L 12 AL 5538/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 AL 2718/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5538/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 3. November 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Mit bestandskräftigem Bescheid vom 10. September 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Oktober 2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass sein Anspruch auf Alg am 23. April 2009 erloschen sei, weil er Anlass zum Eintritt von Sperrzeiten mit einer Gesamtdauer von mindestens 21 Wochen gegeben habe. Diesbezüglich ist wegen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ein Klageverfahren beim Sozialgericht Konstanz (SG) anhängig (S 2 AL 886/10). In der Folgezeit war der 1984 geborene Antragsteller vom 14. September bis 23. Dezember 2009 und vom 3. Mai bis 25. Oktober 2010 versicherungspflichtig beschäftigt. Er meldete sich am 18. Oktober 2010 arbeitsuchend.

Am 25. Oktober 2010 hat der Antragsteller beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Er sei ab 26. Oktober 2010 arbeitslos und derzeit krankgeschrieben.

Mit Beschluss vom 3. November 2010 hat das SG den Antrag abgelehnt. Nach § 86 b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheine. Das Verfahren diene vorläufigen Regelungen. Nur wenn diese zur Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes schlechterdings notwendig seien, d.h. wenn die sonst zu erwartenden Nachteile für den Antragsteller unzumutbar wären und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spreche, sei ausnahmsweise die Vorwegnahme der Hauptsache - wie hier begehrt - zulässig. Diese Voraussetzungen seien hier nicht gegeben. Ein Anordnungsanspruch, der materielle Anspruch, sei nicht glaubhaft gemacht.

Ein Anspruch auf Alg setze nach § 118 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) Arbeitslosigkeit, Arbeitslosmeldung und Erfüllung der Anwartschaftszeit voraus. Solange der Antragsteller arbeitsunfähig sei, fehle es an der Anspruchsvoraussetzung Arbeitslosigkeit, da diese erfordere, dass der Antragsteller Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung stehe (Verfügbarkeit). Es fehle auch an den übrigen Anspruchsvoraussetzungen. Der Antragsteller habe sich noch nicht arbeitslos gemeldet und er habe mit den nach Erlöschen des Anspruchs (23. April 2009) zurückgelegten Zeiten nicht die Anwartschaftszeit erfüllt. Denn nach § 123 Satz 1 SGB III habe die Anwartschaftszeit nur erfüllt, wer in der Rahmenfrist - diese betrage zwei Jahre - mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Zeiten, die vor dem Tag liegen, an dem der Anspruch wegen des Eintritts einer Sperrzeit erloschen sei, dienten nach § 123 Satz 2 SGB III nicht zur Erfüllung der Anwartschaft. Da der Ausgang des Verfahrens S 2 AL 886/10 offen sei, könne nicht zugunsten des Antragstellers unterstellt werden, dass der Anspruch auf Alg nicht erloschen sei.

Hiergegen richtet sich die am 25. November 2010 eingelegte Beschwerde des Antragstellers. Er sei bis zum 5. November 2010 krankgeschrieben gewesen und habe sich dann sofort arbeitslos gemeldet. Er wolle nicht auf Hartz IV verwiesen werden, da man dann Nachteile habe.

Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegen getreten und hat ausgeführt, dass sich der Antragsteller am 9. November 2010 arbeitslos gemeldet habe. Über den Antrag auf Alg sei bislang nicht entschieden worden. Zwischenzeitlich habe der Antragsteller auch einen Antrag auf Alg II gestellt, wodurch der notwendige Lebensunterhalt gesichert werden könne. Da das SG im Übrigen festgestellt habe, dass durch die Beschäftigung nach Erlöschen des Anspruchs die notwendige Anwartschaftszeit nicht erfüllt worden sei, müsse schon daran der Antrag scheitern.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten (Bl. 1 bis 96) Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, insbesondere wäre im Hinblick auf die geltend gemachten Leistungen auch in der Hauptsache die Berufung zulässig, da die Berufungssumme von 750 EUR überschritten würde (§ 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG). In der Sache ist die Beschwerde jedoch unbegründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Vorliegend kommt, wie das SG zutreffend erkannt hat, nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rdnr. 42).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat das SG zu Recht den Antrag abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des SG Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Ergänzend ist noch auszuführen, dass sich der Antragsteller inzwischen zwar arbeitslos gemeldet hat und nach Ende der Arbeitsunfähigkeit auch verfügbar ist, es jedoch nach wie vor an der Erfüllung der Anwartschaftszeit mangelt. Nach dem bestandskräftig festgestellten Erlöschen des Alg-Anspruchs am 24. März 2009 hat der Antragsteller nur 276 Tage in einem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis gestanden.

Soweit hinsichtlich des Erlöschens des Alg-Anspruchs die Ablehnung der Überprüfung nach § 44 SGB X durch die Antragsgegnerin (Bescheid vom 24. Februar 2010, Widerspruchsbescheid vom 24. März 2010) vom Antragsteller mit der Klage angefochten wurde (anhängig unter S 2 AL 886/10), führt dies im Ergebnis zu keiner anderen Beurteilung des Begehrens auf einstweiligen Rechtsschutz. Das Ausgang des Verfahrens S 2 AL 886/10 ist derzeit noch offen, das Obsiegen des Antragstellers in diesem Verfahren ist nicht überwiegend wahrscheinlich. In derartigen Fällen, in denen ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nur über ein Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X Erfolg haben kann, sind besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen. Soll ein bestandskräftig gewordener Bescheid in einem Verfahren nach § 44 SGB X zurückgenommen werden, ist es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten, die Entscheidung im Verwaltungs- und gegebenenfalls in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ist regelmäßig auf die Bewilligung von Leistungen nicht für die Vergangenheit, sondern für die Gegenwart und Zukunft gerichtet (vgl. Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - L 7 AS 4197/10 ER-B - (juris) m.w.N.; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2. Aufl., Rdnr. 33). Da der Antragsteller Alg II-Leistungen beziehen kann, sind die an die Eilbedürftigkeit hier zu stellenden besonders strengen Anforderungen schon deshalb nicht erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved