Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 3524/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4287/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif der Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeit und seit 1. November 1990 im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Mit Veranlagungsbescheid vom 31. März 1998 stufte die Beklagte die Klägerin in den ab 1. Januar 1998 geltenden Gefahrtarif ein, und zwar in Gefahrtarifstelle 48 mit der Unternehmensart Arbeitsnehmerüberlassung, kaufmännisch, verwaltend (im Büro) mit der Gefahrklasse 0,57 und in Gefahrtarifstelle 49 die Unternehmensart Arbeitnehmerüberlassung - gewerblich und der Gefahrklasse 10,66. Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin, der eine Vielzahl von Zeitarbeitsnehmen vor Gericht vertritt, Widerspruch und brachte vor, dass bereits der Gefahrtarif (GT) 1995 für die Zeitarbeitsbranche eine erhebliche Steigerung der Gefahrklassen mit sich gebracht habe. Diese Steigerung weise der GT 1998 zwar nicht aus, doch lediglich wegen der neuen Berechnung der GT und der damit verbundenen erheblichen Erhöhung des Beitragsfußes. Diese neue Veranlagung sei willkürlich und entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere sei es unzulässig, den gesamten gewerblichen Bereich in lediglich einer Gefahrklasse abzubilden; auch beim Übergang vom tätigkeits- zum gewerbezweigbezogenen GT hätte eine Differenzierung geschaffen werden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig, da verfristet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 18. Mai 1999 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben, die mit Beschluss vom 25. Juni 1999 an das zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen worden ist (Az.: S 9 U 1636/99). Darin hat der Bevollmächtigte neben Ausführungen zur Zulässigkeit des Widerspruchs das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft und ergänzend darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten in der Vergangenheit ab 1983 aufgestellten Gefahrtarife von der Rechtsprechung als rechtswidrig angesehen worden seien. Auch beim GT 1998 bestehe insbesondere die Befürchtung, dass die Beklagte wesentlich mehr Beiträge einziehe, als dies der Unfalllast entspreche. Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten wurde mit Beschluss vom 18. Februar 2000 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 30. September 2009, eingegangen beim SG am 8. Oktober 2009, hat der Bevollmächtigte der Klägerin das Verfahren wieder angerufen. Dazu hat er ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10. Juni 2009 (Az.: S 1 U 139/08), betreffend den GT 1995 und die Klage abweisend, sowie seinen Schriftsatz vom 20. Juli 2009 an das LSG Rheinland-Pfalz (Az.: L 2 U 260/08) vorgelegt. Im Kern geht es um Vorwürfe, die Beklagte habe 1995 600 Mio. DM Überschuss eingenommen, von dem ein Großteil aus überhöhten Beiträgen der Zeitarbeitsunternehmen herrühre, diese weder an die Mitgliedsunternehmen zurückbezahlt noch ordnungsgemäß verbucht. Dies habe sich auch auf die Erstellung des Gefahrtarifs ausgewirkt. Auch wenn dies unmittelbar nur die Wirtschaftsjahre 1994 und 1995 betreffe, seien davon auch die Folgejahre berührt, da sie auf den Bilanzen der Vorjahre aufbauten. Dass der DGUV und das Bundesversicherungsamt die jeweiligen Rechnungsabschlüsse geprüft und genehmigt hätten, rechtfertige keine andere Beurteilung, da man die Mehreinnahmen gerade verschleiert habe. Vorgelegt hat der Bevollmächtigte ergänzend ein weiteres Anlagenkonvolut mit Schriftsätzen und Stellungnahmen.
Die Beklagte hat sich gegen die erhobenen Vorwürfe gewandt und ihrerseits verschiedene Schreiben und Entscheidungen vorgelegt, u.a. das - ebenfalls nicht für das dort klagende Zeitarbeitsunternehmen sprechende - Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. September 2009 (S 15 U 322/07), betreffend den GT 2007 sowie das für das klagende Zeitarbeitsunternehmen ebenfalls negative Urteil des LSG Rheinland-Pfalz in og. Streitsache vom 27. Juli 2009.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat am 3. Februar 2010 bei der Staatsanwaltschaft B. "Strafanzeige gegen Verantwortliche der Verwaltungsberufsgenossenschaft" wegen "Verdacht auf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage etc." sowie "dubioser Immobiliengeschäfte" gestellt. In dieser Anzeige hat er die bereits im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen Vorwürfe wiederholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2010 hat das SG den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. April 1999 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte habe den Widerspruch unzutreffend als unzulässig zurückgewiesen, da der Klägerbevollmächtigte nachgewiesen habe, dass sein Widerspruchsschreiben vom 8. April 1998 der Beklagten am 15. April 1998 zugegangen sei. Allerdings sei in der Sache der Anspruch der Klägerin nicht begründet, da weder der Gefahrtarif 1998 noch die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif rechtlich zu beanstanden sei. Die Ausführungen der Klägerin zur angeblichen Beitragsüberdeckung 1995 seien schon nicht entscheidungserheblich, da diese allenfalls die Beitragshöhe, nicht aber die Berechnung der Gefahrklassen beeinflussen könne. Beitragsbescheide seien jedoch nicht Streitgegenstand. Daher seien auch die zum Beweis der Überdeckung angebotenen Zeugen nicht zu vernehmen. Im Übrigen verpflichte der im sozialgerichtlichen Verfahren herrschende Amtsermittlungsgrundsatz nicht, unsubstantiierten, ehrenrührigen Behauptungen durch die Erhebung von Ausforschungsbeweisen nachzugehen. Dies hätten bereits mehrere Sozialgerichte ausgeführt und auch vom Landgericht Hamburg sei dem Klägerbevollmächtigten die Unterlassung der ehrenrührigen Behauptungen aufgegeben worden. Dass der Klägerbevollmächtigte mittlerweile Strafantrag gestellt habe, rechtfertige keine abweichende Beurteilung, insbesondere nicht, das Klageverfahren nach § 114 Abs. 3 SGG auszusetzen. Es handle sich beim Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nämlich um reine Spekulationen, nicht aber den Verdacht einer Straftat.
