L 5 AS 149/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
5
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 AS 2270/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 5 AS 149/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

I.
Der Kläger wendet sich im Berufungsverfahren gegen ein Urteil des Sozialgerichts Magdeburg (SG) vom 2. März 2010, das seine Klage auf höhere Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Zeitraum vom 1. August 2007 bis zum 31. Juli 2008 abgewiesen hat. Der Kläger möchte erreichen, dass die ihm zustehenden Leistungen ohne Anrechnung des Einkommens von Frau P. H. ermittelt werden. Zugleich wehrt er sich gegen einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über einen Betrag iHv 4,76 EUR im vorgenannten Zeitraum.

Der im Jahr 1959 geborene Kläger bezieht seit dem Jahr 2005 Leistungen nach dem SGB II. Ab 1983 lebte er mit Frau P. H. in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Im selben Jahr wurde der gemeinsame Sohn geboren. Im Jahr 1988 hat die Familie die auch jetzt noch von dem Kläger und Frau P. H. gemeinsam bewohnte Wohnung bezogen. Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, die Lebensgemeinschaft sei bereits seit dem Jahr 1995 beendet. Seither bestehe nur noch eine Zweckgemeinschaft.

Gegen das ihm am 24. März 2010 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 9. April 2010 Berufung eingelegt und zugleich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Berufungsverfahren beantragt. In der am 20. September 2010 vorgelegten Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse hat der Kläger zu seinen Einnahmen angegeben, er beziehe SGB II-Leistungen iHv 422,72 EUR monatlich. Sein Girokontoguthaben betrage 226,52 EUR. Von den Wohnkosten habe er monatlich 200,03 EUR zu tragen. Über sonstige Vermögenswerte oder ein Kraftfahrzeug verfüge er nicht. Auf Nachfrage hat der Kläger Unterlagen über seine Kapitallebensversicherung bei der Allianz Lebensversicherungs-AG, für die er monatlich 20,00 EUR bezahlt, vorgelegt und dazu erklärt, die Versicherung bestehe seit dem 1. Januar 1991. Er habe bis zum 30. Juni 2010 Einzahlungen iHv insgesamt 5.680,80 EUR vorgenommen. Der Rückkaufswert der Lebensversicherung, für die kein Verwertungsausschluss gemäß § 168 Abs. 3 VVG vereinbart worden sei, betrage zum 1. Juli 2010 6.683,65 EUR einschließlich Überschussbeteiligung. Er führt aus, die Lebensversicherung solle der Aufrechterhaltung einer angemessenen Altersversorgung dienen. Seine gesetzliche Alterssicherung sei unzureichend.

Nach einer Renteninformation der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland vom 4. Oktober 2008 bestand zum damaligen Zeitpunkt eine Rentenanwartschaft iHv 650,90 EUR. Würden bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Beiträge wie im Durchschnitt der letzten fünf Kalenderjahre gezahlt, betrüge die Rente ohne Berücksichtigung von Rentenanpassungen 750,71 EUR.

II.

Der PKH-Antrag des Klägers war abzulehnen, da er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung selbst aufbringen kann (vgl. § 73a Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm §§ 114 ff. Zivilprozessordnung (ZPO)).

§ 115 ZPO bestimmt, inwieweit die hilfebedürftige Partei ihr Einkommen und ihr Vermögen für die Prozesskosten einzusetzen hat, die voraussichtlich entstehen werden. Hier geht es für den Kläger allein um die ihm im Berufungsverfahren ggf. entstehenden Rechtsanwaltskosten, da das Gerichtsverfahren gerichtsgebührenfrei ist (§ 183 SGG). Diese bemessen sich nach dem Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und betragen voraussichtlich 630,70 EUR (Verfahrensgebühr iH der Mittelgebühr iHv 310,00 EUR, Terminsgebühr iHv 200,00 EUR, Pauschale für Post- und Telekommunikation iHv 20,00 EUR, insgesamt 530,00 EUR; zuzüglich Umsatzsteuer 19 %).

Gemäß § 115 Abs. 3 ZPO hat die Partei ihr Vermögen einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Es ist § 90 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe – (SGB XII) entsprechend anwendbar.

§ 90 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII bestimmt, dass Sozialhilfe nicht abhängig gemacht werden darf vom Einsatz eines Kapitals einschließlich seiner Erträge, das der zusätzlichen Altersvorsorge iSv § 10a Einkommensteuergesetz oder des Abschnitts XI des Einkommensteuergesetzes dient und dessen Ansammlung staatlich gefördert wurde. Bei der kapitalbildenden Lebensversicherung des Klägers handelt es sich nicht um eine solche geschützte Altersvorsorge. Die Versicherung wurde zum 1. Januar 1991 abgeschlossen; ein Verwertungsausschluss gemäß § 168 Abs. 3 Versicherungsvertragsgesetz wurde – auch nachträglich – nicht vereinbart.

Nach § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII darf die Bewilligung von Sozialhilfe zudem nicht vom Einsatz kleinerer Barbeträge oder sonstiger Geldwerte abhängig gemacht werden. Ein kleinerer Betrag (sog. Schonvermögen) ist in der Verordnung zur Durchführung des § 90 Abs. 2 Nr. 9 SGB XII vom 27. September 2003 (BGBl. I 3022, 3060) festgelegt auf 1.600,00 EUR bzw. 2.600,00 EUR im Hinblick auf die hilfesuchende Person, zuzüglich eines Betrags von 614,00 EUR für den Ehegatten oder Lebenspartner sowie eines weiteres Betrags von 256,00 EUR für jede Person, die von dieser Person überwiegend unterhalten wird. Im Rahmen der PKH-Bewilligung sind nach der Auffassung des Senats die erhöhten Freibeträge nach § 1 Abs. 1 Nr. 1b der Verordnung zu Grunde zu legen, die für die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII gelten. Diese entsprechen der früheren Hilfe in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Die erhöhten Freibeträge sind maßgeblich, da die PKH keine laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII ist. Sie gleicht eher der Hilfe in einer besonderen Lebenslage (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juni 2008, Az.: VI ZB 56/07, RN 7 juris).

Es ist ein Schonvermögen iHv 2.600,00 EUR freizulassen. Da der Kläger bestreitet, dass seine Mitbewohnerin seine Lebensgefährtin ist; und er an den volljährigen Sohn keine Unterhaltsleistungen erbringt, ist der Betrag nicht zu erhöhen.

Der Rückkaufswert der Lebensversicherung des Klägers beträgt 6.683,65 EUR (Stand 1. Juli 2010) und liegt damit rund 4.000,00 EUR über dem geschützten Betrag. Der übersteigende Betrag ist grundsätzlich zur Finanzierung der Prozesskosten einzusetzen. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der Einsatz des Vermögens für den Hilfesuchenden eine Härte iSv § 90 Abs. 3 SGB XII bedeuten würde.

Bei der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass im vorliegenden Fall zur Finanzierung der Prozesskosten iHv voraussichtlich 630,00 EUR nicht die (vollständige) Verwertung der Lebensversicherung erforderlich ist. In Betracht kommt eine Beleihung der Versicherungspolice. Dadurch würde das nach den Angaben des Klägers der Altersvorsorge dienende Vermögen nicht aufgelöst, sondern lediglich verringert (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2010, Az. XII ZB 55/08, RN 19, zitiert nach juris).

Darüber hinaus wäre auch die Auflösung der Lebensversicherung zumutbar. Eine Härte kann gegeben sein, wenn eine Verwertung des Vermögens unwirtschaftlich ist. Hier übersteigt der derzeitige Rückkaufswert (6.683,65 EUR) die vom Kläger eingezahlten Beiträge (5.680,80 EUR). Sogar eine vollständige Verwertung der Lebensversicherung wäre nicht unwirtschaftlich.

Allein die behauptete Zweckbestimmung der Alterssicherung vermag bei einer Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII keine allgemeine Härte iS des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII zu begründen (vgl. Hessisches LSG, Urteil v. 21. Mai 2010, Az. L 7 SO 78/06, RN 28, juris). Es kommt auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine Härte liegt erst dann vor, wenn die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bei einer Verwertung des Vermögens wesentlich erschwert würde. Dies ist hier nicht der Fall.

Der Kläger hat nicht dargelegt, dass durch die – hier erforderliche nur teilweise – Verwertung der Lebensversicherung bzw. ohne das zur Prozessfinanzierung einzusetzende Kapital die angemessene Altersvorsorgung nicht gewährleistet ist. An einer angemessenen Altersvorsorge fehlt es jedenfalls dann, wenn der Antragsteller im Rentenalter ohne das einzusetzende Vermögen voraussichtlich sozialleistungsbedürftig würde.

Dies kann hier nicht festgestellt werden. Denn es besteht derzeit eine Rentenanwartschaft, die nach derzeitigem Stand zu einer voraussichtlich (knapp) bedarfsdeckenden monatlichen Rente führen würde. Zudem stünde dem Kläger zur Aufstockung der Rente dann auch noch der weit überwiegende Kapitalanteil seiner Lebensversicherung zur Verfügung, da nur eine Beleihung iHv 630,00 EUR erforderlich ist.

Der Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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