Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 5580/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4475/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.07.2010 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der geborene Kläger absolvierte keine Berufsausbildung und war bis zuletzt im März 2005 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Einen ersten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 ab. Zu Grunde lag das Gutachten des Facharztes für Chirurgie, Sozialmedizin Dr. K. vom Oktober 2007, in dem dieser nach Untersuchung des Klägers degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit rechtsausstrahlender Lumbalgie und Sensibilitätsstörungen, einen Zustand nach Bandscheibenoperation im Bereich der Halswirbelkörper 6/7 mit Einschränkungen der Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) und konsekutiven muskulären Verspannungen, eine chronische Epicondylitis radialis rechts, nervliche Anspannung und Schlafstörungen sowie BWS-Blockierungen diagnostizierte, den Kläger aber für leichte Tätigkeiten vollschichtig einsatzfähig sah. Zu vermeiden seien Belastungen und Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopftätigkeiten, häufige Pro- und Supinationsbewegungen (z.B. Betätigen eines Schraubenziehers mit der rechten Hand), Nachtschicht, Akkordarbeit, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie - soweit Zwangshaltung erfordernd - Bildschirmtätigkeiten.
Den bereits am 27.05.2008 vom Kläger erneut gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.2008 und Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 mit identischer Begründung, also gestützt auf das Gutachten von Dr. K., ab.
Das hiergegen am 07.11.2008 angerufene Sozialgericht Freiburg hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen vernommen. Der Hausarzt Dr. W. hat keine Leistungsbeurteilung abgegeben, der Nervenarzt Dr. St. hat die neurologischen Befunde als geringfügig erachtet und nur Tätigkeiten mit spezieller Anforderung an die rechte obere Extremität und Belastungen der HWS (z.B. Schiedsrichter im Tennis) sowie Tätigkeiten ab mittelschwer ausgeschlossen. Psychisch seien die Symptome reaktiv und überwindbar, Tätigkeiten seien sechs Stunden und mehr möglich.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. v. St., K. K.-L., und ein nervenärztliches Sachverständigengutachten bei Dr. Sch. eingeholt. Dr. v. St. hat die bereits bekannten degenerativen Syndrome im Bereich der LWS und HWS, jeweils mit intermittierenden Nervenwurzelreizerscheinungen, hinsichtlich der HWS mit Kompressionserscheinungen, vornehmlich C6 und C8, sowie endgradiger Bewegungseinschränkung der HWS und die chronisch-rezidivierende Epicondylitis radialis mit endgradiger Bewegungseinschränkung für die maximale Beugefähigkeit des rechten Ellenbogengelenkes diagnostiziert und leichte bis selten auch mittelschwere körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen von Gewichten über zehn Kilogramm mindestens sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Die Arbeitshaltung solle einen Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen möglich machen, die Intervalle sollten frei gewählt werden können. Häufiges Bücken sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und auf sonstigem rutschigem Untergrund solle unterbleiben, ebenso Arbeiten unter Zeitdruck wie Akkordarbeiten, in wechselnder Umgebungstemperatur, insbesondere in nasskalter Umgebung. Dr. Sch. hat eine depressive Entwicklung, ein Carpaltunnel- und Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits, einen Anspannungstremor der rechten Hand, eine Cephalgie sowie eine Lumboischialgie diagnostiziert und ebenso wie zuvor Dr. v. St. leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen von Gewichten über zehn Kilogramm mindestens sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Er hat Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkordtätigkeiten, Tätigkeiten am Fließband, unter großem Zeitdruck, in ständiger Nässe oder Kälte ebenso ausgeschlossen wie hohe nervliche Beanspruchung und ausgeprägten Publikumsverkehr.
Mit Urteil vom 21.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und unter Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 und § 240 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) einen derartigen Anspruch des Kläger abgelehnt, weil dieser trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage sei körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkung mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es hat sich hierbei vor allem auf die Beurteilung von Dr. St. gestützt, die durch die gerichtlichen Sachverständigen Dr. v. St. und Dr. Sch. bestätigt werde. Die von den Sachverständigen aufgeführten Einschränkungen ermöglichten etwa noch eine Tätigkeit als Pförtner an einer Nebenpforte oder in einer Poststelle. Ein besonderer Berufsschutz stehe dem Kläger nicht zu, sodass er auf alle Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verweisbar sei.
