Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 620/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1213/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31.01.2008 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen gesundheitlicher Folgen eines Arbeitsunfalles.
Der am 1954 geborene Kläger ist Büchsenmacher und Waffenfachhändler und als Betreiber eines Jagd- und Forsteinzelhandels bei der Beklagten versichert. Im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit verkauft und repariert er auch Jagdwaffen. Dabei muss der Kläger u.a. Waffen zerlegen und wieder zusammensetzen, Waffen reinigen, Zielfernrohre montieren, Waffen einschießen und im Rahmen des Verkaufs Waffen vorführen.
Am 18.12.2003 stürzte der Kläger auf der Treppe zwischen Ladengeschäft und Werkstatt, als er die Waffe eines Kunden zum Reinigen in die Werkstatt bringen wollte. Er fing sich - die Waffe des Kunden in der rechten Hand - mit der linken Hand auf der Treppe ab, verspürte danach Schmerzen im linken Handgelenk und stellte eine Schwellung am Handgelenk fest. Trotz Eigenbehandlung mit Salben und Umschlägen persistierten die Schmerzzustände und es kam zu Einschränkungen der Handgelenksbeweglichkeit. Ein erstmaliger ärztlicher Kontakt wegen Schmerzen in mehreren Gelenken fand am 01.06.2004 beim Facharzt für Innere Medizin Dr. D. statt, der eine entzündliche traumatische Erkrankung ausschloss und eine Vorstellung beim Orthopäden Dr. St. empfahl. Bei Dr. St. stellte sich der Kläger am 14.06.2004 in erster Linie wegen Beschwerden seitens der Halswirbelsäule und des rechten Ellenbogens vor, erwähnte aber im Rahmen der Untersuchung immer wieder Schmerzen im Bereich des linken Handgelenkes mit Bewegungseinschränkungen und gab als Ursache hiervon einen Sturz im Dezember 2003 an. Dr. St. fand eine Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit links, keinen Schwellungszustand und diagnostizierte auf Grund der damals angefertigten Röntgenaufnahmen eine Fraktur des Kahnbeines (Scaphoid) mit beginnender posttraumatischer Handgelenksarthrose. Bis zu dem Sturz im Dezember 2003 hatte der Kläger keine Beschwerden seitens des linken Handgelenkes. Ärztliche Behandlungen in Bezug auf das linke Handgelenk fanden vor Juni 2004 nicht statt.
Auf Veranlassung von Dr. St. begab sich der Kläger in Behandlung bei Prof. Dr. Sch. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. , wo am 20.07.2004 eine Kahnbeinpseudarthrosenresektion mit Spaninterposition und Osteosynthese durchgeführt wurde. Im Heilungsverlauf kam es zu Komplikationen, u. a. zu massiven Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenkes und der Langfinger nach Ruhigstellung, wobei eine Dystrophie diagnostiziert wurde. Schließlich begab sich der Kläger im Januar 2005 in Behandlung von Prof. Dr. St. , Ärztlicher Direktor der Abteilung Plastische und Handchirurgie des Universitätsklinikums F. , wo zunächst eine diagnostische Arthroskopie und anschließend eine proximale Handwurzelreihenentfernung, Schraubenentfernung und eine dorsale Denervierung des Nervus interosseus dorsalis durchgeführt wurde. Hinsichtlich des Behandlungsverlaufes im Einzelnen wird auf die Darstellung im Gutachten des Dr. F. verwiesen. Bis heute bestehen beim Kläger Bewegungseinschränkungen des Handgelenkes und der Finger (zuletzt Bericht von PD Dr. E. , Chefarzt des K.-O.-Krankenhauses S. vom 02.06.2010).
Im Zuge ihrer Ermittlungen holte die Beklagte ein Gutachten bei Prof. Dr. Sch. ein. Dieser gelangte in Auswertung u. a. der von Dr. St. am 14.06.2004 angefertigten Röntgenaufnahmen und deren Besprechung "in großer Runde zusammen mit der Radiologischen Universitätsklinik T. " zu dem Ergebnis, dass diese Röntgenbilder eine Kahnbeinpseudarthrose zeigten, die mindestens viele Jahre alt sei, weil das mittlere Drittel des Kahnbeines bereits völlig aufgebraucht sei und bereits deutliche Zeichen einer Sekundärarthrose bestünden. Zeichen einer weiteren oder stattgehabten knöchernen Verletzung ergäben sich aus diesem Röntgenbild nicht. Er beurteilte das Ereignis vom 18.12.2003 als Distorsion des linken Handgelenkes, die in der Regel innerhalb von drei Wochen abheile. Danach sei wieder der Vorzustand eingetreten mit bereits seit vielen Jahren bestehender Kahnbeinpseudarthrose links und entsprechender Sekundärarthrose. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2004 und Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 die Gewährung einer Rente ab. Der Kläger habe sich lediglich eine Distorsion des linken Handgelenkes zugezogen, wobei ein bereits erheblich vorgeschädigtes Handgelenk betroffen worden sei. Die bestehenden Beschwerden und die Kahnbeinpseudarthrose seien nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.2005 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat u. a. weitere Unterlagen beigezogen und ein Gutachten beim Orthopäden Dr. M. eingeholt. Dieser hat ausgeführt, Knackpunkt der Beurteilung seien die Röntgenaufnahmen vom 14.06.2004, die zweifelsfrei Zeichen einer uralten Kahnbeinfalschgelenksbildung zeigen würden. Da aber ein Vorschaden im Sinne einer Krankheit nicht dokumentiert sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Sturz auf eine ruhende Schadensanlage getroffen sei, wobei das Ereignis generell geeignet gewesen sei, die in der Folgezeit vom Kläger angegebenen Beschwerden und den später festgestellten klinisch-funktionellen Befund zu begründen. Insoweit seien die Beschwerden und der Befund mit Wahrscheinlichkeit wesentlich teilursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Allerdings trete das Unfallereignis gegenüber der ruhenden Schadensanlage als unwesentlich zurück, weil praktisch über ein halbes Jahr hinweg nach dem Unfall ärztliche Hilfe nicht in Anspruch genommen worden sei und weil bei erstmaliger ärztlicher Inanspruchnahme im Juni 2004 der anzunehmende Reizzustand nicht einmal Hauptthema gewesen sei. Im Bereich des linken Handgelenkes hat der Sachverständige eine eingeschränkte Unterarmumwendbeweglichkeit auswärts/einwärts und eine hochgradig eingeschränkte Handgelenksfunktion links bei eingeschränkter Funktion des Daumens und der Langfinger II bis IV links beschrieben.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten sowie in der Folge mehrere Stellungnahmen von Dr. F. , Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses W. , eingeholt. Auch dieser Sachverständige hat in Auswertung der Röntgenaufnahmen von Dr. St. sowie jener von Prof. Dr. Sch. vom 07.07.2004 keinen Zusammenhang zwischen der Pseudarthrose des Kahnbeines und dem Unfallereignis gesehen. Aus den ihm vorgelegten Berichten über die Arthroskopie am 26.01.2005 von Dr. B. , Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik F. , und des Prof. Dr. St. ergebe sich nichts anderes. Grundsätzlich sei der Vorgang geeignet gewesen, eine Scaphoidfraktur herbeizuführen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden passten sowohl zu einer Handgelenksprellung oder -distorsion, aber auch zu einer Scaphoidfraktur. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Scaphoidpseudarthrose und dem Unfallereignis müsse abgelehnt werden. Möglich sei aber, dass ein alter Unfall mit einer Scaphoidpseudarthrose bindegewebig weitgehend stabil ausgeheilt gewesen sei und durch den Unfall sich ausgelockert habe. Dann würde es sich um die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens handeln.
