Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 2553/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 1993/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie seit 01. August 2006 bei der Beklagten statt als freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert ist.
Die am 1943 geborene und seit 1963 mit W. S. verheiratete Klägerin nahm erstmals am 02. Mai 1957 eine Tätigkeit auf und war ab diesem Zeitpunkt bis zum 31. Mai 1964 versicherungspflichtig beschäftigt. Die Allgemeine Ortskrankenkasse T. (Rechtsvorgängerin der Beklagten) befreite den Ehemann der Klägerin mit Wirkung ab 01. September 1965 von der Krankenversicherungspflicht (Bescheid vom 23. September 1965) Vom 01. September 1965 bis 30. September 1992 waren die Klägerin und ihr Ehemann privat krankenversichert. Ab 01. Oktober 1992 war die Klägerin, die 1978/79 nach der Geburt zweier Kinder eine Berufstätigkeit auf zunächst geringfügiger Basis aufgenommen hatte, nach zeitlicher und finanzieller Aufstockung der Tätigkeit bis zu deren Beendigung am 31. Juli 2006 als versicherungspflichtig Beschäftigte Mitglied der Beklagten. Seit 01. April 2008 ist die Klägerin erneut als versicherungspflichtige Arbeitnehmerin angemeldet und leistet an die Beklagte Pflichtbeiträge.
Auf den Antrag vom 21. Juni 2006 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (hier Beigeladene) der Klägerin durch Bescheid vom 26. Juli 2006 ab 01. August 2006 Altersrente für Frauen. Der anfängliche monatliche Zahlbetrag belief sich auf EUR 229,44. Des Weiteren bewilligte die Beigeladene der Klägerin mit Bescheid vom 12. September 2009 einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich EUR 15,45. Schließlich bezieht die Klägerin noch Versorgungsbezüge aus einer Versorgungskasse in Höhe von EUR 72,92. Wegen der ab 01. April 2008 bestehenden Versicherungspflicht berechnete die Beigeladene die der Klägerin bewilligte Altersrente ab diesem Zeitpunkt neu und führte aus der Altersrente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab (Bescheid vom 21. Mai 2008). Des Weiteren hob sie den Bescheid über die Bewilligung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung auf (Bescheid vom 17. Juli 2008).
Am 26. Juni 2006 erstattete die Klägerin Meldung zur KVdR bei der Beklagten, worauf die Beklagte die Klägerin darauf hinwies, dass sie als Rentnerin versichert werden könne, wenn die Vorversicherungszeit erfüllt sei. Dies sei der Fall, wenn sie in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens 90 v.H. dieser Zeit gesetzlich versichert gewesen sei. Die Klägerin gab hierauf an, dass sie vom 28. November 1981 bis zum 30. September 1992 privat krankenversichert gewesen sei.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2006, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Mitgliedschaft in der KVdR nicht möglich sei, da sie in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens nicht 90 v.H. der Zeit gesetzlich versichert gewesen sei. Möglich sei eine freiwillige Mitgliedschaft. Mit Bescheid vom 06. September 2006 unterrichtete die Beklagte - zugleich im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse - die Klägerin, sie (die Klägerin) sei ab 01. August 2006 bei ihr (der Beklagten) als freiwilliges Mitglied versichert, und setzte den Beitrag auf monatlich EUR 177,11 (EUR 158,01 zur Krankenversicherung, EUR 19,10 zur Pflegeversicherung) fest. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 setzte die Beklagte nach Meldung des Versorgungsbezugs den Beitrag ab 01. August 2006 auf monatlich EUR 177,22 (Krankenversicherung EUR 158,12, Pflegeversicherung EUR 19,10) sowie mit Bescheid vom 29. Juni 2007 (wohl ab 01. Juli 2007) auf EUR 166,58 (EUR 149,32 für die Krankenversicherung und EUR 17,26 für die Pflegeversicherung) fest.
Am 07. Februar 2007 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 13. Juli 2006 Widerspruch. Sie trug vor, sie habe nicht gewusst, dass sie nicht Mitglied in der KVdR werden könne. Sie habe insoweit auch bei kompetenten Leuten nachgefragt. Niemand habe davon gehört, dass es Veröffentlichungen zu Änderungen für eine Mitgliedschaft in einer "Rentnerkrankenkasse" gegeben haben könnte. Hierdurch werde sie als Frau benachteiligt. Bei einer Rente von ca. EUR 320,00 zahle sie jetzt als freiwilliges Mitglied einen monatlichen Beitrag von EUR 183,95. Der Beitrag zur KVdR würde ca. EUR 35,00 betragen.
Mit am 25. Mai 2007 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle auch im Namen der Pflegekasse den Widerspruch der Klägerin zurück. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme aus einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hätten. Weitere Voraussetzung sei, dass sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert gewesen seien. Die Rahmenfrist für die Berechnung der Vorversicherungszeit zur KVdR laufe bei der Klägerin vom 02. Mai 1957 (erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) bis 21. Juni 2006 (Rentenantrag). Dies seien 49 Jahre, ein Monat und 21 Tage. Somit könne die zweite Hälfte der Erwerbstätigkeit ermittelt werden, indem diese Rahmenfrist halbiert und vom Rentenantragsdatum abgezogen werde. Die halbe Rahmenfrist betrage daher 24 Jahre, sechs Monate und 26 Tage. Damit beginne die zweite Hälfte der Erwerbstätigkeit am 28. November 1981. Die erforderliche Vorversicherungszeit im Zeitraum 28. November 1981 bis 21. Juni 2006 betrage neun Zehntel dieser Zeit. Dies seien 22 Jahre, ein Monat und 15 Tage. Die Klägerin sei nur vom 01. Oktober 1992 bis 21. Juni 1996 bei ihr - der Beklagten - versichert gewesen. Dies seien 13 Jahre acht Monate und 21 Tage. Die Vorversicherungszeit für die KVdR sei daher eindeutig nicht erfüllt.
