L 5 R 3964/09

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 16 R 633/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3964/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4.8.2009 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit ist die Höhe der der Klägerin zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren.

Die (1960 geborene) Klägerin, gelernte Einzelhandelskauffrau, übte im erlernten Beruf (zuletzt) bis 1991 eine versicherungspflichtige Beschäftigung aus. Danach war sie arbeitslos bzw. Hausfrau und widmete sich der Erziehung ihrer Tochter; außerdem war sie in den Jahren 2007 und 2008 (für wenige Monate) geringfügig beschäftigt.

Am 30.1.2008 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung, worauf die Beklagte das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. U. vom 9.4.2008 erhob. Dieser diagnostizierte einen Residualzustand einer schizophrenen Psychose sowie einen essentiellen Tremor der rechten Hand. Vermutlich bestehe auf Dauer kein positives Leistungsvermögen für irgendwelche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts.

Mit Bescheid vom 17.4.2008 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Zur Begründung führte sie aus, die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung seien nicht erfüllt. Nach den getroffenen Feststellungen bestehe volle Erwerbsminderung seit 13.2.2008. Im hier versicherungsrechtlich maßgeblichen Zeitraum vom 1.2.1996 bis 12.2.2008 seien nur 6 Kalendermonate mit Beiträgen belegt.

Am 7.5.2008 legte die Klägerin (persönlich) Widerspruch ein. Sie gab an, sie sei schon seit 1992 arbeitsunfähig und bitte um Überprüfung des Leistungsfallzeitpunkts. Weitere Arztunterlagen und eine eingehende Widerspruchsbegründung würden nachgereicht.

Am 14.5.2008 erteilte die Klägerin ihrem Bevollmächtigten, einem Rentenberater und Rechtsbeistand, im Widerspruchsverfahren Vollmacht. Dieser nahm sodann Einsicht in die Verwaltungsakten und legte die Widerspruchsbegründung vom 12.6.2008 vor. Darin ist im Umfang etwa 1/2 Seite (DIN-A 4) ausgeführt, die zur Erwerbsminderung führende Erkrankung der Klägerin habe schon wesentlich früher vorgelegen und das Leistungsvermögen wesentlich eingeschränkt. Wie in Bl. 123 der Verwaltungsakten errechnet worden sei, seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung letztmals zum 31.8.2005 erfüllt. Die Erkrankung sei bereits im Jahr 1992 aufgetreten und habe bewirkt, dass die Klägerin danach einer Beschäftigung von wirtschaftlicher Verwertbarkeit nicht mehr habe nachgehen können. Es werde um Überprüfung des Zeitpunkts des Leistungsfalls gebeten.

Nachdem der Beratungsarzt der Beklagten (Dr. G.) unter dem 18.8.2008 angenommen hatte, ein Leistungsfall vor August 2005 sei durchaus möglich bzw. wahrscheinlich, bat die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 20.8.2008 um die Übersendung entsprechender medizinischer Unterlagen zur Überprüfung des Leistungsfallzeitpunkts.

Mit Schreiben vom 1.9.2008 legte der Bevollmächtigte der Klägerin den (an den weiterbehandelnden Arzt gerichteten) Befundbericht der Neurologin und Psychiaterin Dr. B. vom 30.6.1992 vor (akute Psychose, zweite Exacerbation, unter Medikation innerhalb weniger Tage völlige Remission, Erstmanifestation anamnestisch 1986 mit stationärer Behandlung). Dr. B. stehe für weitere Auskünfte zur Verfügung; die Beklagte möge sich ggf. mit ihr in Verbindung setzen.

Die Beklagte befragte (erneut) ihren Beratungsarzt Dr. G ... Dieser führte in der Stellungnahme vom 15.9.2008 aus, die Minderung des Leistungsvermögens der Klägerin auf unter drei Stunden täglich sei deutlich vor August 2005, nach telefonischer Rücksprache mit Dr. B., wahrscheinlich schon im Jahr 2000, eingetreten.

Mit (Renten-)Bescheid vom 25.9.2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab 1.1.2008 (monatlich 528,69 EUR); der Bescheid sei Gegenstand des Widerspruchsverfahrens (§ 86 Sozialgerichtsgesetz, SGG). Man habe den Sachverhalt überprüft und gehe nunmehr von einem am 30.4.2004 eingetretenen Leistungsfall (zeitliche Mitte zwischen 30.6.2000 und 13.2.2008) aus. Es werde um Mitteilung gebeten, ob das Widerspruchsverfahren als erledigt angesehen werden könne.

Mit Schreiben vom 9.10.1008 teilte der Bevollmächtigte der Klägerin mit, dem Widerspruch sei voll abgeholfen worden; es werde um eine Kostengrundentscheidung gebeten.

Unter dem 15.10.2008 entschied die Beklagte, dass die Kosten für die Vertretung der Klägerin im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.4.2008 gem. § 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) dem Grund nach erstattet werden.