Gegen das ihm am 23.08.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.09.2010 Berufung eingelegt. Er verweist darauf, dass das von Dr. v. St. geforderte frei wählbare Intervall zwischen den Körperhaltungen mit den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht in Einklang zu bringen sei, auch nicht mit einer Tätigkeit als Pförtner. Der Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters stehe entgegen, dass er keine Gewichte über zehn Kilogramm heben könne und auch das Besteigen von Leitern nicht mehr möglich sei. Schließlich habe Dr. Sch. einen Tremor an den Händen festgestellt, der auch leichteren Schreibarbeiten entgegen stehe. Zwischenzeitlich müsse er ein sog. "TENS-Gerät" zur Schmerzlinderung verwenden, was mit den Anforderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in Einklang zu bringen sei.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 21.10.2010),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.07.2010 und den Bescheid vom 09.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 27.05.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, die Benutzung des "TENS-Gerätes" sei auch außerhalb der Arbeitszeit möglich.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der vom Kläger noch geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Gegenüber der Klageschrift mit dem dort gestellten Antrag (Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung) hat der Kläger im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 21.10.2010) nur noch die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Dementsprechend ist das angefochtene Urteil, soweit es die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, abgewiesen hat, rechtskräftig geworden.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend (auch) die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden und länger täglich ausüben kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Wie das Sozialgericht gelangt somit auch der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger noch zumindest leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Keiner der mit der Begutachtung des Klägers betrauten Ärzte ist insoweit von einer zeitlich rentenrelevanten Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden täglich ausgegangen. Zwischenzeitlich behauptet auch der Kläger nichts anderes.
Ausnahmsweise besteht aber auch bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Entgegen der Auffassung des Klägers führen die qualitativen Einschränkungen, die durch die bei ihm vorhanden Gesundheitsstörungen bedingt werden, nicht zu einer rentenrelevanten Minderung des Leistungsvermögens. Hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen schließt sich der Senat der Beurteilung von Dr. K. und Dr. St. an. Dementsprechend sind nach den Ausführungen von Dr. K. Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Überkopftätigkeiten und Tätigkeiten, die häufige Pro- und Supinationsbewegungen erfordern (Betätigen eines Schraubenziehers mit der rechten Hand) nicht mehr zumutbar. Gleiches gilt für Nachtschicht und Akkordarbeit, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und - soweit mit Zwangshaltung verbunden - am Bildschirm. Dr. St. hat diese qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bestätigt, wenn er spezielle Anforderungen an die rechte obere Extremität und die HWS ausschließt; normalen Anforderung kann der Kläger somit gerecht werden.
Nichts wesentlich anderes folgt aus den qualitativen Einschränkungen, die Dr. v. St. aufgeführt hat. Er empfiehlt eine Arbeitshaltung im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mit frei wählbaren Intervallen. Im Grunde schließt er - wie Dr. K. und Dr. Sch.- damit lediglich Zwangshaltungen aus. Entgegen der Auffassung des Klägers sind somit seine Ausführungen nicht dahin zu verstehen, dass der Kläger jederzeit die gegebenenfalls auch nur kurzfristige Arbeitshaltung verändern können muss. Dementsprechend gehen die Ausführungen des Klägers, auch als Pförtner könne er nicht arbeiten, weil er während der Stoßzeiten bei Personenkontrollen oder Ausfüllen von Passierscheinen keinen kurzen Spaziergang machen könne, an der Sache vorbei. Soweit entgegen der Einschätzung des Senats Dr. von St. das erwähnte frei wählbare Intervall tatsächlich im vom Kläger verstandenen Sinne gemeint haben sollte, folgt der Senat einer derartigen Einschätzung nicht. Für eine derartige qualitative Einschränkung sind keine Gründe ersichtlich. Der Kläger leidet an degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, die üblicherweise - und so auch die Beurteilung von Dr. K. und Dr. Sch. - Zwangshaltungen ausschließen, sodass ein Wechsel der Körperhaltung am günstigsten ist. Dies bedeutet somit nicht, dass der Kläger tatsächlich nur noch Tätigkeiten ausführen kann, bei denen die von Dr. v. St. aufgeführten drei Körperhaltungen (Gehen, Stehen, Sitzen) eingenommen werden und jederzeit ohne Rücksicht auf die Tätigkeit gewechselt werden können; eine Begründung für eine solche Einschränkung hat der Sachverständige auch nicht gegeben. Ohnehin deutet die Wortwahl von Dr. v. St. darauf hin, dass seine Ausführungen im Sinne einer Empfehlung günstiger Arbeitsbedingungen zu verstehen sind, wenn er den Konjunktiv ("sollte") verwendet und somit seine Anforderungen nicht als zwingend ansieht (unter Verwendung des Wortes "muss").