Mit der am 25. Juni 2007 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage wies die Klägerin darauf hin, dass bei Aufnahme ihrer geringfügigen Tätigkeit im Jahr 1978 nicht abzusehen gewesen sei, dass ein Anspruch auf Rente und die zugehörige Krankenversicherung radikal verändert werde. In die gesetzliche Krankenversicherung habe sie bei ihrem "Minigehalt" nicht aufgenommen werden können und ihr Arbeitgeber habe sie nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich freiwillig krankenversichern müsse. Wäre sie richtig informiert worden, hätte sie schon ab 1981 versicherungspflichtig gearbeitet und hätte auch nicht zum 31. Juli 2006 aufgehört zu arbeiten. Weder sie noch ihre Arbeitskollegen noch ihr Freundes- und Familienkreis und auch nicht die bei ihrem Arbeitgeber zuständige Sachbearbeiterin habe über die Neun-Zehntel-Regelung Kenntnis gehabt. Jedenfalls mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zum 01. Januar 1993 hätte die Beklagte sie informieren bzw. ihre Mitglieder entsprechend allgemein aufklären müssen. Dies sei nicht geschehen. Auch von der Beigeladenen sei sie durch die dortigen Renteninformationen stets im Glauben gelassen worden, dass sie bei Stellung des Rentenantrags lediglich den halben Beitrag zur KVdR zu leisten habe. Nun müsse sie von ihrer "Minirente" mehr als die Hälfte für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Ihr stehe deshalb ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die Beklagte, aber auch die Beigeladene zu, da beide ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt hätten. Die Klägerin legte die Renteninformation der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 05. April 2004 (Leistungsangebot umfasse u.a. Zahlung des halben Beitrags zur KVdR) und Seite 3 der Renteninformation vom 06. Juni 2006 (Ausführungen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung für den Fall des Bestehens der Krankenversicherungspflicht während des Rentenbezugs sowie zur freiwilligen und privaten Krankenversicherung) vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V seien nicht erfüllt. Bereits seit 01. Juli 1977 (durch das Krankenversicherungskostendämpfungsgesetz) werde für die KVdR eine Vorversicherungszeit verlangt (die "Halbbelegung"). Die Vorversicherungszeit sei dann mit Wirkung vom 01. Januar 1993 geändert (Neun-Zehntel-Regelung) worden. Die Neuregelung zum 01. April 2002 stelle eine Verbesserung dar, da nun auch freiwillige Versicherungszeiten bei einer gesetzlichen Krankenkasse berücksichtigt würden. Die fehlende gesetzliche Krankenversicherung stehe nicht in direktem Zusammenhang mit der geringfügigen Beschäftigung, sondern beruhe darauf, dass der Ehegatte der Klägerin privat krankenversichert gewesen sei und somit eine kostenlose Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bestanden habe. Ein bisher privat Versicherter habe bei Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung nicht die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung, weil ein Beitrittsrecht nach den Regelungen des § 9 Abs. 1 SGB V nicht bestehe. Insofern wäre auch ein Hinweis des Arbeitgebers nicht von Bedeutung. Im Jahr 1964 und auch später habe für die Klägerin kein Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung bestanden. Insofern sei davon auszugehen, dass es sich um eine Entscheidung der Familie der Klägerin gehandelt habe, die private Krankenversicherung zu wählen. Nach den Unterlagen sei nicht feststellbar, dass sich die Klägerin bezüglich einer Beratung zur Vorversicherungszeit in der KVdR mit ihr (der Beklagten) in Verbindung gesetzt habe. Auch aus der Renteninformation der Beigeladenen werde ausdrücklich auf das Bestehen von Krankenversicherungspflicht während des Rentenbezugs abgestellt. Bezüglich der Feststellung, dass die Klägerin bei ausreichender Information weiterhin im Erwerbsleben geblieben wäre und den Rentenantrag hinausgezögert habe, werde auf die Berechnung der Vorversicherungszeit in der KVdR hingewiesen. Die fehlende Versicherungszeit resultiere letztlich aus der Zeit der privaten Krankenversicherung bis zum 30. September 1992. Unabhängig davon, dass für die Erfüllung der Vorversicherungszeit annähernd zehn Versicherungsjahre fehlten, sei die hypothetische Annahme, dass die Klägerin über den Rentenbeginn mit Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus gearbeitet hätte, für die Bewertung unerheblich. Auf der Basis des am 21. Juni 2006 gestellten Rentenantrags seien die Voraussetzungen in der KVdR eindeutig nicht erfüllt.
Mit Urteil vom 03. Dezember 2008 wies das SG die Klage ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Die Pflichtmitgliedschaft in der KVdR könne auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellt oder fingiert werden. Es fehle hier schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten oder eines anderen Sozialleistungsträgers oder einer anderen Stelle, deren Verhalten der Beklagten zuzurechnen wäre. Weder habe die Klägerin im Zusammenhang mit den hier interessierenden Fragen um Beratung ersucht, noch seien andere konkrete Umstände ersichtlich, die Hinweise an die Klägerin zu ihrer Beschäftigung oder zu ihrer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Blick auf die KVdR erfordert hätten. Ohne einen solchen besonderen Anlass seien weder die Krankenkassen noch die Rentenversicherungsträger verpflichtet, die latent betroffenen Versicherten zu ermitteln und sie individuell über die Voraussetzungen bzw. die Änderung von Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der KVdR zu informieren. Auch eine fehlerhafte allgemeine Aufklärung nach § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei nicht feststellbar. Es wäre ferner schwerlich nachweisbar, dass die Klägerin bei Kenntnis der (jeweils aktuellen) Bestimmungen über die KVdR ihre Beschäftigungen und ihr Berufsleben über viele Jahre anders gestaltet hätte, als es tatsächlich der Fall gewesen sei. Schließlich lasse sich die Tatsache der fehlenden Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch gar nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingieren. Die Höhe der Beiträge, die die Beklagte für die Klägerin als freiwilliges Mitglied festgesetzt habe, beanstande die Klägerin nicht. Für eine Rechtswidrigkeit dieser Beitragsfestsetzung bestehe kein Anhalt.