Mit Urteil vom 31.01.2008 hat das Sozialgericht, dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag vollständig stattgebend, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Störungen im Bereich des linken Unterarmes und Handgelenkes sowie der Finger als Unfallfolgen festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe einen Arbeitsunfall erlitten, weil er während seiner versicherten Tätigkeit als selbständiger Büchsenmacher und Waffenhändler gestürzt sei, sich mit der linken Hand abgefangen und einen Gesundheitserstschaden erlitten habe. Die selbst von der Beklagten angenommene Handgelenksdistorsion sei indessen nicht folgenlos ausgeheilt, sondern habe zu weiteren Folgeschäden geführt. Ausgehend von einer im Zeitpunkt des Unfallereignisses vorbestehenden Pseudarthrose im Bereich des linken Handgelenkes hat es das Unfallereignis als eine im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn ursächliche Bedingung für den nunmehr vorliegenden Gesundheitszustand angesehen und sich insoweit auf Prof. Dr. Sch. , Dr. M. und Dr. F. sowie die glaubhaften Angaben des Klägers, wonach er vor dem Unfall keinerlei und nach dem Sturz zunehmend Beschwerden und eine Schwellneigung gehabt habe, gestützt. Es hat das Unfallereignis auch als wesentlich für die bleibenden Gesundheitsstörungen angesehen. Soweit Dr. M. dies verneint habe, habe er dies vor allem damit begründet, dass der Kläger erst ein halbes Jahr nach dem Sturz ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe und damals die Beschwerden des Handgelenkes nicht einmal Hauptthema der ärztlichen Konsultation gewesen seien. Nicht berücksichtigt habe der Sachverständige aber, dass gerade die nach dem Unfall bestehenden Beschwerden zusammen mit dem Röntgenbefund zu der Operation durch Prof. Dr. Sch. und den späteren Komplikationen und heutigen Funktionseinschränkungen geführt hätten. Dementsprechend könne das Unfallereignis nur dann als unwesentlich betrachtet werden, wenn die nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu der selben Zeit ausgelöst worden wären. Gerade dies nehme Dr. M. nicht an. Prof. Dr. Sch. habe diese Frage zwar bejaht, jedoch keine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben. Er habe lediglich postuliert, der Kläger habe eine Distorsion erlitten, deren Folgen in aller Regel innerhalb von drei Wochen abklingen würden. Danach sei wieder der Vorzustand eingetreten. Tatsächlich hätten sich die Beschwerden des Klägers nach dem Unfall jedoch nicht zurückgebildet, sondern verschlimmert. Ob die Folgen einer Verletzung in der Regel innerhalb von drei Wochen abklängen, sei für die Beurteilung der individuellen Kausalität nicht entscheidend. Auch die Ausführungen von Dr. F. sprächen für eine rechtlich wesentliche Teilursache des Unfalls für die von Dr. M. beschriebenen Gesundheitsschäden, indem er es für möglich halte, dass eine weitgehend stabile bindegewebig ausgeheilte Pseudarthrose des Kahnbeins durch den Unfall sich ausgelockert habe und dadurch die Beschwerden aufgetreten seien. Eine überragende Bedeutung des klinisch stummen Vorschadens für die Verursachung der jetzt vorliegenden Gesundheitsstörungen sei nicht zu erkennen. Dies lasse sich insbesondere nicht daraus schließen, dass der Kläger erst ein halbes Jahr nach dem Unfall den Arzt aufgesucht habe.
Gegen das ihr am 28.02.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.03.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, alle gehörten Ärzte würden von einer überragenden Bedeutung der Schadensanlage ausgehen, das Sozialgericht habe sich über die einstimmige gutachterliche Beurteilung der Gewichtung von bedeutsamer Schadensanlage einerseits und geringwertigem Impuls durch das Ereignis vom 18.12.2003 andererseits hinweggesetzt und zu Unrecht einen zeitlichen Zusammenhang angenommen, obwohl ein halbes Jahr lang keinerlei ärztliche Behandlung erforderlich geworden sei. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, dass die Handprellung am 18.12.2003 überhaupt irgendeinen objektivierbaren Einfluss auf die Entwicklung der Kahnbeinarthrose genommen habe - Dr. F. spreche nur von "möglich" - und schließlich sei ein Gesundheitserstschaden, der die heute bestehenden Gesundheitsstörungen verursacht haben könne, nicht nachgewiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31.01.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren, dass ein Vorschaden nicht nachgewiesen, die in den Röntgenaufnahmen von Dr. St. dokumentierte Pseudarthrose vielmehr auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Im Übrigen hält er die Ausführungen im angefochtenen Urteil für zutreffend.