Im Ergebnis sind dem Kläger somit vor allem Zwangshaltungen der Wirbelsäule nicht mehr möglich. Ebenfalls auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen hält der Senat Überkopfarbeiten (so Dr. K.), häufiges Bücken (so Dr. v. St. und Dr. Sch. übereinstimmend), Arbeiten auf Leitern und Gerüsten (so bereits Dr. K.) sowie unter Zeitdruck, insbesondere Akkordarbeit und Nachtschicht (Dr. K.) für ausgeschlossen. Gleiches gilt für Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen (Dr. v. St. und Dr. K. insoweit ebenfalls übereinstimmend). Soweit Dr. Sch. hohe nervliche Beanspruchung und ausgeprägten Publikumsverkehr ausschließt, zeigt dies, dass der Kläger normalen Anforderung, also normaler Beanspruchung und normalem Publikumsverkehr gewachsen ist.
Weitere Einschränkungen liegen nicht vor.
Die Behauptung des Klägers, Dr. Sch. habe an den Händen einen Tremor festgestellt, trifft so nicht zu. Tatsächlich hat Dr. Sch. lediglich an der rechten Hand einen Anstrengungstremor diagnostiziert. Er hat hieraus indessen keinerlei qualitativen Einschränkungen abgeleitet, insbesondere Schreibarbeiten gerade nicht ausgeschlossen.
Soweit der Kläger auf die Nutzung eines so genannten "TENS-Gerätes" (von transkutaner elektrischer Nervenstimulation = TENS; durch das tragbare Gerät werden elektrische Impulse erzeugt und über angelegte Elektroden durch die Haut auf das Nervensystem übertragen, was zur Schmerzlinderung führen soll) verweist und daraus eine zusätzliche Beeinträchtigung spezifischer Art herleitet, folgt ihm der Senat nicht. Nach dem Vortrag des Klägers nutzt er dieses Gerät zur Schmerzlinderung dreimal täglich. Umgesetzt auf eine sechsstündige Tätigkeit ist somit - worauf auch die Beklagte hingewiesen hat - bei dieser Anwendungshäufigkeit eine Anwendung während der sechsstündigen Arbeit nicht erforderlich, sondern kann auf die Zeit vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende gelegt werden. Nicht zutreffend ist darüber hinaus die Behauptung des Klägers, er dürfe ein solches Gerät nicht zur Arbeit mitbringen und schon gar nicht anwenden. Ein derartiges Verbot besteht nicht. Vielmehr steht es dem Kläger nach den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes frei, ein solches Gerät auch am Arbeitsplatz, insbesondere auch während der üblichen Pausen, einzusetzen. Angesichts der Wirkungsweise des Gerätes kann - je nach Arbeitsplatz - dieses auch während der Arbeitsverrichtung angewandt werden. Dies gilt insbesondere für im Sitzen verrichtbare Tätigkeiten. Im Übrigen hat keiner der mit der Begutachtung des Klägers betrauten Ärzte den (unbehandelten) Schmerzzuständen eine rentenrelevante Bedeutung zugemessen. Dann aber kann auch die Behandlung dieser Schmerzen durch das "TENS-Gerät" keine rentenrelevante Einschränkung begründen.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im letzten Schriftsatz vom 13.12.2010 auf die dem Kläger verordneten Medikamente hinweist und daraus eine aufgehobene Leistungsfähigkeit herleitet, folgt ihm der Senat nicht. So gibt es keine Hinweise darauf, dass der Kläger tatsächlich an erheblichen Nebenwirkungen der Medikamente leidet. Solche Nebenwirkungen sind auch nicht in dem dem Schriftsatz beigefügten Schreiben des Klägers aufgeführt. Im Übrigen obläge es dem behandelnden Arzt, erheblichen Nebenwirkungen durch eine Anpassung oder Änderung der Medikation Rechnung zu tragen.