Der Bevollmächtigte der Klägerin reichte unter dem 23.10.2008 eine Kostennote nach Maßgabe des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG, Anlage 1) ein. Beantragt wurde die Erstattung von Kosten in Höhe von insgesamt 980,56 EUR. Diese setzen sich wie folgt zusammen:

1 Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) 520,00 EUR 1 Erledigungsgebühr (Nr. 1005 VV RVG) 280,00 EUR Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG) 20,00 EUR Auslagen für Fotokopien (Nr. 7000 VV RVG) 4,00 EUR Umsatzsteuer 19 % (Nr. 7008 VV RVG) 156,56 EUR

Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 3.11.2008 setzte die Beklagte die zu erstattenden Aufwendungen (Kosten) für die Vertretung der Klägerin im Widerspruchsverfahren (§ 63 Abs. 3 SGB X) auf 480,76 EUR fest. Angesetzt wurden 1 Geschäftsgebühr in Höhe von 380,00 EUR sowie die geltend gemachten Pauschalen für Kopien und Auslagen in Höhe von zusammen 24,00 EUR, zzgl. Umsatzsteuer. Zur Begründung führte die Beklagte aus, für die Tätigkeit in außergerichtlichen Angelegenheiten (wie im Widerspruchsverfahren) erhalte der Rentenberater gem. RVG eine Geschäftsgebühr von höchstens 520,00 EUR. Eine höhere Gebühr als 240,00 EUR könne er nur verlangen, wenn seine Tätigkeit umfangreich und schwierig gewesen sei. Sei eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen, vermindere sich die Geschäftsgebühr auf höchstens 260,00 EUR bzw. 120,00 EUR. Hier habe der Bevollmächtigte der Klägerin deren Vertretung mit der Bitte um Akteneinsicht mitgeteilt und nach Akteneinsicht eine Widerspruchsbegründung sowie einen Arztbericht vorgelegt. Für den Ansatz der Höchstgebühr gem. Nr. 2400 VV RVG (Geschäftsgebühr) sei seine Tätigkeit nicht umfangreich und schwierig genug gewesen. Man sei aber bereit – auch im Hinblick auf die Bedeutung der Rentenbewilligung für die Klägerin – eine erhöhte Geschäftsgebühr von 380,00 EUR zuzubilligen. Die Entstehung der Erledigungsgebühr (Nr. 1005 VV RVG) setze voraus, dass sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch anwaltliche Mithilfe erledige. Das sei hier nicht der Fall. Der Widerspruch der Klägerin habe sich nicht durch die Mithilfe ihres Bevollmächtigten, sondern durch vollständige Abhilfe erledigt. Auch bei noch weiterer Vorverlegung des Leistungsfalls wäre ein früherer Rentenbeginn im Hinblick auf die verspätete Antragstellung nicht in Betracht gekommen. Die Bestätigung der Erledigung durch den Bevollmächtigten stelle eine rechtlich beachtliche Mitwirkungshandlung nicht dar.

Am 13.11.2008 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie trug vor, bei Streitigkeiten um eine Erwerbsminderungsrente sei wegen der Bedeutung der Angelegenheit für den Versicherten regelmäßig die Höchstgebühr anzusetzen (SG Detmold, Beschl. v.4.3.2008, - S 7 (2) R 343705 - (SG-Akte S. 9)). Die Erledigungsgebühr sei angefallen. Zur Begründung des Widerspruchs hätten die Verwaltungsakten ausgewertet, insbesondere die Arztunterlagen intensiv studiert werden müssen. Das gehe weit über das formale Einlegen eines Widerspruchs hinaus. Darin liege eine anwaltliche Mitwirkung, die auf die außergerichtliche Klärung der Angelegenheit im Wege voller Abhilfe gerichtet gewesen sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.1.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, die anwaltliche Tätigkeit sei i. S. d. Nr. 2400 VV RVG umfangreich oder schwierig, wenn Umfang bzw. Schwierigkeit über dem Durchschnitt lägen. Hier habe es sich um eine typische Fallgestaltung in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung gehandelt. Der Umfang der Tätigkeit des Bevollmächtigten sei als durchschnittlich anzusehen. Der Bevollmächtigte habe ein Arztgutachten auswerten müssen; der Sachverhalt habe aber weder in medizinischer noch in rechtlicher Hinsicht Besonderheiten aufgewiesen. Die Auswertung medizinischer Befunde und die Beurteilung ärztlicher Einschätzungen gehörten zu den üblichen Tätigkeiten der Rentenberater in Rentenverfahren. Der Auffassung des SG Detmold (a. a. O.) werde nicht gefolgt. Lediglich wegen der Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin lasse sich eine überdurchschnittlich hohe (Geschäfts-)Gebühr - nicht jedoch die Höchstgebühr - begründen. Der Ansatz hoher Gebühren sei nur gerechtfertigt, wenn sich das Verfahren von ausgesprochenen Normalfällen ohne Besonderheiten hinsichtlich des Umfangs, der Schwierigkeit und der Bedeutung des Verfahrens bzw. der Vermögensverhältnisse des Versicherten deutlich unterscheide. Andernfalls sei der (überhöhte) Gebührenansatz unbillig i. S. d. 14 Abs. 1 Satz 3 RVG und nicht verbindlich. Für die Entstehung der Erledigungsgebühr genüge es nicht, wenn der Rechtsbehelf eingelegt und begründet werde.