Gegen den am 11. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 9. September 2010 Berufung eingelegt, mit der der Bevollmächtigte das bisherige Vorbringen lediglich wiederholt.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 2010 abzuändern und auch den Bescheid vom 31. März 1998 aufzuheben, hilfsweise die Beweise gemäß Anträgen im Schriftsatz vom 03.09.2010 zu erheben.
Für den Fall, dass diesen Anträgen nicht gefolgt wird, rüge er bereits jetzt die Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Grundsatzes der Amtsermittlung.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, dass das zur Aufstellung des Gefahrtarifs 1998 verwendete Computerprogramm fehlerhaft gewesen wäre, deshalb auch der Gefahrtarif lediglich auf Schätzungen beruhe und deshalb fehlerhaft sei. An den vor der Wiederanrufung erhobenen Einwände gegen den Gefahrtarif werde nicht mehr festgehalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass die eingeleiteten Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaften D. (Az.: 741 Js 139/10) und B. (Az.: 37 Js 67/10) in zwei Fällen eingestellt worden sind (betreffend den Vorwurf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten sowie das Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Veranlagungsbescheid vom 31. März 1998. Was die Fristwahrung im Widerspruchsverfahren anbelangt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG auf Seite 5 des angefochtenen Gerichtsbescheids und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dieser Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen. In ihm sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII). Er ist nach Tarifstellen zu gliedern, denen jeweils eine aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist. In den Tarifstellen sind unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs Gruppen von Unternehmen oder Tätigkeitsbereiche mit gleichen oder ähnlichen Gefährdungsrisiken zu Gefahrengemeinschaften zusammenzufassen (§ 157 Abs. 1 bis 3 SGB VII).
Entsprechend dieser Kriterien hat die Beklagte die Klägerin zum Gefahrtarif 1998 veranlagt. Das Bundessozialgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. Juni 2003 entschieden (Az.: B 2 U 21/02 R), dass die Gefahrtarifstellen und die Gefahrklassen im Gefahrtarif 1998 der Beklagten, die für ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gebildet wurden, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht stehen. Insoweit hatte der Senat keine Veranlassung, den zunächst im Klageverfahren erhobenen Einwänden des Klägervertreters, die dieser zuletzt auch nicht mehr aufrecht erhalten hat, nachzugehen.
Die vom Klägerbevollmächtigten nunmehr gegen den Veranlagungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vorgebrachten Einwände vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat schon nicht dargetan, wie sich die behaupteten Mehreinnahmen der Beklagten auf die Gefahrklassenberechnung auswirken sollten. Die Gefahrklassen berechnen sich aus dem Verhältnis der Entschädigungslasten zu den gezahlten Entgelten einer Tarifstelle während eines bestimmten Zeitraums. Die sich daraus ergebende Belastungsziffer ergibt die Gefahrklasse. Keiner dieser Faktoren ist jedoch von den behaupteten Mehreinnahmen auch nur annähernd betroffen. Darauf ist auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 29. Juni 2010 (Az.: L 3 U 261/08) auf Seiten 16 und 17 der Entscheidungsgründe sehr ausführlich eingegangen, worauf ergänzend verwiesen wird. Mit diesem Gesichtspunkt und der zugrunde liegenden rechtlichen Problematik hat sich der Klägerbevollmächtigte in keiner Weise auseinander gesetzt. Das Vorbringen im Berufungsverfahren, wonach 600 Mio. DM Mehreinnahmen in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 "sehr wohl" auch den hier maßgeblichen Veranlagungsbescheid betreffen würden, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte lediglich ausgeführt, dass "wenn es stimmt, dass die Beklagte in den Jahren 1995 und 1996 festgestellt hat, dass sie aufgrund der vorangegangenen Gefahrtarifumstellung 600 Mio. DM zu viel in der Kasse hatte, so hätte dies selbstverständlich zur Folge haben müssen, dass man die Berechnungsgrundlagen für die neuen Gefahrklassen hätte ändern müssen". Dieser Vortrag berücksichtigt nicht die für die Aufstellung des Gefahrtarifs und die Bildung der Gefahrklassen maßgeblichen Kriterien, wie sie bereits dargestellt worden sind, bzw. die Frage, bei welchem Element der Gefahrklassenberechnung bzw. Gefahrtarifaufstellung überhaupt eine Mehreinnahme von 600 Mio. DM hätte relevant sein können. Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugen Dr. J. und Anderer war mangels rechtlicher und tatsächlicher Bedeutung für das vorliegende Verfahren nicht nachzugehen. Darüber hinaus soll sich der angebotene Beweis auf Vorgänge beziehen, die die Wirtschaftsjahre 1994 und 1995 betreffen und damit vor Beginn des Zeitraums liegen, der für den Gefahrtarif 1998 von Bedeutung ist. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorbringt, dass diese Vorgänge "selbstverständlich" auch auf die Folgejahre Einfluss hätten, da "das Haushaltswesen und auch die Jahresabschlüsse jeweils auf das Vorjahr aufbauen", ist mit diesem Vorbringen weder hinreichend dargelegt noch substantiiert ein Zusammenhang der Wirtschaftsjahre 1994/1995 und dem Gefahrtarif 1998 vorgetragen. Es handelt sich um eine bloße Behauptung, für deren Richtigkeit der Klägerbevollmächtigte weder Beweis angeboten noch Unterlagen vorgelegt hat, die einen solchen Zusammenhang belegen könnten. Nur ergänzend weist der Senat deshalb darauf hin, dass bereits das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 13. Februar 2009 zutreffend ausgeführt hat, dass schon der Vortrag von behaupteten Mehreinnahmen in Höhe von 600 Mio. DM auch vor dem Hintergrund des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht hinreichend konkret ist. Soweit der Klägerbevollmächtigte im Berufungsverfahren vorträgt, der Umstand, dass das Oberlandesgericht Hamburg noch immer nicht über seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg entschieden habe, spreche für eine Sachentscheidung zu seinen Gunsten, handelt es sich um reine Spekulation, der nachzugehen der Senat keine Veranlassung hat.
Auch das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten gegenüber dem Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde war ohne Erfolg, wie dessen Schreiben vom 23. November 2009 belegt. So hat das Bundesversicherungsamt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich im Zuge der aufsichtsrechtlichen Prüfung keinerlei Hinweise auf Tatsachen ergeben hätten, die ein rechtsfehlerhaftes Vorgehen der Beklagten bei der Aufstellung der Gefahrtarife begründet hätten. Anhaltspunkte, die belegen könnten, dass sich die Beklagte die Genehmigungen u.a. des Bundesversicherungsamtes "erschlichen" hat, hat offenbar auch das Bundesversicherungsamt dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nicht entnehmen können. Soweit dafür Beweis angeboten worden ist, dass das Bundesversicherungsamt von "verschleierten Mehreinnahmen in Höhe von 600 Mio. DM" nichts gewusst hat bzw. den Gefahrtarif nicht genehmigt hätte, wären diesen Mehreinnahmen bekannt gewesen, sind diese Behauptungen unerheblich.
Unsubstantiiert ist auch der Vortrag, Nacherhebungen der Beklagten u.a. für den Gefahrtarif 1998 seien unter anderem deshalb unzutreffend erfolgt, da ein ausreichendes Computerprogramm zur Datenauswertung nicht vorgelegen habe. Das Bundessozialgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2003 (B 2 U 21/03 R) zum Gefahrtarif 1998 ausgeführt (dem lagen entsprechende Rügen des Klägerbevollmächtigten zugrunde, die Beklagte habe der Berechnung der Gefahrklassen unzureichendes Zahlenmaterial zugrunde gelegt), dass an der Festsetzung der Gefahrklassen keine rechtlichen Zweifel bestehen. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat in der zugrunde liegenden Entscheidung sehr ausführlich Bezug genommen auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 7. März 2001 (L 2 U 151/99), das auf alle vom Klägerbevollmächtigten nunmehr erneut und ohne neuen Inhalt wiederholten Einwände nach einer ausführlichen Zeugenbefragung bereits eingegangen ist. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat auch für das vorliegende Verfahren an.