Der Senat hat weitere Ermittlungen zur Frage vor dem Unfall bestehender Beschwerden und Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Handgelenkes durchgeführt. Das Krankenversicherungsunternehmen des Klägers hat insoweit mitgeteilt, diesbezüglich keine Leistungen vor dem 01.06.2004 erbracht zu haben. Auch die vom Senat befragten weiteren behandelnden Ärzte haben über keine Behandlungen vor dem Unfall insoweit berichtet. Der Senat hat darüber hinaus eine ergänzende Stellungnahme von Dr. M. eingeholt. Dieser ist bei seiner Beurteilung geblieben, wonach das Unfallereignis nur unwesentlich teilursächlich für die heutigen Funktionseinschränkungen gewesen sei. Dabei ist er maßgeblich davon ausgegangen, dass die vom Kläger angegebenen Beschwerden nicht ärztlich dokumentiert worden seien.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Wie das Sozialgericht ist auch der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger bestehenden, von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Unterarmes, des linken Handgelenkes und der linken Hand wesentlich auf den Sturz am 18.12.2003 zurückzuführen sind und dass es sich bei diesem Sturz um einen Arbeitsunfall handelte. Dementsprechend hat das Sozialgericht, dem Begehren des Klägers in vollem Umfang stattgebend, diese Gesundheitsstörungen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zu Recht als Folgen des Arbeitsunfalles festgestellt.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente. Vielmehr sind auch leichtere Beschwerden, wie Kopf- oder Muskelschmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel oder Funktionseinschränkungen z.B. auf Grund struktureller Verletzungen wie Hämatome, Schürfwunden oder Zerrungen für das Vorliegen einer für die Feststellung eines (Arbeits)Unfalls erforderlichen gesundheitlichen Schädigung ausreichend (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 15.03.2007, L 10 U 353/04). Unabhängig vom Ausmaß der auf das in Rede stehende Ereignis zurückzuführenden Körperschäden genügen daher die im vorliegenden Fall in ursächlichem Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Ereignis aufgetretenen Schmerzen zur Bejahung eines Arbeitsunfalles.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen der Sturz am 18.12.2003 ein bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall war. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Im Übrigen wendet sich die Beklagte auch nicht gegen diese Beurteilung. Sie geht vielmehr selbst von einem versicherten Ereignis aus, das jedenfalls zu Schmerzzuständen im Bereich des linken Handgelenkes führte. Dies genügt zur Bejahung eines Arbeitsunfalles.
Entgegen der Auffassung der Beklagten führte das Unfallereignis nicht lediglich zu einer ausgeheilten Handgelenksdistorsion. Vielmehr sind die von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Funktionseinschränkungen mit Wahrscheinlichkeit auf den Sturz am 18.12.2003 zurückzuführen.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auf der Grundlage dieser Grundsätze zutreffend und ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen die beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Unterarmes, der linken Hand und des linken Handgelenkes nicht nur im naturwissenschaftlichen Sinn, sondern auch wesentlich auf den Sturz am 18.12.2003 zurückzuführen sind. Der Senat sieht daher auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Es bleibt somit dabei, dass selbst unter der Annahme einer vorbestehenden Pseudarthrose des Kahnbeines der Sturz am 18.12.2003 rechtlich wesentlich die beim Kläger heute bestehenden Funktionseinschränkungen hervorrief. Maßgebend für diese Beurteilung ist die Tatsache, dass erstmals durch den Sturz Beschwerden im Bereich des linken Handgelenkes auftraten, der Kläger also trotz des erwähnten strukturellen Vorschadens vor dem Unfallereignis zu keinem Zeitpunkt Beschwerden oder Funktionseinschränkungen im Bereich der linken Hand hatte. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der glaubhaften Angaben des Klägers fest, die durch die Ermittlungen des Senats und des Sozialgerichts bestätigt worden sind. Keiner der vom Senat oder vom Sozialgericht befragten behandelnden Ärzte hat über vorbestehende Beschwerden oder Funktionseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Hand berichtet. Auch die Krankenversicherung des Klägers, bei der der Kläger seit Juli 1981 versichert ist, hat keinerlei Leistungen in Bezug auf Beschwerden des linken Handgelenkes gewährt. Selbst die Beklagte führt die nach dem Sturz aufgetretenen Handgelenksbeschwerden des Klägers auf das Unfallereignis zurück, wenn sie das Vorliegen einer Handgelenksdistorsion annimmt. Im Ergebnis ist das Sozialgericht somit zu Recht und auf Grund übereinstimmender Beurteilung der mit der Begutachtung des Klägers betrauten Ärzte davon ausgegangen, dass das Unfallereignis vom 18.12.2003 im naturwissenschaftlichen Sinne die beim Kläger unmittelbar darauf bestehenden Schmerzzustände und Funktionseinschränkungen verursachte. Auf Grund dieser Schmerzzustände und Bewegungseinschränkungen erfolgte später durch Prof. Dr. Sch. die Kahnbeinpseudarthrosenresektion mit Knochenspaninterposition und Osteosynthese, was in weiterer Folge zu den beschriebenen Komplikationen, einschließlich einer Dystrophie führte und schließlich die von Prof. Dr. St. im Januar 2005 durchgeführte Arthroskopie erforderlich machte und damit - im naturwissenschaftlichen Sinn - die heute beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen herbeiführte. Dies bestreitet im Grunde auch die Beklagte nicht.
Das Unfallereignis war für die heute bestehenden Funktionseinschränkungen - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch wesentlich. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so St. oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 u 6/98 R).
Zutreffend hat das Sozialgericht unter Beachtung dieser Grundsätze maßgeblich darauf abgestellt, ob auch ein alltägliches Ereignis die beim Kläger unmittelbar nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden herbeigeführt hätte. Denn nur dann wäre der Ursachenzusammenhang für die nachfolgenden Behandlungen und Komplikationen und damit die heutigen Funktionseinschränkungen zu verneinen. Hinweise dafür, dass ein alltägliches Ereignis auf der Grundlage einer vorbestehenden Pseudarthrose des Kahnbeins die beim Kläger nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden und Funktionseinschränkungen ebenfalls verursacht hätte, liegen nicht vor. Auch die Ermittlungen des Senats haben insoweit kein für die Beklagte günstiges Ergebnis erbracht. Dr. M. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat insoweit kein alltägliches Ereignis benennen können. Soweit er gleichwohl die Wesentlichkeit des Unfallereignisses verneint, beruht dies ausschließlich darauf, dass er die beim Kläger bestehenden Beschwerden nach dem Unfallereignis, weil nicht ärztlich dokumentiert, seiner Bewertung nicht zu Grunde legen will. Ob aber Beschwerden des Klägers vorhanden waren, obliegt der alleinigen Beurteilung des Senats. Schließlich bleibt die Beklagte ebenfalls jegliche Darlegung schuldig, welches alltägliche Ereignis die beim Kläger durch den Sturz verursachten Beschwerden auf der Grundlage einer vorbestehenden Kahnbeinpseudarthrose ebenfalls ausgelöst haben sollte. Allein die Tatsache, dass der Kläger bis zum Sturz seiner Tätigkeit, die angesichts der handwerklichen Arbeiten eine volle Funktionsfähigkeit beider Hände und damit auch des linken Handgelenkes erforderte und bei der (auch) das linke Handgelenk zumindest alltäglicher Beanspruchung ausgesetzt war, spricht gegen die Annahme, ein alltägliches Ereignis hätte damals ebenfalls die Beschwerden herbeigeführt.