Am 18.2.2009 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Karlsruhe. Sie trug ergänzend vor, die Rentengewährung habe für sie existentielle Bedeutung. Die Auswertung medizinischer Sachverhalte sei für den Bevollmächtigten, der anders als die Beklagte nicht über medizinisches Personal verfüge, mit einem hohen Arbeitsaufwand verbunden. Außerdem müssten die medizinischen Erkenntnisse auch mit ihr (der Klägerin) besprochen werden. Eine Erledigungsgebühr sei angefallen, da die Tätigkeit des Bevollmächtigten auf den später erzielten Erfolg, die Abhilfeentscheidung der Beklagten, gerichtet gewesen sei.

Mit Urteil vom 4.8.2009 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, gem. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X würden dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen erstattet, soweit der Widerspruch erfolgreich sei. Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines sonstigen Bevollmächtigten seien erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig gewesen sei (§ 63 Abs. 2 SGB X). Die Behörde, die die Kostenentscheidung getroffen habe, setze auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest (§ 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X). Die Klägerin habe danach Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten im Widerspruchsverfahren, da ihr Widerspruch erfolgreich gewesen sei. Auch die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten sei (unstreitig) notwendig gewesen. Die Beklagte habe die erstattungsfähigen Kosten aber rechtsfehlerfrei auf (nur) 480,76 EUR festgesetzt; höhere Kosten (980,56 EUR) seien nicht zu erstatten.

Der Vergütungsanspruch des Bevollmächtigten der Klägerin richte sich nach den Bestimmungen des RVG und dem diesem als Anhang 1 beigefügten VV (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG). In sozialrechtlichen Verfahren entstünden auch außerhalb des gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern das Gerichtskostengesetz – wie hier - nicht anwendbar sei (§ 3 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 RVG). Bei Rahmengebühren bestimme der Bevollmächtigte die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, nach billigem Ermessen. Müsse ein Dritter die Gebühr ersetzen, sei die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig sei (§ 14 Abs. 1 Satz 1 und 3 RVG).

Die Beklagte habe die vom Bevollmächtigten der Klägerin bestimmte Geschäftsgebühr zu Recht als unbillig angesehen. In Nr. 2400 VV RVG werde für die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten ein Betragsrahmen von 40,00 EUR bis 520,00 EUR festgelegt, wobei eine Gebühr von mehr als 240,00 EUR nur gefordert werden könne, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig gewesen sei. Im Hinblick darauf habe der Bevollmächtigte der Klägerin die Höchstgebühr von 520,00 EUR nicht verlangen dürfen, weshalb die Beklagte diese auch nicht erstatten müsse. Zwar habe sich der Bevollmächtigte angesichts des Umfangs und der Schwierigkeit der Angelegenheit nicht auf den Schwellenwert von 240,00 EUR beschränken müssen. Die Höchstgebühr von 520,00 EUR sei aber nicht gerechtfertigt. Der geltend gemachte Betrag überschreite auch den Toleranzbereich von 20 %, der dem Bevollmächtigten bei der Bestimmung der billigen Gebühr zuzugestehen sei (vgl. BSG, Urt. v. 22.3.1984, - 11 RA 58/83 -). Entgegen der Ansicht der Klägerin (und des SG Detmold, a. a. O.) falle bei Streitigkeiten in Rentensachen nicht stets die höchste Geschäftsgebühr an. Für die Beurteilung der Schwierigkeit eines Verfahrens könne nicht abstrakt auf das jeweilige Rechtsgebiet abgestellt werden. Maßgeblich seien vielmehr der objektive Schwierigkeitsgrad und der Umfang der Tätigkeit im Einzelfall. Das folge zum einen aus der gesetzlichen Konzeption des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG, der für die billige Bemessung der Rahmengebühren maßgeblich auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls verweise. Zum anderen müssten in allen Rechtsgebieten des Sozialrechts Verfahren unterschiedlicher Schwierigkeit bearbeitet werden, auch wenn die durchschnittliche Schwierigkeit aller Verfahren von Rechtsgebiet zu Rechtsgebiet variieren möge (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.5.2008, - L 3 R 84/08 -).

Hier sei von einer erhöhten Schwierigkeit insoweit auszugehen, als der Bevollmächtigte medizinische Unterlagen habe durchsehen und auswerten müssen. Das rechtfertige die Überschreitung des Schwellenwerts (240,00 EUR), nicht jedoch den Ansatz der Höchstgebühr. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass eine umfangreiche Widerspruchsbegründung nicht vorgelegt worden sei. Der Bevollmächtigte habe vielmehr nur in wenigen Sätzen dargelegt, seiner Auffassung nach sei ein früherer Leistungsfall anzunehmen. Seine weitere Tätigkeit habe sich sodann auf die Vorlage des ärztlichen Befundberichts der Dr. B. und die Abgabe der Erledigungserklärung beschränkt. Gehe man vom Mittelwert des Gebührenrahmens aus, erscheine unter Berücksichtigung der erheblichen Bedeutung der Angelegenheit für die Klägerin eine Geschäftsgebühr von 380,00 EUR als billig und angemessen.

Dem Bevollmächtigten stehe die Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1005 VV RVG nicht zu. Diese betrage zwischen 40,00 EUR und 520,00 EUR und entstehe nach den amtlichen Erläuterungen zu Nr. 1002 VV RVG, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt habe. Daran fehle es hier. Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. BSG, Urt. v. 5.5.2009, - B 13 R 137/08 R -; Urt. v. 2.10.2008, - B 9/9a SB 5/07 R -; Urt. v. 7.11.2006, - B 1 KR 13/06 R -; LSG Sachsen, Beschl. v. 10.6.2009, - L 7 B 334/08 AS-PKH -) könne ein Bevollmächtigter für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur dann eine Erledigungsgebühr verlangen, wenn er eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet habe. Dies könne etwa der Fall sein, wenn der Widerspruchsführer durch seinen Rechtsanwalt veranlasst werde, sich einen neuen ärztlichen Befundbericht zu beschaffen (BSG, Urt. v. 2.10.2008, - B 9/9a SB 5/07 R -). Nicht ausreichend sei hingegen, wenn in der Widerspruchsbegründung nur auf ein präsentes Beweismittel, wie ein vorhandenes ärztliches Attest hingewiesen werde. Denn es gehöre zu den Berufspflichten des Bevollmächtigten, bei der Begründung des Widerspruchs den Mitwirkungsobliegenheiten seines Auftraggebers Rechnung zu tragen und alle ihm bekannten Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Diese Tätigkeit werde aber bereits durch die Geschäftsgebühr und die Auslagenpauschale abgegolten (vgl. BSG, Urt. v. 5.5.2009, - B 13 R 137/08 R -). Der Bevollmächtigte der Klägerin habe besondere Anstrengungen mit dem Ziel einer außergerichtlichen Erledigung der Sache (vgl. zu diesem Aspekt BSG, Urt. v. 7.11.2006, - B 1 KR 13/06 R -), die zum Entstehen einer Erledigungsgebühr hätten führen können, nicht unternommen. Er habe mit der Widerspruchsbegründung nur einen vorhandenen ärztlichen Befundbericht vorgelegt und die ausstellende Ärztin als Auskunftsperson benannt. Zwar habe eine Rücksprache mit der benannten Ärztin letztlich zur Abhilfeentscheidung der Beklagten geführt. Dies beruhe aber nicht auf einem über die Erfüllung der Mitwirkungsobliegenheiten der Klägerin hinausgehenden Bemühen ihres Bevollmächtigten. Dessen Tätigkeit im Widerspruchsverfahren sei daher mit der Geschäftsgebühr und der Auslagenpauschale vollständig abgegolten.

Das Sozialgericht hat die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Auf das ihr am 8.8.2009 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.8.2009 Berufung eingelegt. Sie bekräftigt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, die Bestimmung der angemessenen Gebühr stehe im Ermessen des Rechtsanwalts/Bevollmächtigten, wobei alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen seien. Bei Fällen, die erheblich vom "Durchschnittsfall" abwichen, dürfe die Höchstgebühr (als Verfahrensgebühr) angesetzt werden. Es genüge, wenn (nur) ein in Nr. 2400 VV RVG genanntes Merkmal die Höchstgebühr rechtfertige. Gehe es, wie bei Rentenverfahren, um für den Versicherten existentielle Fragen, sei der Ansatz einer erheblich über der Mittelgebühr liegenden Geschäftsgebühr, ggf. auch der Ansatz der Höchstgebühr angemessen. Das sei hier der Fall. Ihr Bevollmächtigter habe die Verwaltungsakten durcharbeiten und die darin enthaltenen Arztunterlagen auswerten und prüfen müssen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4.8.2009 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des (Kostenfestsetzungs-)Bescheids vom 3.11.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.1.2009 zu verurteilen, die ihr zu erstattenden Aufwendungen für die Hinzuziehung ihres Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.4.2008 auf insgesamt 980,56 EUR festzusetzen und ihr weitere 499,80 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

I. Die Berufung der Klägerin ist ungeachtet dessen, dass der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) nicht erreicht ist, nach Zulassung durch das Sozialgericht gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft. Sie ist nicht gem. § 144 Abs. 4 SGG ausgeschlossen, da unter Kosten im Sinne dieser Vorschrift nur die Kosten des anhängigen Gerichtsverfahrens zu verstehen sind, nicht jedoch solche Kosten, die den Streitgegenstand des Verfahrens bilden, wie der Anspruch auf Erstattung der Kosten des Vorverfahrens nach § 63 SGB X (BSG, Urt. v. 5.5.2010, - B 11 AL 14/09 R -). Die Klägerin verfolgt ihr Klageziel zu Recht mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 15.10.2008 eine Kostengrundentscheidung (§ 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X) zu Gunsten der Klägerin getroffen und darin bzw. in dem angefochtenen (abzuändernden) Kostenfestsetzungsbescheid der Sache zugleich festgestellt, dass die Zuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren notwendig war (§ 63 Abs. 2 SGB X). Eine auf eine entsprechende Verurteilung der Beklagten gerichtete Verpflichtungsklage ist daher entbehrlich (BSG, Urt. v. 5.5.2010, - B 11 AL 14/09 R -). Die Berufung ist auch sonst zulässig (§ 151 SGG).

II. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die Beklagte hat die der Klägerin zu erstattenden Aufwendungen für die Zuziehung des Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.4.2008 rechtsfehlerfrei auf 480,76 EUR festgesetzt. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Erstattung weiterer Aufwendungen (von 499,80 EUR) steht der Klägerin nicht zu.