Der Antrag des Klägers auf Einholung eines "Obergutachtens" wird abgelehnt. Das SGG sieht ebenso wenig wie die übrigen Prozessordnungen einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B m.w.N.). Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 10.12.2003, B 5 RJ 24/03 R (in SozR 4-1500 § 128 Nr. 3). Dort hat das BSG zwar entschieden, dass im Falle mehrerer Gutachten auf verschiedenen Fachgebieten mit jeweils festgestellten Leistungseinschränkungen ein Gutachter mit der fachübergreifenden zusammenfassenden Einschätzung zu beauftragen ist, allerdings - so das BSG ausdrücklich - nur in Grenzfällen und dann, wenn sich die jeweils festgestellten Defizite aus der Sicht der Fachgebiete überschneiden und ggf. auch potenzieren können. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Kläger übersieht, dass die gerichtlichen Sachverständigen, auf die er sich beruft, angesichts des Umstandes, dass derselbe Symptomkomplex, nämlich die Schmerzzustände des Klägers einmal aus Sicht des orthopädischen (Gutachten Dr. v. St.) und einmal aus Sicht des nervenärztlichen (Gutachten Dr. Sch.) Fachgebiets zu beurteilen gewesen sind, insoweit inhaltlich übereinstimmende qualitative Einschränkungen angenommen haben. Deshalb kommt eine Überschneidung oder gar Potenzierung der festgestellten Defizite nicht in Betracht. Soweit Dr. Sch. für sein Fachgebiet darüber hinaus weitere qualitative Einschränkungen angenommen hat (ohne hohe nervliche Belastung, ohne ausgeprägten Publikumsverkehr) handelt es sich schon deshalb um keine relevanten zusätzlichen Einschränkungen, weil der Kläger - wie bereits ausgeführt - damit normale nervliche Belastungen und normalen Publikumsverkehr auch weiterhin bewältigen kann.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie dem Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Vor diesem Hintergrund braucht der Senat eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. Dementsprechend bedarf es auch keiner Ausführungen dazu, dass der Kläger gleichwohl die vom Sozialgericht genannten Tätigkeiten eines Pförtners oder eines Mitarbeiters in der Poststelle noch verrichten kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt die Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Der geborene Kläger absolvierte keine Berufsausbildung und war bis zuletzt im März 2005 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seither ist er arbeitslos bzw. arbeitsunfähig. Einen ersten Rentenantrag des Klägers lehnte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 15.11.2007 und Widerspruchsbescheid vom 17.04.2008 ab. Zu Grunde lag das Gutachten des Facharztes für Chirurgie, Sozialmedizin Dr. K. vom Oktober 2007, in dem dieser nach Untersuchung des Klägers degenerative Veränderungen der Brustwirbelsäule (BWS) und Lendenwirbelsäule (LWS) mit rechtsausstrahlender Lumbalgie und Sensibilitätsstörungen, einen Zustand nach Bandscheibenoperation im Bereich der Halswirbelkörper 6/7 mit Einschränkungen der Beweglichkeit der Halswirbelsäule (HWS) und konsekutiven muskulären Verspannungen, eine chronische Epicondylitis radialis rechts, nervliche Anspannung und Schlafstörungen sowie BWS-Blockierungen diagnostizierte, den Kläger aber für leichte Tätigkeiten vollschichtig einsatzfähig sah. Zu vermeiden seien Belastungen und Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Überkopftätigkeiten, häufige Pro- und Supinationsbewegungen (z.B. Betätigen eines Schraubenziehers mit der rechten Hand), Nachtschicht, Akkordarbeit, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie - soweit Zwangshaltung erfordernd - Bildschirmtätigkeiten.
Den bereits am 27.05.2008 vom Kläger erneut gestellten Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 09.06.2008 und Widerspruchsbescheid vom 09.10.2008 mit identischer Begründung, also gestützt auf das Gutachten von Dr. K., ab.