Gegen das am 27. März 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. April 2009 Berufung eingelegt. Sie verbleibt dabei, dass ihre Pflichtmitgliedschaft in der KVdR über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellt oder fingiert werden müsse. Die Beklagte habe durch die unzureichende allgemeine Information der Bevölkerung über die streitgegenständliche Neun-Zehntel-Regelung eine Pflichtverletzung begangen. Ihr (der Klägerin) sei dadurch ein erheblicher Schaden entstanden. Dieser liege in der Differenz zwischen dem zu zahlenden Beitrag von nahezu EUR 185,00 als freiwillige Versicherte und dem Pflichtbeitrag aus der KVdR mit etwa EUR 35,00. Die streitgegenständliche Neun-Zehntel-Regelung sei auch verfassungsrechtlich bedenklich, da sie gegen den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz verstoße und eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung darstelle. Auch verstoße diese Regelung gegen Art. 6 Grundgesetz (GG), weil sie durch ihre geringe Rente ihren Lebensunterhalt nur mithilfe ihres Sohnes und ihres Ehemannes bestreiten könne. Die früheren Lebensumstände (private Krankenversicherung des Ehemanns, Kinderbetreuung durch sie, wegen Kinderbetreuung lediglich geringfügige Beschäftigung usw.) hätten es zu ihrem Bedauern nicht zugelassen, dass sie Pflichtmitglied bei der Beklagten habe werden können. Bis heute gehe sie - und dies ausschließlich aus finanziellen Gründen - neben dem Bezug ihrer Altersrente einer Erwerbstätigkeit nach. Sie hätte bei Kenntnis ihren Rentenantrag solange hinausgeschoben, bis sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt hätte bzw. ihre noch vor Rentenantragstellung ausgeübte Erwerbstätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeweitet, um die Neun-Zehntel-Regelung zu erfüllen. Dass sie sich nicht an die Beklagte im Hinblick auf eine Beratung gewandt habe, sei darin begründet, dass sie über die Gesetzesänderung keinerlei Kenntnis gehabt habe. Allein die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt reiche nicht aus. Jedenfalls habe sie auf die Aussage der Rentenberatungsstelle vertraut, wonach sie lediglich einen Krankenversicherungsbeitrag in geringer Höhe nach der KVdR zu bezahlen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03. Dezember 2008 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2007 festzustellen, dass sie mit Ausnahme der Zeit, für die die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit besteht, seit 01. August 2006 in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält entgegen, dass eine Pflichtverletzung ihrerseits nicht vorliege. Die Klägerin habe weder um Beratung durch sie nachgesucht, noch seien andere konkrete Umstände ersichtlich, aus denen hervorgehe, dass Hinweise ihrerseits zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die KVdR erforderlich gewesen wären. Die Sozialversicherungsträger seien auch nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht ohne besonderen Anlass verpflichtet, die durch Gesetzesänderung latent betroffenen Versicherten zu ermitteln und sie individuell zu beraten. Unabhängig von der Frage der Beratungsverpflichtung sei festzustellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Einführung der Vorversicherungszeit für die KVdR am 01. Juli 1977 nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Die Prüfung der Voraussetzungen für die KVdR sei mit der Stellung des Rentenantrags erfolgt. Eine fiktive Bewertung für die Zukunft sei nach den geltenden Regelungen des SGB V nicht vorgesehen. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeweitet hätte, sei insofern nicht nachvollziehbar, als u.a. auch angeführt werde, dass die damaligen Lebensumstände der Klägerin eine mehr als geringfügige Beschäftigung nicht zugelassen hätten. Im Übrigen sei nicht die Ausübung der geringfügigen Beschäftigung an sich maßgeblich für die Erfüllung der Vorversicherungszeit. Vielmehr hätte eine geringfügige Beschäftigung und die daraus resultierende Möglichkeit der Familienversicherung zur Erfüllung der Vorversicherungszeit in der KVdR ausgereicht, wenn die Familie nicht die private Krankenversicherung gewählt hätte.
Der Senat hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beschluss vom 11. November 2009) zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der Akten der Beklagten und der Rentenakten der Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft in der KVdR.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2007. Hierin ist verfügt, dass die Klägerin nicht der KVdR angehöre. Soweit im Bescheid vom 13. Juli 2006 auch die freiwillige Versicherung erwähnt ist, ist dies nur ein Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung, jedoch keine Entscheidung der Beklagten, die Klägerin sei freiwilliges Mitglied. Diese Entscheidung erfolgte erst mit dem Bescheid vom 06. September 2006. Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG und nicht die schlichte Anfechtungsklage, weil die Klägerin nicht nur die Ablehnung der Mitgliedschaft in der KVdR anficht, sondern darüber hinaus die Feststellung ihrer Zugehörigkeit zur KVdR begehrt. Beklagte ist nur die gesetzliche Krankenkasse und nicht die Pflegekasse. Zwar erging der Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 auch im Namen der Pflegekasse. Doch wandte sich die Klägerin, abgesehen davon, dass in der Begründung des Widerspruchsbescheids nur Ausführungen zur KVdR gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erfolgen, nur gegen die Krankenkasse und begehrte nur die Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR. Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung ist die Klägerin sowohl als freiwilliges Mitglied der Beklagten (§ 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) als auch als Mitglied in der KVdR (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI). Auch das SG hat nur die gesetzlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR geprüft. Dies hat die Klägerin nicht beanstandet. Auch der Berufungsantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin ist nur darauf gerichtet festzustellen, dass sie in der KVdR versichert ist. Streitgegenstand sind auch nicht die Beitragsbescheide im Hinblick auf die freiwillige Versicherung. Diese hat die Klägerin nicht angefochten. Sie sind auch nicht nach §§ 86 und 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchsverfahrens oder des Rechtsstreits geworden, weil sie den Bescheid vom 13. Juli 2006 nicht abändern oder ersetzen.
Die Pflichtversicherung der Klägerin in der KVdR gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V scheitert daran, dass sie in der zweiten Hälfte des Zeitraums seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags nicht mindestens neun Zehntel Mitglied der Beklagten oder nach § 10 SGB V versichert war. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 zutreffend dargelegt und wird auch von der Klägerin nicht bestritten.
Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist entgegen der Auffassung der Klägerin verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 6 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Ursächlich für die Nichterfüllung der Neun-Zehntel-Regelung ist im Falle der Klägerin nämlich nicht die Tatsache, dass sie wegen der Kinderbetreuung nicht oder nur geringfügig beschäftigt war, sondern dass die Klägerin und ihr Ehemann privat krankenversichert waren und die Klägerin deshalb über eine Pflichtversicherung oder freiwillige Versicherung ihres Ehemannes nicht in den Genuss der Familienversicherung kam. Dies hätte genügt, um die Neun-Zehntel-Regelung zu erfüllen. Den Beitritt zur privaten Krankenversicherung haben die Klägerin und ihr Ehemann freiwillig gewählt. Erst auf seinen Antrag vom 02. September 1965 wurde der Ehemann der Klägerin von der Krankenversicherungspflicht ab 01. September 1965 befreit.
