L 4 R 3305/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 1204/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 3305/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. Juni 2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am 1964 geborene Kläger hat die Berufe des Stahlbauschlossers, Kraftfahrzeugmechanikers und Forstwirts erlernt. Seit 01. Januar 1994 war er zunächst beim Land Baden-Württemberg, nach der Verwaltungsreform ab 01. Januar 2005 beim Landkreis R. anfänglich als Forstwirt und zuletzt vom 01. September bis zum 23. Dezember 2006 als Messgehilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Ab 24. Dezember 2006 wurden Überstunden und Urlaub abgebaut oder der Kläger war arbeitsunfähig krank. Vom 11. Juli 2007 bis 06. Mai 2008 bezog er Krankengeld und vom 07. Mai 2008 bis 05. Mai 2009 Arbeitslosengeld. Seither ist er arbeitslos gemeldet. Für die Zeit von Juli bis Dezember 2009 wurde der Beklagten eine geringfügige versicherungsfreie Beschäftigung gemeldet.

Bereits am 14. Juni 2002 war beim Kläger ein Bandscheibenvorfall in Höhe L4/L5 und L5/S1 nachgewiesen worden, weshalb er nach akuter Krankenhausbehandlung an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der F.-klinik B. B. vom 17. September bis 08. Oktober 2002 teilgenommen hatte. Im dortigen Entlassungsbericht des Dr. H. vom 05. Dezember 2002 wurde ein LWS-Syndrom mit Wurzelreizsyndrom S 1 rechts, Bandscheibenvorfall L4/L5 mit Tangierung Wurzel L 5 diagnostiziert und ausgeführt, die aktuelle Tätigkeit sei sicherlich mittel- bis langfristig nicht zu empfehlen. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts ohne häufige Zwangshaltungen der Wirbelsäule, insbesondere ohne häufiges Heben, Tragen und Bewegen schwerer Lasten sowie häufiges Bücken könnten mehr als sechs Stunden täglich ausgeübt werden.

Erneut nahm der Kläger an einer medizinischen Rehabilitationsmaßnahme in der Reha-Klinik Ü. in I. vom 09. Mai bis 30. Mai 2006 teil. Im dortigen Entlassungsbericht vom 12. Juni 2006 nannte Dr. He. chronische rezidivierende Wirbelsäulenbeschwerden und polytope Schmerzen im ganzen Körper bei Zustand nach Bandscheibenvorfall L4/5, L5/S1, eine vorbeschriebene minimale Protrusion C5/6 und C6/7 sowie eine leichte depressive Episode. Die Leistungsfähigkeit als Forstwirt betrage unter drei Stunden täglich. Mittelschwere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Vermeidung anhaltender Zwangshaltungen für die Wirbelsäule sowie ständiger Überkopfarbeiten könnten sechs Stunden und mehr täglich verrichtet werden.

Am 29. Mai 2007 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte befragte das Landratsamt R. daraufhin zum Beschäftigungsverhältnis des Klägers. Sie beauftragte sodann Dr. F., Arzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Sozialmedizin, Sportmedizin, Chirotherapie und Rehabilitationswesen in der Ärztlichen Untersuchungsstelle R., mit der Erstattung eines Gutachtens über den Kläger. Dr. F. untersuchte den Kläger am 27. Juni 2007 und diagnostizierte im Gutachten vom 29. Juni 2007 eine schmerzhafte Bewegungsstörung des rechten Schultergelenks bei subacromialem Impingementsyndrom rechts mehr als links, einen chronischen anhaltenden Schmerzzustand der Lendenwirbelsäule mit Lumboischialgie rechts mehr als links bei diskretem Bandscheibenvorfall L4/5 und Protrusionen L3/4 sowie L5/S1, einen chronischen rezidivierenden Schmerzzustand der Brustwirbelsäule bei mäßiger Fehlstatik, Residuen eines Morbus Scheuermann mit muskulärer Dysbalance, chronische Cervicocephalgien ohne radikuläre Symptomatik bei mäßigen muskulären Dysbalancen, einen Verdacht auf somatoforme Schmerzstörung, rezidivierende Herzrhythmusstörungen bei paroxysmalem Vorhofflimmern sowie eine mittelschwere obstruktive Schlafapnoe. Geeignet seien für den Kläger leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Vermeidung besonderer Wirbelsäulenbelastungen und besonderen Zeitdrucks. Eine derartige Tätigkeit könne ohne Bedenken für die Gesundheit in vollschichtigem Umfang ausgeübt werden. Die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten des Forstwirts und Messgehilfen könnten dauerhaft nur unter drei Stunden ausgeübt werden. Es ergäben sich Hinweise auf eine psychovegetative Erschöpfung bzw. Überforderungssituationen in den vergangenen Jahren durch schwere körperliche Arbeit und gleichzeitigen Umbau des eigenen Hauses.