Das hiergegen am 07.11.2008 angerufene Sozialgericht Freiburg hat zunächst die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen vernommen. Der Hausarzt Dr. W. hat keine Leistungsbeurteilung abgegeben, der Nervenarzt Dr. St. hat die neurologischen Befunde als geringfügig erachtet und nur Tätigkeiten mit spezieller Anforderung an die rechte obere Extremität und Belastungen der HWS (z.B. Schiedsrichter im Tennis) sowie Tätigkeiten ab mittelschwer ausgeschlossen. Psychisch seien die Symptome reaktiv und überwindbar, Tätigkeiten seien sechs Stunden und mehr möglich.
Auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hat das Sozialgericht ein orthopädisches Sachverständigengutachten bei Dr. v. St., K. K.-L., und ein nervenärztliches Sachverständigengutachten bei Dr. Sch. eingeholt. Dr. v. St. hat die bereits bekannten degenerativen Syndrome im Bereich der LWS und HWS, jeweils mit intermittierenden Nervenwurzelreizerscheinungen, hinsichtlich der HWS mit Kompressionserscheinungen, vornehmlich C6 und C8, sowie endgradiger Bewegungseinschränkung der HWS und die chronisch-rezidivierende Epicondylitis radialis mit endgradiger Bewegungseinschränkung für die maximale Beugefähigkeit des rechten Ellenbogengelenkes diagnostiziert und leichte bis selten auch mittelschwere körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen von Gewichten über zehn Kilogramm mindestens sechs Stunden täglich für möglich erachtet. Die Arbeitshaltung solle einen Wechsel zwischen Gehen, Sitzen und Stehen möglich machen, die Intervalle sollten frei gewählt werden können. Häufiges Bücken sowie Arbeiten auf Leitern und Gerüsten und auf sonstigem rutschigem Untergrund solle unterbleiben, ebenso Arbeiten unter Zeitdruck wie Akkordarbeiten, in wechselnder Umgebungstemperatur, insbesondere in nasskalter Umgebung. Dr. Sch. hat eine depressive Entwicklung, ein Carpaltunnel- und Sulcus-ulnaris-Syndrom beidseits, einen Anspannungstremor der rechten Hand, eine Cephalgie sowie eine Lumboischialgie diagnostiziert und ebenso wie zuvor Dr. v. St. leichte bis gelegentlich mittelschwere körperliche Arbeiten unter Vermeidung von Heben und Tragen von Gewichten über zehn Kilogramm mindestens sechs Stunden täglich für zumutbar erachtet. Er hat Zwangshaltungen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Akkordtätigkeiten, Tätigkeiten am Fließband, unter großem Zeitdruck, in ständiger Nässe oder Kälte ebenso ausgeschlossen wie hohe nervliche Beanspruchung und ausgeprägten Publikumsverkehr.
Mit Urteil vom 21.07.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und unter Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 und § 240 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -) einen derartigen Anspruch des Kläger abgelehnt, weil dieser trotz seiner gesundheitlichen Einschränkungen in der Lage sei körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkung mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Es hat sich hierbei vor allem auf die Beurteilung von Dr. St. gestützt, die durch die gerichtlichen Sachverständigen Dr. v. St. und Dr. Sch. bestätigt werde. Die von den Sachverständigen aufgeführten Einschränkungen ermöglichten etwa noch eine Tätigkeit als Pförtner an einer Nebenpforte oder in einer Poststelle. Ein besonderer Berufsschutz stehe dem Kläger nicht zu, sodass er auf alle Tätigkeiten des Arbeitsmarktes verweisbar sei.
Gegen das ihm am 23.08.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.09.2010 Berufung eingelegt. Er verweist darauf, dass das von Dr. v. St. geforderte frei wählbare Intervall zwischen den Körperhaltungen mit den Anforderungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht in Einklang zu bringen sei, auch nicht mit einer Tätigkeit als Pförtner. Der Tätigkeit eines Poststellenmitarbeiters stehe entgegen, dass er keine Gewichte über zehn Kilogramm heben könne und auch das Besteigen von Leitern nicht mehr möglich sei. Schließlich habe Dr. Sch. einen Tremor an den Händen festgestellt, der auch leichteren Schreibarbeiten entgegen stehe. Zwischenzeitlich müsse er ein sog. "TENS-Gerät" zur Schmerzlinderung verwenden, was mit den Anforderungen am allgemeinen Arbeitsmarkt nicht in Einklang zu bringen sei.