Im Übrigen ist die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der seit 01. Januar 1989 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477), die entsprechend den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. - BVerfG 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 42; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl. I 2000, S. 1300) letztendlich bis zur Neuregelung ab 01. April 2007 weitergalt und auch im Fall der Klägerin Anwendung fand, vom BVerfG nicht beanstandet worden. Das BVerfG hat lediglich die Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG -) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266), in dem die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR dahingehend verschärft wurden, dass versicherungspflichtig nur noch waren "Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 (SGB V) versichert waren", womit eine freiwillige Versicherung und Zeiten einer Familienversicherung bei freiwilliger Versicherung des Ehegatten ausgeschlossen waren, für verfassungswidrig erklärt. Die zum 01. April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 387) erfolgte Änderung von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit dem die Wörter "auf Grund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung gelten auch Zeiten, in denen wegen des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus (§ 38 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) oder des Bezugs von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse (§ 143 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) eine freiwillige Versicherung bestanden hat" durch die Wörter "Mitglied oder nach § 10 (SGB V) versichert waren" ersetzt worden sind, änderte die geltende Rechtslage nicht (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 10. September 2010 - L 4 KR 915/08 -).
Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der KVdR kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin von der Beklagten oder der Beigeladenen nicht beraten worden sei. Für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist hier kein Raum. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 31/09 R - m.w.N. in juris; Kasseler Kommentar-Seewald, SGB I vor §§ 38 bis 47 RdNr. 30). Vorgänge im Tatsächlichen können durch eine Amtshandlung des Leistungsträgers nicht im Nachhinein geändert werden.
Hier fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten und der Beigeladenen.
Die Leistungsträger haben die Klägerin nicht beraten, sie können sie somit auch nicht falsch beraten haben. Dies gilt auch im Hinblick auf die Rentenauskunft und die Renteninformation der Beigeladenen, die jeweils allgemein auf die KVdR bezogen sind, nicht jedoch für den Fall der Klägerin bestimmen, dass bei ihr die Voraussetzungen der KVdR vorliegen. Im Übrigen enthalten sie auch Ausführungen für den Fall der freiwilligen und privaten Versicherung.
Weder die Beklagte noch die Beigeladene traf auch eine Pflicht, die Klägerin "von Amts wegen" zu beraten. In der Rechtsprechung des BSG ist zwar anerkannt, dass der Leistungsträger unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren gehalten ist, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (sog. Spontanberatung, vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2010 a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Bei erneuter Einführung einer Vorversicherungszeit durch Art. 1 § 1 Nr. 1 Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I, S. 1068) und entsprechender Änderung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung war die Klägerin bei der Beklagten nicht versichert. Es bestand zu diesem Zeitpunkt keine gesetzliche Beziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern eine private Versicherung der Klägerin. Auch als die Klägerin am 01. Oktober 1992 Pflichtmitglied der Beklagten wurde, musste die Beklagte die Klägerin nicht auf die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und die für den Eintritt der KVdR notwendigen Voraussetzungen hinweisen, denn zu diesem Zeitpunkt waren ihr die weiteren Voraussetzungen im Hinblick auf eine Rente und die Vorversicherung bei der Klägerin nicht bekannt. Dasselbe gilt auch im Hinblick auf die Änderung zum 01. Januar 1993 und für die Beigeladene, die im Übrigen auf Änderungen bezüglich der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nicht hinzuweisen hat. Im Übrigen gelten Gesetze mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt gegeben, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben - Grundsatz der formellen Publizität - (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1 m.w.N., SozR 3-1300 § 27 Nr. 31). Es kommt deshalb auch nicht darauf an, dass nach dem Vortrag der Klägerin auch "kompetente" Leute von der Änderung nichts gewusst hätten.
Für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist hier darüber hinaus aber auch deshalb kein Raum, weil der eingetretene Nachteil (Nichtmitgliedschaft in der KVdR) durch eine zulässige Amtshandlung nicht beseitigt werden kann. Der Nachteil wäre bei der Klägerin nur dann nicht eingetreten, wenn sie entweder schon vor dem 01. Oktober 1992 Mitglied der Beklagten geworden wäre oder ihren Rentenantrag später gestellt hätte, wobei bei Letzteren zu beachten wäre, dass dann die Rahmenfrist entsprechend länger wäre. Dies sind Vorgänge im Tatsächlichen, nämlich die Mitgliedschaft oder die spätere Rentenantragstellung. Solche Vorgänge können weder durch eine Amtshandlung der Beklagten noch der Beigeladenen im Nachhinein geändert werden. Die Klägerin war tatsächlich nicht Mitglied der Beklagten und sie hat ihren Rentenantrag am 21. Juni 2006 gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass sie seit 01. August 2006 bei der Beklagten statt als freiwilliges Mitglied in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert ist.
Die am 1943 geborene und seit 1963 mit W. S. verheiratete Klägerin nahm erstmals am 02. Mai 1957 eine Tätigkeit auf und war ab diesem Zeitpunkt bis zum 31. Mai 1964 versicherungspflichtig beschäftigt. Die Allgemeine Ortskrankenkasse T. (Rechtsvorgängerin der Beklagten) befreite den Ehemann der Klägerin mit Wirkung ab 01. September 1965 von der Krankenversicherungspflicht (Bescheid vom 23. September 1965) Vom 01. September 1965 bis 30. September 1992 waren die Klägerin und ihr Ehemann privat krankenversichert. Ab 01. Oktober 1992 war die Klägerin, die 1978/79 nach der Geburt zweier Kinder eine Berufstätigkeit auf zunächst geringfügiger Basis aufgenommen hatte, nach zeitlicher und finanzieller Aufstockung der Tätigkeit bis zu deren Beendigung am 31. Juli 2006 als versicherungspflichtig Beschäftigte Mitglied der Beklagten. Seit 01. April 2008 ist die Klägerin erneut als versicherungspflichtige Arbeitnehmerin angemeldet und leistet an die Beklagte Pflichtbeiträge.
Auf den Antrag vom 21. Juni 2006 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung Bund (hier Beigeladene) der Klägerin durch Bescheid vom 26. Juli 2006 ab 01. August 2006 Altersrente für Frauen. Der anfängliche monatliche Zahlbetrag belief sich auf EUR 229,44. Des Weiteren bewilligte die Beigeladene der Klägerin mit Bescheid vom 12. September 2009 einen Zuschuss zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von monatlich EUR 15,45. Schließlich bezieht die Klägerin noch Versorgungsbezüge aus einer Versorgungskasse in Höhe von EUR 72,92. Wegen der ab 01. April 2008 bestehenden Versicherungspflicht berechnete die Beigeladene die der Klägerin bewilligte Altersrente ab diesem Zeitpunkt neu und führte aus der Altersrente Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung ab (Bescheid vom 21. Mai 2008). Des Weiteren hob sie den Bescheid über die Bewilligung eines Zuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung auf (Bescheid vom 17. Juli 2008).
Am 26. Juni 2006 erstattete die Klägerin Meldung zur KVdR bei der Beklagten, worauf die Beklagte die Klägerin darauf hinwies, dass sie als Rentnerin versichert werden könne, wenn die Vorversicherungszeit erfüllt sei. Dies sei der Fall, wenn sie in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens 90 v.H. dieser Zeit gesetzlich versichert gewesen sei. Die Klägerin gab hierauf an, dass sie vom 28. November 1981 bis zum 30. September 1992 privat krankenversichert gewesen sei.
Mit Bescheid vom 13. Juli 2006, der nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine Mitgliedschaft in der KVdR nicht möglich sei, da sie in der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens nicht 90 v.H. der Zeit gesetzlich versichert gewesen sei. Möglich sei eine freiwillige Mitgliedschaft. Mit Bescheid vom 06. September 2006 unterrichtete die Beklagte - zugleich im Namen der bei ihr errichteten Pflegekasse - die Klägerin, sie (die Klägerin) sei ab 01. August 2006 bei ihr (der Beklagten) als freiwilliges Mitglied versichert, und setzte den Beitrag auf monatlich EUR 177,11 (EUR 158,01 zur Krankenversicherung, EUR 19,10 zur Pflegeversicherung) fest. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2006 setzte die Beklagte nach Meldung des Versorgungsbezugs den Beitrag ab 01. August 2006 auf monatlich EUR 177,22 (Krankenversicherung EUR 158,12, Pflegeversicherung EUR 19,10) sowie mit Bescheid vom 29. Juni 2007 (wohl ab 01. Juli 2007) auf EUR 166,58 (EUR 149,32 für die Krankenversicherung und EUR 17,26 für die Pflegeversicherung) fest.
Am 07. Februar 2007 erhob die Klägerin gegen den Bescheid vom 13. Juli 2006 Widerspruch. Sie trug vor, sie habe nicht gewusst, dass sie nicht Mitglied in der KVdR werden könne. Sie habe insoweit auch bei kompetenten Leuten nachgefragt. Niemand habe davon gehört, dass es Veröffentlichungen zu Änderungen für eine Mitgliedschaft in einer "Rentnerkrankenkasse" gegeben haben könnte. Hierdurch werde sie als Frau benachteiligt. Bei einer Rente von ca. EUR 320,00 zahle sie jetzt als freiwilliges Mitglied einen monatlichen Beitrag von EUR 183,95. Der Beitrag zur KVdR würde ca. EUR 35,00 betragen.
Mit am 25. Mai 2007 zugestelltem Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 wies die bei der Beklagten gebildete Widerspruchsstelle auch im Namen der Pflegekasse den Widerspruch der Klägerin zurück. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) seien Personen versicherungspflichtig, die die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme aus einer Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllten und diese Rente beantragt hätten. Weitere Voraussetzung sei, dass sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 SGB V (Familienversicherung) versichert gewesen seien. Die Rahmenfrist für die Berechnung der Vorversicherungszeit zur KVdR laufe bei der Klägerin vom 02. Mai 1957 (erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) bis 21. Juni 2006 (Rentenantrag). Dies seien 49 Jahre, ein Monat und 21 Tage. Somit könne die zweite Hälfte der Erwerbstätigkeit ermittelt werden, indem diese Rahmenfrist halbiert und vom Rentenantragsdatum abgezogen werde. Die halbe Rahmenfrist betrage daher 24 Jahre, sechs Monate und 26 Tage. Damit beginne die zweite Hälfte der Erwerbstätigkeit am 28. November 1981. Die erforderliche Vorversicherungszeit im Zeitraum 28. November 1981 bis 21. Juni 2006 betrage neun Zehntel dieser Zeit. Dies seien 22 Jahre, ein Monat und 15 Tage. Die Klägerin sei nur vom 01. Oktober 1992 bis 21. Juni 1996 bei ihr - der Beklagten - versichert gewesen. Dies seien 13 Jahre acht Monate und 21 Tage. Die Vorversicherungszeit für die KVdR sei daher eindeutig nicht erfüllt.
