L 11 R 4666/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 4447/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4666/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juli 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1964 geborene Kläger war, nachdem er beim Berufsfortbildungswerk vom 8. September 1980 bis zum 21. August 1981 eine "Maßnahme zur beruflichen Orientierung und sozialen Eingliederung ausländischer Jugendlicher" durchgeführt hatte, vom 24. August 1981 bis 31. März 2003 versicherungspflichtig als Lagerist beschäftigt. 2002 wurde ihm nach dem Auftreten von neurocardialen Synkopen ein Herzschrittmacher implantiert. Seitdem hat er nur noch geringfügige versicherungsfreie Beschäftigungen ausgeübt und stand im Übrigen im Bezug von Sozialleistungen (Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II). Vom 8. Januar 2003 bis 7. Januar 2008 wurden mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) entrichtet, insgesamt sind Beitragszeiten von mehr als fünf Jahren vorhanden (Versicherungsverlauf vom 28. Oktober 2010).

Auf seinen ersten Rentenantrag vom 1. März 2005 wurde der Kläger nervenärztlich und internistisch (DR. B. und Dr. Sch.-Bu.) begutachtet (Diagnosen: Somatisierungsstörung mit phobischem Schwindel, anamnestisch rezidivierende neurocardiale Synkopen bis zu einer Herzschrittmacherimplantation 2002, kein Hinweis für Epilepsie, Leistenhernie links, Zustand nach OP einer Leistenhernie rechts sowie rezidivierender Fließschnupfen bei Polyallergie, nebenbefundlich Übergewicht, grenzwertige Hypercholesterinämie, Zustand nach Hepatitis A und B mit derzeit normalen Leberwerten und anamnestisch Zustand nach Schilddrüsenoperation; Leistungseinschätzung: sechs Stunden und mehr für körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten). Mit Bescheid vom 28. Juni 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Oktober 2005 lehnte die Beklagte daraufhin die Rentengewährung ab. Auch das dagegen angestrengte Klageverfahren beim Sozialgericht Freiburg (S 11 R 4999/05) blieb erfolglos (Gerichtsbescheid vom 25. Juni 2007). Das SG stützte sich insoweit auf die Auskunft des behandelnden Nervenarztes Dr. K., wonach der Kläger bei einer neurasthenischen Störung mit ängstlich hypochondrischen Zügen, die zum Teil einen konversionsartigen Charakter annähmen, einer körperlich leichten Berufstätigkeit in einem Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich nicht entgegenstünde. Auch das nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten bei Psychiater und Psychotherapeut Dr. L. hatte dieses Leistungsvermögen bestätigt.

Bereits am 8. Januar 2008 beantragte der Kläger erneut die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte veranlasste wiederum eine Begutachtung nach ambulanter Untersuchung. Dr. P., Fachärztin für Sozialmedizin, diagnostizierte eine Neurasthenie mit rezidivierenden kurzdauernden diffusen Schwindelbeschwerden, einen Zustand nach Implantation eines 2-Kammer-Schrittmacher-Systems im Mai 2002 nach rezidivierenden neurocardialen Synkopen bei Sinusarrest und AV-junktionalem Ersatzrhythmus, eine medikamentös eingestellte arterielle Hypertonie, ein auf cPAP-Therapie befriedigend eingestelltes mittelgradiges obstruktives Schlaf-Apnoe-Hypopnoe-Syndrom sowie eine Erythrozyturie unklarer Genese. Eine eindeutige Depressivität lasse sich im Rahmen des langen Gesprächs nicht erkennen. Die neurasthenische Störung sei auf eine große Kränkung durch Arbeitsplatzverlust zurückzuführen und Folge einer bestimmten Persönlichkeitsstruktur, die wiederrum nicht unabhängig vom soziokulturellen Hintergrund sei. Die Erkrankung beinhalte eine Neigung zur Somatisierung. Trotz der vorgebrachten Schwindelproblematik traue es sich der Versicherte zu, einen Pkw zu führen. Das Leistungsvermögen sei nach wie vor qualitativ, jedoch nicht quantitativ eingeschränkt. Der Kläger könne noch körperlich leichte bis mittelschwere Männerarbeiten ohne Nachtschicht und ohne Zeitdruck, ohne Absturzgefahr und nicht an laufenden ungeschützten Maschinen vollschichtig sechs Stunden und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 28. Februar 2008 wies die Beklagte daraufhin den Rentenantrag mit der Begründung ab, der Kläger könne noch mehr als sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten und sei damit nicht erwerbsgemindert.

Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er sei durch die psychischen und somatischen Gesundheitsstörungen stark eingeschränkt. Er befinde sich in permanenter fachärztlicher Betreuung und könne deswegen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr erwerbstätig sein. Mit Widerspruchsbescheid vom 28. August 2008 wies die Beklagte den Widerspruch mit der Begründung zurück, auch unter Würdigung sämtlicher Unterlagen sei der Kläger nicht erwerbsgemindert. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit komme bei ihm nicht in Betracht, da er nach dem 1. Januar 1961 geboren sei. Ob er einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz inne habe oder ihm ein solcher vermittelt werden könne, sei für einen Rentenanspruch nicht ausschlaggebend. Auch die Anerkennung als Schwerbehinderter führe zu keinem anderen Ergebnis. Denn der Grad der Behinderung gebe nur das Ausmaß der Beeinträchtigung der gesundheitlichen Unversehrtheit an und sage nichts darüber aus, wie sich diese auf die Leistungsfähigkeit im Sinne der Rentenversicherung auswirke.

Mit seiner dagegen am 4. September 2008 beim SG erhobenen Klage hat der Kläger geltend gemacht, dass sein Grad der Behinderung aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen auf 70 erhöht worden sei. Er leide auch an den Folgen der Herzerkrankung, Herzrhythmusstörungen bestünden weiter.

Zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes hat das SG die behandelnden Ärzte des Klägers als sachverständige Zeugen gehört und ihn anschließend zweimalig nervenärztlich begutachten lassen.

Der Allgemeinmediziner Dr. A. hat über einen gut ernährten, bewusstseinsklaren, internistisch-kardiologisch erkrankten Mann berichtet, der medikamentös und mit Schrittmacher versorgt sei und sich vor allem um seine Familie, insbesondere Fahrdienste für seine Eltern zu Ärzten etc, kümmere. Bei dem Kläger ginge es zumeist um mangelnden Antrieb, Kraftlosigkeit und Schmerzen an unterschiedlichen Lokalisationen. Ein echtes Korrelat zu den Schmerzen sei bislang nicht gefunden worden. Er erachte eine leichte körperliche Arbeit von sechs Stunden für zumutbar. Beigefügt waren zahlreiche Arztberichte, ua von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. K. (Bericht vom 3. Mai 2008 "bezüglich der Diagnose einer Dysthymie haben sich keine neuen Gesichtspunkte ergeben" und 8. Oktober 2008 "Herr S. bietet das gleichartige Bild einer Dysthymie. Er wartet auf den Rentenbescheid. Meiner Ansicht nach sollte man ihm noch nicht die Rente zukommen lassen".; Bericht vom 8. Januar 2009 "Herr S. bietet das gleichartige Bild. Er wartet auf die Rente um dann glaube ich in die Türkei gehen zu können, um sich dort ein prächtiges Leben machen zu können. Eine Veränderung wird es nicht geben, die Problematik sitzt tief, der Wunsch ist hoch, die Ausdauer groß".).

Dr. K. hat über eine mittelschwere depressive Episode berichtet, wobei der Gesundheitszustand sehr ondulierend sei. Infolge der vielfältigen Erkrankungen sei der Kläger maximal unter drei Stunden pro Tag belastbar.

Die Beklagte hat hierzu eine ärztliche Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes Karlsruhe vorgelegt. Der Internist und Sozialmediziner Med. Dir. Le. hat ausgeführt, dass die Auswertung der Angaben des behandelnden Kardiologen Dr. G., der den Kläger routinemäßig in Abständen untersuche, ergebe, dass der Kläger aus kardialer Sicht nicht zeitlich limitiert sei. Denn die ergometrische Belastbarkeit sei bis 100 Watt unauffällig möglich und auch der Befund eines Herzkatheders im März 2007 habe einen Normalbefund ergeben. Die behinderte Nasenatmung sei vergrößerten Nasenmuscheln geschuldet. Hinzu kämen diverse Allergien, so dass Arbeiten in der Saison im Freien ebenso auszuschließen seien wie Tätigkeiten mit Exposition gegen inhalative Reizstoffen. Hinsichtlich des cerebralen Anfallsleidens nach Schädelhirntrauma im Kindesalter sei der Kläger schon lange erscheinungsfrei. Aus den Ausführungen von Dr. K. ließe sich eine Einbuße des psychischen Leistungsvermögens nicht herleiten.