Der Kläger beantragt (Schriftsatz vom 21.10.2010),
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 21.07.2010 und den Bescheid vom 09.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.10.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 27.05.2008 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und meint, die Benutzung des "TENS-Gerätes" sei auch außerhalb der Arbeitszeit möglich.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist allein der vom Kläger noch geltend gemachte Anspruch auf Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung. Gegenüber der Klageschrift mit dem dort gestellten Antrag (Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung) hat der Kläger im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 21.10.2010) nur noch die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen voller Erwerbsminderung beantragt. Dementsprechend ist das angefochtene Urteil, soweit es die Klage auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, abgewiesen hat, rechtskräftig geworden.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend (auch) die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente wegen voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs. 2 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden und länger täglich ausüben kann. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Wie das Sozialgericht gelangt somit auch der Senat zu der Überzeugung, dass der Kläger noch zumindest leichte Tätigkeiten mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann. Keiner der mit der Begutachtung des Klägers betrauten Ärzte ist insoweit von einer zeitlich rentenrelevanten Leistungseinschränkung auf weniger als sechs Stunden täglich ausgegangen. Zwischenzeitlich behauptet auch der Kläger nichts anderes.
Ausnahmsweise besteht aber auch bei einem sechsstündigen Leistungsvermögen ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und bei Vorliegen bestimmter, so genannter Katalogfälle die Benennung einer Verweisungstätigkeit nicht möglich ist (Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95 in SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).
Entgegen der Auffassung des Klägers führen die qualitativen Einschränkungen, die durch die bei ihm vorhanden Gesundheitsstörungen bedingt werden, nicht zu einer rentenrelevanten Minderung des Leistungsvermögens. Hinsichtlich der qualitativen Leistungseinschränkungen schließt sich der Senat der Beurteilung von Dr. K. und Dr. St. an. Dementsprechend sind nach den Ausführungen von Dr. K. Zwangshaltungen der Wirbelsäule sowie Überkopftätigkeiten und Tätigkeiten, die häufige Pro- und Supinationsbewegungen erfordern (Betätigen eines Schraubenziehers mit der rechten Hand) nicht mehr zumutbar. Gleiches gilt für Nachtschicht und Akkordarbeit, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten und - soweit mit Zwangshaltung verbunden - am Bildschirm. Dr. St. hat diese qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bestätigt, wenn er spezielle Anforderungen an die rechte obere Extremität und die HWS ausschließt; normalen Anforderung kann der Kläger somit gerecht werden.
Nichts wesentlich anderes folgt aus den qualitativen Einschränkungen, die Dr. v. St. aufgeführt hat. Er empfiehlt eine Arbeitshaltung im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen mit frei wählbaren Intervallen. Im Grunde schließt er - wie Dr. K. und Dr. Sch.- damit lediglich Zwangshaltungen aus. Entgegen der Auffassung des Klägers sind somit seine Ausführungen nicht dahin zu verstehen, dass der Kläger jederzeit die gegebenenfalls auch nur kurzfristige Arbeitshaltung verändern können muss. Dementsprechend gehen die Ausführungen des Klägers, auch als Pförtner könne er nicht arbeiten, weil er während der Stoßzeiten bei Personenkontrollen oder Ausfüllen von Passierscheinen keinen kurzen Spaziergang machen könne, an der Sache vorbei. Soweit entgegen der Einschätzung des Senats Dr. von St. das erwähnte frei wählbare Intervall tatsächlich im vom Kläger verstandenen Sinne gemeint haben sollte, folgt der Senat einer derartigen Einschätzung nicht. Für eine derartige qualitative Einschränkung sind keine Gründe ersichtlich. Der Kläger leidet an degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule, die üblicherweise - und so auch die Beurteilung von Dr. K. und Dr. Sch. - Zwangshaltungen ausschließen, sodass ein Wechsel der Körperhaltung am günstigsten ist. Dies bedeutet somit nicht, dass der Kläger tatsächlich nur noch Tätigkeiten ausführen kann, bei denen die von Dr. v. St. aufgeführten drei Körperhaltungen (Gehen, Stehen, Sitzen) eingenommen werden und jederzeit ohne Rücksicht auf die Tätigkeit gewechselt werden können; eine Begründung für eine solche Einschränkung hat der Sachverständige auch nicht gegeben. Ohnehin deutet die Wortwahl von Dr. v. St. darauf hin, dass seine Ausführungen im Sinne einer Empfehlung günstiger Arbeitsbedingungen zu verstehen sind, wenn er den Konjunktiv ("sollte") verwendet und somit seine Anforderungen nicht als zwingend ansieht (unter Verwendung des Wortes "muss").