Mit der am 25. Juni 2007 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage wies die Klägerin darauf hin, dass bei Aufnahme ihrer geringfügigen Tätigkeit im Jahr 1978 nicht abzusehen gewesen sei, dass ein Anspruch auf Rente und die zugehörige Krankenversicherung radikal verändert werde. In die gesetzliche Krankenversicherung habe sie bei ihrem "Minigehalt" nicht aufgenommen werden können und ihr Arbeitgeber habe sie nicht darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich freiwillig krankenversichern müsse. Wäre sie richtig informiert worden, hätte sie schon ab 1981 versicherungspflichtig gearbeitet und hätte auch nicht zum 31. Juli 2006 aufgehört zu arbeiten. Weder sie noch ihre Arbeitskollegen noch ihr Freundes- und Familienkreis und auch nicht die bei ihrem Arbeitgeber zuständige Sachbearbeiterin habe über die Neun-Zehntel-Regelung Kenntnis gehabt. Jedenfalls mit dem Inkrafttreten der gesetzlichen Regelung zum 01. Januar 1993 hätte die Beklagte sie informieren bzw. ihre Mitglieder entsprechend allgemein aufklären müssen. Dies sei nicht geschehen. Auch von der Beigeladenen sei sie durch die dortigen Renteninformationen stets im Glauben gelassen worden, dass sie bei Stellung des Rentenantrags lediglich den halben Beitrag zur KVdR zu leisten habe. Nun müsse sie von ihrer "Minirente" mehr als die Hälfte für die freiwillige Kranken- und Pflegeversicherung zahlen. Ihr stehe deshalb ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch gegen die Beklagte, aber auch die Beigeladene zu, da beide ihre Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt hätten. Die Klägerin legte die Renteninformation der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 05. April 2004 (Leistungsangebot umfasse u.a. Zahlung des halben Beitrags zur KVdR) und Seite 3 der Renteninformation vom 06. Juni 2006 (Ausführungen zur Krankenversicherung und Pflegeversicherung für den Fall des Bestehens der Krankenversicherungspflicht während des Rentenbezugs sowie zur freiwilligen und privaten Krankenversicherung) vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht in der KVdR nach § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V seien nicht erfüllt. Bereits seit 01. Juli 1977 (durch das Krankenversicherungskostendämpfungsgesetz) werde für die KVdR eine Vorversicherungszeit verlangt (die "Halbbelegung"). Die Vorversicherungszeit sei dann mit Wirkung vom 01. Januar 1993 geändert (Neun-Zehntel-Regelung) worden. Die Neuregelung zum 01. April 2002 stelle eine Verbesserung dar, da nun auch freiwillige Versicherungszeiten bei einer gesetzlichen Krankenkasse berücksichtigt würden. Die fehlende gesetzliche Krankenversicherung stehe nicht in direktem Zusammenhang mit der geringfügigen Beschäftigung, sondern beruhe darauf, dass der Ehegatte der Klägerin privat krankenversichert gewesen sei und somit eine kostenlose Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bestanden habe. Ein bisher privat Versicherter habe bei Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung nicht die Möglichkeit einer freiwilligen Krankenversicherung, weil ein Beitrittsrecht nach den Regelungen des § 9 Abs. 1 SGB V nicht bestehe. Insofern wäre auch ein Hinweis des Arbeitgebers nicht von Bedeutung. Im Jahr 1964 und auch später habe für die Klägerin kein Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung bestanden. Insofern sei davon auszugehen, dass es sich um eine Entscheidung der Familie der Klägerin gehandelt habe, die private Krankenversicherung zu wählen. Nach den Unterlagen sei nicht feststellbar, dass sich die Klägerin bezüglich einer Beratung zur Vorversicherungszeit in der KVdR mit ihr (der Beklagten) in Verbindung gesetzt habe. Auch aus der Renteninformation der Beigeladenen werde ausdrücklich auf das Bestehen von Krankenversicherungspflicht während des Rentenbezugs abgestellt. Bezüglich der Feststellung, dass die Klägerin bei ausreichender Information weiterhin im Erwerbsleben geblieben wäre und den Rentenantrag hinausgezögert habe, werde auf die Berechnung der Vorversicherungszeit in der KVdR hingewiesen. Die fehlende Versicherungszeit resultiere letztlich aus der Zeit der privaten Krankenversicherung bis zum 30. September 1992. Unabhängig davon, dass für die Erfüllung der Vorversicherungszeit annähernd zehn Versicherungsjahre fehlten, sei die hypothetische Annahme, dass die Klägerin über den Rentenbeginn mit Vollendung des 63. Lebensjahres hinaus gearbeitet hätte, für die Bewertung unerheblich. Auf der Basis des am 21. Juni 2006 gestellten Rentenantrags seien die Voraussetzungen in der KVdR eindeutig nicht erfüllt.
Mit Urteil vom 03. Dezember 2008 wies das SG die Klage ab. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR seien bei der Klägerin nicht erfüllt. Die Pflichtmitgliedschaft in der KVdR könne auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellt oder fingiert werden. Es fehle hier schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten oder eines anderen Sozialleistungsträgers oder einer anderen Stelle, deren Verhalten der Beklagten zuzurechnen wäre. Weder habe die Klägerin im Zusammenhang mit den hier interessierenden Fragen um Beratung ersucht, noch seien andere konkrete Umstände ersichtlich, die Hinweise an die Klägerin zu ihrer Beschäftigung oder zu ihrer Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung mit Blick auf die KVdR erfordert hätten. Ohne einen solchen besonderen Anlass seien weder die Krankenkassen noch die Rentenversicherungsträger verpflichtet, die latent betroffenen Versicherten zu ermitteln und sie individuell über die Voraussetzungen bzw. die Änderung von Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft in der KVdR zu informieren. Auch eine fehlerhafte allgemeine Aufklärung nach § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sei nicht feststellbar. Es wäre ferner schwerlich nachweisbar, dass die Klägerin bei Kenntnis der (jeweils aktuellen) Bestimmungen über die KVdR ihre Beschäftigungen und ihr Berufsleben über viele Jahre anders gestaltet hätte, als es tatsächlich der Fall gewesen sei. Schließlich lasse sich die Tatsache der fehlenden Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch gar nicht über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch fingieren. Die Höhe der Beiträge, die die Beklagte für die Klägerin als freiwilliges Mitglied festgesetzt habe, beanstande die Klägerin nicht. Für eine Rechtswidrigkeit dieser Beitragsfestsetzung bestehe kein Anhalt.