1.) Rechtsgrundlage des geltend gemachten (Aufwendungs-)Erstattungsanspruchs ist § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Danach ist, soweit der Widerspruch erfolgreich ist, der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, verpflichtet, dem Widerspruchsführer die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Gem. § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Gebühren und Auslagen i. S. d. § 63 Abs. 2 SGB X sind nur die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Bevollmächtigten.

Gem. § 3 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 RVG - das auch für zur Rechtsberatung zugelassene Rentenberater und Rechtsbeistände gilt - (Geroldt/Schmidt, RVG § 1 Rdnr. 6; Riedel/Sußbauer, RVG § 1 Rdnr. 19), entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren auch außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, wenn das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist; § 3 RVG gilt auch für das isolierte Vorverfahren, dem ein Klageverfahren nicht nachfolgt (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.5.2008, - L 4 R 84/08 – m. w. N.). Da die Klägerin als Versicherte bzw. Rentenbezieherin zu den gem. § 183 Satz 1 SGG kostenprivilegierten Beteiligten gehört und das GKG deswegen nicht anzuwenden ist, bestimmt sich die Vergütung ihres Bevollmächtigten nach dem RVG bzw. dem diesem als Anlage 1 beigefügten VV RVG (vgl. § 2 Abs. 2 RVG).

2.) Die Geschäftsgebühr ist in Nr. 2400 VV RVG geregelt. Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl. § 3 RVG) u. a. für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information eine Geschäftsgebühr (vgl. Vorbemerkung 2.3 Abs. 3 i. V. m. Vorbemerkung 2.4 Abs. 2 zu Abschnitt 3 bzw. 4 VV RVG). Die Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG umfasst einen Betragsrahmen von 40 bis 520 EUR. Eine Gebühr von mehr als 240 EUR - der Schwellengebühr - kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Innerhalb des Rahmens bestimmt der Rechtsanwalt die Gebühr grundsätzlich gem. § 14 Abs. 1 RVG im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen nach billigem Ermessen; auch das Haftungsrisiko ist zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 RVG). Nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr. 2500 VV RVG a.F. (entspricht jetzt Nr. 2400 VV RVG) hat die Schwellengebühr von 240 EUR die so genannte Mittelgebühr, die sich aus der Mindestgebühr zuzüglich der Hälfte des Unterschieds zwischen Mindest- und Höchstgebühr errechnete (bei Nr. 2500 a. F. also 280 EUR), nicht ersetzt. Die Einführung der Schwellengebühr hat aber zur Folge, dass die in einem ersten Schritt ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr in einem zweiten Schritt in Höhe des Schwellenwertes gekappt wird, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind. Die Merkmale des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit öffnen den Rahmen der Geschäftsgebühr für einen Gebührenansatz über der Schwellengebühr (BSG, Urt. v. 29.3.2007, - B 9a SB 4/06 R -; Urt. v. 1.7.2009, - B 4 AS 21/09 R -). Sie müssen über dem Durchschnitt liegen, um im Ergebnis eine höhere Gebühr als die Schwellengebühr zu rechtfertigen (BSG, Urt. v. 5.5.2010, - B 11 AL 14/09 R – m. w. N.; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.5.2008, - L 4 R 84/08 –). Ist danach der Ansatz einer die Schwellengebühr übersteigenden Gebühr gerechtfertigt, ist dem Rechtsanwalt bei der Bestimmung der billigen Gebühr ein Toleranzbereich von 20% zuzuerkennen (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.5.2008, - L 4 R 84/08 – m w. N. im Hinblick auf die Rechtsprechung zur vormaligen Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, BRAGO).