Im Ergebnis sind dem Kläger somit vor allem Zwangshaltungen der Wirbelsäule nicht mehr möglich. Ebenfalls auf Grund der Wirbelsäulenveränderungen hält der Senat Überkopfarbeiten (so Dr. K.), häufiges Bücken (so Dr. v. St. und Dr. Sch. übereinstimmend), Arbeiten auf Leitern und Gerüsten (so bereits Dr. K.) sowie unter Zeitdruck, insbesondere Akkordarbeit und Nachtschicht (Dr. K.) für ausgeschlossen. Gleiches gilt für Arbeiten unter ungünstigen Witterungsverhältnissen (Dr. v. St. und Dr. K. insoweit ebenfalls übereinstimmend). Soweit Dr. Sch. hohe nervliche Beanspruchung und ausgeprägten Publikumsverkehr ausschließt, zeigt dies, dass der Kläger normalen Anforderung, also normaler Beanspruchung und normalem Publikumsverkehr gewachsen ist.
Weitere Einschränkungen liegen nicht vor.
Die Behauptung des Klägers, Dr. Sch. habe an den Händen einen Tremor festgestellt, trifft so nicht zu. Tatsächlich hat Dr. Sch. lediglich an der rechten Hand einen Anstrengungstremor diagnostiziert. Er hat hieraus indessen keinerlei qualitativen Einschränkungen abgeleitet, insbesondere Schreibarbeiten gerade nicht ausgeschlossen.
Soweit der Kläger auf die Nutzung eines so genannten "TENS-Gerätes" (von transkutaner elektrischer Nervenstimulation = TENS; durch das tragbare Gerät werden elektrische Impulse erzeugt und über angelegte Elektroden durch die Haut auf das Nervensystem übertragen, was zur Schmerzlinderung führen soll) verweist und daraus eine zusätzliche Beeinträchtigung spezifischer Art herleitet, folgt ihm der Senat nicht. Nach dem Vortrag des Klägers nutzt er dieses Gerät zur Schmerzlinderung dreimal täglich. Umgesetzt auf eine sechsstündige Tätigkeit ist somit - worauf auch die Beklagte hingewiesen hat - bei dieser Anwendungshäufigkeit eine Anwendung während der sechsstündigen Arbeit nicht erforderlich, sondern kann auf die Zeit vor Arbeitsbeginn und nach Arbeitsende gelegt werden. Nicht zutreffend ist darüber hinaus die Behauptung des Klägers, er dürfe ein solches Gerät nicht zur Arbeit mitbringen und schon gar nicht anwenden. Ein derartiges Verbot besteht nicht. Vielmehr steht es dem Kläger nach den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes frei, ein solches Gerät auch am Arbeitsplatz, insbesondere auch während der üblichen Pausen, einzusetzen. Angesichts der Wirkungsweise des Gerätes kann - je nach Arbeitsplatz - dieses auch während der Arbeitsverrichtung angewandt werden. Dies gilt insbesondere für im Sitzen verrichtbare Tätigkeiten. Im Übrigen hat keiner der mit der Begutachtung des Klägers betrauten Ärzte den (unbehandelten) Schmerzzuständen eine rentenrelevante Bedeutung zugemessen. Dann aber kann auch die Behandlung dieser Schmerzen durch das "TENS-Gerät" keine rentenrelevante Einschränkung begründen.
Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers im letzten Schriftsatz vom 13.12.2010 auf die dem Kläger verordneten Medikamente hinweist und daraus eine aufgehobene Leistungsfähigkeit herleitet, folgt ihm der Senat nicht. So gibt es keine Hinweise darauf, dass der Kläger tatsächlich an erheblichen Nebenwirkungen der Medikamente leidet. Solche Nebenwirkungen sind auch nicht in dem dem Schriftsatz beigefügten Schreiben des Klägers aufgeführt. Im Übrigen obläge es dem behandelnden Arzt, erheblichen Nebenwirkungen durch eine Anpassung oder Änderung der Medikation Rechnung zu tragen.
