Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 7 KR 162/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 10 KR 34/09 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juni 2009 wird aufgehoben.
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen ihres Ausbleibens in einem Termin sowie gegen die Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten.
In dem zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren wandte sich die Beschwerdeführerin gegen einen Beitragsbescheid der beklagten Krankenkasse. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie nur ein negatives Einkommen habe. Das Sozialgericht hat schriftlich auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Verfahrens hingewiesen und eine Klagerücknahme angeregt. Daraufhin machte die Beschwerdeführerin Ausführungen zur Pflegebedürftigkeit ihres Vaters. Mit Schreiben von August 2007 wies das Sozialgericht darauf hin, dass diese Ausführungen nicht verständlich seien. Erneut fragte es wegen einer Klagerücknahme an und wies auf die Kostenfreiheit des Verfahrens hin. Hierauf reagierte die Beschwerdeführerin nicht.
Das Sozialgericht hat am 12. Juni 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt und hierzu die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde geladen und ihr persönliches Erscheinen angeordnet. In der Ladung hat es auf die Möglichkeit hingewiesen, der Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld sowie die durch das Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen. Zu dem Termin ist die Beschwerdeführerin nicht erschienen. Das Sozialgericht hat wenige Tage später der Beschwerdeführerin mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Juni 2009 ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR sowie die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 22. Juni 2009 zugestellt.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 21. Juni 2009 Beschwerde eingelegt und unter anderem ausgeführt, sie habe irrtümlich sich als Verhandlungstermin den 22. Juni 2009 notiert. Zugleich hat sie die Klage zurückgenommen, wobei sie noch diverse Ausführungen zur Sache gemacht hat. Zusätzlich hat sie auf ihre persönliche prekäre finanzielle Situation hingewiesen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juni 2009 aufzuheben. Die Antragsgegnerin hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Beschwerdeakte und der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat das ihm obliegende Ermessen, ob ein Ordnungsgeld zu verhängen war, in fehlerhafter Weise ausgeübt.
Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anordnen. Nach § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Diese bestimmen sich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet ist, der aber im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen, § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO, festgesetzt werden. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt nach Maßgabe des Satzes 2 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Beteiligten an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Beteiligten getroffenen Anordnungen nach § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO wieder aufgehoben.
Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Ordnungsgeldbeschluss: - ordnungsgemäße Ladung mit Anordnung des persönlichen Erscheinens, - Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGG), - Nichterscheinen im Termin und Nichtentsendung eines geeigneten Vertreters, - keine genügende Entschuldigung.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt; insbesondere lag keine genügende Entschuldigung vor. Ohne Belang ist, dass auf Seiten der Beschwerdeführerin wohl nur eine fahrlässige Säumnis vorlag. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes setzt nicht das Vorliegen einer bewussten Missachtung des Gerichts voraus. Eine derart einschränkende Auslegung ist weder durch den Wortlaut noch durch den Gesetzeszweck veranlasst (ebenso LSG Sachsen, 28.04.1999 L 1 B 38/97 KR Juris). Es war fahrlässig, den Termin nicht korrekt zu notieren.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ordnet das Gesetz - insoweit anders als beim nicht erschienenen Zeugen (vgl. den Wortlaut des § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO "wird festgesetzt") - die Festsetzung des Ordnungsgeldes allerdings nicht zwingend an. Vielmehr stellt § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts ("kann festgesetzt werden"). Dem Gericht ist damit nicht nur ein Auswahlermessen hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes (nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB 5 bis 1.000 EUR) eröffnet. Es hat vielmehr auch über das "Ob" des Ordnungsgeldes zu befinden (sog. Entschließungsermessen). Sein Beschluss muss dabei erkennen lassen, dass es sein Ermessen erkannt und in beide Richtungen betätigt hat.