Die Überschreitung des Schwellenwerts von 240 EUR bzw. die Öffnung des Gebührenrahmens für Geschäftsgebühren über dem Schwellenwert setzt einen überdurchschnittlichen Umfang oder eine überdurchschnittliche Schwierigkeit der Tätigkeit des Bevollmächtigten voraus. Hinsichtlich des Umfangs der Tätigkeit kann naturgemäß nur auf den konkreten Verfahrensaufwand (dazu näher etwa BSG, Urt. v. 1.7.2009, - B 4 AS 21/09 R-) des Bevollmächtigten im jeweiligen Verfahren abgestellt werden. Eine sich davon lösende abstrakte Festlegung ist nicht möglich. Entsprechendes gilt für das Merkmal der Schwierigkeit der Tätigkeit. In Nr. 2400 VV RVG wird auch hierfür ausdrücklich auf die (konkrete) Tätigkeit und nicht auf das jeweilige (abstrakte) Tätigkeitsfeld (Sach- bzw. Rechtsgebiet) abgestellt. Deswegen ist es nicht zulässig, eine Tätigkeit ungeachtet der sie kennzeichnenden konkreten Umstände schon deswegen als überdurchschnittlich schwierig i. S. d. Nr. 2400 VV RVG einzustufen und entsprechend (höher) zu vergüten, weil sie ein bestimmtes – als schwierig angesehenes - Rechtsgebiet des Sozialrechts betrifft. Der Rechtsanwalt/Bevollmächtigte soll ein angemessenes (äquivalentes) Entgelt für seine Tätigkeit – hier: für deren ggf. überdurchschnittliche Schwierigkeit – im Einzelfall erhalten und nicht schon dafür, dass er überhaupt auf einem bestimmten Rechtsgebiet tätig geworden ist bzw. sich dafür die notwenigen Rechtskenntnisse angeeignet hat. Davon abgesehen wäre auch, namentlich für den Gebührenschuldner, nicht hinreichend sicher bestimmbar, nach welchen Kriterien die einzelnen Rechtsgebiete des Sozialrechts hinsichtlich ihres "abstrakten Schwierigkeitsgrads" in unter- oder überdurchschnittlich bzw. durchschnittlich schwierige Rechtsgebiete zu ordnen wären. Das Gesetz geht vielmehr davon aus, dass in jedem Rechtsgebiet Tätigkeiten entfaltet werden können, die bezogen auf den bearbeiteten Einzelfall unter- oder überdurchschnittlich bzw. durchschnittlich schwierig (im anwaltsgebührenrechtlichen Sinne) sind. Das gilt auch für Verfahren nach dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung (vgl. etwa LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.5.2008, - L 4 R 84/08 -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.8.2010, - L 3 SF 6/09 E –; LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 30.7.2009, - L 12 AL229/06 -; eher tendenziell abstrahierend auf das Rechtsgebiet abstellend Senatsurteil vom 13.12.2006, - L 5 KA 5567/05 – für ein Verfahren nach dem Vertragsarztrecht; auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 5.5.2009, - L 1 AL 55/08 –, das Verfahren mit sozial- bzw. sozialversicherungsrechtlichem Bezug stets für besonders schwierig hält). Demzufolge hat das BSG in seinem Urteil vom 1.7.2009, - B 4 AS 21/09 R - entschieden, dass es bei der Einordnung, ob die rechtliche Schwierigkeit durchschnittlich bzw. über- oder unterdurchschnittlich ist, nicht angebracht sei, nach einzelnen Rechtsgebieten bzw. Teilrechtsgebieten zu differenzieren. Diese Rechtsauffassung hat es im Urteil vom 5.5.2010 (- B 11 AL 14/09 R -) bestätigt. Maßgeblich ist danach in jedem Rechtsgebiet der konkrete Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände (BSG a. a. O.). Im Übrigen stellt die Bestimmung des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG, wonach der Rechtstreit (bei geklärtem Sachverhalt) ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden kann, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, ebenfalls nicht abstrakt auf das jeweilige Rechtsgebiet, sondern auf den konkreten Einzelfall ab. Deswegen kann in allen Rechtsgebieten des Sozialrechts, auch im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, ein Gerichtsbescheid gem. § 105 SGG ergehen. Daher kommt schon im Ansatz nicht in Betracht, für die Tätigkeit eines Bevollmächtigten auf bestimmten Rechtsgebieten des Sozialrechts – etwa auf dem Gebiet des Rentenrechts - allgemein und ohne Rücksicht auf die konkreten Tätigkeitsmerkmale stets die höchste Geschäftsgebühr zu bestimmen.

Die vom Umfang zu unterscheidende Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit meint die Intensität der Arbeit. Ausgehend von einem objektiven Maßstab ist auf den Rechtsanwalt abzustellen, der sich bei der Wahrnehmung des Mandats darauf beschränken kann und darf, den Fall mit den einschlägigen Rechtsvorschriften, ggf. unter Heranziehung von Rechtsprechung und Kommentarliteratur zu bearbeiten (BSG, Urt. v.1.7.2009, - B 4 AS 21/09 R -). Eine überdurchschnittlich schwierige Tätigkeit kann danach – so BSG, Urt. v. 5.5.2010 (- B 11 AL 14/09 R -) – angenommen werden, wenn im konkreten Einzelfall erhebliche, sich üblicherweise nicht stellende Probleme auftreten, die sowohl im tatsächlichen als auch im juristischen Bereich liegen können; dazu kann auch die eingehende Auseinandersetzung mit medizinischen Gutachten gehören (BSG, Urt. v. 1.7.2009, a. a. O. m. N.).

2.) Die Erledigungsgebühr ist in Nr. 1005 VV RVG geregelt. Danach erhält der Rechtsanwalt in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen (vgl. § 3 RVG) für die Einigung oder Erledigung eine Erledigungsgebühr. Sie umfasst wie die Geschäftsgebühr einen Betragsrahmen von 40 bis 520 EUR. Die Gebühr entsteht, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Für den Begriff der "Erledigung" verweist Nr. 1005 VV RVG auf Nr. 1002 VV RVG. Gem. Satz 1 der (zum Gesetzestext gehörenden) Erläuterung zu Nr. 1002 VV RVG entsteht die Gebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Das Gleiche gilt nach Satz 2 der Erläuterungen zu Nr. 1002 VV RVG, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise durch Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts erledigt.

