L 12 SO 208/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
12
1. Instanz
SG Münster (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SO 111/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 SO 208/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 29.03.2010 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger führt vor dem Sozialgericht Münster zahlreiche Verfahren, in denen er um die Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) XII streitet.

Aufgrund der Anzahl der anhängig gemachten Hauptsacheverfahren und Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes (52 Verfahren allein im Jahre 2009), des Inhalts und der Art der Äußerungen des Klägers in diesen Verfahren, seiner Bezeichnung der Mitglieder des Gerichts und der übrigen Beteiligten als "Nazis", seines geäußerten Verdachts, das Gericht sei nicht unparteiisch, sondern arbeite mit den übrigen Beteiligten zusammen, um die Ansprüche des Klägers abzuwehren, seines mangelnden Vertrauens in die von ihm selbst genannten Rechtsanwälte und letztlich seiner Uneinsichtigkeit hinsichtlich der Rücknahme von Verfahren, die mehrfach anhängig gemacht wurden bzw. erneut anhängig gemacht wurden, nachdem der Kläger sie zuvor für erledigt erklärt hatte, sah das Sozialgericht hierin Anhaltspunkte, die Zweifel an der Prozessfähigkeit des Klägers aufkommen ließen. Aus diesem Grunde beabsichtigte es in einem Erörterungstermin am 16.11.2009, den Kläger hierzu anzuhören. Zu diesem Termin ist der Kläger nicht erschienen, obwohl ihm die Ladung am 12.10.2009 zugestellt worden war. Nachdem das Sozialgericht daraufhin dem Kläger die Hinweise auf die Zweifel an seiner Prozessfähigkeit schriftlich dargelegt und übersandt hatte, gab es, nachdem zwischenzeitlich ein Verfahren wegen Besorgnis der Befangenheit der zuständigen Richterin durchgeführt wurde, mit Beweisanordnung vom 17.02.2010 die Einholung eines psychiatrischen Gutachtens nach Aktenlage bei Prof. Dr. T in Auftrag. In seinem Gutachten vom 01.03.2010 gelangte der Sachverständige zu der Feststellung, beim Kläger liege eine hochgradige Auffälligkeit im Denkablauf, in der Auffassungsgabe und in der Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie in der praktischen Lebensgestaltung vor. Auf bestimmte Reizworte komme es immer wieder zu wahrscheinlich früher erlernten Reaktionen, die keinen wirklich logischen Bezug aufweisen würden und in ihrem Diskurs letztendlich keine Argumentationslinie erkennen ließen. Seit dem Jahre 2006 sei eine Progredienz zu bemerken. Die Art der Störung sei aufgrund der Unterlagen nicht sicher festzustellen, in Frage komme eine Psychose aus dem schizophrenen Formenkreis, welche mit Denkstörungen einhergehen könne und unbehandelt zu einem prozesshaften Fortschreiten führe, andere Erkrankungen seien jedoch nicht sicher auszuschließen. Letztlich sei jedoch die diagnostische Zuordnung des Krankheitsbildes weniger von Bedeutung als sein Schweregrad, der aus dem umfangreichen Aktenmaterial erkennbar werde. Eindeutig lasse sich feststellen, dass der Kläger nicht in der Lage sei, einer Sachargumentation mit sachlichen Argumenten zu begegnen, kritisch abwägend sich für bestimmte Gedankeninhalte ein Urteil zu bilden und entsprechend diesem Urteil zu argumentieren, vielmehr sei er offenbar in eine Gedankenwelt eingesponnen, die letztlich sich immer mehr auf Protest und Gegnerschaft einstelle und dabei den Bezug zur Realität weitgehend verloren habe. Da sich dieser Zustand über mehrere Jahre progredient entwickelt habe, sei er offensichtlich nicht nur vorübergehender Natur. Der Kläger sei wegen der Erkrankung geschäfts- und prozessunfähig. Letzteres gelte sowohl in Bezug auf sozialgerichtliche Verfahren als auch in Bezug auf sozialhilferechtliche Prozesse.