Umstritten ist, ob ein Ordnungsgeld ermessensfehlerfrei auch dann festgesetzt werden darf, wenn der Sachverhalt geklärt war bzw. der betroffene Beteiligte selbst zur Klärung nicht mehr beitragen konnte und die Anordnung des persönlichen Erscheinens nur der Erörterung der Sach- und Rechtslage diente, insbesondere dazu, auf eine unstreitige Beendigung des Rechtsstreits hinzuwirken. Im Zivilprozess halten der BGH und das BAG für diesen Fall die Verhängung eines Ordnungsgeldes für unzulässig (BGH, Beschl. v. 12.06.2007 - VI ZB 4/07 - NJW-RR 2007, 1364; BAG, Beschl. v. 20.08.2007 - 3 AZB 50/05 - NJW 2008, 252; OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.10.2000 - 12 W 49/00 - NJW-RR 2001, 1649 m.w.N.; Gravenhorst jurisPR-ArbR 34/2006 Anm. 1; Freudenberg jurisPR-SozR 10/2009 Anm. 6; a.A. Hessisches LArbG, Beschl. v. 01.11.2005 - 4 Ta 475/05 – juris; Greger in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 141 Rn. 12). Diese Auffassung wird auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung verbreitet geteilt (LSG Berlin, Beschl. v. 10.06.2004 - L 3 B 14/04 U; Sächsisches LSG, Beschl. v. 28.04.1999 - L 1 B 38/97 KR - E-LSG B-155; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 31.03.1983 - L 3 Sb 18/83 - Breith 1983, 937; a.A. LSG Hamburg, Beschl. v. 06.03.2006 - L 5 B 159/04 AL; Kolmetz in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 111 Rn. 10; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 111 Rn. 6a; Roller in: Hk-SGG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 9).
Jedenfalls für das sozialgerichtliche Verfahren neigt der Senat der Auffassung zu, die die Festsetzung eines Ordnungsgeldes für zulässig hält, selbst wenn das Erscheinen des Beteiligten zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht notwendig gewesen ist (ausführlich Frehse, SGb 2010, 458-463). Wortlaut und Zweck der Bestimmung stehen dem nicht entgegen (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10.11.1997 - 2 BvR 429/97 - NJW 1998, 892). Letztlich kann dies offen bleiben. Selbst wenn man hier die Festsetzung eines Ordnungsgeldes grundsätzlich für möglich hält, wäre dann zwingend im Rahmen der Ermessensausübungen u.a. zu berücksichtigen, ob noch eine weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig ist und ob diese ohne die Mitwirkung des Beteiligten möglich ist. Hier ist eine Abwägung geboten. So sollte das Gericht berücksichtigen, dass es keine gesetzliche Handhabe gibt, die Beteiligten zur streitlosen Beilegung des Streitverhältnisses zu zwingen. Zudem stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, auch außerhalb eines Erörterungs- oder Verhandlungstermins auf eine solche Erledigung hinzuwirken: So kann das Gericht z.B. einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (§ 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO) und mittlerweile auch auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten bei Fortführung des Verfahrens außerhalb eines Termins hinweisen (vgl. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Ordnungsgelder bei Nichterscheinen zum "Einigungsversuch" kommen daher nur in engen Grenzen in Betracht (ähnlich wohl Leitherer, a.a.O.). Hier ist bereits nicht erkennbar, zu welchem Zweck das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin angeordnet wurde. Zwar ist aus der Akte durchaus ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht in allen Punkten verstanden hat, worauf es ankam. Allerdings kann der Akte nicht entnommen werden, dass die vorliegenden Unterlagen zu den beitragspflichtigen Einnahmen der Beschwerdeführerin noch keine hinreichend sicheren Feststellungen der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides zugelassen hätten; im Gegenteil hatte das Sozialgericht hierzu bereits ausgeführt, der Bescheid sei rechtmäßig und auch zuletzt vor der Ladung noch angefragt, ob die Klage zurückgenommen werde. Zu diesem Ermessensgesichtspunkt hat das Sozialgericht keine Ausführungen gemacht. Vielmehr enthält der angefochtene Beschluss keinerlei Ermessensausführungen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass solche Überlegungen stattgefunden hätten. Besonders deutlich wird dies in dem Umstand, dass der Kam-mervorsitzende hier bei der Abfassung des Beschlusses ganz weitgehend einen Vordruck verwandt hat.