Gegen das am 27. März 2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 24. April 2009 Berufung eingelegt. Sie verbleibt dabei, dass ihre Pflichtmitgliedschaft in der KVdR über den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch hergestellt oder fingiert werden müsse. Die Beklagte habe durch die unzureichende allgemeine Information der Bevölkerung über die streitgegenständliche Neun-Zehntel-Regelung eine Pflichtverletzung begangen. Ihr (der Klägerin) sei dadurch ein erheblicher Schaden entstanden. Dieser liege in der Differenz zwischen dem zu zahlenden Beitrag von nahezu EUR 185,00 als freiwillige Versicherte und dem Pflichtbeitrag aus der KVdR mit etwa EUR 35,00. Die streitgegenständliche Neun-Zehntel-Regelung sei auch verfassungsrechtlich bedenklich, da sie gegen den rechtsstaatlich gebotenen Vertrauensschutz verstoße und eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung darstelle. Auch verstoße diese Regelung gegen Art. 6 Grundgesetz (GG), weil sie durch ihre geringe Rente ihren Lebensunterhalt nur mithilfe ihres Sohnes und ihres Ehemannes bestreiten könne. Die früheren Lebensumstände (private Krankenversicherung des Ehemanns, Kinderbetreuung durch sie, wegen Kinderbetreuung lediglich geringfügige Beschäftigung usw.) hätten es zu ihrem Bedauern nicht zugelassen, dass sie Pflichtmitglied bei der Beklagten habe werden können. Bis heute gehe sie - und dies ausschließlich aus finanziellen Gründen - neben dem Bezug ihrer Altersrente einer Erwerbstätigkeit nach. Sie hätte bei Kenntnis ihren Rentenantrag solange hinausgeschoben, bis sie die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt hätte bzw. ihre noch vor Rentenantragstellung ausgeübte Erwerbstätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeweitet, um die Neun-Zehntel-Regelung zu erfüllen. Dass sie sich nicht an die Beklagte im Hinblick auf eine Beratung gewandt habe, sei darin begründet, dass sie über die Gesetzesänderung keinerlei Kenntnis gehabt habe. Allein die Bekanntmachung im Bundesgesetzblatt reiche nicht aus. Jedenfalls habe sie auf die Aussage der Rentenberatungsstelle vertraut, wonach sie lediglich einen Krankenversicherungsbeitrag in geringer Höhe nach der KVdR zu bezahlen habe.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 03. Dezember 2008 aufzuheben und unter Aufhebung des Bescheids vom 13. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2007 festzustellen, dass sie mit Ausnahme der Zeit, für die die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit besteht, seit 01. August 2006 in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert ist.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält entgegen, dass eine Pflichtverletzung ihrerseits nicht vorliege. Die Klägerin habe weder um Beratung durch sie nachgesucht, noch seien andere konkrete Umstände ersichtlich, aus denen hervorgehe, dass Hinweise ihrerseits zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die KVdR erforderlich gewesen wären. Die Sozialversicherungsträger seien auch nach der vorliegenden Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht ohne besonderen Anlass verpflichtet, die durch Gesetzesänderung latent betroffenen Versicherten zu ermitteln und sie individuell zu beraten. Unabhängig von der Frage der Beratungsverpflichtung sei festzustellen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Einführung der Vorversicherungszeit für die KVdR am 01. Juli 1977 nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Die Prüfung der Voraussetzungen für die KVdR sei mit der Stellung des Rentenantrags erfolgt. Eine fiktive Bewertung für die Zukunft sei nach den geltenden Regelungen des SGB V nicht vorgesehen. Dass die Klägerin ihre Tätigkeit zu einem früheren Zeitpunkt auf eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeweitet hätte, sei insofern nicht nachvollziehbar, als u.a. auch angeführt werde, dass die damaligen Lebensumstände der Klägerin eine mehr als geringfügige Beschäftigung nicht zugelassen hätten. Im Übrigen sei nicht die Ausübung der geringfügigen Beschäftigung an sich maßgeblich für die Erfüllung der Vorversicherungszeit. Vielmehr hätte eine geringfügige Beschäftigung und die daraus resultierende Möglichkeit der Familienversicherung zur Erfüllung der Vorversicherungszeit in der KVdR ausgereicht, wenn die Familie nicht die private Krankenversicherung gewählt hätte.
Der Senat hat die Deutsche Rentenversicherung Bund (Beschluss vom 11. November 2009) zum Verfahren beigeladen. Die Beigeladene hat sich nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten, der Akten der Beklagten und der Rentenakten der Beigeladenen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerechte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden hat, ist zulässig. Die Berufung ist in der Sache jedoch nicht begründet. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Mitgliedschaft in der KVdR.
Streitgegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 13. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Mai 2007. Hierin ist verfügt, dass die Klägerin nicht der KVdR angehöre. Soweit im Bescheid vom 13. Juli 2006 auch die freiwillige Versicherung erwähnt ist, ist dies nur ein Hinweis auf die Möglichkeit der freiwilligen Weiterversicherung, jedoch keine Entscheidung der Beklagten, die Klägerin sei freiwilliges Mitglied. Diese Entscheidung erfolgte erst mit dem Bescheid vom 06. September 2006. Zulässige Klageart ist die kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG und nicht die schlichte Anfechtungsklage, weil die Klägerin nicht nur die Ablehnung der Mitgliedschaft in der KVdR anficht, sondern darüber hinaus die Feststellung ihrer Zugehörigkeit zur KVdR begehrt. Beklagte ist nur die gesetzliche Krankenkasse und nicht die Pflegekasse. Zwar erging der Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 auch im Namen der Pflegekasse. Doch wandte sich die Klägerin, abgesehen davon, dass in der Begründung des Widerspruchsbescheids nur Ausführungen zur KVdR gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V erfolgen, nur gegen die Krankenkasse und begehrte nur die Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR. Versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung ist die Klägerin sowohl als freiwilliges Mitglied der Beklagten (§ 20 Abs. 3 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB XI -) als auch als Mitglied in der KVdR (§ 20 Abs. 1 Nr. 11 SGB XI). Auch das SG hat nur die gesetzlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR geprüft. Dies hat die Klägerin nicht beanstandet. Auch der Berufungsantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin ist nur darauf gerichtet festzustellen, dass sie in der KVdR versichert ist. Streitgegenstand sind auch nicht die Beitragsbescheide im Hinblick auf die freiwillige Versicherung. Diese hat die Klägerin nicht angefochten. Sie sind auch nicht nach §§ 86 und 96 Abs. 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchsverfahrens oder des Rechtsstreits geworden, weil sie den Bescheid vom 13. Juli 2006 nicht abändern oder ersetzen.
Die Pflichtversicherung der Klägerin in der KVdR gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V scheitert daran, dass sie in der zweiten Hälfte des Zeitraums seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags nicht mindestens neun Zehntel Mitglied der Beklagten oder nach § 10 SGB V versichert war. Dies hat die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 22. Mai 2007 zutreffend dargelegt und wird auch von der Klägerin nicht bestritten.
Die Regelung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V ist entgegen der Auffassung der Klägerin verfassungsgemäß. Sie verstößt insbesondere nicht gegen Art. 6 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen. Ursächlich für die Nichterfüllung der Neun-Zehntel-Regelung ist im Falle der Klägerin nämlich nicht die Tatsache, dass sie wegen der Kinderbetreuung nicht oder nur geringfügig beschäftigt war, sondern dass die Klägerin und ihr Ehemann privat krankenversichert waren und die Klägerin deshalb über eine Pflichtversicherung oder freiwillige Versicherung ihres Ehemannes nicht in den Genuss der Familienversicherung kam. Dies hätte genügt, um die Neun-Zehntel-Regelung zu erfüllen. Den Beitritt zur privaten Krankenversicherung haben die Klägerin und ihr Ehemann freiwillig gewählt. Erst auf seinen Antrag vom 02. September 1965 wurde der Ehemann der Klägerin von der Krankenversicherungspflicht ab 01. September 1965 befreit.
Im Übrigen ist die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V in der seit 01. Januar 1989 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, S. 2477), die entsprechend den Beschlüssen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 15. März 2000 - 1 BvL 16/96 u.a. - BVerfG 102, 68 = SozR 3-2500 § 5 Nr. 42; Entscheidungsformel veröffentlicht in BGBl. I 2000, S. 1300) letztendlich bis zur Neuregelung ab 01. April 2007 weitergalt und auch im Fall der Klägerin Anwendung fand, vom BVerfG nicht beanstandet worden. Das BVerfG hat lediglich die Fassung des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz - GSG -) vom 21. Dezember 1992 (BGBl. I S. 2266), in dem die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der KVdR dahingehend verschärft wurden, dass versicherungspflichtig nur noch waren "Personen, die die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums aufgrund einer Pflichtversicherung Mitglied oder aufgrund einer Pflichtversicherung nach § 10 (SGB V) versichert waren", womit eine freiwillige Versicherung und Zeiten einer Familienversicherung bei freiwilliger Versicherung des Ehegatten ausgeschlossen waren, für verfassungswidrig erklärt. Die zum 01. April 2007 durch das GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26. März 2007 (BGBl. I S. 387) erfolgte Änderung von § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V mit dem die Wörter "auf Grund einer Pflichtversicherung nach § 10 SGB V versichert waren; als Zeiten der Pflichtversicherung gelten auch Zeiten, in denen wegen des Bezugs von Anpassungsgeld für entlassene Arbeitnehmer des Bergbaus (§ 38 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) oder des Bezugs von Überbrückungsgeld aus der Seemannskasse (§ 143 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch) eine freiwillige Versicherung bestanden hat" durch die Wörter "Mitglied oder nach § 10 (SGB V) versichert waren" ersetzt worden sind, änderte die geltende Rechtslage nicht (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 10. September 2010 - L 4 KR 915/08 -).
Die Pflichtmitgliedschaft der Klägerin in der KVdR kann auch nicht darauf gestützt werden, dass die Klägerin von der Beklagten oder der Beigeladenen nicht beraten worden sei. Für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist hier kein Raum. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch greift nach den allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung ein, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden ist. Auf der Rechtsfolgenseite muss durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt wäre (ständige Rechtsprechung, zuletzt BSG, Urteil vom 28. September 2010 - B 1 KR 31/09 R - m.w.N. in juris; Kasseler Kommentar-Seewald, SGB I vor §§ 38 bis 47 RdNr. 30). Vorgänge im Tatsächlichen können durch eine Amtshandlung des Leistungsträgers nicht im Nachhinein geändert werden.
Hier fehlt es bereits an einer Pflichtverletzung der Beklagten und der Beigeladenen.
Die Leistungsträger haben die Klägerin nicht beraten, sie können sie somit auch nicht falsch beraten haben. Dies gilt auch im Hinblick auf die Rentenauskunft und die Renteninformation der Beigeladenen, die jeweils allgemein auf die KVdR bezogen sind, nicht jedoch für den Fall der Klägerin bestimmen, dass bei ihr die Voraussetzungen der KVdR vorliegen. Im Übrigen enthalten sie auch Ausführungen für den Fall der freiwilligen und privaten Versicherung.
Weder die Beklagte noch die Beigeladene traf auch eine Pflicht, die Klägerin "von Amts wegen" zu beraten. In der Rechtsprechung des BSG ist zwar anerkannt, dass der Leistungsträger unabhängig von einem konkreten Beratungsbegehren gehalten ist, bei Vorliegen eines konkreten Anlasses auf klar zu Tage tretende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, die sich offensichtlich als zweckmäßig aufdrängen und von jedem verständigen Versicherten mutmaßlich genutzt würden (sog. Spontanberatung, vgl. BSG, Urteil vom 28. September 2010 a.a.O.). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Bei erneuter Einführung einer Vorversicherungszeit durch Art. 1 § 1 Nr. 1 Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27. Juni 1977 (BGBl I, S. 1068) und entsprechender Änderung des § 165 Abs. 1 Nr. 3 Reichsversicherungsordnung war die Klägerin bei der Beklagten nicht versichert. Es bestand zu diesem Zeitpunkt keine gesetzliche Beziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten, sondern eine private Versicherung der Klägerin. Auch als die Klägerin am 01. Oktober 1992 Pflichtmitglied der Beklagten wurde, musste die Beklagte die Klägerin nicht auf die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Nr. 11 SGB V und die für den Eintritt der KVdR notwendigen Voraussetzungen hinweisen, denn zu diesem Zeitpunkt waren ihr die weiteren Voraussetzungen im Hinblick auf eine Rente und die Vorversicherung bei der Klägerin nicht bekannt. Dasselbe gilt auch im Hinblick auf die Änderung zum 01. Januar 1993 und für die Beigeladene, die im Übrigen auf Änderungen bezüglich der Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nicht hinzuweisen hat. Im Übrigen gelten Gesetze mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt grundsätzlich allen Normadressaten als bekannt gegeben, ohne Rücksicht darauf, ob und wann sie von ihnen tatsächlich Kenntnis erlangt haben - Grundsatz der formellen Publizität - (BSG SozR 3-1200 § 13 Nr. 1 m.w.N., SozR 3-1300 § 27 Nr. 31). Es kommt deshalb auch nicht darauf an, dass nach dem Vortrag der Klägerin auch "kompetente" Leute von der Änderung nichts gewusst hätten.
Für die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ist hier darüber hinaus aber auch deshalb kein Raum, weil der eingetretene Nachteil (Nichtmitgliedschaft in der KVdR) durch eine zulässige Amtshandlung nicht beseitigt werden kann. Der Nachteil wäre bei der Klägerin nur dann nicht eingetreten, wenn sie entweder schon vor dem 01. Oktober 1992 Mitglied der Beklagten geworden wäre oder ihren Rentenantrag später gestellt hätte, wobei bei Letzteren zu beachten wäre, dass dann die Rahmenfrist entsprechend länger wäre. Dies sind Vorgänge im Tatsächlichen, nämlich die Mitgliedschaft oder die spätere Rentenantragstellung. Solche Vorgänge können weder durch eine Amtshandlung der Beklagten noch der Beigeladenen im Nachhinein geändert werden. Die Klägerin war tatsächlich nicht Mitglied der Beklagten und sie hat ihren Rentenantrag am 21. Juni 2006 gestellt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da sie keinen Antrag gestellt hat.
Zur Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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