Vor diesem Hintergrund hält Urteil des Sozialgerichts Reutlingen den Angriffen der Beklagten stand.
Zunächst trifft nicht zu, dass alle mit der Begutachtung betrauten Ärzte von einer überragenden Bedeutung der Schadensanlage ausgegangen sind. Dieser Begriff der überragenden Bedeutung findet sich in den ärztlichen Stellungnahmen nicht, vielmehr haben die gerichtlichen Sachverständigen und Prof. Dr. Sch. lediglich die "Wesentlichkeit" des Unfallereignisses verneint. Insoweit hat das Sozialgericht aber zutreffend ausgeführt, dass die Frage der Wesentlichkeit eine Rechtsfrage ist, die vom Gericht ohne Bindung an die medizinischen Beurteilungen zu beantworten ist. Dementsprechend ist das Sozialgericht - ebenso wenig wie der Senat - auch nicht an die Gewichtung der beurteilenden Ärzte von Schadensanlage einerseits und Unfallereignis andererseits gebunden gewesen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang allerdings behauptet, die Gewichtung habe zwischen bedeutsamer Schadensanlage einerseits und geringwertigem Impuls durch das Ereignis vom 18.12.2003 andererseits zu erfolgen, trifft auch dies nicht zu. Von einem geringwertigen Impuls durch das Ereignis vom 18.12.2003 hat keiner der mit der Beurteilung befassten Mediziner gesprochen. Dr. F. hat vielmehr sogar eine grundsätzliche Eignung des Unfallereignisses für die Herbeiführung einer Kahnbeinfraktur bejaht. Auch Dr. M. ist davon ausgegangen, dass der Sturz geeignet war, die vom Kläger angegebenen Beschwerden und den später festgestellten klinisch-funktionellen Befund zu begründen. Selbst die Beklagte ist von einer Handgelenksdistorsion ausgegangen. Angesichts des vom Kläger geschilderten Unfallhergangs - Abfangen des vollen Körpergewichtes allein mit der linken Hand - ist die Annahme eines geringwertigen Impulses fern liegend.
Soweit die Beklagte meint, es fehle am Nachweis eines objektivierbaren Einflusses des Unfallereignisses auf die Kahnbeinarthrose, kommt es hierauf nicht an. Die Beklagte hat insoweit nicht dargelegt, was sie unter "objektivierbarem Einfluss" versteht. Fest steht jedenfalls, dass beim Kläger in unmittelbarem zeitlich-örtlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis die Beschwerden im Bereich des linken Handgelenkes auftraten und in der Folgezeit zunahmen. Ein von der Beklagten insoweit möglicherweise verlangter Nachweis der genauen Ursache dieser Schmerzzustände durch bildgebende oder sonstige Verfahren ist für die Kausalitätsbeurteilung nicht erforderlich. Maßgebend ist allein der - durch die glaubhaften Angaben des Klägers, auch gegenüber den behandelnden Ärzten, erbrachte - Nachweis dieser Schmerzzustände im zeitlichen (unmittelbar nach dem Sturz) und örtlichen (am vom Sturz betroffenen Körperteil) Zusammenhang.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass Dr. F. die von ihm postulierte Erklärung der Schmerzzustände des Klägers (die vorbestehende Kahnbeinpseudarthrose sei funktionell stabil, durch den Unfall instabil und damit schmerzhaft geworden) lediglich als möglich bezeichnet hat. Indessen steht dies im Zusammenhang mit seiner Ablehnung eines direkten Zusammenhangs zwischen der vorbestehenden Kahnbeinpseudarthrose und dem Unfall und stellt somit die einzige, von Dr. F. in Betracht gezogene Erklärung für die tatsächlich nachgewiesenen Schmerzzustände des Klägers dar. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zu beanstanden wenn gleichwohl die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Schmerzzuständen und dem Unfallereignis bejaht würde. Weitere Ausführungen erübrigen sich. Denn der Senat stützt sich - wie das Sozialgericht - auf die Beurteilung von Dr. Meinhardt, wonach der Sturz auf eine ruhende, also symptomlose Schadensanlage in Form einer Kahnbeinpseudarthrose traf und dadurch - erstmalig - Beschwerden entstanden, die - was unstreitig ist - zu den nachfolgenden Behandlungen und Komplikationen und schließlich zu den heutigen Funktionseinschränkungen führte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist das Vorliegen gesundheitlicher Folgen eines Arbeitsunfalles.
Der am 1954 geborene Kläger ist Büchsenmacher und Waffenfachhändler und als Betreiber eines Jagd- und Forsteinzelhandels bei der Beklagten versichert. Im Rahmen seiner gewerblichen Tätigkeit verkauft und repariert er auch Jagdwaffen. Dabei muss der Kläger u.a. Waffen zerlegen und wieder zusammensetzen, Waffen reinigen, Zielfernrohre montieren, Waffen einschießen und im Rahmen des Verkaufs Waffen vorführen.
Am 18.12.2003 stürzte der Kläger auf der Treppe zwischen Ladengeschäft und Werkstatt, als er die Waffe eines Kunden zum Reinigen in die Werkstatt bringen wollte. Er fing sich - die Waffe des Kunden in der rechten Hand - mit der linken Hand auf der Treppe ab, verspürte danach Schmerzen im linken Handgelenk und stellte eine Schwellung am Handgelenk fest. Trotz Eigenbehandlung mit Salben und Umschlägen persistierten die Schmerzzustände und es kam zu Einschränkungen der Handgelenksbeweglichkeit. Ein erstmaliger ärztlicher Kontakt wegen Schmerzen in mehreren Gelenken fand am 01.06.2004 beim Facharzt für Innere Medizin Dr. D. statt, der eine entzündliche traumatische Erkrankung ausschloss und eine Vorstellung beim Orthopäden Dr. St. empfahl. Bei Dr. St. stellte sich der Kläger am 14.06.2004 in erster Linie wegen Beschwerden seitens der Halswirbelsäule und des rechten Ellenbogens vor, erwähnte aber im Rahmen der Untersuchung immer wieder Schmerzen im Bereich des linken Handgelenkes mit Bewegungseinschränkungen und gab als Ursache hiervon einen Sturz im Dezember 2003 an. Dr. St. fand eine Einschränkung der Handgelenksbeweglichkeit links, keinen Schwellungszustand und diagnostizierte auf Grund der damals angefertigten Röntgenaufnahmen eine Fraktur des Kahnbeines (Scaphoid) mit beginnender posttraumatischer Handgelenksarthrose. Bis zu dem Sturz im Dezember 2003 hatte der Kläger keine Beschwerden seitens des linken Handgelenkes. Ärztliche Behandlungen in Bezug auf das linke Handgelenk fanden vor Juni 2004 nicht statt.