Der Beschluss war folglich aufzuheben. Es steht nicht im Ermessen des erkennenden Senats, in Fällen wie dem vorliegendem die Sache zurückzuverweisen oder selbst eine Sachentscheidung zu treffen (a.A. Thüringer Landessozialgericht, 22.09.2008 - L 1 B 33/08 U - Juris Rn. 24).
Eine Sachentscheidung des Senats scheidet aus, da das Ausgangsgericht seine Ermessensgesichtspunkte nicht mitgeteilt hat und das Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle der Erwägungen des Ausgangsgerichts setzen darf. Eine Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts kommt nur dann in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Ermessenserwägungen des Ausgangsgerichts sich für das Beschwerdegericht zweifelsfrei aus der Akte erschließen lassen oder aus der Sache selbst ergeben (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2010 - L 5 AS 311/10 B - unveröffentlicht; Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 24. Oktober 1997, 22 W 59/97, Rn. 7, Juris). Das ist hier jedoch nicht der Fall, denn der Senat kann zu dem Ermessensgesichtspunkt, ob das Erscheinen der Beschwerdeführerin notwendig war, nicht eigene Feststellungen an die der Feststellungen der Vorinstanz setzen. Insoweit ist deren Rechtsauffassung maßgeblich, die nicht erkennbar ist. Damit kann der Senat nicht ermessensfehlerfrei entscheiden.
Eine Zurückverweisung ist nicht notwendig, da das Ordnungsgeldverfahren mit der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses beendet ist. Ein Antrag eines Beteiligten, über den zwingend zu entscheiden wäre, existiert nicht. Es bleibt dem Sozialgericht vorbehalten, über Möglichkeit und Sinn eines neuen Ordnungsgeldbeschlusses zu entscheiden; es ist nicht Aufgabe des Senats, hierüber zu befinden. Eine Zurückverweisung ist auch deshalb nicht zulässig, da dies das Verfahren nicht in den Zustand zurückversetzen würde, der vor dem Erlass des ermessensfehlerhaften Beschlusses vorlag. Denn das Sozialgericht hatte nicht nur ein Ermessen bezüglich der Höhe des Ordnungsgeldes auszuüben; nur diese Frage könnte aber zurückverwiesen werden. Das Sozialgericht hatte aber auch darüber zu entscheiden, ob überhaupt ein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet werden sollte. Die letztgenannte Frage wäre bei einer Zurückverweisung bereits ermessensfehlerhaft, aber rechtskräftig entschieden. Die Ausgangslage wäre damit rechtlich und auch wohl psychologisch eine andere. Zudem ergäben sich im Falle eines Richterwechsels am Sozialgericht auch Probleme, da ein anderer Richter die Sach- und Rechtslage anders sehen kann. Maßgeblich für die Frage, ob das persönliche Erscheinen notwendig war, ist aber die (nachvollziehbare) Auffassung des Richters, der das Ordnungsgeld verhängt hat.
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin waren der Staatskasse aufzuerlegen in entsprechender Anwendung des § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 467 Strafprozessordnung (StPO).
Da die Beschwerdeführerin zu dem in § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Einer Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin bedurfte es dennoch, da das Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Ordnungsgeldbeschlusses ein selbstständiges, aber nicht kontradiktorisches Zwischenverfahren ist. Es ist vom Hauptsacheverfahren sachlich unabhängig.
Eine Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren unter Einbeziehung der Kosten dieses Verfahrens kommt nicht in Betracht (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2010, L 5 AS 311/10 B, unveröffentlicht; so aber u.a. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 12. Juni 2007, VI ZB 4/07, Rn. 23, Juris). Im Gegensatz zur zivilrechtlichen Verfahrensordnung gehören die Kostenentschädigungen beispielsweise für Zeugen nicht zu den seitens einer Partei zu erstattenden Kosten. Erstattungsfähig sind bei dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis allein dessen außergericht-liche Kosten. Das Gerichtsverfahren, wozu auch die Kosten der Beweiserhebung gehören, ist grundsätzlich kostenfrei. Mithin gehören auch die Kosten für ein Ordnungsgeldverfahren (sei es wegen des Ausbleibens eines Zeugen oder einer Partei) nicht zu den seitens der Parteien zu erstattenden Kosten.