Soweit der Klägerbevollmächtigte zuletzt vorgetragen hat, dass er im März 2010 Strafanzeige gegen "Verantwortliche der Verwaltungsberufsgenossenschaft" u.a. wegen Verdacht auf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage etc. gestellt und diese auch vorgelegt hat, ist das Verfahren von der Staatsanwaltschaft D. mit Beschluss vom 10. August 2010 wegen Verjährung der zugrunde liegenden Vorwürfe eingestellt worden. Soweit dort noch ein weiteres staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, handelt es sich hierbei um Ermittlungen wegen "diverser Immobiliengeschäfte", die bereits aus diesem Grund nicht mit der Erstellung des Gefahrtarifs 1995 der Beklagten in Zusammenhang stehen können. Die Staatsanwaltschaft B. hat mit Beschluss vom 8. September 2010 ein dort anhängiges Ermittlungsverfahren wegen der vom Klägerbevollmächtigten erhobenen Betrugsvorwürfe gegen einen Mitarbeiter der Beklagten, die der Klägerbevollmächtigte auf das selbe Vorbringen wie im vorliegenden Verfahren gestützt hat, ebenfalls eingestellt, da eine Täuschungshandlung nicht habe festgestellt werden können. Eines Eingehens des Gerichts auf den Aussetzungsbeschluss des Berichterstatters im 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts im Verfahren L 3 U 203/08 vom 29. Juli 2010 bedarf es deshalb ebenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das vorliegende Verfahren ist, auch wenn weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen gehören, nicht nach § 197a SGG gerichtskostenpflichtig, da die Klage gegen angefochtenen Bescheide bereits am 18. Mai 1999 und damit vor Inkrafttreten des § 197a SGG zum 1. Januar 2002 erhoben worden ist.
Das Kostenrecht des sozialgerichtlichen Verfahrens ist mit Wirkung vom 2. Januar 2002 (Art 19 Satz 3 6. SGGÄndG) grundlegend umgestaltet worden. In den in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG umschriebenen Verfahren entfällt die Gerichtskostenfreiheit. Gerichtskosten werden nunmehr nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Für die Frage, wer im Verhältnis der Beteiligten zueinander die im Rechtsstreit entstandenen Kosten zu tragen hat, ordnet das Gesetz die entsprechende Anwendung der §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001 gelten für einen Rechtszug, für den am Tag vor dem Inkrafttreten diese Gesetzes die Gebühr fällig geworden ist oder Kosten gemäß § 192 SGG auferlegt worden sind, die §§ 184 bis 187 und 192 des SGG und die Rechtsverordnung nach § 184 Abs. 2 SGG in der bisherigen Fassung weiter. Für Verfahren nach § 197 a SGG gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 SGG, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtshängig waren, § 183 des SGG in der bisherigen Fassung weiter. Die Aufhebung der Gerichtskostenfreiheit erfasst deshalb nach der Übergangsregelung des Art 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGGÄndG solche Verfahren nicht, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes rechtshängig waren.
Das Bundessozialgericht hat in mehreren grundlegenden Entscheidungen zur Streitfrage, ob in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGGÄndG wie in Satz 1 auf den jeweiligen Rechtszug abzustellen ist oder auf die Rechtshängigkeit der Streitsache an sich, ausgeführt, dass abweichend von Satz 1 die Rechtshängigkeit maßgeblich ist und nicht der Rechtszug (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 12/01 R = SozR 3-2500 § 116 Nr. 24; Beschluss vom 27. November 2003 - B 6 KA 79/02 B; Beschluss vom 5. Mai 2003 - B 13 SF 5/02 S = SozR 4-1500 § 183 Nr. 1; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2002 - L 13 AL 283/02 - auch in Satz 2 sei auf den Rechtszug abzustellen).
Das Verfahren ist mit der Klageerhebung vor dem SG am 18. Mai 1999 rechtshängig geworden und damit vor dem Inkrafttreten des § 197a in der Fassung des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001. Das Ruhen des Verfahrens bis zur Wiederanrufung am 8. Oktober 2009 lässt die Rechtshängigkeit unberührt (BSG SozR Nr. 4 zu § 185 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 94 Rn. 4a mwN).
Damit ist der Beschluss über die vorläufige Festsetzung des Streitwerts vom 29. September 2010 obsolet.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Im Streit steht die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheids zum Gefahrtarif der Beklagten für die Jahre 1998 bis 2000.
Die Klägerin ist ein Unternehmen der Zeitarbeit und seit 1. November 1990 im Unternehmerverzeichnis der Beklagten eingetragen. Mit Veranlagungsbescheid vom 31. März 1998 stufte die Beklagte die Klägerin in den ab 1. Januar 1998 geltenden Gefahrtarif ein, und zwar in Gefahrtarifstelle 48 mit der Unternehmensart Arbeitsnehmerüberlassung, kaufmännisch, verwaltend (im Büro) mit der Gefahrklasse 0,57 und in Gefahrtarifstelle 49 die Unternehmensart Arbeitnehmerüberlassung - gewerblich und der Gefahrklasse 10,66. Dagegen erhob der Bevollmächtigte der Klägerin, der eine Vielzahl von Zeitarbeitsnehmen vor Gericht vertritt, Widerspruch und brachte vor, dass bereits der Gefahrtarif (GT) 1995 für die Zeitarbeitsbranche eine erhebliche Steigerung der Gefahrklassen mit sich gebracht habe. Diese Steigerung weise der GT 1998 zwar nicht aus, doch lediglich wegen der neuen Berechnung der GT und der damit verbundenen erheblichen Erhöhung des Beitragsfußes. Diese neue Veranlagung sei willkürlich und entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben. Insbesondere sei es unzulässig, den gesamten gewerblichen Bereich in lediglich einer Gefahrklasse abzubilden; auch beim Übergang vom tätigkeits- zum gewerbezweigbezogenen GT hätte eine Differenzierung geschaffen werden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unzulässig, da verfristet zurück.
Dagegen hat die Klägerin am 18. Mai 1999 Klage zum Sozialgericht Stuttgart erhoben, die mit Beschluss vom 25. Juni 1999 an das zuständige Sozialgericht Heilbronn (SG) verwiesen worden ist (Az.: S 9 U 1636/99). Darin hat der Bevollmächtigte neben Ausführungen zur Zulässigkeit des Widerspruchs das bisherige Vorbringen wiederholt und vertieft und ergänzend darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten in der Vergangenheit ab 1983 aufgestellten Gefahrtarife von der Rechtsprechung als rechtswidrig angesehen worden seien. Auch beim GT 1998 bestehe insbesondere die Befürchtung, dass die Beklagte wesentlich mehr Beiträge einziehe, als dies der Unfalllast entspreche. Auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten wurde mit Beschluss vom 18. Februar 2000 das Ruhen des Verfahrens angeordnet.
Mit Schriftsatz vom 30. September 2009, eingegangen beim SG am 8. Oktober 2009, hat der Bevollmächtigte der Klägerin das Verfahren wieder angerufen. Dazu hat er ein Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 10. Juni 2009 (Az.: S 1 U 139/08), betreffend den GT 1995 und die Klage abweisend, sowie seinen Schriftsatz vom 20. Juli 2009 an das LSG Rheinland-Pfalz (Az.: L 2 U 260/08) vorgelegt. Im Kern geht es um Vorwürfe, die Beklagte habe 1995 600 Mio. DM Überschuss eingenommen, von dem ein Großteil aus überhöhten Beiträgen der Zeitarbeitsunternehmen herrühre, diese weder an die Mitgliedsunternehmen zurückbezahlt noch ordnungsgemäß verbucht. Dies habe sich auch auf die Erstellung des Gefahrtarifs ausgewirkt. Auch wenn dies unmittelbar nur die Wirtschaftsjahre 1994 und 1995 betreffe, seien davon auch die Folgejahre berührt, da sie auf den Bilanzen der Vorjahre aufbauten. Dass der DGUV und das Bundesversicherungsamt die jeweiligen Rechnungsabschlüsse geprüft und genehmigt hätten, rechtfertige keine andere Beurteilung, da man die Mehreinnahmen gerade verschleiert habe. Vorgelegt hat der Bevollmächtigte ergänzend ein weiteres Anlagenkonvolut mit Schriftsätzen und Stellungnahmen.
Die Beklagte hat sich gegen die erhobenen Vorwürfe gewandt und ihrerseits verschiedene Schreiben und Entscheidungen vorgelegt, u.a. das - ebenfalls nicht für das dort klagende Zeitarbeitsunternehmen sprechende - Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 22. September 2009 (S 15 U 322/07), betreffend den GT 2007 sowie das für das klagende Zeitarbeitsunternehmen ebenfalls negative Urteil des LSG Rheinland-Pfalz in og. Streitsache vom 27. Juli 2009.
Der Bevollmächtigte der Klägerin hat am 3. Februar 2010 bei der Staatsanwaltschaft B. "Strafanzeige gegen Verantwortliche der Verwaltungsberufsgenossenschaft" wegen "Verdacht auf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage etc." sowie "dubioser Immobiliengeschäfte" gestellt. In dieser Anzeige hat er die bereits im Rahmen der Klagebegründung vorgetragenen Vorwürfe wiederholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 6. August 2010 hat das SG den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23. April 1999 aufgehoben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Beklagte habe den Widerspruch unzutreffend als unzulässig zurückgewiesen, da der Klägerbevollmächtigte nachgewiesen habe, dass sein Widerspruchsschreiben vom 8. April 1998 der Beklagten am 15. April 1998 zugegangen sei. Allerdings sei in der Sache der Anspruch der Klägerin nicht begründet, da weder der Gefahrtarif 1998 noch die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif rechtlich zu beanstanden sei. Die Ausführungen der Klägerin zur angeblichen Beitragsüberdeckung 1995 seien schon nicht entscheidungserheblich, da diese allenfalls die Beitragshöhe, nicht aber die Berechnung der Gefahrklassen beeinflussen könne. Beitragsbescheide seien jedoch nicht Streitgegenstand. Daher seien auch die zum Beweis der Überdeckung angebotenen Zeugen nicht zu vernehmen. Im Übrigen verpflichte der im sozialgerichtlichen Verfahren herrschende Amtsermittlungsgrundsatz nicht, unsubstantiierten, ehrenrührigen Behauptungen durch die Erhebung von Ausforschungsbeweisen nachzugehen. Dies hätten bereits mehrere Sozialgerichte ausgeführt und auch vom Landgericht Hamburg sei dem Klägerbevollmächtigten die Unterlassung der ehrenrührigen Behauptungen aufgegeben worden. Dass der Klägerbevollmächtigte mittlerweile Strafantrag gestellt habe, rechtfertige keine abweichende Beurteilung, insbesondere nicht, das Klageverfahren nach § 114 Abs. 3 SGG auszusetzen. Es handle sich beim Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nämlich um reine Spekulationen, nicht aber den Verdacht einer Straftat.