Mit Bescheid vom 13. August 2007 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Nach ärztlicher Feststellung könne der Kläger noch mindestens sechs Stunden je Arbeitstag (Fünf-Tage-Woche) unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch wies der Kläger auf eine an der rechten Schulter durchgeführte Arthroskopie hin (Bericht der D.-klinik R. vom 19. November und 06. Dezember 2007) und darauf, der Gutachter der Beklagten Dr. F. habe festgestellt, dass er nicht mehr als Forstwirt arbeiten könne.

Mit Widerspruchsbescheid vom 26. März 2008 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück. Er schloss sich der Beurteilung des Sozialmedizinischen Dienstes an und führte weiter aus, zwar sei dem Kläger eine Tätigkeit als Forstwirt weniger als drei Stunden täglich möglich. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme bei ihm aber nicht in Betracht, da er nach dem 01. Januar 1961 geboren sei. Sein Leistungsvermögen in der zuletzt ausgeübten Beschäftigung sei demnach nicht maßgeblich.

Am 28. April 2008 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG). Zu deren Begründung legte er das Gutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. Fi. vom 26. Juli 2008, das dieser für das SG zum schwerbehindertenrechtlichen Verfahren S 6 SB 1079/07 erstattet hatte, vor. Die dort aufgezeigten Leistungseinbußen bedingten eine Einschränkung des Leistungsvermögens auf bis zu drei Stunden täglich, weshalb eine volle Erwerbsminderung vorliege. Er habe drei verschiedene Berufe erlernt, dennoch könne das Arbeitsamt wegen seiner gesundheitlichen Einschränkungen ihm keinen adäquaten Arbeitsplatz mehr anbieten. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb das gerichtlicherseits eingeholte Sachverständigengutachten nicht zu einer quantitativen Leistungseinschränkung komme.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer Stellungnahme nach Aktenlage seitens ihrer Ärztin für Innere Medizin Dr. J. vom 26. Januar 2009 entgegen. Sie hielt an der Auffassung fest, dass eine leichte Tätigkeit mit qualitativen Funktionseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden könne. Ein psychopathologischer Befund, der anderes begründen könnte, werde auch vom behandelnden Psychotherapeuten nicht beschrieben. Die Beklagte stellte dem Kläger mit Bescheid vom 08. Dezember 2008 Leistungen zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (innerbetriebliche Umsetzung) in Aussicht.

Das SG zog zur Aufklärung des Sachverhalts die schriftlichen sachverständigen Zeugenauskünfte aus dem genannten schwerbehindertenrechtlichen Verfahren vor dem SG bei, und zwar von Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Fe. vom 11. Juni 2007, Internist Dr. E. vom 08. Juni 2007 und den Orthopäden Dres. M. und S. vom 25. Juli 2007 (nur Seite 1).

Im Anschluss holte es selbst schriftliche sachverständige Zeugenauskünfte bei folgenden Ärzten des Klägers ein: Praktische Ärztin Dr. C. berichtete unter dem 29. September 2008 über die Beschwerden des Klägers auf verschiedenen medizinischen Fachgebieten und legte u.a. den Bericht des Arztes für Neurochirurgie Dr. Sta. vom 13. August 2007 über die stationäre Behandlung vom 08. bis 15. August 2007, in deren Verlauf ein Bandscheibenvorfall in Höhe L 4/5 operiert wurde, sowie den Entlassungsbericht der anschließenden medizinischen Rehabilitationsmaßnahme, die der Kläger in der B.-Klinik Ü. am Bodensee vom 27. August bis 17. September 2007 absolviert hatte, vor. Im dortigen Entlassungsbericht vom 17. September 2007 nannte Dr. Eh. die Diagnosen eines Bandscheibenvorfalls L 4/5, einer chronischen Gastritis und funktioneller Herzbeschwerden. Der Kläger könne auch als Messgehilfe im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich arbeiten. Des Weiteren legte Dr. C. den Bericht des Facharztes für Innere Medizin Ja. vom 22. Februar 2008 über die ambulante Untersuchung an diesem Tag, bei der Arzt Ja. ein unauffälliges Echokardiogramm erhoben hatte und ausführte, die Problematik des Klägers liege eher nicht im kardiologischen Bereich, die Somatisierungstendenz stehe im Vordergrund, sowie mehrere Berichte über die Behandlung von Schulterbeschwerden des Klägers (nach einem Unfall mit einem Motorroller) und deren Operation am 28. März 2008 in der Oberschwabenklinik R. vor. Orthopäde Dr. M. bestätigte unter dem 24. September 2008, dass die Schultererkrankung in ihrem Schwergrad und in ihrer Auswirkungen nicht über die Wirbelsäulenerkrankung hinausgehe, sodass leichte Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich verrichtet werden könnten. Schwere Arbeiten mit den Armen, insbesondere Überkopfarbeiten würden durch Schmerzen eingeschränkt. Facharzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. Ma. führte unter dem 02. Oktober 2008 aus, nach Abschluss der Schulterbehandlung könnten vom Kläger leichte körperliche Arbeiten verrichtet werden. Facharzt für Psychotherapeutische Medizin Dr. Mau. berichtete unter dem 04. November 2008 über die Psychodynamik des Klägers und sah die Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für eine leichte Tätigkeit auf unter drei Stunden täglich eingeschränkt.

Mit der Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragte das SG den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ha ... Aufgrund Untersuchung am 11. März 2009 erstattete dieser am gleichen Tag sein Gutachten, in welchem er folgende Gesundheitsstörungen diagnostizierte: 1) Undifferenzierte Somatisierungsstörung, 2) Dysthymia 3) Zervikal- und Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne relevante Funktionseinschränkung und ohne jegliche radikuläre Symptomatik 4) Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke 5) Schlafapnoe-Syndrom ohne Maskenatmung. Aufgrund der degenerativen Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates seien körperliche Schwerarbeiten nicht mehr zumutbar, ebenso wenig ständiges Heben und Tragen von Lasten ohne mechanische Hilfsmittel, Zwangshaltungen, ständiges Bücken, Tätigkeiten überwiegend im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe. Unter Berücksichtigung dessen sei der Kläger noch in der Lage, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig auszuüben. Psychodynamische Erwägungen allein rechtfertigten keine Leistungsminderung.

Mit Urteil vom 18. Juni 2009 wies das SG die Klage ab. Gestützt auf das Gutachten des Dr. Ha. kam es zu der Auffassung, der Kläger könne zumindest noch leichte körperliche Arbeiten vollschichtig verrichten. Es sah die Einschätzung des Psychotherapeuten Dr. Mau. durch dieses Gutachten als widerlegt an. Diagnosen und einen psychopathologischen Befund, die eine Leistungseinschränkung nachvollziehbarer machen könnten, habe Dr. Mau. nicht mitgeteilt. Der Kläger sei zudem nicht in seinem Antrieb gemindert und zeige auch keine Aktivitätseinschränkungen. Er betreue Pferde mit, sorge für das Holz zum Heizen, besitze einen reichlichen Freundes- und Bekanntenkreis, restauriere auch Oldtimer und gehe Fischen (Angaben des Klägers gegenüber Dr. Ha.). Das Gerichtsgutachten stehe insoweit auch in Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. F. und den Reha-Entlassungsberichten der Reha-Klinik Ü. und der B.-Klinik sowie den Auskünften der Orthopäden Dres. Ma. und M ...

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 07. Juli 2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 22. Juli 2009 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt. Zur Begründung beruft er sich auf die Auffassung des Dr. Mau. und trägt weiter vor, Dr. Ha. habe die Bedeutung der Somatisierungsstörung in sozialmedizinischer Hinsicht verkannt, seine Freizeitaktivitäten und seinen Tagesablauf irreführend dargestellt und seine hochgradige Erschöpfbarkeit und Multimorbidität, die zur Erwerbsminderung führten, nicht berücksichtigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 18. Juni 2009 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 01. Mai 2007 zu gewähren, hilfsweise ein weiteres nervenärztliches Gutachten einzuholen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie hat den Versicherungsverlauf vom 01. Juli 2010 vorgelegt.

Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Br. am 05. März 2010 ein Gutachten über den Kläger aufgrund ambulanter Untersuchung am gleichen Tage erstattet. Er hat ausgeführt, beim Kläger bestünden eine angstneurotische Entwicklung mit Somatisierungsstörung, Schlaf-Apnoe-Syndrom ohne Maskenatmung sowie degenerative Veränderungen der Lenden- und Halswirbelsäule. Die hochgradige Erschöpfbarkeit, die organische und psychische Ursachen habe, führe dazu, dass der Kläger nur weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne.

Zu diesem Gutachten hat die Beklagte die Stellungnahme des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Rehabilitationswesen Bu. vom 12. Mai 2010 vorgelegt. Dr. Ha. habe eine schlüssige Leistungsbeurteilung abgegeben. Auffällig sei im Vergleich der beiden Gutachten die divergente Darstellung bzw. die Revision der Darstellung des Tagesablaufs binnen Jahresfrist.