Das Gutachten wurde dem Kläger mit Postzustellungsurkunde vom 05.03.2010 zur Stellungnahme bis 22.03.2010 zugeleitet. Nachdem der Kläger am 22.03.2010 mitgeteilt hatte, seine Stellungnahme werde sich gesundheitlich bedingt einige Tage verspäten, bestellte das Sozialgericht Münster mit Beschluss vom 29.03.2010 für den Kläger bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers Herrn Rechtsanwalt N, N, als besonderen Vertreter, dem alle Rechte außer dem Empfang von Zahlungen zustünden. Der Kläger sei zu dem Termin, anlässlich dessen die Frage seiner Prozessfähigkeit erörtert werden sollte, unentschuldigt nicht erschienen. Er habe sich auch auf das Schreiben, in dem ihm der Sachverhalt geschildert worden sei, nicht geäußert. Aus diesem Grunde habe keine andere Möglichkeit bestanden, als den Sachverhalt durch Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage weiter aufzuklären. Das Ergebnis des Gutachtens bestätige die Zweifel des Gerichts an der Prozessfähigkeit des Klägers. Eine Stellungnahme habe der Kläger zu dem Gutachten nicht abgegeben, obwohl ihm hierzu eine Frist bis 22.03.2010 eingeräumt worden sei. Zwar habe der Kläger um Verlängerung der Frist aus gesundheitlichen Gründen gebeten, es sei ihm aber möglich gewesen, innerhalb der laufenden Frist weitere Klagen beim Sozialgericht einzureichen und Verfahren auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes weiter zu betreiben. Aus diesem Grunde könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger sich innerhalb der gesetzten Frist zu dem eingeholten Gutachten nicht habe äußern können.

Der Beschluss wurde dem Kläger am 31.03.2010 zugestellt.

Mit einem beim Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen per Fax eingegangenen Schriftsatz vom 30.04.2010 hat der Kläger Beschwerde erhoben. Bereits die Beweisanordnung des Sozialgerichts vom 17.02.2010 sei fehlerhaft, da sie als Beweishema nach der Prozessunfähigkeit frage. Hierbei handele es sich jedoch um einen Rechtsbegriff, den kein Sachverständiger beurteilen könne. Im Übrigen habe der Sachverständige sich auch mit der Geschäftsfähigkeit des Klägers befasst, wonach das Sozialgericht aber gar nicht gefragt habe. Das Gutachten beruhe auch auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage, denn der Sachverständige habe nur den zur Verfügung gestellten Aktenauszug ausgewertet. Aus der Auflistung der vom Kläger angestrengten Verfahren in der Anlage zur Beweisanordnung ergebe sich, dass er nach dem 10.11.2009 (letztes Schreiben, das dem Sachverständigen vorlag) noch 8 weitere Verfahren im Jahre 2009 anhängig gemacht habe. Der übersandte Aktenauszug sei eine unzureichende Stichprobe. Im Übrigen berücksichtige der Sachverständige nicht, dass Deutsch nicht die Muttersprache des Klägers sei. Fehler aus den Schreiben des Klägers resultierten aus diesem Umstand und aus seinen Spasmen an Händen und Fingern, die dazu führten, dass er sich bei Benutzung seines Laptop häufig verschreibe, dies lasse aber keine Rückschlüsse auf seinen Geisteszustand zu. Im Übrigen sei der Kläger in einem sozialistischen Staat aufgewachsen, wenn er daher die Konzepte staatlicher Organisationen ignoriere, verkenne er nicht die Realität, sondern zeige nur eine Unkenntnis der deutschen Rechtsordnung. Im Übrigen ziehe der Sachverständige auch falsche Schlüsse. Aus der Anzahl der vom Kläger eingeleiteten Verfahren könne nicht auf seine Prozessfähigkeit geschlossen werden, die zunehmende Zahl gerichtlicher Verfahren lasse zunächst nur darauf schließen, dass sich die Verwaltungsverfahren nach der Hartz IV -Reform eingeschliffen hätten und zügiger abgeschlossen würden. Letztlich sei auch inakzeptabel, dass der Sachverständige die genaue Diagnose offen lasse. Insgesamt stelle sich das Verhalten des Klägers vielmehr nur so dar, dass er eine Vielzahl von Verfahren mit seinen geringen sprachlichen Möglichkeiten sachgerecht einleite und dann im Laufe der Jahre die Geduld und Contenance verliere. Das scheine völlig normal zu sein. Im Übrigen sei der Kläger bereit, sich im Beschwerdeverfahren einer Untersuchung zu stellen.