Gegen den am 11. August 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 9. September 2010 Berufung eingelegt, mit der der Bevollmächtigte das bisherige Vorbringen lediglich wiederholt.
Der Klägerbevollmächtigte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 6. August 2010 abzuändern und auch den Bescheid vom 31. März 1998 aufzuheben, hilfsweise die Beweise gemäß Anträgen im Schriftsatz vom 03.09.2010 zu erheben.
Für den Fall, dass diesen Anträgen nicht gefolgt wird, rüge er bereits jetzt die Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Grundsatzes der Amtsermittlung.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, dass das zur Aufstellung des Gefahrtarifs 1998 verwendete Computerprogramm fehlerhaft gewesen wäre, deshalb auch der Gefahrtarif lediglich auf Schätzungen beruhe und deshalb fehlerhaft sei. An den vor der Wiederanrufung erhobenen Einwände gegen den Gefahrtarif werde nicht mehr festgehalten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Gerichtsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass die eingeleiteten Strafverfahren durch die Staatsanwaltschaften D. (Az.: 741 Js 139/10) und B. (Az.: 37 Js 67/10) in zwei Fällen eingestellt worden sind (betreffend den Vorwurf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten sowie das Vorbringen der Beteiligten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Veranlagungsbescheid vom 31. März 1998. Was die Fristwahrung im Widerspruchsverfahren anbelangt, verweist der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des SG auf Seite 5 des angefochtenen Gerichtsbescheids und macht sich diese zu eigen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Dieser Gefahrtarif ist vom Unfallversicherungsträger als autonomes Recht festzusetzen. In ihm sind zur Abstufung der Beiträge Gefahrklassen festzustellen (§ 157 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VII). Er ist nach Tarifstellen zu gliedern, denen jeweils eine aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten errechnete Gefahrklasse zugeordnet ist. In den Tarifstellen sind unter Berücksichtigung eines versicherungsmäßigen Risikoausgleichs Gruppen von Unternehmen oder Tätigkeitsbereiche mit gleichen oder ähnlichen Gefährdungsrisiken zu Gefahrengemeinschaften zusammenzufassen (§ 157 Abs. 1 bis 3 SGB VII).
Entsprechend dieser Kriterien hat die Beklagte die Klägerin zum Gefahrtarif 1998 veranlagt. Das Bundessozialgericht hat bereits in seinem Urteil vom 24. Juni 2003 entschieden (Az.: B 2 U 21/02 R), dass die Gefahrtarifstellen und die Gefahrklassen im Gefahrtarif 1998 der Beklagten, die für ein Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung gebildet wurden, in Übereinstimmung mit höherrangigem Recht stehen. Insoweit hatte der Senat keine Veranlassung, den zunächst im Klageverfahren erhobenen Einwänden des Klägervertreters, die dieser zuletzt auch nicht mehr aufrecht erhalten hat, nachzugehen.
Die vom Klägerbevollmächtigten nunmehr gegen den Veranlagungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vorgebrachten Einwände vermögen eine abweichende Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Der Bevollmächtigte der Klägerin hat schon nicht dargetan, wie sich die behaupteten Mehreinnahmen der Beklagten auf die Gefahrklassenberechnung auswirken sollten. Die Gefahrklassen berechnen sich aus dem Verhältnis der Entschädigungslasten zu den gezahlten Entgelten einer Tarifstelle während eines bestimmten Zeitraums. Die sich daraus ergebende Belastungsziffer ergibt die Gefahrklasse. Keiner dieser Faktoren ist jedoch von den behaupteten Mehreinnahmen auch nur annähernd betroffen. Darauf ist auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz in seinem Urteil vom 29. Juni 2010 (Az.: L 3 U 261/08) auf Seiten 16 und 17 der Entscheidungsgründe sehr ausführlich eingegangen, worauf ergänzend verwiesen wird. Mit diesem Gesichtspunkt und der zugrunde liegenden rechtlichen Problematik hat sich der Klägerbevollmächtigte in keiner Weise auseinander gesetzt. Das Vorbringen im Berufungsverfahren, wonach 600 Mio. DM Mehreinnahmen in den Wirtschaftsjahren 1994/1995 "sehr wohl" auch den hier maßgeblichen Veranlagungsbescheid betreffen würden, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte lediglich ausgeführt, dass "wenn es stimmt, dass die Beklagte in den Jahren 