L 14 AS 1907/10 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 123 AS 7046/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 AS 1907/10 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 23. September 2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Kläger begehren Prozesskostenhilfe für die Durchführung eines unter dem Aktenzeichen S 123 AS 7046/10 bei dem Sozialgericht Berlin anhängigen Klageverfahrens, in dem sie sich gegen einen Rückforderungs- und Erstattungsbescheid für den Leistungszeitraum vom 19. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 sowie vom 01. September 2009 bis 30. September 2009 in einer Gesamthöhe von 70,32 Euro (Kläger zu 1.: 38,05 Euro, Klägerin zu 2.: 16,18 Euro, Klägerin zu 3.: 16,09 Euro) wenden.

Die Beklagte bewilligte den Klägern auf deren schriftlichen Antrag vom 19. Mai 2009 mit Bescheid vom 26. Mai 2009 für den Zeitraum vom 19. Mai 2009 bis 31. Oktober 2009 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 07. Juni 2009 für die Zeit vom 01. Juli 2009 bis 31. Oktober 2009 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Bescheid vom 01. Oktober 2009 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum vom 19. Mai 2009 bis 30. Juni 2009 und vom 01. September 2009 bis zum 30. September 2009 teilweise in einer Gesamthöhe von 70,32 Euro wegen Anrechnung von Einkommen auf. Gegen diesen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. Februar 2010 erhoben die anwaltlich vertretenen Kläger unter Beantragung von Prozesskostenhilfe am 01. März 2010 Klage vor dem Sozialgericht Berlin mit der Begründung, dass die teilweise Aufhebung der Leistungen fehlerhaft sei, weil auch für den Zeitraum vom 01. Mai 2009 bis zum 18. Mai 2009 ein Leistungsanspruch bestehe. Der Kläger zu 1) habe sich an der Folgeantragstellung gehindert gesehen, weil er entsprechend der Aufforderung des Beklagten Wohngeld und Kinderzuschlag beantragt habe. Da eine zeitnahe Bescheidung nicht erfolgt sei, habe er erst am 19. Mai 2009 bei dem Beklagten den Fortzahlungsantrag gestellt. Dieser für den ab 01. Mai 2009 bestehende Anspruch sei mit dem Rückforderungs- und Erstattungsanspruch zu verrechnen.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 23. September 2010 die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) mangels Erfolgsaussicht abgelehnt. Gegen diesen Beschluss haben die Kläger am 08. Oktober 2010 Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass vor dem BSG

ein Revisionsverfahren zur Frage, ob § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch für Folgeanträge nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes gelte, anhängig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie die beigezogenen Leistungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgericht Berlin hat mit seinem Beschluss vom 23. September 2010 den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren im Ergebnis zu Recht abgelehnt. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Bewilligung von PKH für das erstinstanzliche Verfahren.

Soweit die Kläger weiterhin geltend machen, dass § 37 Abs. 2 SGB II auf Folgeanträge anzuwenden sei, sind die Erfolgsaussichten des Hauptverfahrens offen. Die Frage ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung noch nicht geklärt. Insoweit wird auf die hierzu anhängigen Revisionsverfahren B 4 AS 29/10 R und B 4 AS 99/10 R verwiesen.

Den Klägern steht dennoch keine PKH zu, da jemand, der aus eigenem Einkommen oder Vermögen die Kosten für einen Prozess tragen müsste, angesichts des geringen Wertes der durchzusetzenden Ansprüche bei offenem Ausgang dieses Verfahrens diesen (gerichtskostenfreien) Prozess vernünftigerweise mit anwaltlicher Hilfe nicht führen würde.

Vorliegend ist davon auszugehen, dass der streitbefangene Betrag in der Größenordnung etwa von 12,5 % des Betrages liegt, mit dem die Kläger mindestens (ohne Erhöhung wegen der Mehrzahl der Kläger) bei Erfolglosigkeit des Rechtsstreites bereits in der ersten Instanz als Gebührenschuld belastet werden (Verfahrensgebühr – Mittelgebühr 250 Euro + Terminsgebühr – Mittelgebühr 200 Euro + Postpauschale 20 Euro + 19 % Umsatzsteuer = 559,30 Euro). Diese Kosten stehen in keinem Verhältnis zu dem streitbefangenen Betrag von 70,32 Euro (zur Nichtgewährung von Prozesskostenhilfe bei Bagatellstreitwerten etwa Beschluss des LSG Berlin-Brandenburg - L 10 B 14708 AS PKH -, unter Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 20.