Der Senat hat daraufhin mit Beweisanordnung vom 06.08.2010 den Neurologen und Psychiater Dr. D, N, zum Sachverständigen ernannt. Auf Nachfrage wurde dem Kläger bestätigt, dass die Kosten für eine von ihm erwünschte Begleitperson zur Untersuchung von der Staatskasse übernommen würden. Den Termin am 30.08.2010 hat der Kläger nicht wahrgenommen. Nach Mitteilung des Sachverständigen sagte er diesen unter Hinweis auf eine fehlende Begleitung und die Kurzfristigkeit der Anberaumung ab. Einen weiteren Termin, den der Sachverständige ihm am 27.09.2009 als Hausbesuch angeboten hatte, nahm der Kläger mit der Begründung nicht an, die Uhrzeit um 9.15 Uhr sei ihm zu früh.

Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben des Senats vom 01.09.2010 darauf hingewiesen, dass er im Rahmen des Verfahrens verpflichtet sei, an der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Bei fehlender Mitwirkung habe er die sich daraus ergebenden Nachteile zu tragen, falls es durch sein Verhalten nicht zu einer Untersuchung kommen könne, werde nach Aktenlage entschieden.

Daraufhin wurde ein weiterer Untersuchungstermin am 25.10.2010 anberaumt, den der Kläger wahrnahm. Am 26.10.2010 teilte der Kläger sodann dem Senat mit, dass er den Sachverständigen wegen Befangenheit ablehne und im Übrigen alle seine Angaben, die er im Rahmen der Untersuchung gemacht habe, widerrufe und mit einer Verwertung nicht einverstanden sei.

Daraufhin hat der Senat mit Beschluss vom 27.10.2010 die Beweisanordnung vom 06.08.2010 aufgehoben und mit Beschluss vom 29.10.2010 den Antrag des Klägers, den Sachverständigen Dr. D für befangen zu erklären, als unzulässig verworfen, da diesem Antrag wegen der Aufhebung der Beweisanordnung das Rechtsschutzbedürfnis fehle. Ebenfalls mit Schreiben vom 27.10.2010 wurde der Kläger sodann darauf hingewiesen, dass für den Senat nunmehr keine Möglichkeit mehr bestehe, den Sachverhalt von Amts wegen weiter aufzuklären. Eine vom Kläger angeregte Untersuchung insbesondere durch einen orthopädischen Facharzt werde vom Senat nicht für sachgerecht gehalten. Die dem Kläger eingeräumten Fristen bis 15.11.2010 bzw. 22.11.2010 ließ er ungenutzt verstreichen. Ein zwischenzeitlich erhobener Vorwurf der Besorgnis der Befangenheit gegen den gesamten Senat wurde mit Beschluss vom 01.12.2010 zurückgewiesen.

Wegen der weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, die der Senat beigezogen hat und deren Inhalt er seine Entscheidung zugrunde gelegt hat, verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Sie ging per Telefax am 30.04.2010 um 23.27 Uhr beim erkennenden Senat ein und ist damit fristgerecht erhoben.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht geht das Sozialgericht von der Prozessunfähigkeit des Klägers aus und hat demzufolge mit dem angefochtenen Beschluss vom 29.03.2010 Herrn Rechtsanwalt N zum besonderen Vertreter bestellt.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 72 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Nach dieser Vorschrift ist für einen nicht prozessfähigen Beteiligten ohne gesetzlichen Vertreter bis zum Eintritt eines Vormundes, Betreuers oder Pflegers für das Verfahren ein besonderer Vertreter zu bestellen, dem alle Rechte, außer dem Empfang von Zahlungen, zustehen. Eine Person ist prozessfähig, soweit sie sich durch Verträge verpflichten kann (§ 52 der Zivilprozessordnung (ZPO)) bzw. vor Gericht stehen und vor Gericht auftreten kann. Davon, dass der Kläger nicht prozessfähig ist, ist auch der Senat überzeugt.