Der Sachverständige Dr. Kö. hat in seinem fachpsychiatrischen Gutachten eine mittelschwere bis schwere depressive Störung diagnostiziert, die sich auf den Antrieb, Aktivitäten, Durchschlafen, Appetit, Interessen, Fähigkeit sich zu freuen und Stimmung auswirkten. Der Kläger könne seiner Auffassung nach nur noch unter drei Stunden täglich erwerbstätig sein.

Die Beklagte hat hierzu eine erneute Stellungnahme von Med. Dir. Le. vorgelegt. Dieser hat, ohne dass sich die Verhältnisse gravierend geändert hätten, eine mittelschwere bis schwere Depressivität bei dem Kläger nicht für nachvollziehbar erachtet. Der Sachverständige habe sich ausschließlich auf Selbstbeurteilungsskalen gestützt, deren Aussagewert zumal im Klageverfahren doch sehr begrenzt sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme ist Dr. Kö. bei seinen Ausführungen geblieben.

Daraufhin hat das SG ein weiteres psychiatrisches Gutachten bei Prof. Dr. E. eingeholt. Dieser hat die Auffassung vertreten, dass der Kläger bei einer depressiven Episode bei nicht ausgeschöpften Therapiemöglichkeiten noch einer regelmäßigen Erwerbstätigkeit leichter körperlicher Art ohne geistige Beanspruchung, vermehrten Publikumsverkehr, nervliche Beanspruchung sowie Akkord-, Fließband-, Schicht- und Nachtarbeit mindestens sechs Stunden nachgehen könne. Es könnten durchaus innerhalb der nächsten Wochen Phasen eintreten mit einer Leistungsfähigkeit unter drei Stunden, dann durchaus im Sinne einer Arbeitsunfähigkeit. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Es hätten sich keine objektivierbaren Beeinträchtigungen von Auffassungsgabe, Merk- und Konzentrationsfähigkeit oder Gedächtnis ergeben. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei eingeschränkt mit einem deprimierten Affekt gewesen.

Auf Prof. Dr. E. wurde ergänzend zu seinem Gutachten angehört und hat darauf hingewiesen, dass die Beantwortung der Fragestellungen ohne Dolmetscher möglich gewesen sei.

Nach ausführlicher Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 27. Juli 2010 hat das SG die Klage mit Urteil vom selben Tag abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Einschätzung von Dr. Kö. könne nicht gefolgt werden. Auch das Bild, das der Kläger in der mündlichen Verhandlung gezeigt habe, stimme mit der Diagnose einer mittelschweren Depression nicht überein. Der Kläger verfüge noch über einen regelmäßigen Tagesablauf, esse in normalem Maß und nehme interessiert am Tagesgeschehen teil. Er sehe nicht nur türkisches und deutsches Fernsehen, sondern lese auch die Zeitung. Gern treffe er sich mit seinen Freunden und Bekannten, mit denen er einen Großteil des Tages verbringe. Mit Begeisterung und Detailwissen spreche er über Fußball. Er habe auch die Weltmeisterschaft mit Interesse verfolgt und besuche Fußballspiele seiner Bekannten auf dem Sportplatz. Sowohl der geschilderte Tagesablauf wie die erkennbare Begeisterungsfähigkeit seien mit der Diagnose einer mittelschweren oder schweren depressiven Episode nicht zu vereinbaren. Deswegen folge das SG der Einschätzung des Sachverständigen Prof. Dr. E., allerdings insoweit nicht, als dieser ein erhebliches depressives Syndrom annehme. Dass der Kläger aktuell sehr einfache Tätigkeiten in einem Umfang von mindestens sechs Stunden arbeitstäglich ausüben könne, überzeuge zwar, nicht hingegen, dass die Verfassung des Klägers derart schwankend sei, dass innerhalb der nächsten Wochen Phasen mit einer Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden aufträten. Der Kläger habe insoweit lediglich über eine Panikattacke vor einem halben Jahr berichtet. Diese Einschätzung werde auch durch den behandelnden Allgemeinarzt A. gestützt. Die Einschätzung von Dr. K. widerspreche seinen Äußerungen vom 8. Oktober 2008 und 8. Januar 2009, wo er noch über das gleichartige Bild einer Dysthymie berichtet habe. Danach habe sich das Leistungsvermögen des Klägers nicht mehr grundsätzlich geändert, so dass die nunmehrige Einschätzung einer quantitativen Leistungsminderung nicht nachvollziehbar sei.

Gegen das am 1. September 2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 1. Oktober 2010 Berufung eingelegt. Zu deren Begründung trägt er vor, er leide an einem mittelschweren depressiven Syndrom mit chronisch fluktuierendem Verlauf, könne nur zeitweise sechs Stunden täglich leichte Tätigkeiten verrichten. Deswegen spreche sein Zustand in der mündlichen Verhandlung nicht gegen ihn. Denn es sei ihm lediglich in der Zeit von 12:00 Uhr bis 13:14 Uhr gut gegangen und er habe sich in Hochform befunden. Das dort vermittelte Bild entspreche in keiner Weise der Schwere und dem Ausmaß seiner Erkrankung.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 27. Juli 2010 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. August 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Februar 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und hat dem Senat einen aktuellen Versicherungsverlauf vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, da der Kläger laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt. Die damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers ist aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007 (BGBl I Seite 554).

Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Nach § 43 Abs. 2 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Nach § 240 Abs. 1 SGB VI haben darüber hinaus Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind, bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie die sonstigen Voraussetzungen erfüllen.

Nach diesen Maßstäben ist der Kläger, wie das SG zutreffend entschieden hat, unter Berücksichtigung der vom SG und der Beklagten vorgenommenen Ermittlungen bei den im Vordergrund stehenden psychischen Beeinträchtigungen weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weil er noch in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Der Senat nimmt auf die Entscheidungsgründe des sorgfältig begründeten erstinstanzlichen Urteils Bezug, denen er sich in vollem Umfang anschließt; insoweit sieht der Senat von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 153 Abs 2 SGG ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass der Kläger nach dem vorgelegten Versicherungsverlauf zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, er ist aber nicht voll oder teilweise erwerbsgemindert.

Der Senat stützt sich insoweit auf das eingeholte Gutachten von Prof. Dr. E., wonach der Kläger an einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig leichte aktuelle Episode, leidet. Diese Diagnostik stützt auch zur Überzeugung des Senats die Leistungseinschätzung einer qualitativ, aber nicht quantitativ geminderten Leistungsvermögens. Denn dadurch werden lediglich Antrieb, Affektivität und Kognition beeinträchtigt, aber nicht in einem Ausmaß, dass eine Tätigkeit von sechs Stunden täglich nicht mehr möglich ist. Objektivierbare Beeinträchtigungen von Auffassungsgabe, Merkfähigkeit, Konzentrationsfähigkeit und Gedächtnis ließen sich bei der Erhebung des psychischen Befundes ohnehin nicht feststellen, wie Prof. Dr. E. auf Seite 3 seines Gutachtens ausdrücklich festhält. Soweit der Sachverständige immer wieder auftretenden Phasen von einer Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden beschreibt, so hat er diese ausdrücklich nur als zeitenweise Arbeitsunfähigkeit qualifiziert. Solche Unterbrechungen der generell bestehenden Leistungsfähigkeit durch Zeiten der Arbeitsunfähigkeit begründen aber keine Erwerbsminderung im rentenrechtlichen Sinne von nicht absehbarer Dauer.

Dies gilt umso mehr, als beim Kläger nicht ansatzweise die Therapieoptionen ausgeschöpft sind. Medikamentös wurde die Erkrankung nur in geringem Umfang angegangen. Stationäre Therapien in einer Fachklinik fehlen vollständig. Auch dies spricht gegen eine schwerergradige Ausprägung der Depression, denn andernfalls wäre ein entsprechender Leidensdruck und eine Therapiebereitschaft zu erwarten gewesen. Nach Einschätzung von Prof. Dr. E. kann durch diese Behandlung in absehbarer Zeit mit einer Besserung gerechnet werden. Dies ist auch für den Senat überzeugend.