Die Staatskasse ist zwar an dem Ordnungsgeldverfahren nicht beteiligt, dennoch ist sie kostentragungspflichtig. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 46 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO (vgl. dazu im Ergebnis auch Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 7. März 2007, X B 76/06, Rn. 19, Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2010, L 5 AS 311/10 B, unveröffentlicht). Danach fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last, soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Das Verfahren muss mithin durch eine Entscheidung des Gerichts beendet worden sein, die keine Verurteilung enthält (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, § 467, Rn. 2). So liegt der Fall hier. Der Beschluss des Sozialgerichts musste wegen eines nicht heilbaren Verfahrensmangels aufgehoben werden.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen ihres Ausbleibens in einem Termin sowie gegen die Auferlegung der durch das Ausbleiben verursachten Kosten.
In dem zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren wandte sich die Beschwerdeführerin gegen einen Beitragsbescheid der beklagten Krankenkasse. Zur Begründung verwies sie darauf, dass sie nur ein negatives Einkommen habe. Das Sozialgericht hat schriftlich auf die fehlenden Erfolgsaussichten des Verfahrens hingewiesen und eine Klagerücknahme angeregt. Daraufhin machte die Beschwerdeführerin Ausführungen zur Pflegebedürftigkeit ihres Vaters. Mit Schreiben von August 2007 wies das Sozialgericht darauf hin, dass diese Ausführungen nicht verständlich seien. Erneut fragte es wegen einer Klagerücknahme an und wies auf die Kostenfreiheit des Verfahrens hin. Hierauf reagierte die Beschwerdeführerin nicht.
Das Sozialgericht hat am 12. Juni 2009 einen Erörterungstermin durchgeführt und hierzu die Beschwerdeführerin ordnungsgemäß mit Postzustellungsurkunde geladen und ihr persönliches Erscheinen angeordnet. In der Ladung hat es auf die Möglichkeit hingewiesen, der Beschwerdeführerin ein Ordnungsgeld sowie die durch das Ausbleiben verursachten Kosten aufzuerlegen. Zu dem Termin ist die Beschwerdeführerin nicht erschienen. Das Sozialgericht hat wenige Tage später der Beschwerdeführerin mit dem angegriffenen Beschluss vom 18. Juni 2009 ein Ordnungsgeld in Höhe von 300,00 EUR sowie die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt. Dieser Beschluss wurde der Beschwerdeführerin am 22. Juni 2009 zugestellt.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin am 21. Juni 2009 Beschwerde eingelegt und unter anderem ausgeführt, sie habe irrtümlich sich als Verhandlungstermin den 22. Juni 2009 notiert. Zugleich hat sie die Klage zurückgenommen, wobei sie noch diverse Ausführungen zur Sache gemacht hat. Zusätzlich hat sie auf ihre persönliche prekäre finanzielle Situation hingewiesen.
Die Beschwerdeführerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Juni 2009 aufzuheben. Die Antragsgegnerin hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der dem Senat vorliegenden Beschwerdeakte und der Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens Bezug genommen.
II.
Die nach §§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und zulässige Beschwerde ist begründet. Das Sozialgericht hat das ihm obliegende Ermessen, ob ein Ordnungsgeld zu verhängen war, in fehlerhafter Weise ausgeübt.
Nach § 111 Abs. 1 Satz 1 SGG kann der Vorsitzende das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung anordnen. Nach § 111 Abs. 1 Satz 2 SGG ist auf die Folgen des Ausbleibens hinzuweisen. Diese bestimmen sich nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO). Danach kann gegen einen Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet ist, der aber im Termin ausbleibt, ein Ordnungsgeld wie gegen einen nicht erschienenen Zeugen, § 380 Abs. 1 Satz 1 ZPO, festgesetzt werden. Nach § 381 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterbleibt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes, wenn sein Ausbleiben rechtzeitig genügend entschuldigt wird. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so unterbleibt nach Maßgabe des Satzes 2 die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Beteiligten an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft. Erfolgt die genügende Entschuldigung nachträglich, so werden die gegen den Beteiligten getroffenen Anordnungen nach § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO wieder aufgehoben.