Das ergibt sich bereits aus dem vom Sozialgericht nach Aktenlage eingeholten Gutachten des Psychiaters Dr. T vom 01.03.2010. Der Sachverständige ist nach Auswertung des ihm übersandten Aktenmaterials zu der Feststellung gelangt, dass beim Kläger hochgradige Auffälligkeiten im Denkablauf, in der Auffassungsgabe und in der Kritik- und Urteilsfähigkeit sowie der praktischen Lebensgestaltung vorlägen. Gleichzeitig hat der Sachverständige den chronologischen Verlauf ausgewertet und in dem Zusammenhang eine deutliche Progredienz festgestellt. Zwar gelangt der Sachverständige nicht zu einer eindeutigen Diagnose, jedoch spricht das nicht gegen die Überzeugungskraft bzw. Verwertbarkeit des Gutachtens. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass hier mehrere Diagnosen möglich sind, es letztlich aber nicht auf eine diagnostische Zuordnung des Krankheitsbildes ankomme, da der Schweregrad einer Erkrankung aus dem Akteninhalt deutlich belegt werde. Danach sei der Kläger nicht in der Lage, einer Sachargumentation mit sachlichen Argumenten zu begegnen, kritisch abzuwägen zwischen bestimmten Gedankeninhalten und entsprechend dieser Einschätzung zu argumentieren und zu handeln. Er lebe offensichtlich in seiner Gedankenwelt, die sich nur auf Protest und Gegnerschaft eingestellt und dabei den Bezug zur Realität verloren habe. Diese Feststellungen decken sich auch mit den Feststellungen des Senats zum Verhalten des Klägers im Verlauf des Verfahrens, so dass der Senat auch aus diesem Grund von der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen überzeugt ist. Der Kläger hat auch im Beschwerdeverfahren Termine beim Sachveständigen mit wenig nachvollziehbaren Argumenten nicht wahrgenommen, die Behauptung aufgestellt, der Prozessbevollmächtigte, der seine Beschwerde in den über 60 Verfahren begründet habe, sei von ihm nicht bevollmächtigt gewesen und im Übrigen sei der gesamte Senat gegen ihn eingestellt.

Gegen die Überzeugungskraft des Gutachtens des Dr. T sprechen auch nicht die Einwände, die der Bevollmächtigte des Klägers zur Begründung der Beschwerde vorgetragen hat. Insbesondere liegen sie, soweit sie sich auf formelle Aspekte erstrecken, neben der Sache. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Sozialgericht den Sachverständigen nicht nach einem Rechtsbegriff gefragt. Zwar ist die Frage formuliert, ob der Kläger prozessunfähig sei, dieser Begriff wurde jedoch mit der Definition ausgeführt, "d.h., befindet sich der Kläger in einem Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit, der seiner Natur nach nicht vorübergehend ist?" Damit hat das Sozialgericht den Gutachtenauftrag eindeutig umgrenzt und hierzu tatsächliche Feststellungen des Gutachters erbeten. Unschädlich ist auch, dass der Gutachter die Begriffe Geschäfts- und Prozessfähigkeit parallel verwandt hat, obwohl er nur Feststellungen zur Prozessfähigkeit treffen sollte, denn die Feststellungen des Sachverständigen decken auf jeden Fall die hier streitige Frage nach dem Vorliegen von Prozessunfähigkeit ab, so dass der weitere Umstand, dass der Sachverständige auch die Geschäftsfähigkeit einbezogen hat, unschädlich ist. Ebenso wenig vermögen die Ausführungen zur Herkunft des Klägers, seiner sprachlichen Fähigkeiten sowie seiner Gesundheitsstörungen an den Händen und Fingern, die ihn beim Bedienen des Laptops behindern, die Überzeugungskraft des Gutachtens zu erschüttern. Der Sachverständige hat nicht von diesen Defiziten auf die Prozessunfähigkeit des Klägers geschlossen, diese vielmehr mit seinem gesamten Verhalten belegt, das der Kläger über einen Zeitraum von mehreren Jahren kontinuierlich und sich verstärkend gezeigt hat. Letztlich vermag der Senat auch nicht festzustellen, dass das Gutachten des Sachverständigen Dr. T auf einer unzureichenden Tatsachengrundlage beruht. In der Beweisanordnung vom 17.02.2010 hatte das Sozialgericht den Sachverständigen darauf hingewiesen, er möge dem Gericht Mitteilung machen, falls er sich aus den übersandten Akten einschließlich der Handakten noch keine schlüssige Meinung zu den Beweisfragen bilden könne. Daraus ergibt sich, dass das übersandte Aktenmaterial sehr wohl ausreichend war, ganz abgesehen davon, dass der Vortrag des Klägers, der Sachverständige habe während des Zeitraums des Gutachtenauftrags weitere acht erhobene Verfahren vor dem Sozialgericht Münster unberücksichtigt gelassen, eher die Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen bestätigt als sie in Zweifel zieht. Gleiches gilt für den Einwand des Klägers, er leite Gerichtsverfahren trotz seiner geringen sprachlichen Kenntnisse sachgerecht ein und verliere dann im Laufe der Jahre die Geduld und Contenance. Auch hierbei handelt es sich um einen Umstand, der gerade für die Richtigkeit der vom Sachverständigen getroffenen Feststellungen spricht und die Überzeugungskraft des Gutachtens belegt.

Eine weitere Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen war dem Senat nicht möglich. Zwar hat der Kläger an der im Rahmen des Gutachtenauftrags durchgeführten Untersuchung bzw. dem Explorationsgespräch teilgenommen, jedoch hat er unmittelbar nach Beendigung des Termins die Verwertung der Ergebnisse untersagt. Es kann dahinstehen, ob die Verwertung der im Rahmen einer von Amts wegen durchgeführten Begutachtung gewonnenen Erkenntnisse einer Schweigepflichtsentbindungserklärung bzw. einer Einverständniserklärung des Klägers bedarf (verneinend Bieresborn, Sozialgerichtsbarkeit 09/10, S. 501 (506)); differenzierend Kaltenstein, Der Medizinische Sachverständige, 2001, Nr. 2, S. 60 ff.), denn der Kläger hat durch sein Verhalten dazu beigetragen, dass unklar bleibt, ob Prozessfähigkeit gegeben ist. In einer solchen Situation trifft ihn das Risiko der Nichterweislichkeit seiner Prozessfähigkeit im Sinne einer objektiven Beweislast (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 9. Auflage 2008, § 71 Rdz 8 b m.w.N. insbesondere zur obergerichtlichen Rechtsprechung). Danach kann der Kläger unabhängig vom Ergebnis des nach Aktenlage eingeholten erstinstanzlichen Gutachten nicht als prozessfähig angesehen werden.

Von einer Anhörung des Klägers hat der Senat aufgrund des ihm hierzu eingeräumten Ermessens (Leitherer, a.a.O.) wegen Vorliegens der besonderen Umstände des Sachverhalts abgesehen. Diese besonderen Umstände sieht der Senat zum Einen in der Vorgeschichte des Klägers, zum Anderen aber auch in seinem aktuellen prozessualen Verhalten im Beschwerdeverfahren. Dem Kläger war durch Übersendung der den Neurologen und Psychiater Dr. D zum Sachverständigen ernennenden Beweisanordnung des Senats vom 06.08.2010 und den damit verbundenen Beweisfragen klar, welcher Zweck die angeordnete Untersuchung hatte. Er hat den zeitnah festgesetzten Untersuchungstermin am 30.08.2010 nicht wahrgenommen, den ihm sodann ersatzweise angebotenen Termin am 27.09.2010 gar nicht erst akzeptiert und nach der dann erfolgten Untersuchung am 25.10.2010 sein Einverständnis zur Verwertung entzogen. Auf die Schreiben des Senats im Zusammenhang mit der durch dieses Verhalten entstehenden Rechtsfolgen hat der Kläger nicht reagiert. Die ihm zuletzt eingeräumten Fristen zur Stellungnahme bis 15.11.2010 bzw. 22.11.2010 hat der Kläger ungenutzt verstreichen lassen. Der Senat hat daher keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ernsthaft an einer Aufklärung der hier streitentscheidenden Frage des Vorliegens seiner Prozessfähigkeit interessiert ist und an der dazu erforderlichen Sachverhaltsaufklärung mitwirken wird. Aus diesem Grunde war eine Anhörung entbehrlich.

Die vom Kläger angeregte Einholung eines orthopädischen Gutachtens hält der Senat für entbehrlich, da es für die Frage des Vorliegens der Prozessfähigkeit auf den Nachweis orthopädischer Befunde nicht ankommt.

Auch die Einholung eines weiteren Gutachtens nach Aktenlage hält der Senat nicht für erforderlich, da es seit Erstellung des Gutachtens durch Dr. T am 01.03.2010 keine wesentlich neuen Fakten gibt, die der Beurteilung durch einen Sachverständigen bedürfen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG). Die Bestellung von Rechtsanwalt N zum besonderen Vertreter des Klägers ist damit bindend.
Rechtskraft
Aus
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