Die Erledigungsgebühr stellt ein Honorar für Bevollmächtigte dar, die durch ihre Mitwirkung erreicht haben, dass eine streitige Entscheidung (des Gerichts) in der Sache nicht mehr ergehen muss. Es sollen die Entlastung der Gerichte und das erfolgreiche anwaltliche Bemühen um eine möglichst weitgehende Herstellung des Rechtsfriedens zwischen den Beteiligten ohne gerichtliche Sachentscheidung honoriert werden. Deshalb sind besondere Bemühungen – vor allem durch Verhandlungen mit der Verwaltungsbehörde – erforderlich, mit denen erreicht wird, dass ein Verwaltungsakt zugunsten des Vertretenen ergeht bzw. abgeändert oder aufgehoben wird. Die Erledigungsgebühr entsteht nicht schon wegen der Verfahrenserledigung als solcher; der Rechtsanwalt/Bevollmächtigte muss daran ein Verdienst haben. Das Gesetz bringt das mit dem Merkmal "durch anwaltliche Mitwirkung" zum Ausdruck. Notwendig ist eine für die Erledigung des Verfahrens ursächliche Tätigkeit (Mitwirkung). Da es lediglich auf den (Erledigungs-)Erfolg ankommt, dürfen an die Art der Mitwirkung überhöhte Anforderungen zwar nicht gestellt werden, jedoch muss der Anwalt zumindest einen nicht ganz unerheblichen oder untauglichen Beitrag zur Verfahrenserledigung geleistet haben. Entscheidend ist, ob der Anwalt durch sein Verhalten etwas zur Erledigung des Streits beigetragen hat. Zu den danach erforderlichen Mitwirkungshandlungen zählen nicht die bloße Einlegung und Begründung eines Rechtsbehelfs, die gründliche Abfassung von Schriftsätzen, die Vorlage von Belegen und Beweisstücken, die Annahme eines Anerkenntnisses oder die Abgabe der Erledigungserklärung. Diese Tätigkeiten werden auf Grund der Verpflichtung, das Verfahren gewissenhaft, gründlich und sorgfältig zu betreiben, (schon) von der Verfahrensgebühr (vgl. Nr. 3102, 3204 oder 3212 VV RVG) bzw. der Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) abgegolten. Die bloße (allgemeine) Verfahrensförderung wird – im Erfolgsfall - nicht zusätzlich mit der Erledigungsgebühr honoriert. Diese weitere Gebühr muss vielmehr durch darüber hinausgehende (besondere) Mitwirkungshandlungen verdient werden (vgl. LSG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.8.2010, - L 3 SF 6/09 E – m. w. N.), zumal sie in der Höhe der Geschäftsgebühr gleich steht. Demzufolge kann nach der Rechtsprechung des BSG zu Nr. 1005 bzw. 1002 VV RVG (vgl. etwa Urt. v. 7.11.2006, - B 1 KR 23/06 R -; Urt. v. 2.10.2008, - B 9/9a SB 5/07 R -; Urt. v. 5.5.2009, - B 13 R 137/08 R -) eine Gebühr für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens nur beansprucht werden, wenn der Rechtsanwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat. Eine solche qualifizierte, eine Erledigungsgebühr begründende Tätigkeit liegt beispielsweise vor, wenn der Rechtsanwalt zum Zwecke des Beweises entscheidungserheblicher Tatsachen unaufgefordert neue Beweismittel, etwa während des Vorverfahrens neu erstattete Befundberichte, beibringt. Dagegen bewegt sich die Vorlage präsenter und im Wesentlichen nur zu kopierender Beweismittel noch im Rahmen der dem Widerspruchsführer ohnehin obliegenden Mitwirkung (§ 21 Abs. 2 SGB X) und ist bereits mit der Geschäftsgebühr bzw. der Auslagenpauschale abgegolten (vgl. BSG, Urt. v. 2.10.2008, - B 9/9a SB 5/07 R -; Urt. v. 5.5.2009, - B 13 R 137/08 R -).

III.

Hiervon ausgehend hat die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden die der Klägerin für die Tätigkeit ihres Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 17.4.2008 zu erstattenden Aufwendungen ohne Rechtsfehler auf 480.76 EUR festgesetzt. Darüber hinaus sind weitere Aufwendungen nicht zu erstatten, da der Bevollmächtigte der Klägerin (was allein im Streit ist) weder eine höhere Geschäftsgebühr als 380,00 EUR noch eine Erledigungsgebühr beanspruchen kann.