Daraus ergeben sich folgende Anforderungen an einen ordnungsgemäßen Ordnungsgeldbeschluss: - ordnungsgemäße Ladung mit Anordnung des persönlichen Erscheinens, - Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens (§ 111 Abs. 1 Satz 2 SGG), - Nichterscheinen im Termin und Nichtentsendung eines geeigneten Vertreters, - keine genügende Entschuldigung.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt; insbesondere lag keine genügende Entschuldigung vor. Ohne Belang ist, dass auf Seiten der Beschwerdeführerin wohl nur eine fahrlässige Säumnis vorlag. Die Verhängung eines Ordnungsgeldes setzt nicht das Vorliegen einer bewussten Missachtung des Gerichts voraus. Eine derart einschränkende Auslegung ist weder durch den Wortlaut noch durch den Gesetzeszweck veranlasst (ebenso LSG Sachsen, 28.04.1999 L 1 B 38/97 KR Juris). Es war fahrlässig, den Termin nicht korrekt zu notieren.
Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ordnet das Gesetz - insoweit anders als beim nicht erschienenen Zeugen (vgl. den Wortlaut des § 380 Abs. 1 Satz 2 ZPO "wird festgesetzt") - die Festsetzung des Ordnungsgeldes allerdings nicht zwingend an. Vielmehr stellt § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO die Entscheidung in das Ermessen des Gerichts ("kann festgesetzt werden"). Dem Gericht ist damit nicht nur ein Auswahlermessen hinsichtlich der Höhe des Ordnungsgeldes (nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EGStGB 5 bis 1.000 EUR) eröffnet. Es hat vielmehr auch über das "Ob" des Ordnungsgeldes zu befinden (sog. Entschließungsermessen). Sein Beschluss muss dabei erkennen lassen, dass es sein Ermessen erkannt und in beide Richtungen betätigt hat.
Umstritten ist, ob ein Ordnungsgeld ermessensfehlerfrei auch dann festgesetzt werden darf, wenn der Sachverhalt geklärt war bzw. der betroffene Beteiligte selbst zur Klärung nicht mehr beitragen konnte und die Anordnung des persönlichen Erscheinens nur der Erörterung der Sach- und Rechtslage diente, insbesondere dazu, auf eine unstreitige Beendigung des Rechtsstreits hinzuwirken. Im Zivilprozess halten der BGH und das BAG für diesen Fall die Verhängung eines Ordnungsgeldes für unzulässig (BGH, Beschl. v. 12.06.2007 - VI ZB 4/07 - NJW-RR 2007, 1364; BAG, Beschl. v. 20.08.2007 - 3 AZB 50/05 - NJW 2008, 252; OLG Brandenburg, Beschl. v. 24.10.2000 - 12 W 49/00 - NJW-RR 2001, 1649 m.w.N.; Gravenhorst jurisPR-ArbR 34/2006 Anm. 1; Freudenberg jurisPR-SozR 10/2009 Anm. 6; a.A. Hessisches LArbG, Beschl. v. 01.11.2005 - 4 Ta 475/05 – juris; Greger in: Zöller, ZPO, 27. Aufl. 2009, § 141 Rn. 12). Diese Auffassung wird auch in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung verbreitet geteilt (LSG Berlin, Beschl. v. 10.06.2004 - L 3 B 14/04 U; Sächsisches LSG, Beschl. v. 28.04.1999 - L 1 B 38/97 KR - E-LSG B-155; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 31.03.1983 - L 3 Sb 18/83 - Breith 1983, 937; a.A. LSG Hamburg, Beschl. v. 06.03.2006 - L 5 B 159/04 AL; Kolmetz in: Jansen, SGG, 3. Aufl. 2009, § 111 Rn. 10; Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 111 Rn. 6a; Roller in: Hk-SGG, 3. Aufl. 2008, § 111 Rn. 9).
