L 2 AL 42/10 B

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 1 AL 295/09
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 2 AL 42/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 8. Januar 2010 wird aufgehoben und der Klägerin wird Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Halle ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt M.-R. bewilligt.

Gründe:

I.

Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für ein vor dem Sozialgericht Halle (SG) geführtes Klageverfahren. In dem Klageverfahren streiten die Beteiligen über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) für den Zeitraum vom 10. Januar bis zum 14. April 2008 und die Rückforderung der aufgrund dieser Bewilligung erbrachten Leistungen. Die Klägerin meldete sich am 10. Januar 2008 bei der Beklagten arbeitslos. Nach einer der Beklagten vorgelegten Arbeitsbescheinigung war sie zuvor vom 1. November 2006 bis Ende des Jahres 2007 als Servicemitarbeiterin bei der R. & E. A. GbR in H. beschäftigt gewesen. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Alg ab dem 10. Januar 2008. Am 15. April 2008 teilte die Klägerin der Beklagten das Ende ihrer Arbeitslosigkeit aufgrund der Aufnahme einer neuen Beschäftigung ab diesem Tage als Restaurantfachfrau in dem von Herrn T. W. betriebenen "Cafe und Bar E. " in H. mit. Am 3. November 2008 meldete sich die Klägerin erneut arbeitslos. Nach einer der Beklagten übersandten Arbeitsbescheinigung des vormaligen Arbeitgebers W. war die Klägerin dort in der Zeit vom 15. April bis zum 31. Oktober 2008 beschäftigt gewesen und das Arbeitsverhältnis war aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber wegen Geschäftsaufgabe beendet worden. Mit einer Mitteilung vom 19. Dezember 2008 über das "Zusammentreffen von Zeiten der Arbeitslosigkeit und beitragspflichtiger Beschäftigung" teilte die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland der Beklagten mit, dass für die Klägerin betragspflichtige Beschäftigungszeiten mit beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von 4.600,00 EUR für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. April 2008 von dem Arbeitgeber T. W. gemeldet seien. Eine daraufhin an den (ehemaligen) Arbeitgeber unter dessen Geschäftsanschrift gerichtete Anfrage der Beklagten konnte nicht zugestellt werden. Die Bahn-BKK teilte auf eine Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 17. Februar 2009 mit, für die Klägerin seien Bruttoarbeitentgelte bei der "Firma Cafe W. " gemeldet und zwar: Für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis 30. April 2008 in Höhe von 4.600,00 EUR und für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008 in Höhe von 6.900,00 EUR. Die Klägerin selbst gab auf Nachfrage der Beklagten zu einer Beschäftigung bereits ab Januar 2008 in dem von Herrn W. betriebenen Cafe an, sie sei von dem Arbeitgeber erst am 15. April 2008 als Restaurantfachfrau eingestellt worden. Die Beklagte hob mit Bescheid vom 12. Mai 2005 die Bewilligung von Alg für die Klägerin für den Zeitraum vom 10. Januar bis zum 14. April 2008 auf. Mit einem weiteren Bescheid ebenfalls vom 12. Mai 2009 forderte die Beklagte von der Klägerin die Erstattung des aufgrund der insoweit aufgehobenen Bewilligung gezahlten Leistungen in Höhe von 1.197,12 EUR. Den gegen beide Bescheide von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2009 als unbegründet zurück und führte aus, die Klägerin habe in dem von der Aufhebung betroffenen Zeitraum in einem Beschäftigungsverhältnis bei dem Arbeitgeber W. gestanden. Die Klägerin hat am 14. August 2009 Klage erhoben und zugleich den Antrag gestellt, ihr PKH ohne Ratenzahlung für das Klageverfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. –R. zu bewilligen. Zur Klagebegründung führte sie aus, ein Arbeitsverhältnis zwischen ihr und dem unter der Firma G. handelnden Arbeitgeber T. W. habe erst ab dem 15. April 2004 bestanden. Dies könne durch Herrn T. W. , dessen Privatanschrift in H. die Klägerin angab, bestätigt werden. Beigefügt war eine Kopie eines Arbeitsvertrages zwischen "G. - Inh. W. , T. " und der Klägerin vom 14. April 2004 über ein am 15. April 2004 beginnendes Arbeitsverhältnis der Kläger als Restaurantfachfrau. Auf der letzten Seite befindet sich neben der Unterschrift des Arbeitgebers der Stempelaufdruck "Cafe & Bar E. – W. ". Das SG hat die Bewilligung von PKH mit Bescheid vom 8. Januar 2010 wegen mangelnder Erfolgsaussichten ablehnt und in den Gründen ausgeführt: Die Klägerin habe keine Beweismittel dafür angeboten, dass die Meldungen des vormaligen Arbeitgebers T. W. an die Bahn-BKK bzw. die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland nicht zutreffend sein sollten. Eine Einvernahme des T. W. lasse keine andere Entscheidung erwarten, zumal nicht ersichtlich sei, warum dieser freiwillig Sozialversicherungsbeiträge für jemand abgeführt haben sollte, mit dem er (für die gemeldeten Zeiten) kein beitragspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet gehabe habe. Gegen den ihr am 24. Februar 2010 zugestellten Beschluss hat die Klägerin am 8. März 2010 Beschwerde erhoben und ihre Auffassung dargelegt: Sie habe alle ihr möglichen Beweismittel vorgelegt. Der ehemalige Arbeitgeber habe auch in der Arbeitsbescheinigung für die Beklagte nach Ende ihrer Beschäftigung bei ihm als Beschäftigungszeit den Zeitraum vom 15. April bis zum 31. Oktober 2008 angegeben. Damit habe er im Umkehrschluss einen bereits früheren Beschäftigungsbeginn verneint. Das SG habe sich nicht darüber hinwegsetzen dürfen, den ehemaligen Arbeitgeber als Zeugen zu hören. Eine Nachfrage bei der Bahn-BKK, ob vom Arbeitgeber tatsächlich für die Zeit vom 1. Januar 2008 bis zum 14. April 2008 auch Beiträge gezahlt worden seien, habe noch kein Ergebnis gebracht. Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts Halle vom 9. Januar 2010 aufzuheben und ihr Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren vor dem Sozialgericht Halle ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt M. –R. zu bewilligen. Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Für weitere Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakten nebst PKH-Heft verwiesen. Die Akten haben vorgelegen und sind vom Senat bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt worden.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist form- und fristgerecht eingelegt worden und auch begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren abgelehnt.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 der Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung eine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Als hinreichend sind die Erfolgsaussichten einer Klage einzuschätzen, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht gewiss, eine Erfolgschance jedoch nicht unwahrscheinlich ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 1990 – 1 BvR 94/88 – NJW 1991, 413). Prozesskostenhilfe kommt dagegen nicht in Betracht, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist (vgl. BSG, Urteil vom 17. Februar 1998 - B 13 RJ 83/97 R - SozR 3-1500 § 62 Nr. 19).