Der Antrag des Klägers auf Einholung eines "Obergutachtens" wird abgelehnt. Das SGG sieht ebenso wenig wie die übrigen Prozessordnungen einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein "Obergutachten" vor (BSG, Beschluss vom 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B m.w.N.). Zu Unrecht beruft sich der Kläger auf das Urteil des BSG vom 10.12.2003, B 5 RJ 24/03 R (in SozR 4-1500 § 128 Nr. 3). Dort hat das BSG zwar entschieden, dass im Falle mehrerer Gutachten auf verschiedenen Fachgebieten mit jeweils festgestellten Leistungseinschränkungen ein Gutachter mit der fachübergreifenden zusammenfassenden Einschätzung zu beauftragen ist, allerdings - so das BSG ausdrücklich - nur in Grenzfällen und dann, wenn sich die jeweils festgestellten Defizite aus der Sicht der Fachgebiete überschneiden und ggf. auch potenzieren können. Dies ist hier nicht der Fall.
Der Kläger übersieht, dass die gerichtlichen Sachverständigen, auf die er sich beruft, angesichts des Umstandes, dass derselbe Symptomkomplex, nämlich die Schmerzzustände des Klägers einmal aus Sicht des orthopädischen (Gutachten Dr. v. St.) und einmal aus Sicht des nervenärztlichen (Gutachten Dr. Sch.) Fachgebiets zu beurteilen gewesen sind, insoweit inhaltlich übereinstimmende qualitative Einschränkungen angenommen haben. Deshalb kommt eine Überschneidung oder gar Potenzierung der festgestellten Defizite nicht in Betracht. Soweit Dr. Sch. für sein Fachgebiet darüber hinaus weitere qualitative Einschränkungen angenommen hat (ohne hohe nervliche Belastung, ohne ausgeprägten Publikumsverkehr) handelt es sich schon deshalb um keine relevanten zusätzlichen Einschränkungen, weil der Kläger - wie bereits ausgeführt - damit normale nervliche Belastungen und normalen Publikumsverkehr auch weiterhin bewältigen kann.
Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist in einem solchen Fall regelmäßig nicht erforderlich (BSG, Urteil vom 14.09.1995, 5 RJ 50/94 in SozR 3-2200 § 1246 Nr. 50, auch zum Nachfolgenden). Denn nach der Rechtsprechung des BSG steht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine so große Anzahl von Tätigkeitsarten zur Verfügung, dass das Vorhandensein einer geeigneten Verweisungstätigkeit offensichtlich ist. Nur ausnahmsweise ist für einen auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Versicherten wie dem Kläger mit zumindest sechsstündigem Leistungsvermögen für leichte Arbeiten die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit erforderlich, wenn die Erwerbsfähigkeit durch mehrere schwerwiegende gesundheitliche Einschränkungen oder eine besonders einschneidende Behinderung gemindert ist. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sind bestimmte Fälle anerkannt (z.B. Einarmigkeit, vgl. BSG, a.a.O., m.w.N.), zu denen der vorliegende Fall aber nicht gehört. Vielmehr braucht eine Verweisungstätigkeit erst benannt zu werden, wenn die gesundheitliche Fähigkeit zur Verrichtung selbst leichter Tätigkeiten in vielfältiger, außergewöhnlicher Weise eingeschränkt ist. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag (BSG, a.a.O.; Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80 in SozR 2200 § 1246 Nr. 90). Denn ein Teil dieser Einschränkungen stimmt bereits mit den Tätigkeitsmerkmalen einer körperlich leichten Arbeit überein; dies gilt insbesondere für die geminderte Fähigkeiten, Lasten zu bewältigen und die geringe Belastbarkeit der Wirbelsäule (BSG, SozR 3 a.a.O.) mit den hierauf beruhenden Einschränkungen. Nicht anders liegt der Fall des Klägers. Auch bei ihm wird den qualitativen Einschränkungen im Wesentlichen bereits dadurch Rechnung getragen, dass ihm nur noch leichte Arbeiten zugemutet werden.
Vor diesem Hintergrund braucht der Senat eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen. Dementsprechend bedarf es auch keiner Ausführungen dazu, dass der Kläger gleichwohl die vom Sozialgericht genannten Tätigkeiten eines Pförtners oder eines Mitarbeiters in der Poststelle noch verrichten kann.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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