Jedenfalls für das sozialgerichtliche Verfahren neigt der Senat der Auffassung zu, die die Festsetzung eines Ordnungsgeldes für zulässig hält, selbst wenn das Erscheinen des Beteiligten zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht notwendig gewesen ist (ausführlich Frehse, SGb 2010, 458-463). Wortlaut und Zweck der Bestimmung stehen dem nicht entgegen (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 10.11.1997 - 2 BvR 429/97 - NJW 1998, 892). Letztlich kann dies offen bleiben. Selbst wenn man hier die Festsetzung eines Ordnungsgeldes grundsätzlich für möglich hält, wäre dann zwingend im Rahmen der Ermessensausübungen u.a. zu berücksichtigen, ob noch eine weitere Sachverhaltsaufklärung notwendig ist und ob diese ohne die Mitwirkung des Beteiligten möglich ist. Hier ist eine Abwägung geboten. So sollte das Gericht berücksichtigen, dass es keine gesetzliche Handhabe gibt, die Beteiligten zur streitlosen Beilegung des Streitverhältnisses zu zwingen. Zudem stehen zahlreiche Möglichkeiten zur Verfügung, auch außerhalb eines Erörterungs- oder Verhandlungstermins auf eine solche Erledigung hinzuwirken: So kann das Gericht z.B. einen schriftlichen Vergleichsvorschlag unterbreiten (§ 202 SGG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO) und mittlerweile auch auf die Möglichkeit der Auferlegung von Verschuldenskosten bei Fortführung des Verfahrens außerhalb eines Termins hinweisen (vgl. § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Ordnungsgelder bei Nichterscheinen zum "Einigungsversuch" kommen daher nur in engen Grenzen in Betracht (ähnlich wohl Leitherer, a.a.O.). Hier ist bereits nicht erkennbar, zu welchem Zweck das persönliche Erscheinen der Beschwerdeführerin angeordnet wurde. Zwar ist aus der Akte durchaus ersichtlich, dass die Beschwerdeführerin nicht in allen Punkten verstanden hat, worauf es ankam. Allerdings kann der Akte nicht entnommen werden, dass die vorliegenden Unterlagen zu den beitragspflichtigen Einnahmen der Beschwerdeführerin noch keine hinreichend sicheren Feststellungen der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides zugelassen hätten; im Gegenteil hatte das Sozialgericht hierzu bereits ausgeführt, der Bescheid sei rechtmäßig und auch zuletzt vor der Ladung noch angefragt, ob die Klage zurückgenommen werde. Zu diesem Ermessensgesichtspunkt hat das Sozialgericht keine Ausführungen gemacht. Vielmehr enthält der angefochtene Beschluss keinerlei Ermessensausführungen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass solche Überlegungen stattgefunden hätten. Besonders deutlich wird dies in dem Umstand, dass der Kam-mervorsitzende hier bei der Abfassung des Beschlusses ganz weitgehend einen Vordruck verwandt hat.
Der Beschluss war folglich aufzuheben. Es steht nicht im Ermessen des erkennenden Senats, in Fällen wie dem vorliegendem die Sache zurückzuverweisen oder selbst eine Sachentscheidung zu treffen (a.A. Thüringer Landessozialgericht, 22.09.2008 - L 1 B 33/08 U - Juris Rn. 24).
Eine Sachentscheidung des Senats scheidet aus, da das Ausgangsgericht seine Ermessensgesichtspunkte nicht mitgeteilt hat und das Beschwerdegericht sein eigenes Ermessen nicht an die Stelle der Erwägungen des Ausgangsgerichts setzen darf. Eine Ermessensentscheidung des Beschwerdegerichts kommt nur dann in Betracht, wenn die zugrunde liegenden Ermessenserwägungen des Ausgangsgerichts sich für das Beschwerdegericht zweifelsfrei aus der Akte erschließen lassen oder aus der Sache selbst ergeben (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2010 - L 5 AS 311/10 B - unveröffentlicht; Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf, Beschluss vom 24. Oktober 1997, 22 W 59/97, Rn. 7, Juris). Das ist hier jedoch nicht der Fall, denn der Senat kann zu dem Ermessensgesichtspunkt, ob das Erscheinen der Beschwerdeführerin notwendig war, nicht eigene Feststellungen an die der Feststellungen der Vorinstanz setzen. Insoweit ist deren Rechtsauffassung maßgeblich, die nicht erkennbar ist. Damit kann der Senat nicht ermessensfehlerfrei entscheiden.
Eine Zurückverweisung ist nicht notwendig, da das Ordnungsgeldverfahren mit der Aufhebung des angegriffenen Beschlusses beendet ist. Ein Antrag eines Beteiligten, über den zwingend zu entscheiden wäre, existiert nicht. Es bleibt dem Sozialgericht vorbehalten, über Möglichkeit und Sinn eines neuen Ordnungsgeldbeschlusses zu entscheiden; es ist nicht Aufgabe des Senats, hierüber zu befinden. Eine Zurückverweisung ist auch deshalb nicht zulässig, da dies das Verfahren nicht in den Zustand zurückversetzen würde, der vor dem Erlass des ermessensfehlerhaften Beschlusses vorlag. Denn das Sozialgericht hatte nicht nur ein Ermessen bezüglich der Höhe des Ordnungsgeldes auszuüben; nur diese Frage könnte aber zurückverwiesen werden. Das Sozialgericht hatte aber auch darüber zu entscheiden, ob überhaupt ein Ordnungsgeldverfahren eingeleitet werden sollte. Die letztgenannte Frage wäre bei einer Zurückverweisung bereits ermessensfehlerhaft, aber rechtskräftig entschieden. Die Ausgangslage wäre damit rechtlich und auch wohl psychologisch eine andere. Zudem ergäben sich im Falle eines Richterwechsels am Sozialgericht auch Probleme, da ein anderer Richter die Sach- und Rechtslage anders sehen kann. Maßgeblich für die Frage, ob das persönliche Erscheinen notwendig war, ist aber die (nachvollziehbare) Auffassung des Richters, der das Ordnungsgeld verhängt hat.
Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin waren der Staatskasse aufzuerlegen in entsprechender Anwendung des § 46 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) i.V.m. § 467 Strafprozessordnung (StPO).
Da die Beschwerdeführerin zu dem in § 183 SGG privilegierten Personenkreis gehört, fallen Gerichtskosten nicht an. Einer Kostenentscheidung über die außergerichtlichen Kosten der Beschwerdeführerin bedurfte es dennoch, da das Verfahren über die Rechtmäßigkeit eines Ordnungsgeldbeschlusses ein selbstständiges, aber nicht kontradiktorisches Zwischenverfahren ist. Es ist vom Hauptsacheverfahren sachlich unabhängig.
Eine Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren unter Einbeziehung der Kosten dieses Verfahrens kommt nicht in Betracht (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2010, L 5 AS 311/10 B, unveröffentlicht; so aber u.a. Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 12. Juni 2007, VI ZB 4/07, Rn. 23, Juris). Im Gegensatz zur zivilrechtlichen Verfahrensordnung gehören die Kostenentschädigungen beispielsweise für Zeugen nicht zu den seitens einer Partei zu erstattenden Kosten. Erstattungsfähig sind bei dem nach § 183 SGG privilegierten Personenkreis allein dessen außergericht-liche Kosten. Das Gerichtsverfahren, wozu auch die Kosten der Beweiserhebung gehören, ist grundsätzlich kostenfrei. Mithin gehören auch die Kosten für ein Ordnungsgeldverfahren (sei es wegen des Ausbleibens eines Zeugen oder einer Partei) nicht zu den seitens der Parteien zu erstattenden Kosten.
Die Staatskasse ist zwar an dem Ordnungsgeldverfahren nicht beteiligt, dennoch ist sie kostentragungspflichtig. Dies ergibt sich aus dem Rechtsgedanken des § 46 OWiG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO (vgl. dazu im Ergebnis auch Bundesfinanzhof (BFH), Beschluss vom 7. März 2007, X B 76/06, Rn. 19, Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. September 2010, L 5 AS 311/10 B, unveröffentlicht). Danach fallen die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last, soweit der Angeschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens gegen ihn abgelehnt oder das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Das Verfahren muss mithin durch eine Entscheidung des Gerichts beendet worden sein, die keine Verurteilung enthält (vgl. Karlsruher Kommentar zur StPO, 6. Auflage 2008, § 467, Rn. 2). So liegt der Fall hier. Der Beschluss des Sozialgerichts musste wegen eines nicht heilbaren Verfahrensmangels aufgehoben werden.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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