Auf Veranlassung von Dr. St. begab sich der Kläger in Behandlung bei Prof. Dr. Sch. , Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T. , wo am 20.07.2004 eine Kahnbeinpseudarthrosenresektion mit Spaninterposition und Osteosynthese durchgeführt wurde. Im Heilungsverlauf kam es zu Komplikationen, u. a. zu massiven Bewegungseinschränkungen des linken Handgelenkes und der Langfinger nach Ruhigstellung, wobei eine Dystrophie diagnostiziert wurde. Schließlich begab sich der Kläger im Januar 2005 in Behandlung von Prof. Dr. St. , Ärztlicher Direktor der Abteilung Plastische und Handchirurgie des Universitätsklinikums F. , wo zunächst eine diagnostische Arthroskopie und anschließend eine proximale Handwurzelreihenentfernung, Schraubenentfernung und eine dorsale Denervierung des Nervus interosseus dorsalis durchgeführt wurde. Hinsichtlich des Behandlungsverlaufes im Einzelnen wird auf die Darstellung im Gutachten des Dr. F. verwiesen. Bis heute bestehen beim Kläger Bewegungseinschränkungen des Handgelenkes und der Finger (zuletzt Bericht von PD Dr. E. , Chefarzt des K.-O.-Krankenhauses S. vom 02.06.2010).
Im Zuge ihrer Ermittlungen holte die Beklagte ein Gutachten bei Prof. Dr. Sch. ein. Dieser gelangte in Auswertung u. a. der von Dr. St. am 14.06.2004 angefertigten Röntgenaufnahmen und deren Besprechung "in großer Runde zusammen mit der Radiologischen Universitätsklinik T. " zu dem Ergebnis, dass diese Röntgenbilder eine Kahnbeinpseudarthrose zeigten, die mindestens viele Jahre alt sei, weil das mittlere Drittel des Kahnbeines bereits völlig aufgebraucht sei und bereits deutliche Zeichen einer Sekundärarthrose bestünden. Zeichen einer weiteren oder stattgehabten knöchernen Verletzung ergäben sich aus diesem Röntgenbild nicht. Er beurteilte das Ereignis vom 18.12.2003 als Distorsion des linken Handgelenkes, die in der Regel innerhalb von drei Wochen abheile. Danach sei wieder der Vorzustand eingetreten mit bereits seit vielen Jahren bestehender Kahnbeinpseudarthrose links und entsprechender Sekundärarthrose. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28.12.2004 und Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005 die Gewährung einer Rente ab. Der Kläger habe sich lediglich eine Distorsion des linken Handgelenkes zugezogen, wobei ein bereits erheblich vorgeschädigtes Handgelenk betroffen worden sei. Die bestehenden Beschwerden und die Kahnbeinpseudarthrose seien nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen.
Hiergegen hat der Kläger am 03.03.2005 beim Sozialgericht Reutlingen Klage erhoben. Das Sozialgericht hat u. a. weitere Unterlagen beigezogen und ein Gutachten beim Orthopäden Dr. M. eingeholt. Dieser hat ausgeführt, Knackpunkt der Beurteilung seien die Röntgenaufnahmen vom 14.06.2004, die zweifelsfrei Zeichen einer uralten Kahnbeinfalschgelenksbildung zeigen würden. Da aber ein Vorschaden im Sinne einer Krankheit nicht dokumentiert sei, müsse davon ausgegangen werden, dass der Sturz auf eine ruhende Schadensanlage getroffen sei, wobei das Ereignis generell geeignet gewesen sei, die in der Folgezeit vom Kläger angegebenen Beschwerden und den später festgestellten klinisch-funktionellen Befund zu begründen. Insoweit seien die Beschwerden und der Befund mit Wahrscheinlichkeit wesentlich teilursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen. Allerdings trete das Unfallereignis gegenüber der ruhenden Schadensanlage als unwesentlich zurück, weil praktisch über ein halbes Jahr hinweg nach dem Unfall ärztliche Hilfe nicht in Anspruch genommen worden sei und weil bei erstmaliger ärztlicher Inanspruchnahme im Juni 2004 der anzunehmende Reizzustand nicht einmal Hauptthema gewesen sei. Im Bereich des linken Handgelenkes hat der Sachverständige eine eingeschränkte Unterarmumwendbeweglichkeit auswärts/einwärts und eine hochgradig eingeschränkte Handgelenksfunktion links bei eingeschränkter Funktion des Daumens und der Langfinger II bis IV links beschrieben.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein Gutachten sowie in der Folge mehrere Stellungnahmen von Dr. F. , Chefarzt der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses W. , eingeholt. Auch dieser Sachverständige hat in Auswertung der Röntgenaufnahmen von Dr. St. sowie jener von Prof. Dr. Sch. vom 07.07.2004 keinen Zusammenhang zwischen der Pseudarthrose des Kahnbeines und dem Unfallereignis gesehen. Aus den ihm vorgelegten Berichten über die Arthroskopie am 26.01.2005 von Dr. B. , Oberarzt der Chirurgischen Universitätsklinik F. , und des Prof. Dr. St. ergebe sich nichts anderes. Grundsätzlich sei der Vorgang geeignet gewesen, eine Scaphoidfraktur herbeizuführen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden passten sowohl zu einer Handgelenksprellung oder -distorsion, aber auch zu einer Scaphoidfraktur. Ein direkter Zusammenhang zwischen der Scaphoidpseudarthrose und dem Unfallereignis müsse abgelehnt werden. Möglich sei aber, dass ein alter Unfall mit einer Scaphoidpseudarthrose bindegewebig weitgehend stabil ausgeheilt gewesen sei und durch den Unfall sich ausgelockert habe. Dann würde es sich um die Verschlimmerung eines vorbestehenden Leidens handeln.
Mit Urteil vom 31.01.2008 hat das Sozialgericht, dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag vollständig stattgebend, die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Störungen im Bereich des linken Unterarmes und Handgelenkes sowie der Finger als Unfallfolgen festgestellt. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger habe einen Arbeitsunfall erlitten, weil er während seiner versicherten Tätigkeit als selbständiger Büchsenmacher und Waffenhändler gestürzt sei, sich mit der linken Hand abgefangen und einen Gesundheitserstschaden erlitten habe. Die selbst von der Beklagten angenommene Handgelenksdistorsion sei indessen nicht folgenlos ausgeheilt, sondern habe zu weiteren Folgeschäden geführt. Ausgehend von einer im Zeitpunkt des Unfallereignisses vorbestehenden Pseudarthrose im Bereich des linken Handgelenkes hat es das Unfallereignis als eine im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinn ursächliche Bedingung für den nunmehr vorliegenden Gesundheitszustand angesehen und sich insoweit auf Prof. Dr. Sch. , Dr. M. und Dr. F. sowie die glaubhaften Angaben des Klägers, wonach er vor dem Unfall keinerlei und nach dem Sturz zunehmend Beschwerden und eine Schwellneigung gehabt habe, gestützt. Es hat das Unfallereignis auch als wesentlich für die bleibenden Gesundheitsstörungen angesehen. Soweit Dr. M. dies verneint habe, habe er dies vor allem damit begründet, dass der Kläger erst ein halbes Jahr nach dem Sturz ärztliche Hilfe in Anspruch genommen habe und damals die Beschwerden des Handgelenkes nicht einmal Hauptthema der ärztlichen Konsultation gewesen seien. Nicht berücksichtigt habe der Sachverständige aber, dass gerade die nach dem Unfall bestehenden Beschwerden zusammen mit dem Röntgenbefund zu der Operation durch Prof. Dr. Sch. und den späteren Komplikationen und heutigen Funktionseinschränkungen geführt hätten. Dementsprechend könne das Unfallereignis nur dann als unwesentlich betrachtet werden, wenn die nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden durch jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu der selben Zeit ausgelöst worden wären. Gerade dies nehme Dr. M. nicht an. Prof. Dr. Sch. habe diese Frage zwar bejaht, jedoch keine nachvollziehbare Begründung dafür gegeben. Er habe lediglich postuliert, der Kläger habe eine Distorsion erlitten, deren Folgen in aller Regel innerhalb von drei Wochen abklingen würden. Danach sei wieder der Vorzustand eingetreten. Tatsächlich hätten sich die Beschwerden des Klägers nach dem Unfall jedoch nicht zurückgebildet, sondern verschlimmert. Ob die Folgen einer Verletzung in der Regel innerhalb von drei Wochen abklängen, sei für die Beurteilung der individuellen Kausalität nicht entscheidend. Auch die Ausführungen von Dr. F. sprächen für eine rechtlich wesentliche Teilursache des Unfalls für die von Dr. M. beschriebenen Gesundheitsschäden, indem er es für möglich halte, dass eine weitgehend stabile bindegewebig ausgeheilte Pseudarthrose des Kahnbeins durch den Unfall sich ausgelockert habe und dadurch die Beschwerden aufgetreten seien. Eine überragende Bedeutung des klinisch stummen Vorschadens für die Verursachung der jetzt vorliegenden Gesundheitsstörungen sei nicht zu erkennen. Dies lasse sich insbesondere nicht daraus schließen, dass der Kläger erst ein halbes Jahr nach dem Unfall den Arzt aufgesucht habe.
Gegen das ihr am 28.02.2008 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10.03.2008 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, alle gehörten Ärzte würden von einer überragenden Bedeutung der Schadensanlage ausgehen, das Sozialgericht habe sich über die einstimmige gutachterliche Beurteilung der Gewichtung von bedeutsamer Schadensanlage einerseits und geringwertigem Impuls durch das Ereignis vom 18.12.2003 andererseits hinweggesetzt und zu Unrecht einen zeitlichen Zusammenhang angenommen, obwohl ein halbes Jahr lang keinerlei ärztliche Behandlung erforderlich geworden sei. Darüber hinaus sei nicht nachgewiesen, dass die Handprellung am 18.12.2003 überhaupt irgendeinen objektivierbaren Einfluss auf die Entwicklung der Kahnbeinarthrose genommen habe - Dr. F. spreche nur von "möglich" - und schließlich sei ein Gesundheitserstschaden, der die heute bestehenden Gesundheitsstörungen verursacht haben könne, nicht nachgewiesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 31.01.2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er meint, wie schon im erstinstanzlichen Verfahren, dass ein Vorschaden nicht nachgewiesen, die in den Röntgenaufnahmen von Dr. St. dokumentierte Pseudarthrose vielmehr auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Im Übrigen hält er die Ausführungen im angefochtenen Urteil für zutreffend.
Der Senat hat weitere Ermittlungen zur Frage vor dem Unfall bestehender Beschwerden und Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Handgelenkes durchgeführt. Das Krankenversicherungsunternehmen des Klägers hat insoweit mitgeteilt, diesbezüglich keine Leistungen vor dem 01.06.2004 erbracht zu haben. Auch die vom Senat befragten weiteren behandelnden Ärzte haben über keine Behandlungen vor dem Unfall insoweit berichtet. Der Senat hat darüber hinaus eine ergänzende Stellungnahme von Dr. M. eingeholt. Dieser ist bei seiner Beurteilung geblieben, wonach das Unfallereignis nur unwesentlich teilursächlich für die heutigen Funktionseinschränkungen gewesen sei. Dabei ist er maßgeblich davon ausgegangen, dass die vom Kläger angegebenen Beschwerden nicht ärztlich dokumentiert worden seien.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Wie das Sozialgericht ist auch der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass die beim Kläger bestehenden, von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Unterarmes, des linken Handgelenkes und der linken Hand wesentlich auf den Sturz am 18.12.2003 zurückzuführen sind und dass es sich bei diesem Sturz um einen Arbeitsunfall handelte. Dementsprechend hat das Sozialgericht, dem Begehren des Klägers in vollem Umfang stattgebend, diese Gesundheitsstörungen gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG zu Recht als Folgen des Arbeitsunfalles festgestellt.
Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führt) ist danach in der Regel erforder¬lich (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente. Vielmehr sind auch leichtere Beschwerden, wie Kopf- oder Muskelschmerzen, Gefühlsstörungen, Schwindel oder Funktionseinschränkungen z.B. auf Grund struktureller Verletzungen wie Hämatome, Schürfwunden oder Zerrungen für das Vorliegen einer für die Feststellung eines (Arbeits)Unfalls erforderlichen gesundheitlichen Schädigung ausreichend (ständige Rechtsprechung des Senats seit dem Urteil vom 15.03.2007, L 10 U 353/04). Unabhängig vom Ausmaß der auf das in Rede stehende Ereignis zurückzuführenden Körperschäden genügen daher die im vorliegenden Fall in ursächlichem Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Ereignis aufgetretenen Schmerzen zur Bejahung eines Arbeitsunfalles.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend ausgeführt, dass und aus welchen Gründen der Sturz am 18.12.2003 ein bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall war. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Im Übrigen wendet sich die Beklagte auch nicht gegen diese Beurteilung. Sie geht vielmehr selbst von einem versicherten Ereignis aus, das jedenfalls zu Schmerzzuständen im Bereich des linken Handgelenkes führte. Dies genügt zur Bejahung eines Arbeitsunfalles.
Entgegen der Auffassung der Beklagten führte das Unfallereignis nicht lediglich zu einer ausgeheilten Handgelenksdistorsion. Vielmehr sind die von Dr. M. in seinem Gutachten beschriebenen Funktionseinschränkungen mit Wahrscheinlichkeit auf den Sturz am 18.12.2003 zurückzuführen.
Nach ständiger Rechtsprechung müssen im Unfallversicherungsrecht die anspruchsbe-gründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung (Arbeitsunfall bzw. Berufskrankheit) und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung erwiesen sein, d. h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung (haftungsbegründende Kausalität) sowie der schädigenden Einwirkung und der Erkrankung (haftungsausfüllende Kausalität) eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 30.04.1985, a.a.O.); das bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen muss, wobei dieser nicht schon dann wahrscheinlich ist, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist (vgl. BSG, Urteil vom 02.11.1999, B 2 U 47/98 R in SozR 3-1300 § 48 Nr. 67; Urteil vom 02.05.2001, B 2 U 16/00 R in SozR 3-2200 § 551 Nr. 16). Kommen mehrere Ursachen in Betracht (konkurrierende Kausalität), so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.1988, 2/9b RU 28/87 in SozR 2200 § 548 Nr. 91). Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.1991, 2 RU 31/90 in SozR 3-2200 § 548 Nr. 11).
Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils auf der Grundlage dieser Grundsätze zutreffend und ausführlich dargelegt, dass und aus welchen Gründen die beim Kläger vorhandenen Gesundheitsstörungen im Bereich des linken Unterarmes, der linken Hand und des linken Handgelenkes nicht nur im naturwissenschaftlichen Sinn, sondern auch wesentlich auf den Sturz am 18.12.2003 zurückzuführen sind. Der Senat sieht daher auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung der Beklagten gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Es bleibt somit dabei, dass selbst unter der Annahme einer vorbestehenden Pseudarthrose des Kahnbeines der Sturz am 18.12.2003 rechtlich wesentlich die beim Kläger heute bestehenden Funktionseinschränkungen hervorrief. Maßgebend für diese Beurteilung ist die Tatsache, dass erstmals durch den Sturz Beschwerden im Bereich des linken Handgelenkes auftraten, der Kläger also trotz des erwähnten strukturellen Vorschadens vor dem Unfallereignis zu keinem Zeitpunkt Beschwerden oder Funktionseinschränkungen im Bereich der linken Hand hatte. Dies steht zur Überzeugung des Senats auf Grund der glaubhaften Angaben des Klägers fest, die durch die Ermittlungen des Senats und des Sozialgerichts bestätigt worden sind. Keiner der vom Senat oder vom Sozialgericht befragten behandelnden Ärzte hat über vorbestehende Beschwerden oder Funktionseinschränkungen des Klägers im Bereich der linken Hand berichtet. Auch die Krankenversicherung des Klägers, bei der der Kläger seit Juli 1981 versichert ist, hat keinerlei Leistungen in Bezug auf Beschwerden des linken Handgelenkes gewährt. Selbst die Beklagte führt die nach dem Sturz aufgetretenen Handgelenksbeschwerden des Klägers auf das Unfallereignis zurück, wenn sie das Vorliegen einer Handgelenksdistorsion annimmt. Im Ergebnis ist das Sozialgericht somit zu Recht und auf Grund übereinstimmender Beurteilung der mit der Begutachtung des Klägers betrauten Ärzte davon ausgegangen, dass das Unfallereignis vom 18.12.2003 im naturwissenschaftlichen Sinne die beim Kläger unmittelbar darauf bestehenden Schmerzzustände und Funktionseinschränkungen verursachte. Auf Grund dieser Schmerzzustände und Bewegungseinschränkungen erfolgte später durch Prof. Dr. Sch. die Kahnbeinpseudarthrosenresektion mit Knochenspaninterposition und Osteosynthese, was in weiterer Folge zu den beschriebenen Komplikationen, einschließlich einer Dystrophie führte und schließlich die von Prof. Dr. St. im Januar 2005 durchgeführte Arthroskopie erforderlich machte und damit - im naturwissenschaftlichen Sinn - die heute beim Kläger bestehenden Funktionseinschränkungen herbeiführte. Dies bestreitet im Grunde auch die Beklagte nicht.
Das Unfallereignis war für die heute bestehenden Funktionseinschränkungen - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch wesentlich. Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, auch zum Nachfolgenden). Sozialrechtlich ist allein relevant, ob (auch) das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. Wesentlich ist nicht gleichzusetzen mit gleichwertig oder annähernd gleichwertig. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange keine andere Ursache überragende Bedeutung hat. Ist jedoch eine Ursache gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist nur die erstgenannte Ursache wesentlich und damit Ursache im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als wesentlich anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als Gelegenheitsursache oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen Krankheitsanlage (egal, ob bislang stumm oder als Vorschaden manifest) zu vergleichen und abzuwägen ist (Problem der inneren Ursache), ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so St. oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" (im Falle eines Vorschadens weiterer) akuter Erscheinungen aus ihr durch das Unfallereignis nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Gleiches gilt selbstverständlich, wenn die Erscheinung zu derselben Zeit ohne jede äußere Einwirkung aufgetreten wäre (siehe BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 u 6/98 R).
Zutreffend hat das Sozialgericht unter Beachtung dieser Grundsätze maßgeblich darauf abgestellt, ob auch ein alltägliches Ereignis die beim Kläger unmittelbar nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden herbeigeführt hätte. Denn nur dann wäre der Ursachenzusammenhang für die nachfolgenden Behandlungen und Komplikationen und damit die heutigen Funktionseinschränkungen zu verneinen. Hinweise dafür, dass ein alltägliches Ereignis auf der Grundlage einer vorbestehenden Pseudarthrose des Kahnbeins die beim Kläger nach dem Unfall aufgetretenen Beschwerden und Funktionseinschränkungen ebenfalls verursacht hätte, liegen nicht vor. Auch die Ermittlungen des Senats haben insoweit kein für die Beklagte günstiges Ergebnis erbracht. Dr. M. hat in seiner ergänzenden Stellungnahme für den Senat insoweit kein alltägliches Ereignis benennen können. Soweit er gleichwohl die Wesentlichkeit des Unfallereignisses verneint, beruht dies ausschließlich darauf, dass er die beim Kläger bestehenden Beschwerden nach dem Unfallereignis, weil nicht ärztlich dokumentiert, seiner Bewertung nicht zu Grunde legen will. Ob aber Beschwerden des Klägers vorhanden waren, obliegt der alleinigen Beurteilung des Senats. Schließlich bleibt die Beklagte ebenfalls jegliche Darlegung schuldig, welches alltägliche Ereignis die beim Kläger durch den Sturz verursachten Beschwerden auf der Grundlage einer vorbestehenden Kahnbeinpseudarthrose ebenfalls ausgelöst haben sollte. Allein die Tatsache, dass der Kläger bis zum Sturz seiner Tätigkeit, die angesichts der handwerklichen Arbeiten eine volle Funktionsfähigkeit beider Hände und damit auch des linken Handgelenkes erforderte und bei der (auch) das linke Handgelenk zumindest alltäglicher Beanspruchung ausgesetzt war, spricht gegen die Annahme, ein alltägliches Ereignis hätte damals ebenfalls die Beschwerden herbeigeführt.
Vor diesem Hintergrund hält Urteil des Sozialgerichts Reutlingen den Angriffen der Beklagten stand.
Zunächst trifft nicht zu, dass alle mit der Begutachtung betrauten Ärzte von einer überragenden Bedeutung der Schadensanlage ausgegangen sind. Dieser Begriff der überragenden Bedeutung findet sich in den ärztlichen Stellungnahmen nicht, vielmehr haben die gerichtlichen Sachverständigen und Prof. Dr. Sch. lediglich die "Wesentlichkeit" des Unfallereignisses verneint. Insoweit hat das Sozialgericht aber zutreffend ausgeführt, dass die Frage der Wesentlichkeit eine Rechtsfrage ist, die vom Gericht ohne Bindung an die medizinischen Beurteilungen zu beantworten ist. Dementsprechend ist das Sozialgericht - ebenso wenig wie der Senat - auch nicht an die Gewichtung der beurteilenden Ärzte von Schadensanlage einerseits und Unfallereignis andererseits gebunden gewesen. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang allerdings behauptet, die Gewichtung habe zwischen bedeutsamer Schadensanlage einerseits und geringwertigem Impuls durch das Ereignis vom 18.12.2003 andererseits zu erfolgen, trifft auch dies nicht zu. Von einem geringwertigen Impuls durch das Ereignis vom 18.12.2003 hat keiner der mit der Beurteilung befassten Mediziner gesprochen. Dr. F. hat vielmehr sogar eine grundsätzliche Eignung des Unfallereignisses für die Herbeiführung einer Kahnbeinfraktur bejaht. Auch Dr. M. ist davon ausgegangen, dass der Sturz geeignet war, die vom Kläger angegebenen Beschwerden und den später festgestellten klinisch-funktionellen Befund zu begründen. Selbst die Beklagte ist von einer Handgelenksdistorsion ausgegangen. Angesichts des vom Kläger geschilderten Unfallhergangs - Abfangen des vollen Körpergewichtes allein mit der linken Hand - ist die Annahme eines geringwertigen Impulses fern liegend.
Soweit die Beklagte meint, es fehle am Nachweis eines objektivierbaren Einflusses des Unfallereignisses auf die Kahnbeinarthrose, kommt es hierauf nicht an. Die Beklagte hat insoweit nicht dargelegt, was sie unter "objektivierbarem Einfluss" versteht. Fest steht jedenfalls, dass beim Kläger in unmittelbarem zeitlich-örtlichem Zusammenhang mit dem Unfallereignis die Beschwerden im Bereich des linken Handgelenkes auftraten und in der Folgezeit zunahmen. Ein von der Beklagten insoweit möglicherweise verlangter Nachweis der genauen Ursache dieser Schmerzzustände durch bildgebende oder sonstige Verfahren ist für die Kausalitätsbeurteilung nicht erforderlich. Maßgebend ist allein der - durch die glaubhaften Angaben des Klägers, auch gegenüber den behandelnden Ärzten, erbrachte - Nachweis dieser Schmerzzustände im zeitlichen (unmittelbar nach dem Sturz) und örtlichen (am vom Sturz betroffenen Körperteil) Zusammenhang.
Zutreffend weist die Beklagte darauf hin, dass Dr. F. die von ihm postulierte Erklärung der Schmerzzustände des Klägers (die vorbestehende Kahnbeinpseudarthrose sei funktionell stabil, durch den Unfall instabil und damit schmerzhaft geworden) lediglich als möglich bezeichnet hat. Indessen steht dies im Zusammenhang mit seiner Ablehnung eines direkten Zusammenhangs zwischen der vorbestehenden Kahnbeinpseudarthrose und dem Unfall und stellt somit die einzige, von Dr. F. in Betracht gezogene Erklärung für die tatsächlich nachgewiesenen Schmerzzustände des Klägers dar. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht zu beanstanden wenn gleichwohl die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen den Schmerzzuständen und dem Unfallereignis bejaht würde. Weitere Ausführungen erübrigen sich. Denn der Senat stützt sich - wie das Sozialgericht - auf die Beurteilung von Dr. Meinhardt, wonach der Sturz auf eine ruhende, also symptomlose Schadensanlage in Form einer Kahnbeinpseudarthrose traf und dadurch - erstmalig - Beschwerden entstanden, die - was unstreitig ist - zu den nachfolgenden Behandlungen und Komplikationen und schließlich zu den heutigen Funktionseinschränkungen führte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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