessensausübung, Auskünfte zum Haus C Straße gehörten nicht zur Sache.
In der mündlichen Verhandlung am 26.04.2010 haben die Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ihre Schriftsätze vom 21.04.2010 erklärt, sie würden nicht aussagen.
Das Sozialgericht hat die mündliche Verhandlung daraufhin vertagt und folgenden Beschluss verkündet:
Die Zeugin P ist wegen der im Schriftsatz vom 21.04.2010 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung hinsichtlich der Einkünfte im Zeitraum August bis Oktober 2007 berechtigt. Der Zeuge P ist wegen der im Schriftsatz vom 21.04.2010 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung wegen der Einkünfte im Zeitraum August 2006 bis Oktober 2007 berechtigt.
Die Zeugen P sind wegen des Zeugnisverweigerungsrechts aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur berechtigt, das Zeugnis hinsichtlich Auskünften zu den Wohn- und Wirtschaftsverhältnissen im Haus C Straße zu verweigern.
Diesen Beschluss hat das Sozialgericht unter dem Datum 26.04.2010 schriftlich begründet, worauf Bezug genommen wird. In den Urkunden über die Zustellung des Beschlusses an die Beschwerdeführer ist allerdings "Beschluss vom 12.05.2010" angeführt.
Gegen den ihnen jeweils am 18.05.2010 zugestellten Beschluss haben beide Beschwerdeführer jeweils am 17.06.2010 Beschwerde eingelegt, mit der sie sich in erster Linie gegen die Ablehnung einer Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wenden. Wegen der bestehenden Datenschutzproblematik seien sie beizuladen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Nach dem Inhalt der Schreiben beider Beschwerdeführer vom 21.04.2010, den der Sitzungsniederschrift zum Termin vom 26.04.2010 dokumentierten Äußerungen und schließlich dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses selbst sind die Beschwerden zu verstehen, dass sie sich gegen die Ablehnung der Anerkennung eines Zeugnisverweigerungsrechts richten.
Die Beschwerden sind zulässig.
Nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG sind auf die Beweisaufnahme nach diesem Gesetz die §§ 358 - 363, 365 - 378, 380 - 386, § 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 - 390, 392 - 444, 478 - 484 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden.
Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht ergeht nach § 118 Abs. 1 S. 2 SGG - unter Abweichung von § 387 ZPO (Zwischenurteil mit der Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde) -, durch Beschluss. Nach allgemeiner Ansicht ist gegen diesen Beschluss die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG zulässig. In deren Rahmen sind bei Verneinung des Zeugnisverweigerungsrechts der sich hierauf berufende Zeuge und bei Bejahung derjenige Beteiligte, der sich auf das Zeugnis berufen hat, als beschwerdeberechtigt anzusehen (z. B. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, § 118 Rn 10g; Kollmetz in Jansen, SGG, 3. Auflage § 118 Rn 7c).
Beide Beschwerdeführer berufen sich hier als Zeugen auf das vom Sozialgericht abgelehnte Zeugnisverweigerungsrecht und sind daher beschwerdebefugt, ihre Beschwerden wahren die Monatsfrist ab Zustellung des Beschlusses aus § 173 S. 1 SGG.
Die zulässigen Beschwerden sind jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass den Beschwerdeführern hinsichtlich der Angaben zu ihren Einkünften im Zeitraum August 2006 bis Oktober 2007 kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Beide Beschwerdeführer sind als Eltern des Klägers gem. § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Verwandte in gerader Linie grundsätzlich zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt.
Hinsichtlich von Angaben zu ihren Einkunftsverhältnissen besteht jedoch nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kein Zeugnisverweigerungsrecht.
Nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darf der Zeuge das Zeugnis nicht verweigern hinsichtlich von Tatsachen, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen.
Unter den durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten werden in Rechtsprechung und Literatur u. a. der eheliche Güterstand, Ehegatten- und Kindererbrecht, Ausschlagung der Erbschaft seitens einer Partei, Unterhalt, Aussteuerversprechen, Altenteil, Übergabe einschließlich Abfindung und Verzicht verstanden (z. B. Urteil des OLG Karlsruhe vom 16.03.1989 - 2 UF 76/88 -; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 385 Rn 6, Huber in Musielak, ZPO, 7. Auflage, § 385 Rn 4; Greger in Zöller, ZPO, 28 Auflage, § 385 Rn 5; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 385 Rn 3). Es muss um solche Vermögensangelegenheiten gehen, die unmittelbar durch das Familienverhältnis bedingt sind (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats handelt es sich bei den von der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II zugrunde gelegten Tatsachen um solche, die durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten betreffen.
Nach § 9 Abs. 5 SGB II wird, wenn Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten wohnen, vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts knüpft § 9 Abs. 5 SGB II an eine bestehende Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten und Verschwägerten im Sinne des Wirtschaftens aus einem Topf die Vermutung, dass der Hilfebedürftige bei Leistungsfähigkeit des Verwandten Leistungen in bestimmter Höhe auch erhält. Der Zufluss der Unterstützungsleistung wird dabei widerleglich vermutet. Besteht eine Haushaltsgemeinschaft, ist es dem Hilfebedürftigen möglich, die gesetzliche Vermutung - nach der sie Leistung von den Verwandten oder Verschwägerten erhalten - zu widerlegen, indem er Tatsachen vorträgt, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung zu begründen. Nur dann besteht Anlass, weitergehend von Amts wegen zu ermitteln (zuletzt Urteil des BSG vom 18.02.2010 - B 14 AS 32/08 R - mwN).
Bei der Prüfung, ob bei bestehender Haushaltsgemeinschaft keine ausreichenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Einkommen und Vermögen der Verwandten erwartet werden können, sind vom festgestellten Verwandteneinkommen zunächst die Freibeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II (z. B.: Versicherungs- und Altersvorsageaufwendungen) abzusehen, sodann ist der Freibetrag nach § 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) zu ermitteln. Auszugehen ist dabei vom doppelten Freibetrag nach § 20 Abs. 2 SGB II (Regelleistung im streitigen Zeitraum) zzgl. der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie zzgl. eines im konkreten Fall erkennbaren Mehrbedarfes (§§ 21, 28 Abs. 1 S. 3 SGB II, 30 SGB XII, BSG a.a.O.). Soweit die bereinigten Einnahmen diese Grenze überschreiten, wird der Zufluss der Einnahmen als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II unterstellt (BSG a.a.O.).
Dieser Zusammenhang zwischen den Einkünften beider Beschwerdeführer und den nach den Regeln des SGB II zu bestimmenden Einkommensverhältnissen des Klägers beruht alleine auf dem bestehenden Verwandtschaftsverhältnis.
Die begehrten Auskünfte beziehen sich damit zur Überzeugung des Senats auf Tatsachen, die durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten im Sinne von § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO betreffen. Beide Beschwerdeführer können sich danach auf ihr Aussageverweigerungsrecht als mit dem Kläger Verwandte in gerader Linie nach § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht berufen.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführerin zu 1) folgt auch nicht aus ihrer Stellung als Prozessbevollmächtigte des Klägers.
Insoweit sieht § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen für Personen vor, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut werden deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Hiervon erfasst sind insbesondere Rechtsanwälte.
Dahinstehen mag, ob die Beschwerdeführerin zu 1) überhaupt zu der von § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO angesprochenen Personengruppe zählt. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass es sich bei ihren eigenen Einkunftsverhältnissen um Tatsachen handelt, die ihr vom Kläger anvertraut worden sind und ebenso wenig, dass sie ihm gegenüber insoweit zur Verschwiegenheit verpflichtet wäre. Denn ohne Angaben der Beschwerdeführerin 1) zu ihren Einkünften kann der Kläger die Unterhaltsvermutung aus § 9 Abs. 5 SGB II nach Vorstehendem nicht widerlegen.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführer ergibt sich auch nicht aus einem vom Sozialgericht übergangenen Anspruch auf Beiladung zum Rechtsstreit.
Insoweit unterscheidet § 75 SGG zwischen der einfachen und der notwendigen Beiladung. Der Fall einer notwendigen Beiladung liegt nach § 75 Abs. 2 SGG vor, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nur gegenüber der Beklagten geltend machen, nicht gegenüber den Beschwerdeführern.
Nach § 75 Abs. 1 S. 1 SGG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag Andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Ob diese Voraussetzung wegen der von beiden Beschwerdeführern gesehenen datenschutzrechtlichen Implikationen besteht, kann dahinstehen. Denn weder hat das Sozialgericht bislang ausdrücklich eine Beiladung der Beschwerdeführer abgelehnt, noch bestünde ein Rechtsanspruch auf eine Beiladung im Falle des § 75 Abs. 1 SGG. Liegen nämlich die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung vor, kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen beiladen; die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts. Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Beiladung und dementsprechend liegt kein Verfahrensfehler bei Unterbleiben einer einfachen Beiladung vor (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 75 Rn 8b mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
Gründe:
Die Beschwerdeführer wenden sich gegen die Entscheidung des Sozialgerichts über ihre Zeugnisverweigerung im Rechtsstreit ihres Sohnes, des Klägers, um Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitssuchende - (SGB II) für die Zeit ab dem 01.08.2006.
In dieser Zeit wohnte der Kläger mit beiden Beschwerdeführern in einer gemeinsamen Wohnung. Den für den Zeitraum ab dem 01.08.2006 gestellten Leistungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.07.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2006 ab; der Kläger lebe in Haushaltsgemeinschaft mit seinen Eltern, habe jedoch trotz Fristsetzung Unterlagen über die Einkommensverhältnisse seiner Eltern nicht vorgelegt. Seine Hilfebedürftigkeit sei nicht nachgewiesen. Im Rahmen einer Beweislastentscheidung sei daher zu seinen Lasten zu entscheiden.
Mit der am 14.12.2006 zum Sozialgericht erhobenen Klage hat der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Erbringung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II ab dem 01.08.2006 begehrt und unter Hinweis auf datenschutzrechtliche Implikationen im Wesentlichen geltend gemacht, er könne Unterlagen ohne Mitwirkung seiner Eltern nicht beibringen.
Das Sozialgericht hat den Kläger zunächst in nichtöffentlicher Sitzung vom 27.04.2007 gehört. Sodann hat es zur mündlichen Verhandlung am 26.04.2010 die Beschwerdeführer zu 1) und 2) als Zeugen geladen unter Benennung der folgenden Beweisthemen:
- Wohn- und Wirtschaftsverhältnisse im Haus C Straße von August 2006 bis Oktober 2007 - Eigene Einkünfte von August 2006 bis Oktober 2007
Mit Schriftsätzen vom 21.04.2010 haben die Beschwerdeführer angekündigt, sich zu beiden Beweisthemen im Termin am 26.04.2010 nicht zu äußern. Die Ladung als Zeuge/Zeugin sei eine fehlerhafte Ermessensausübung, Auskünfte zum Haus C Straße gehörten nicht zur Sache.
In der mündlichen Verhandlung am 26.04.2010 haben die Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf ihre Schriftsätze vom 21.04.2010 erklärt, sie würden nicht aussagen.
Das Sozialgericht hat die mündliche Verhandlung daraufhin vertagt und folgenden Beschluss verkündet:
Die Zeugin P ist wegen der im Schriftsatz vom 21.04.2010 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung hinsichtlich der Einkünfte im Zeitraum August bis Oktober 2007 berechtigt. Der Zeuge P ist wegen der im Schriftsatz vom 21.04.2010 vorgebrachten Gründe nicht zur Zeugnisverweigerung wegen der Einkünfte im Zeitraum August 2006 bis Oktober 2007 berechtigt.
Die Zeugen P sind wegen des Zeugnisverweigerungsrechts aus § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nur berechtigt, das Zeugnis hinsichtlich Auskünften zu den Wohn- und Wirtschaftsverhältnissen im Haus C Straße zu verweigern.
Diesen Beschluss hat das Sozialgericht unter dem Datum 26.04.2010 schriftlich begründet, worauf Bezug genommen wird. In den Urkunden über die Zustellung des Beschlusses an die Beschwerdeführer ist allerdings "Beschluss vom 12.05.2010" angeführt.
Gegen den ihnen jeweils am 18.05.2010 zugestellten Beschluss haben beide Beschwerdeführer jeweils am 17.06.2010 Beschwerde eingelegt, mit der sie sich in erster Linie gegen die Ablehnung einer Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) wenden. Wegen der bestehenden Datenschutzproblematik seien sie beizuladen. Zu den weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
Nach dem Inhalt der Schreiben beider Beschwerdeführer vom 21.04.2010, den der Sitzungsniederschrift zum Termin vom 26.04.2010 dokumentierten Äußerungen und schließlich dem Inhalt des angefochtenen Beschlusses selbst sind die Beschwerden zu verstehen, dass sie sich gegen die Ablehnung der Anerkennung eines Zeugnisverweigerungsrechts richten.
Die Beschwerden sind zulässig.
Nach § 118 Abs. 1 S. 1 SGG sind auf die Beweisaufnahme nach diesem Gesetz die §§ 358 - 363, 365 - 378, 380 - 386, § 387 Abs. 1 und 2, §§ 388 - 390, 392 - 444, 478 - 484 der Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend anzuwenden.
Die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit einer Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht ergeht nach § 118 Abs. 1 S. 2 SGG - unter Abweichung von § 387 ZPO (Zwischenurteil mit der Möglichkeit einer sofortigen Beschwerde) -, durch Beschluss. Nach allgemeiner Ansicht ist gegen diesen Beschluss die Beschwerde nach § 172 Abs. 1 SGG zulässig. In deren Rahmen sind bei Verneinung des Zeugnisverweigerungsrechts der sich hierauf berufende Zeuge und bei Bejahung derjenige Beteiligte, der sich auf das Zeugnis berufen hat, als beschwerdeberechtigt anzusehen (z. B. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage, § 118 Rn 10g; Kollmetz in Jansen, SGG, 3. Auflage § 118 Rn 7c).
Beide Beschwerdeführer berufen sich hier als Zeugen auf das vom Sozialgericht abgelehnte Zeugnisverweigerungsrecht und sind daher beschwerdebefugt, ihre Beschwerden wahren die Monatsfrist ab Zustellung des Beschlusses aus § 173 S. 1 SGG.
Die zulässigen Beschwerden sind jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Sozialgericht entschieden, dass den Beschwerdeführern hinsichtlich der Angaben zu ihren Einkünften im Zeitraum August 2006 bis Oktober 2007 kein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht.
Beide Beschwerdeführer sind als Eltern des Klägers gem. § 383 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als Verwandte in gerader Linie grundsätzlich zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt.
Hinsichtlich von Angaben zu ihren Einkunftsverhältnissen besteht jedoch nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kein Zeugnisverweigerungsrecht.
Nach § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO darf der Zeuge das Zeugnis nicht verweigern hinsichtlich von Tatsachen, welche die durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten betreffen.
Unter den durch das Familienverhältnis bedingten Vermögensangelegenheiten werden in Rechtsprechung und Literatur u. a. der eheliche Güterstand, Ehegatten- und Kindererbrecht, Ausschlagung der Erbschaft seitens einer Partei, Unterhalt, Aussteuerversprechen, Altenteil, Übergabe einschließlich Abfindung und Verzicht verstanden (z. B. Urteil des OLG Karlsruhe vom 16.03.1989 - 2 UF 76/88 -; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 69. Auflage, § 385 Rn 6, Huber in Musielak, ZPO, 7. Auflage, § 385 Rn 4; Greger in Zöller, ZPO, 28 Auflage, § 385 Rn 5; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 31. Auflage, § 385 Rn 3). Es muss um solche Vermögensangelegenheiten gehen, die unmittelbar durch das Familienverhältnis bedingt sind (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a.a.O.).
Zur Überzeugung des Senats handelt es sich bei den von der Vermutungsregelung des § 9 Abs. 5 SGB II zugrunde gelegten Tatsachen um solche, die durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten betreffen.
Nach § 9 Abs. 5 SGB II wird, wenn Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten oder Verschwägerten wohnen, vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts knüpft § 9 Abs. 5 SGB II an eine bestehende Haushaltsgemeinschaft zwischen Verwandten und Verschwägerten im Sinne des Wirtschaftens aus einem Topf die Vermutung, dass der Hilfebedürftige bei Leistungsfähigkeit des Verwandten Leistungen in bestimmter Höhe auch erhält. Der Zufluss der Unterstützungsleistung wird dabei widerleglich vermutet. Besteht eine Haushaltsgemeinschaft, ist es dem Hilfebedürftigen möglich, die gesetzliche Vermutung - nach der sie Leistung von den Verwandten oder Verschwägerten erhalten - zu widerlegen, indem er Tatsachen vorträgt, die geeignet sind, Zweifel an der Richtigkeit der Vermutung zu begründen. Nur dann besteht Anlass, weitergehend von Amts wegen zu ermitteln (zuletzt Urteil des BSG vom 18.02.2010 - B 14 AS 32/08 R - mwN).
Bei der Prüfung, ob bei bestehender Haushaltsgemeinschaft keine ausreichenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem Einkommen und Vermögen der Verwandten erwartet werden können, sind vom festgestellten Verwandteneinkommen zunächst die Freibeträge nach § 11 Abs. 2 SGB II (z. B.: Versicherungs- und Altersvorsageaufwendungen) abzusehen, sodann ist der Freibetrag nach § 1 Abs. 2 S. 1 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld (Alg II-V) zu ermitteln. Auszugehen ist dabei vom doppelten Freibetrag nach § 20 Abs. 2 SGB II (Regelleistung im streitigen Zeitraum) zzgl. der anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie zzgl. eines im konkreten Fall erkennbaren Mehrbedarfes (§§ 21, 28 Abs. 1 S. 3 SGB II, 30 SGB XII, BSG a.a.O.). Soweit die bereinigten Einnahmen diese Grenze überschreiten, wird der Zufluss der Einnahmen als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II unterstellt (BSG a.a.O.).
Dieser Zusammenhang zwischen den Einkünften beider Beschwerdeführer und den nach den Regeln des SGB II zu bestimmenden Einkommensverhältnissen des Klägers beruht alleine auf dem bestehenden Verwandtschaftsverhältnis.
Die begehrten Auskünfte beziehen sich damit zur Überzeugung des Senats auf Tatsachen, die durch das Familienverhältnis bedingte Vermögensangelegenheiten im Sinne von § 385 Abs. 1 Nr. 3 ZPO betreffen. Beide Beschwerdeführer können sich danach auf ihr Aussageverweigerungsrecht als mit dem Kläger Verwandte in gerader Linie nach § 383 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht berufen.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführerin zu 1) folgt auch nicht aus ihrer Stellung als Prozessbevollmächtigte des Klägers.
Insoweit sieht § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen für Personen vor, denen kraft ihres Amtes, Standes oder Gewerbes Tatsachen anvertraut werden deren Geheimhaltung durch ihre Natur oder durch gesetzliche Vorschrift geboten ist, in Betreff der Tatsachen, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Hiervon erfasst sind insbesondere Rechtsanwälte.
Dahinstehen mag, ob die Beschwerdeführerin zu 1) überhaupt zu der von § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO angesprochenen Personengruppe zählt. Jedenfalls kann nicht angenommen werden, dass es sich bei ihren eigenen Einkunftsverhältnissen um Tatsachen handelt, die ihr vom Kläger anvertraut worden sind und ebenso wenig, dass sie ihm gegenüber insoweit zur Verschwiegenheit verpflichtet wäre. Denn ohne Angaben der Beschwerdeführerin 1) zu ihren Einkünften kann der Kläger die Unterhaltsvermutung aus § 9 Abs. 5 SGB II nach Vorstehendem nicht widerlegen.
Ein Zeugnisverweigerungsrecht der Beschwerdeführer ergibt sich auch nicht aus einem vom Sozialgericht übergangenen Anspruch auf Beiladung zum Rechtsstreit.
Insoweit unterscheidet § 75 SGG zwischen der einfachen und der notwendigen Beiladung. Der Fall einer notwendigen Beiladung liegt nach § 75 Abs. 2 SGG vor, wenn an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies ist vorliegend nicht der Fall, denn der Kläger kann den geltend gemachten Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II nur gegenüber der Beklagten geltend machen, nicht gegenüber den Beschwerdeführern.
Nach § 75 Abs. 1 S. 1 SGG kann das Gericht von Amts wegen oder auf Antrag Andere, deren berechtigte Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. Ob diese Voraussetzung wegen der von beiden Beschwerdeführern gesehenen datenschutzrechtlichen Implikationen besteht, kann dahinstehen. Denn weder hat das Sozialgericht bislang ausdrücklich eine Beiladung der Beschwerdeführer abgelehnt, noch bestünde ein Rechtsanspruch auf eine Beiladung im Falle des § 75 Abs. 1 SGG. Liegen nämlich die Voraussetzungen für eine einfache Beiladung vor, kann das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen beiladen; die Entscheidung steht im Ermessen des Gerichts. Es besteht kein Rechtsanspruch auf eine Beiladung und dementsprechend liegt kein Verfahrensfehler bei Unterbleiben einer einfachen Beiladung vor (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 75 Rn 8b mwN).
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nach § 177 SGG endgültig.
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