Demgegenüber überzeugte die Leistungsbeurteilung durch Dr. Kö. nicht, da sein Gutachten nicht nur jegliche Plausibilitätsprüfung vermissen lässt, sondern sich allein auf die subjektiven Angaben des Klägers stützt. Gleiches gilt für die Angaben des behandelnden Nervenarztes Dr. K., die bereits in höchstem Maße in sich widersprüchlich sind und von einer Dysthymie bis zu einer schweren Depression reichen. Der Kläger ist auch nicht aufgrund der rezidivierenden depressiven Symptomatik in einem Maße eingeschränkt, wie dies Dr. Kö. seiner abweichenden Einschätzung zugrunde gelegt hat. Dagegen spricht, dass der Kläger, wie er es dem SG gegenüber in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat, noch über einen regelmäßigen Tagesablauf verfügt, in normalem Maß isst und interessiert am Tagesgeschehen teilnimmt. Er sieht nicht nur türkisches und deutsches Fernsehen, sondern liest auch die Zeitung. Gern trifft er sich mit seinen Freunden und Bekannten, mit denen er einen Großteil des Tages verbringt. Mit Begeisterung und Detailwissen verfolgt er das Fußballgeschehen. Er hat auch die Weltmeisterschaft mit Interesse verfolgt und besucht Fußballspiele seiner Bekannten auf dem Sportplatz. Die Analyse seiner Alltagsaktivitäten spricht auch zur Überzeugung des Senats gegen eine zeitliche Limitierung des Leistungsvermögens. Die Richtigkeit seiner Angaben wird auch nicht dadurch entkräftet, dass er sich an dem Verhandlungstag in Hochform befunden hat. Denn das SG hat seine Einschätzung nicht nur auf den persönlichen Eindruck vom Kläger, sondern insbesondere dessen Angaben gestützt.

Die von dem Kläger beklagten gesundheitlichen Einschränkungen haben in Bezug auf Schlaf, Tätigkeiten im Haushalt, Hobbys, soziale Aktivitäten und Sport keinen schweren Ausprägungsgrad erreicht. Sein Freizeitverhalten lässt sich mit dem Vorliegen eines vollschichtigen Leistungsvermögens bei Berücksichtigung bestehender qualitativer Leistungseinschränkungen in Einklang bringen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl Urteil vom 20. Juli 2010, L 11 R 5140/09) wird der Schweregrad psychischer Erkrankungen und somatoformer Schmerzstörungen aus den daraus resultierenden Defiziten im Hinblick auf die Tagesstrukturierung, das allgemeine Interessenspektrum und die soziale Interaktionsfähigkeit abgeleitet und daran gemessen.

Im Hinblick auf die qualitativen Leistungseinschränkungen braucht dem Kläger keine konkrete Berufstätigkeit benannt zu werden, weil sie ihrer Anzahl, Art und Schwere nach keine besondere Begründung zur Verneinung einer "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" oder einer "schweren spezifischen Leistungsminderung" erfordern (vgl. hierzu BSG SozR 2200 § 1246 Nr 136). Sie erscheinen nämlich nicht geeignet, das Feld körperlich leichter Arbeiten zusätzlich wesentlich einzuengen. Das Restleistungsvermögen des Klägers erlaubt ihm weiterhin noch körperliche Verrichtungen, die in leichten einfachen Tätigkeiten gefordert werden wie zB Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen, Montieren, Kleben, Sortieren, Verpacken oder Zusammensetzen von kleinen Teilen. Diese Tätigkeiten stimmen auch mit dem von Prof. Dr. E. erhobenen Leistungsprofil überein. Solche einfachen Tätigkeiten sind dem Kläger gesundheitlich zumutbar.

Die darüber hinaus vorliegenden Erkrankungen in Form der Neurasthenie mit rezidivierenden kurzdauernden diffusen Schwindelbeschwerden, dem Zustand nach Implantation eines 2-Kammer-Schrittmacher-Systems im Mai 2002 nach rezidivierenden neurocardialen Synkopen bei Sinusarrest und AV-junktionalem Ersatzrhythmus, der medikamentös eingestellten arteriellen Hypertonie, dem auf cPAP-Therapie befriedigend eingestellten mittelgradigen obstruktiven Schlaf-Apnoe-Hypopnoe-Syndrom sowie der Erythrozyturie unklarer Genese bedingen nur weitere qualitative Leistungseinschränkungen (ohne Nachtschicht und ohne Zeitdruck, ohne Absturzgefahr und nicht an laufenden ungeschützten Maschinen). Der Senat entnimmt dies dem Gutachten von Dr. P., das er im Wege des Urkundbeweises verwertet und dem er sich im vollem Umfang anschließt. Für die Richtigkeit sprechen nicht zuletzt die von Dr. A. übermittelten Arztbericht über Kontrolluntersuchungen des Herzens wie dessen eigene Beurteilung.

Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet aufgrund des Lebensalters des Klägers aus.

Die Berufung war daher zurückzuweisen, wobei die Kostenentscheidung auf § 193 SGG beruht.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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