Juni 2006, 1 BvR 2673/05, LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. Februar 2008 - L 13 B 40/07 AS -, LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. Februar 2009 - 5 B 1956/08 AS PKH -).

Auch wenn für Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende selbst geringere Beträge von erheblicher Bedeutung sind, erscheint es bei wirtschaftlich rationaler Betrachtungsweise vernunftswidrig, einen solchen Rechtsstreit mit anwaltlicher Vertretung zu führen.

Das Bundesverfassungsgericht hat vielmehr in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass sich aus verfassungsrechtlichen Gründen lediglich eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes ergibt; mit dem Institut der Prozesskostenhilfe habe der Gesetzgeber auch Unbemittelten einen weitgehend gleichen Zugang zu den Gerichten ermöglicht (vgl. BVerfG, insbesondere Beschluss vom 20. Juni 2006, 1 BvR 2673/05, zitiert nach juris m.w.N.). Das Gericht muss hier erwägen, ob ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftiger Weise ein Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (Bundesverfassungsgericht, a.a.O.). Anders ausgedrückt, braucht ein Unbemittelter nur einem solchen Bemittelten gleichgestellt zu werden, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko berücksichtigt (BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 2 BvR 94/88 – m. w. N., veröffentlicht in NJW 1991, 413 = BVerfGE 81, 347).

Grundlegend hat das Bundesverfassungsgericht bereits mit Beschluss vom 22. Januar 1959 (1 BvR 154/55 in JZ 1959, 171 = NJW 1959, 715 = BVerfGE 9, 124) hierzu Folgendes ausgeführt: " der allgemeine Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber nicht, unter allen Umständen Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. Nur dann ist nach Art. 3 Abs. 1 GG Gleiches gleich, Ungleiches aber nach seiner Eigenheit zu behandeln, wenn die Gleichheit oder Ungleichheit in den jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Beachtung bei einer gesetzlichen Regelung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint (vgl. etwa BVerfGE 1, 264 (275 f.); 2, 118 (119 f.)).

Ehe das an Hand der einzelnen in Betracht kommenden Vergleichstatbestände aufgezeigt werden kann, bedarf es eines Blickes auf die allgemeine Bedeutung der Institution des Armen -rechtes. Es umfasst in erster Linie die einstweilige Befreiung von Gerichtskosten, Gebühren und Auslagen und unter Umständen die Beiordnung eines Anwaltes zur vorläufig unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte eines unbemittelten Beteiligten. Gewährt wird es nur bei hinreichender Erfolgsaussicht. Das allein zeigt schon, dass es nicht volle formelle Gleichheit herstellen kann und soll, sondern nur bewirken will, dass der Unbemittelte wenigstens einigermaßen in der gleichen Weise Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, wie dass ein seine Prozessaussichten vernünftig erwägender Begüterter tun würde. Mehr erfordert auch der Gerechtigkeitsgedanke nicht, bei dem auch die Rücksicht auf den Steuerzahler, der die Prozesskostenhilfe des prozessierenden Unbemittelten zu tragen hat, nicht außer Betracht bleiben darf. Die arme Partei kann insbesondere nicht schon deshalb die Beiordnung eines Anwaltes verlangen, weil der Gegner anwaltlich vertreten ist. Abgesehen von der Arbeitsgerichtsbarkeit mit ihren soziologisch bedingten, häufig besonders scharfen Interessengegensätzen, ist die Beiordnung in allen Verfahrensarten unabhängig davon, wie der Prozessgegner vertreten ist. Vollständige Chancen- und Waffengleichheit ist nie zu erreichen. Auch für Staatsbürger, die nicht arm im Sinne des Verfahrensrechts sind, ist sie nicht gegeben; angesichts des Kostenrisikos werden sie sich notwendigerweise je nach ihrer wirtschaftlichen Lage leichter oder schwerer entschließen, sich in Gerichtsverfahren einzulassen und einen Anwalt zu bestellen."

Dieser Rechtsprechung folgend ist für den Senat selbst angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse der Kläger vorliegend eine angemessene Relation zwischen Streitwert und Kostenrisiko nicht erkennbar. Ein solches Kostenrisiko würde vorliegend ein Bemittelter vernünftigerweise nicht eingehen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 173 a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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