In einem Erörterungstermin am 18. August 2010 hat der Berichterstatter des Senats die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten erörtert und den Kläger ausführlich persönlich angehört. Der Kläger hat auch noch einen Bericht des Prof. Dr. St., Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin der O.-klinik (Krankenhaus W.), vom 28. Juli 2010 über die dortige stationäre Behandlung vom 20. bis 24. Juli 2010 wegen Unterbauchbeschwerden und wechselnden Stuhlverhaltens aufgrund eines Infekts vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 § Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 13. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26. März 2008 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung gegen die Beklagte.

Versicherte haben gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 01. Januar 2008 geändert durch Art. 1 Nr. 12 des RV-Altersgrenzenanpassungsgesetzes vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Voraussetzung ist, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger leidet zur Überzeugung des Senats an einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, einer Dysthymia, Cervical- und Lumbalsyndrom bei degenerativen Veränderungen ohne relevante Funktionseinschränkung und ohne radikuläre Symptomatik, an einer Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke sowie einem Schlafapnoe-Syndrom ohne Maskenatmung. Dies führt dazu, dass der Kläger nicht mehr körperlich schwer arbeiten kann, ebenso wenig ständig Lasten ohne mechanische Hilfsmittel heben und tragen kann. Auch Zwangshaltungen, ständiges Bücken oder Tätigkeiten überwiegend im Freien unter Einwirkung von Kälte, Zugluft und Nässe sollten vermieden werden. Bei Beachtung dieser qualitativen Einschränkungen ist der Kläger aber noch in der Lage, Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Dies entnimmt der Senat dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen Dr. Ha. vom 11. März 2009.

Die medizinische Sachverhaltsaufklärung in beiden Rechtszügen hat ergeben, dass auf orthopädischem Gebiet keine Befunde vorliegen, die eine zeitliche Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit begründen könnten. Zwar hat der Kläger in den Jahren 2002 und 2007 Bandscheibenvorfälle erlitten und ist auch operiert worden. Außerdem musste er sich im März 2008 einer Schulteroperation unterziehen und leidet auch in diesem Bereich an Beschwerden. Allerdings hat Dr. Eh. im Entlassungsbericht vom 17. September 2007 über die nach dem letzten Bandscheibenvorfall durchgeführte medizinische Rehabilitationsmaßnahme sogar ein Leistungsvermögen als Messgehilfe im Umfang von sechs Stunden und mehr täglich bestätigt. Die jeweils Arbeitsunfähigkeit begründenden Bandscheibenvorfälle haben also im Bereich der Lendenwirbelsäule keine so schwerwiegenden Folgen hinterlassen, dass auf Dauer eine angepasste Berufstätigkeit nicht mehr möglich wäre. Nichts anderes gilt für die Schulterbeschwerden. Arzt für Orthopädie und Chirurgie Dr. Ma. hat in seiner Auskunft vom 02. Oktober 2008 ebenso wie Orthopäde Dr. M. in seiner Auskunft vom 24. September 2008 bestätigt, dass die Schultererkrankung ebenso wie die Wirbelsäulenerkrankung einer leichten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt im Umfang von mindestens sechs Stunden täglich nach Abschluss der Akutbehandlung nicht entgegenstehe. Diese überzeugende Einschätzung der orthopädisch-chirurgischen Behandler macht sich der Senat zu eigen. Rein aufgrund orthopädischer Befunde bleibt es damit bei qualitativen Einschränkungen hinsichtlich der Arbeitsschwere und der Arbeitshaltungen.

Weitergehende Einschränkungen ergeben sich aber auch nicht auf psychiatrischem Fachgebiet aufgrund der Somatisierungsstörung und Dysthymia des Klägers. Der erfahrene Sachverständige Dr. Ha. hat in seinem Gutachten für das SG die Aktenlage vollständig ausgewertet, Anamnese und Befund gründlich erhoben. Er hat hieraus insbesondere auch unter sozialmedizinisch angezeigter Berücksichtigung der eigenen Darlegungen des Klägers zu dessen Lebensführung seine Leistungsbeurteilung abgeleitet. Selbst wenn, wie vom Kläger im Erörterungstermin gegenüber dem Berichterstatter des Senats am 18. August 2010 nachvollziehbar geschildert, die eine oder andere Angabe im Gutachten des Dr. Ha. etwa zu seinen Hobbys (Oldtimer, Angeln) sicherlich unterschiedlich interpretationsfähig ist, ist auch in diesem Erörterungstermin doch eine in durchaus beachtlichem Ausmaß erhaltene Fähigkeit deutlich geworden, bei zumutbarer Willensanspannung aktiv zu sein und zu bleiben. Der Kläger hat gemeinsam mit seiner Ehefrau im Jahr 2003, also nach dem ersten Bandscheibenvorfall, ein altes ehemaliges Gasthaus mit Wirtschaftsgebäuden gekauft und auch in Eigenarbeit soweit hergerichtet, dass eine Wohnung vermietet werden konnte. Das Ehepaar hat zwei kleine Kinder. Der Kläger arbeitet etwa zwei bis drei halbe Tage in der Woche im Wald und kümmert sich um die eine oder andere kleine Reparatur im Haus. Diese Aktivitäten des Klägers sind zwar nicht automatisch gleichzusetzen mit der Fähigkeit, einer vollschichtigen oder auch nur sechsstündigen täglichen Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Sie bestätigen aber doch die Richtigkeit der Einschätzung von Dr. Ha., dass eine tiefergehende depressive Verstimmung über die Dysthymia hinaus nicht vorliegt und auch aufgrund der Somatisierungsstörung eine zeitliche Leistungseinschränkung für leichte Arbeiten ohne besondere nervliche Belastung nicht begründet ist.

Auch aus dem Schlafapnoe-Syndrom lässt sich eine Erschöpfbarkeit, die eine tägliche sechsstündige Erwerbstätigkeit täglich ausschließen würde, nicht ableiten, zumal das Schlafapnoe-Syndrom sich nach eigener Darstellung des Klägers gegenüber dem Sachverständigen Dr. Br. gebessert hat.

Nicht anschließen kann sich der Senat der Einschätzung des Facharztes für Psychotherapeutische Medizin Dr. Mau. und des Sachverständigen Dr. Br., die aufgrund psychodynamischer Überlegungen insbesondere zur Lebensgeschichte des Klägers eine weitergehende Einschränkung der beruflichen Leistungsfähigkeit annehmen. Zum einen hinderten Erfahrungen des Klägers in seiner Kindheit und Jugend ihn offensichtlich nicht daran, erfolgreich Ausbildungen als Stahlbauschlosser, Kraftfahrzeugmechaniker und Forstwirt abzuschließen. Zum anderen lässt auch der im Gutachten von Dr. Br. geschilderte Tagesablauf des Klägers die von diesem behauptete extreme Erschöpfbarkeit und Ermüdbarkeit nur sehr begrenzt erkennen. Der Kläger gab an, morgens mit der Familie aufzustehen, häufig die Kinder in den Kindergarten zu bringen, mehrmals pro Woche am Vormittag im Wald zu arbeiten, die Kinder vom Kindergarten abzuholen und seine Ehefrau am Nachmittag jedenfalls eine halbe bis eine Stunde lang pro Tag beim Füttern der Pferde und Stallausmisten zu unterstützen. Dieser Tagesablauf entspricht gerade nicht einer schwerwiegenden Beeinträchtigung durch eine depressive Erkrankung. Es ist auch nicht schlüssig abzuleiten, weshalb der Kläger seine Tätigkeit in der Bestandspflege im Forst, die offensichtlich nicht mit körperlicher Schwerarbeit verbunden ist, nicht auch zeitlich länger und öfter verrichten könnte. Das bloße Fehlen der Bereitschaft, sich im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses einzuordnen und sich der Weisungsbefugnis eines Arbeitgebers zu unterstellen, worauf sowohl Dr. Mau. als auch der Sachverständige Dr. Br. abstellen, hat jedenfalls noch keinen Krankheitswert und ist auch nicht geeignet, eine Erwerbsminderung zu begründen.

Auf die Frage der Leistungsfähigkeit in dem bisherigen Beruf bzw. einem der vom Kläger erlernten Berufe kommt es nicht an, da zum einen Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ausweislich des gestellten Antrags vom Kläger gar nicht begehrt wird und zum anderen auch gemäß § 240 SGB VI nicht beansprucht werden könnte, da der Kläger nicht vor dem 02. Januar 1961 geboren ist.

Der Kläger ist somit nicht voll erwerbsgemindert, die Berufung war zurückzuweisen.

Die Erhebung eines weiteren Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Dies ist insbesondere nicht deshalb erforderlich, weil divergierende Beurteilungen vorliegen. In einem solchen Fall muss sich das Gericht im Rahmen der Beweiswürdigung mit den Gutachten auseinandersetzen. Einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" sehen die Prozessordnungen - auch das SGG - nicht vor (BSG, Beschluss vom 17. November 2003 - B 3 P 23/03 B -, veröffentlicht in juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 103 Rdnr. 11b).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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