1.) Hinsichtlich der Geschäftsgebühr steht dem Bevollmächtigten der Klägerin eine höhere Gebühr als 380,00 EUR nicht zu. Da nach dem Gesagten sowohl für den Umfang wie für die Schwierigkeit i. S. d Nr. 2400 VVRVG die konkreten Umstände seiner Tätigkeit maßgeblich sind, kann die vom Bevollmächtigten geforderte Höchstgebühr von 520,00 EUR nicht allein deshalb angesetzt werden, weil er in einem Verfahren auf dem Gebiet der gesetzlichen Rentenversicherung bzw. in einem auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nach § 43 SGB VI gerichteten Widerspruchsverfahren tätig geworden ist. Seine Tätigkeit war auch im Hinblick auf die Einzelfallumstände nicht überdurchschnittlich umfangreich oder schwierig i. S. d. Nr.2400 VV RVG. Was den Umfang der Tätigkeit angeht, hat der Bevollmächtigte lediglich eine knappe, etwa ein halbe Seite (DIN-A 4) umfassende Widerspruchsbegründung vorgelegt und darin eher pauschal und wenig substantiiert ausgeführt, die zur Erwerbsminderung führende Erkrankung bzw. Leistungsminderung der Klägerin habe schon wesentlich früher als von der Beklagten angenommen vorgelegen, weswegen um eine Überprüfung des Leistungsfallzeitpunkts gebeten werde. Dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Rentengewährung letztmals zum 31.8.2005 erfüllt waren, konnte der Bevollmächtigte unschwer der Veraltungsakte mit den darin enthaltenen (vollständigen) Berechnungen der Beklagten auf Bl. 123 bzw. 125 entnehmen; umfangreichere Recherchen waren dazu nicht notwendig, sondern nur sorgfältiges Lesen der Akte. Der Bevollmächtigte hat weiter mit Schriftsatz vom 1.9.2008 auf entsprechende Aufforderung der Beklagten den (bereits vorhandenen) Arztbrief der Dr. B. vom 30.6.1992 vorgelegt und der Beklagten diese Ärztin als Auskunftsperson benannt. Die Grundlage dieser Tätigkeit war im Kern die Auswertung bzw. Würdigung eines Rentengutachtens (Gutachten des Dr. U. vom 9.4.2008). Eine Tätigkeit dieser Art ist für Verfahren, die die Gewährung von Erwerbsminderungsrente zum Gegenstand haben, in ihrem Umfang eher unterdurchschnittlich, nachdem vielfach mehrere Gutachten auf unterschiedlichen medizinischen Fachgebieten ausgewertet und die darin enthaltenen Leistungseinschätzungen auch beurteilt werden müssen. Hier war die Leistungseinschätzung (die Annahme voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI) zudem unstreitig und es war lediglich zu überprüfen, ob die Leistungsminderung nicht schon vor dem im Gutachten zugrunde gelegten Leistungsfall eingetreten war. Im Hinblick darauf hat die Beklagte ohne Rechtsfehler angenommen, dass der Umfang der Tätigkeit allenfalls dem in Durchschnittsfällen der vorliegenden Art notwendigen Verfahrensaufwand entspricht, diesen aber nicht übersteigt. Entsprechendes gilt für die Schwierigkeit der Tätigkeit des Bevollmächtigten. Überdurchschnittlich schwierige Rechtsfragen oder Sachverhaltsfragen standen nicht zur Klärung an, zumal das Vorliegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGG) in der Sache nicht streitig war. Damit war an sich der Gebührenrahmen für den Ansatz einer Geschäftsgebühr über dem Schwellenwert unter (weiterer) Berücksichtigung der Kriterien des § 14 RVG – wie der Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber – nicht eröffnet (vgl. BSG, Urt. v. 29.3.2007, - B 9a SB 4/06 R -; Urt. v. 1.7.2009, - B 4 AS 21/09 R -). Dass die Beklagte gleichwohl eine mit 380,00 EUR nicht unerheblich über dem Schwellenwert (240,00 EUR) liegende Geschäftsgebühr (in der Mitte zwischen dem Schwellenwert und der Höchstgebühr von 520,00 EUR) angesetzt hat, beschwert die Klägerin indessen nicht.

2.) Eine Erledigungsgebühr nach Nr. 1005 VV RVG ist nicht angefallen. Neben der Geschäftsgebühr kann der Bevollmächtigte der Klägerin den Ansatz dieser (in der Höhe der Geschäftsgebühr entsprechenden) Gebühr nicht (zusätzlich) beanspruchen. Eine mit der Geschäftsgebühr nicht abgegoltene besondere Tätigkeit hat er nicht entfaltet. Der Bevollmächtigte hat zunächst den Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 17.4.2008 eingelegt und (knapp) begründet, womit die Erledigungsgebühr nach dem Gesagten freilich noch nicht "verdient" ist, auch wenn dem Widerspruch letztendlich abgeholfen wurde und die Sache sich so erledigt hat. Für das Entstehen der Erledigungsgebühr genügt es auch nicht, dass der Bevollmächtigte auf die Aufforderung der Beklagten, medizinische Unterlagen zur Überprüfung eines früheren Leistungsfalls (Schreiben vom 20.8.2008) vorzulegen, den Befundbericht bzw. Arztbrief der Dr. B. vom 30.6.1992 eingereicht und Dr. B. der Beklagten als Auskunftsperson benannt hat. Der Bericht bzw. Arztbrief vom 30.6.1992 stellte ein bereits vorhandenes Beweismittel dar und brauchte im Widerspruchsverfahren vom Bevollmächtigten daher nicht erst (neu) beschafft zu werden. Die Vorlage vorhandener Beweismittel ist aber mit der Geschäftsgebühr vergütet. Daran ändert es nichts, wenn der Bevollmächtigte, was regelmäßig der Fall sein wird, das im weiteren Verfahren vorzulegende Beweismittel zunächst bei seinem Auftraggeber, etwa nach einer Besprechung, oder ggf. auf dessen Hinweis auch bei Dritten anfordern muss (vgl. dazu auch zu den von der Geschäftsgebühr erfassten Tätigkeiten näher BSG, Urt. v. 1.7.2009, - B 4 AS 21/09 R-). Vorbereitungshandlungen dieser Art sind von der Verpflichtung des Rechtsanwalts bzw. Bevollmächtigten, das Verfahren gewissenhaft, gründlich und sorgfältig zu betreiben, umfasst und deswegen (schon) mit der Geschäftsgebühr abgegolten.

IV. Das Sozialgericht hat die Klage danach zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG). Die maßgeblichen Rechtsfragen sind in der (unter III genannten) Rechtsprechung des BSG geklärt.
Rechtskraft
Aus
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