Die Klage biete in dieser Hinsicht eine hinreichende Erfolgsaussicht. Der von der Klägerin angefochtene Bescheid über die Aufhebung von Alg für die Zeit vom 10. Januar bis zum 14. April 2008 kann auf § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X) gestützt werden, wenn die Voraussetzungen für die Bewilligung von Alg nicht vorlagen, weil die Klägerin in diesem Zeitraum nicht beschäftigungslos im Sinne des § 119 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung (SGB III) und damit nicht arbeitslos war. Dies war dann der Fall, wenn sie im fraglichen Zeitraum in einem nicht weniger als 15 Wochenstunden umfassenden Beschäftigungsverhältnis stand. Ein Beschäftigungsverhältnis liegt vor, wenn abhängige, weisungsgebundene Arbeit ausgeübt wird. Ob die Klägerin in diesem Sinn in der Zeit vom 10. Januar (bzw. schon 1. Januar) bis zum 14. April 2008 beschäftigt war, lässt sich ohne weitere Amtsermittlung durch das SG nicht feststellen. Nach Auffassung des Senats lässt sich nach den bereits vorliegenden Erkenntnissen und deren verständiger Würdigung auch nicht mit einem hohen, ernsthafte Zweifel ausschließenden Wahrscheinlichkeitsgrad ein für die Klägerin negatives Ergebnis einer solchen Amtsermittlung prognostizieren. Dabei ist die hier an die Beklagte mitgeteilte Meldung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung der Klägerin bereits ab Anfang Januar 2008 durch den Arbeitgeber bei der Einzugstelle sicherlich ein starkes Indiz dafür, dass die Klägerin auch tatsächlich beschäftigt war. Die Überlegung des Sozialgerichts, ein Arbeitgeber werde wohl kaum eine Person als beschäftigt anmelden und für diese Beiträge entrichten, wenn sie überhaupt nicht beschäftigt sei, ist sicher für den Regelfall zutreffend. Es sind allerdings auch Fälle denkbar, in denen eine Meldung fehlerhaft ist. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn ein Arbeitgeber die Meldung der Aufnahme der Beschäftigung zunächst nicht pflichtgemäß durchführt und dann erst später, etwa nach Ende einer nur kürzeren Beschäftigung vornehmen will. Erfolgt die Meldung dann z. B. im Auftrage des Arbeitgebers durch seinen Steuerberater ist es denkbar, dass die rückwirkende Meldung fehlerhaft auch für Zeiten vor der tatsächlichen Beschäftigung erfolgt. Hier ist im konkreten Fall nicht bekannt, wann durch den Arbeitgeber die Meldung erfolgte. Es ist auch nicht bekannt, für welche Zeiträume tatsächlich Beiträge abgeführt worden. Weil eine fehlerhafte oder aus anderen Gründen falsche Meldung nicht auszuschließen ist und der von der Klägerin vorgelegte Arbeitsvertrag sowie die für die Beklagte vom Arbeitgeber W. ausgestellte Arbeitsbescheinigung für einen Beschäftigungsbeginn der Klägerin erst am 15. April 2008 sprechen, können der Klage Erfolgsaussichten nicht auf der vom SG gewählten unsicheren Basis versagt werden.

Die Klägerin kann nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen. Maßgeblich sind die wirtschaftlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Beschlussfassung, die der Senat berücksichtigt hat. Nach alledem war der Beschwerde stattzugeben.

Der Beschluss ist nach § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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