1995 und 1996 festgestellt hat, dass sie aufgrund der vorangegangenen Gefahrtarifumstellung 600 Mio. DM zu viel in der Kasse hatte, so hätte dies selbstverständlich zur Folge haben müssen, dass man die Berechnungsgrundlagen für die neuen Gefahrklassen hätte ändern müssen". Dieser Vortrag berücksichtigt nicht die für die Aufstellung des Gefahrtarifs und die Bildung der Gefahrklassen maßgeblichen Kriterien, wie sie bereits dargestellt worden sind, bzw. die Frage, bei welchem Element der Gefahrklassenberechnung bzw. Gefahrtarifaufstellung überhaupt eine Mehreinnahme von 600 Mio. DM hätte relevant sein können. Dem hilfsweise gestellten Antrag auf Vernehmung der Zeugen Dr. J. und Anderer war mangels rechtlicher und tatsächlicher Bedeutung für das vorliegende Verfahren nicht nachzugehen. Darüber hinaus soll sich der angebotene Beweis auf Vorgänge beziehen, die die Wirtschaftsjahre 1994 und 1995 betreffen und damit vor Beginn des Zeitraums liegen, der für den Gefahrtarif 1998 von Bedeutung ist. Soweit der Klägerbevollmächtigte vorbringt, dass diese Vorgänge "selbstverständlich" auch auf die Folgejahre Einfluss hätten, da "das Haushaltswesen und auch die Jahresabschlüsse jeweils auf das Vorjahr aufbauen", ist mit diesem Vorbringen weder hinreichend dargelegt noch substantiiert ein Zusammenhang der Wirtschaftsjahre 1994/1995 und dem Gefahrtarif 1998 vorgetragen. Es handelt sich um eine bloße Behauptung, für deren Richtigkeit der Klägerbevollmächtigte weder Beweis angeboten noch Unterlagen vorgelegt hat, die einen solchen Zusammenhang belegen könnten. Nur ergänzend weist der Senat deshalb darauf hin, dass bereits das Landgericht Hamburg in seinem Urteil vom 13. Februar 2009 zutreffend ausgeführt hat, dass schon der Vortrag von behaupteten Mehreinnahmen in Höhe von 600 Mio. DM auch vor dem Hintergrund des im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatzes nicht hinreichend konkret ist. Soweit der Klägerbevollmächtigte im Berufungsverfahren vorträgt, der Umstand, dass das Oberlandesgericht Hamburg noch immer nicht über seine Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg entschieden habe, spreche für eine Sachentscheidung zu seinen Gunsten, handelt es sich um reine Spekulation, der nachzugehen der Senat keine Veranlassung hat.
Auch das Vorbringen des Klägerbevollmächtigten gegenüber dem Bundesversicherungsamt als Aufsichtsbehörde war ohne Erfolg, wie dessen Schreiben vom 23. November 2009 belegt. So hat das Bundesversicherungsamt ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich im Zuge der aufsichtsrechtlichen Prüfung keinerlei Hinweise auf Tatsachen ergeben hätten, die ein rechtsfehlerhaftes Vorgehen der Beklagten bei der Aufstellung der Gefahrtarife begründet hätten. Anhaltspunkte, die belegen könnten, dass sich die Beklagte die Genehmigungen u.a. des Bundesversicherungsamtes "erschlichen" hat, hat offenbar auch das Bundesversicherungsamt dem Vorbringen des Klägerbevollmächtigten nicht entnehmen können. Soweit dafür Beweis angeboten worden ist, dass das Bundesversicherungsamt von "verschleierten Mehreinnahmen in Höhe von 600 Mio. DM" nichts gewusst hat bzw. den Gefahrtarif nicht genehmigt hätte, wären diesen Mehreinnahmen bekannt gewesen, sind diese Behauptungen unerheblich.
Unsubstantiiert ist auch der Vortrag, Nacherhebungen der Beklagten u.a. für den Gefahrtarif 1998 seien unter anderem deshalb unzutreffend erfolgt, da ein ausreichendes Computerprogramm zur Datenauswertung nicht vorgelegen habe. Das Bundessozialgericht hat bereits in seiner Entscheidung vom 24. Juni 2003 (B 2 U 21/03 R) zum Gefahrtarif 1998 ausgeführt (dem lagen entsprechende Rügen des Klägerbevollmächtigten zugrunde, die Beklagte habe der Berechnung der Gefahrklassen unzureichendes Zahlenmaterial zugrunde gelegt), dass an der Festsetzung der Gefahrklassen keine rechtlichen Zweifel bestehen. Das Landessozialgericht Schleswig-Holstein hat in der zugrunde liegenden Entscheidung sehr ausführlich Bezug genommen auf das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 7. März 2001 (L 2 U 151/99), das auf alle vom Klägerbevollmächtigten nunmehr erneut und ohne neuen Inhalt wiederholten Einwände nach einer ausführlichen Zeugenbefragung bereits eingegangen ist. Diesen Ausführungen schließt sich der erkennende Senat auch für das vorliegende Verfahren an.
Soweit der Klägerbevollmächtigte zuletzt vorgetragen hat, dass er im März 2010 Strafanzeige gegen "Verantwortliche der Verwaltungsberufsgenossenschaft" u.a. wegen Verdacht auf Prozessbetrug, Urkundenfälschung, uneidliche Falschaussage etc. gestellt und diese auch vorgelegt hat, ist das Verfahren von der Staatsanwaltschaft D. mit Beschluss vom 10. August 2010 wegen Verjährung der zugrunde liegenden Vorwürfe eingestellt worden. Soweit dort noch ein weiteres staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren anhängig ist, handelt es sich hierbei um Ermittlungen wegen "diverser Immobiliengeschäfte", die bereits aus diesem Grund nicht mit der Erstellung des Gefahrtarifs 1995 der Beklagten in Zusammenhang stehen können. Die Staatsanwaltschaft B. hat mit Beschluss vom 8. September 2010 ein dort anhängiges Ermittlungsverfahren wegen der vom Klägerbevollmächtigten erhobenen Betrugsvorwürfe gegen einen Mitarbeiter der Beklagten, die der Klägerbevollmächtigte auf das selbe Vorbringen wie im vorliegenden Verfahren gestützt hat, ebenfalls eingestellt, da eine Täuschungshandlung nicht habe festgestellt werden können. Eines Eingehens des Gerichts auf den Aussetzungsbeschluss des Berichterstatters im 3. Senat des Hessischen Landessozialgerichts im Verfahren L 3 U 203/08 vom 29. Juli 2010 bedarf es deshalb ebenfalls nicht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Das vorliegende Verfahren ist, auch wenn weder Klägerin noch Beklagte zu den in § 183 Sozialgerichtsgesetz (SGG) genannten Personen gehören, nicht nach § 197a SGG gerichtskostenpflichtig, da die Klage gegen angefochtenen Bescheide bereits am 18. Mai 1999 und damit vor Inkrafttreten des § 197a SGG zum 1. Januar 2002 erhoben worden ist.
Das Kostenrecht des sozialgerichtlichen Verfahrens ist mit Wirkung vom 2. Januar 2002 (Art 19 Satz 3 6. SGGÄndG) grundlegend umgestaltet worden. In den in § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 SGG umschriebenen Verfahren entfällt die Gerichtskostenfreiheit. Gerichtskosten werden nunmehr nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Für die Frage, wer im Verhältnis der Beteiligten zueinander die im Rechtsstreit entstandenen Kosten zu tragen hat, ordnet das Gesetz die entsprechende Anwendung der §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) an (§ 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG). Nach der Übergangsvorschrift des Art. 17 Abs. 1 Satz 1 des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001 gelten für einen Rechtszug, für den am Tag vor dem Inkrafttreten diese Gesetzes die Gebühr fällig geworden ist oder Kosten gemäß § 192 SGG auferlegt worden sind, die §§ 184 bis 187 und 192 des SGG und die Rechtsverordnung nach § 184 Abs. 2 SGG in der bisherigen Fassung weiter. Für Verfahren nach § 197 a SGG gilt nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 SGG, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes rechtshängig waren, § 183 des SGG in der bisherigen Fassung weiter. Die Aufhebung der Gerichtskostenfreiheit erfasst deshalb nach der Übergangsregelung des Art 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGGÄndG solche Verfahren nicht, die vor dem In-Kraft-Treten dieses Gesetzes rechtshängig waren.
Das Bundessozialgericht hat in mehreren grundlegenden Entscheidungen zur Streitfrage, ob in Art. 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGGÄndG wie in Satz 1 auf den jeweiligen Rechtszug abzustellen ist oder auf die Rechtshängigkeit der Streitsache an sich, ausgeführt, dass abweichend von Satz 1 die Rechtshängigkeit maßgeblich ist und nicht der Rechtszug (vgl. BSG, Urteil vom 30. Januar 2002 - B 6 KA 12/01 R = SozR 3-2500 § 116 Nr. 24; Beschluss vom 27. November 2003 - B 6 KA 79/02 B; Beschluss vom 5. Mai 2003 - B 13 SF 5/02 S = SozR 4-1500 § 183 Nr. 1; a.A. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 13. Mai 2002 - L 13 AL 283/02 - auch in Satz 2 sei auf den Rechtszug abzustellen).
Das Verfahren ist mit der Klageerhebung vor dem SG am 18. Mai 1999 rechtshängig geworden und damit vor dem Inkrafttreten des § 197a in der Fassung des 6. SGGÄndG vom 17. August 2001. Das Ruhen des Verfahrens bis zur Wiederanrufung am 8. Oktober 2009 lässt die Rechtshängigkeit unberührt (BSG SozR Nr. 4 zu § 185 SGG; Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, § 94 Rn. 4a mwN).
Damit ist der Beschluss über die vorläufige Festsetzung des Streitwerts vom 29. September 2010 obsolet.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved