L 11 KA 69/08

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
11
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 26 (19) KA 17/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KA 69/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 06.06.2008 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Schadensersatz für die - seiner Meinung nach rechtswidrigen - altersbedingten Beendigung seiner Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung im Jahr 1998 sowie Ablehnung seiner erneuten Zulassung im Jahr 2006.

Der am 00.00.1929 geborene Kläger war in der Zeit vom 03.01.1968 bis einschließlich 31.12.1998 als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in C niedergelassen. Nach Vollendung seines 68. Lebensjahres stellte der Zulassungsausschuss für Ärzte Köln durch Beschluss vom 09.12.1998 fest, dass die Zulassung des Klägers nach der gesetzlichen Vorgabe des § 95 Abs. 7 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) am 01.01.1999 ende. Die dagegen eingelegten Rechtsbehelfe und Rechtsmittel hatten keinen Erfolg (Beschluss des Berufungsausschusses vom 10.02.1999, Urteil des Sozialgerichts (SG) Köln vom 12.01.2000 - S 19 KA 18/99 -, Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) vom 18.10.2000 - L 11 KA 74/00 - sowie Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 27.06.2001 - B 6 KA 3/01 B -).

Mit Schreiben vom 28.08.2006 beantragte der Kläger unter Hinweis auf das Gesetz zur Umsetzung europäischer Richtlinien (Gleichbehandlungsgesetz - AGG -) vom 14.08.2006 die Aufhebung des Zulassungsentzugs bzw. die Neuerteilung der Zulassung als Facharzt für Allgemeinmedizin zur vertragsärztlichen Versorgung in C. § 95 Abs. 7 SGB V sei nach §§ 1 ff. AGG ab 18.08. 2006 hinsichtlich der Altersgrenze für Vertragsärzte nicht mehr anwendbar. Seinerzeit sei nicht berücksichtigt worden, dass während der Umsetzungsfrist der Europäischen Antidiskriminierungs-Richtlinie die europarechtliche Vorwirkung verbiete, diskriminierende Maßnahmen mit Statuswirkung wie Zulassungsbeendigungen zu vollziehen, weil sie spätestens nach Ablauf der Umsetzungsfrist wieder aufgehoben werden müssten.

In seiner Sitzung vom 25.10.2006 lehnte der Zulassungsausschuss für Ärzte L sowohl den Antrag des Klägers auf Aufhebung des feststellenden Beschlusses des Zulassungsausschusses vom 09.12.1998 über das Ende der Zulassung am 01.01.1999 als auch den Antrag auf Zulassung zur Kassenpraxis des Klägers als Facharzt für Allgemeinmedizin ab (Bescheid vom 21.11.2006).

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, die angefochtene Entscheidung ignoriere verbindliches Europarecht der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 und europarechtlich-nationales Umsetzungsrecht in Form des Gesetzes vom 14.08.2006. Auch habe sich der Zulassungsausschuss nicht mit dem Problem befasst, dass nach dem Grundgesetz (GG) dem Bund eine Kompetenz zur Bestimmung einer Altersgrenze für Vertragsärzte nicht zukomme. Im Hinblick auf den Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit sei der Zulassungsausschuss vielmehr gehalten gewesen, ein weniger eingreifendes Mittel als die völlige Ablehnung der Neuzulassung zu wählen. Nach der gegebenen Rechtslage sei es nämlich auch möglich gewesen, die Neuzulassung im Hinblick auf die für den Zulassungsausschuss unsichere Rechtslage mit einem allgemeinen Widerrufsvorbehalt zu erteilen. Nach § 22 AGG treffe den Zulassungsausschuss die volle gesetzliche Beweislast für das Nichtvorliegen einer Altersdiskriminierung. Diesen Beweis habe der Ausschuss nicht antreten können. Wegen der Altersdiskriminierung stehe ihm im Übrigen ein angemessenes Schmerzensgeld zu, welches er mit 150.000,00 EUR beziffere.

Die Beigeladene zu 5) hat im Widerspruchsverfahren vorgetragen, die Vorschriften über die Beendigung der Zulassung zur vertragsärztlichen Tätigkeit bei Erreichen der Altersgrenze von 68 Jahren seien mit dem GG vereinbar, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in mehreren Beschlüssen bestätigt habe. Auch Normen des Europäischen Gemeinschaftsrecht würden durch die Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V nicht verletzt. Denn das Europäische Rechts berühre nicht die im einzelstaatlichen Recht vorgesehenen Maßnahmen, die in einer demokratischen Gesellschaft u. a. zum Schutz der Gesundheit notwendig seien. Die Ungleichbehandlung wegen des Alters stelle keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen sei und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt sei (z. B. aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung). Da der Kläger zudem mittlerweile das 78. Lebensjahr vollendet habe, lägen die Voraussetzungen für eine Zulassung nicht vor.

In seiner Sitzung vom 18.07.2007 hat der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Unabhängig davon, ob die sonstigen Voraussetzungen für eine Rücknahme des Beschlusses vom 09.12.1998 mit seinem bloß feststellenden Charakter gegeben seien, sei die darin enthaltende Feststellung nicht rechtswidrig. Der angefochtene Beschluss entspreche der Regelung des § 95 Abs. 7 Satz 3 SGB V; danach laufe die Zulassung nach dem Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollende, aus, sofern dieser mindestens 20 Jahre als Vertragsarzt tätig gewesen sei. Diese Voraussetzungen seien damals und auch heute noch gegeben. Der Bundesgesetzgeber habe mit dem AGG die Antidiskriminierungs-Richtlinien des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27.11.2000 umgesetzt. Desweiteren habe der Bundestag mit dem am 01.01.2007 in Kraft getretenen Vertragsarztrecht-Änderungsgesetz die Altersgrenze für das Ende der vertragsärztlichen Tätigkeit von 68 Jahren nur für unterversorgte Planungsbereiche aufgehoben und damit die Altersgrenze für überversorgte Planungsbereiche nochmals ausdrücklich bestätigt. Hieran sei der Beklagte gebunden.

Gegen diesen Beschluss hat der Kläger unter Wiederholung und Vertiefung seiner im Widerspruchsverfahren erhobenen Einwendungen am 31.07.2007 Klage beim SG Köln erhoben. Es könne keinem Zweifel unterliegen, dass rein tatsächlich der Entzug der Kassenzulassung mit Vollendung des 68. Lebensjahres eine Maßnahme darstelle, die auf das biologische Lebensalter abstelle. Rechtlich unterfalle der Zulassungsentzug für 68-jährige Ärzte in den Schutzbereich von § 1 AGG, d. h. des Verbotes der Altersdiskriminierung. Der Beklagte bestreite inhaltlich nicht, eine Altersdiskriminierung begangen zu haben. Zudem habe sich der Beklagte nicht mit der Frage einer fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das "Kassen"arztrecht auseinandergesetzt. Der Kläger hat dazu auf einen von ihm mit zwei Koautoren gefertigten Aufsatz verwiesen. Die von ihm vorgetragenen (Schadensersatz-) Ansprüche aus § 21 AGG seien von der Beklagten nicht bestritten und damit eingeräumt worden. Nach § 22 AGG treffe den Beklagten die Beweislast dafür, dass keine den Schaden auslösende antialtersdiskriminierende Maßnahme vorliege. Sofern der Beklagte hierzu nicht in der Lage sei, sei der geltend gemachte Anspruch grundsätzlich zuzusprechen. Der Umstand, dass "Kassen"patienten sich nicht mehr von ihrem bisherigen 68-jährigen Kassenarzt behandeln lassen dürften, sondern lediglich noch als Privatpatienten, sei mit dem Sozialstaatsprinzip des GG nicht vereinbar. Denn das Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Arzt zähle nach dem BVerfG zu den Grundvoraussetzungen ärztlichen Wirkens, weil es die Chancen der Heilung vergrößere. Das Verbot, sich nicht mehr durch einen 68-jährigen Arzt behandeln zu lassen, obwohl er nach wie vor die Approbation als Arzt besitze, sei ebenso wie die zwangsweise Beendigung der Kassenärztlichen Tätigkeit ohne gesetzliche Enteignungsentschädigung mit dem GG nicht vereinbar.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt,

festzustellen, dass der angefochtene Bescheid der Beklagten eine Antidiskriminierungsmaßnahme nach dem (deutschen) AGG darstellt sowie

den Bescheid der Beklagten vom 18.07.2007 aufzuheben und ihm gemäß § 21 AGG den geltend gemachten Schadensersatzanspruch in Höhe von 130.000,00 EUR zuzusprechen,

hilfsweise,

gemäß Art. 100 GG das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen,

ob § 95 Abs. 7 S. 2 SGB V mit dem Grundgesetz vereinbar ist, weil der Bund insoweit keine eigene Gesetzgebungsbefugnis im Kassenarztrecht besitzt und hierbei auch gesetzgeberische Willkür vorliegt, die ebenfalls zur Nichtigkeit führt,

ob die gesetzliche Enteignung einer Kassenarztpraxis bei fehlender gesetzlicher Enteignungsentschädigung verfassungswidrig ist, inwieweit die eingerichtete Kassenarztpraxis dem Eigentumsschutz aus Art. 14 GG unterfällt,

weiter hilfsweise,

das Verfahren gemäß Art. 234 Abs. 2 EGV auszusetzen und dem EuGH die Frage zur Entscheidung vorzulegen, ob die Altersgrenze von 68 Jahren nur für Kassenärzte mit der Antidiskriminierungs-Richtlinie EU 2000/78/EG Rat vom 27.11.2000 vereinbar ist.

Der Beklagte und die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.

Die Beteiligten sind mit Schreiben des SG vom 17.04.2008 darauf hingewiesen worden, dass ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden solle, da das streitgegenständliche Thema hinreichend obergerichtlich geklärt sei, und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten. Der Kläger hat sich hiermit nicht einverstanden erklärt.

Das SG hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 06.06.2008 unter Wiederholung der Ausführungen des BSG zur streitgegenständlichen Altersgrenze in einem Urteil vom 06.02.2008 - B 6 KA 41/06 - die Klage abgewiesen. Ergänzend hat das SG zur Begründung ausgeführt, abgesehen davon, dass die Regelung über die Altersgrenze mit verfassungs- und europäischem Recht vereinbar sei, könne die Klage auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Zulassung des Klägers bereits zum 31.12.1998 geendet habe. Eine einmal bereits wirksam erfolgte Zulassungsbeendigung könne nicht durch späteres Recht (hier: Europäisches Recht) wieder infrage gestellt werden mit der Folge, die Beendigung sei nicht erfolgt und die Zulassung könne wieder aufleben. Die damalige Zulassungsbeendigung sei rechtlich noch weniger zweifelhaft gewesen als heute altersbedingt erfolgende Zulassungsbeendigungen. Denn damals sei die Gleichbehandlungsrichtlinie 2000/78/EG von November 2000 noch nicht verbindlich geworden. Die Umsetzungsfrist für Deutschland habe bis zum 02.12.2006 gewährt, so dass als Maßstab für die Rechtmäßigkeit der damaligen Zulassungsbeendigung lediglich eine etwaige Vorwirkung der Richtlinie in Betracht gekommen sei. Aber nicht einmal eine Vorwirkung der Richtlinie habe in Rede gestanden; denn sie betreffe nur neue Gesetzgebungsakte, die nach Erlass der Richtlinie während des Laufes der Umsetzungsfrist ergehen. Die Regelung über die Altersgrenze sei indessen bereits zum 01.01.1993 Gesetz geworden und seit dem 01.01.1999 anzuwenden. Die Verschiebung der Regelung innerhalb des § 95 Abs. 7 SGB V (Einfügung eines neuen Satzes 2 mit der Folge, dass der bisherige Satz 2 zu Satz 3 wurde) habe keinen neuen gesetzgeberischen Akt bezogen auf die Altersgrenze dargestellt. Weil die Zulassungsbeendigung bereits am 01.01.1999 erfolgt sei und dies auf einer gesetzlichen Grundlage vom 21.12.1992 beruht habe, bestünden erst recht keine europarechtlichen Bedenken. Vielmehr sei die Zulassungsbeendigung am 01.01.1999 rechtmäßig erfolgt. Angesichts der gefestigten und überzeugenden Rechtssprechung des BVerfG und des BSG bestehe keine Veranlassung, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG oder dem EuGH vozulegen. Im Übrigen sei - entgegen der Auffassung des Klägers - der Bundesgesetzgeber befugt, die gesetzliche Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland zu regeln. So fänden sich im SGB V mannigfaltige Regelungen zu der Frage, wer als Leistungserbringer im System der gesetzlichen Krankenversicherung agieren dürfe und unter welchen Voraussetzungen. Mithin dürfe der Bundesgesetzgeber auch regeln, bis zu welcher Altersgrenze Ärzte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung mitwirken dürften.

Da der Beklagte nicht gegen das Benachteiligungsverbot im Sinne des AGG verstoßen habe, könne der Kläger auch keine Entschädigung in Höhe von 130.000,00 EUR beanspruchen.

Der Kläger hat gegen den ihm am 14.06.2008 zugestellten Gerichtsbescheid am 25.06.2008 Berufung eingelegt, mit der er weiterhin - unter Aufrechterhaltung seines Hilfsantrages, das Verfahren auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen - die Aufhebung des Beschlusses vom 18.07.2007 und Schadensersatz in Höhe von 130.000,00 EUR begehrt. Die Entscheidung durch Gerichtsbescheid sei wegen der verfassungsrechtlichen Problematik eine verbotene "ausnahmegerichtliche Maßnahme" gewesen. Das SG habe sich auch in der Sache nicht mit der "entschädigungslosen verfassungswidrigen Enteignung" auseinander gesetzt. Er stütze seinen Klageanspruch ergänzend auf den "grundrechtlich gewährleisteten Folgenbeseitigungsanspruch".

Der Kläger, der zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist, beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 06.06.2008 abzuändern und nach dem Klageantrag zu entscheiden.

Der Beklagte und der Beigeladene zu 5) beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Der Senat, der in der Besetzung mit je einem Vertreter der Vertragsärzte und Psychotherapeuten sowie der Krankenkassen verhandelt und entschieden hat, weil es sich um eine Angelegenheit des Vertragsarztrechts handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), konnte trotz Abwesenheit des Klägers und der Beigeladenen zu 1) bis 4), 6) und 7) verhandeln und entscheiden. Denn diese sind ordnungsgemäß geladen und auf diese Möglichkeit hingewiesen worden (§ 110 Abs. 1 SGG).

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, denn der Kläger hat keinen Schadensersatzanspruch; der Beschluss des Beklagten vom 18.07.2007 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger nicht (§ 54 Abs. 2 SGG).

Der Senat nimmt zunächst Bezug auf die als zutreffend erachteten Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids (§ 153 Abs. 2 SGG) und führt ergänzend aus:

Der zum Zeitpunkt der Klageerhebung 78-jährige Kläger begehrt - wie aus seinem Vortrag und seinen schriftsätzlich formulierten Anträgen hervorgeht - keine Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung mehr, sondern verfolgt mit dem Gerichtsverfahren ein Rehabilitationsinteresse, da er weiterhin davon ausgeht, dass die altersbedingte Beendigung seiner Zulassung rechtswidrig ist. Nachdem durch alle Instanzen rechtskräftig festgestellt worden ist, dass mit Beschluss der Beklagten vom 09.12.1998 seine Zulassung am 01.01.1999 geendet hat, ist Streitgegenstand, ob der angefochtene Beschluss, mit dem nunmehr auch seine Wiederzulassung abgelehnt wurde, rechtswidrig ist. An Aufhebung des Bescheides und inzidenter Feststellung der Rechtswidrigkeit hat der Kläger trotz Erledigung aus persönlichen Gründen ein berechtigtes fortgesetztes Interesse, da er - in einem zweiten Schritt - die Zahlung von Schadensersatz begehrt.

Die darauf gerichteten Fortsetzungsfeststellungs- und Leistungsklagen sind jedoch unbegründet, da der angefochtene Beschluss der Beklagten vom 18.07.2007 nach Maßgabe des zum Zeitpunkt der Entscheidung geltenden Rechts (vgl. Meyer-Ladewig in Meyer/Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, 2008, § 131 Rdn. 7a unter Hinweis auf Keller ebenda § 54 Rdn. 32a m.w.N.) nicht rechtswidrig war und daher keine Grundlage für einen Schadensersatzanspruch besteht.

Ungeachtet der Frage, ob der (Wieder-) Zulassungantrag des Klägers den formellen Anforderungen des § 95 Abs. 2 Satz 4 SGB V i.V.m. § 18 Zulassungsverordnung für Ärzte (Ärzte-ZV) entsprach, hat die Beklagte den Antrag schon deshalb zu Recht abgelehnt, da der 1929 geborene Kläger bei Stellung des Antrags auf (Wieder-)Zulassung am 28.08.2006 bereits im 78. Lebensjahr stand. Nach § 97 Abs. 7 Satz 3 und 4 SGB V in der zum Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztänderungsgesetz - VÄndG - vom 22.12.2006 (BGBl. I 3439) endet(e) ab 01.01.1999 die Zulassung am Ende des Kalendervierteljahres, in dem der Vertragsarzt sein 68. Lebensjahr vollendet. Im Umkehrschluss konnte der Kläger, der zudem mehr als 20 Jahre als Vertragsarzt tätig war, zu diesem Zeitpunkt seine Zulassung nicht erfolgreich beantragen. Das BSG hat in seinem Urteil vom 06.02.2008 - B 6 KA 41/06 R -, dessen Auffassung der Senat sich vollumfänglich anschließt, entschieden, dass diese Regelung über die Beendigung der vertragsärztlichen Zulassung mit 68 Jahren weder Verfassungsrecht noch das europarechtliche Verbot der Altersdiskriminierung, noch die Bestimmungen des AGG verletzt, weshalb es einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 114 Abs. 2 Satz 1 SGG und Vorlage zum BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG bzw. zum Europäischen Gerichtshof gemäß Art. 234 Abs. 2 EG-Vertrag nicht bedarf. Letzteres gilt umsomehr, als sich der EuGH mit Urteil vom 12.01.2010 (C-341/08 - Petersen) erneut mit der Problematik beschäftigt und entschieden hat, dass Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2007/78 EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichgehandlung in Beschäftigung und Beruf dahin auszulegen ist, dass eine Altersgrenze für Vertrags(zahn)ärzte nicht entgegensteht, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertrags(zahn)ärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Dass die Altersgrenze für Vertragsärzte diese Zielrichtigung hat, hat das BSG in seiner Rechtsprechung mehrfach ausgeführt (zuletzt BSG, Beschluss vom 18.08.2010 - B 6 KA 18/10 - m.w.N.).

Auch mit Einwand, die zwangsweise Beendigung der vertragsärztlichen (bis zum Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 bezogen auf die Primärkassen sog. kassenärztlichen) Tätigkeit ohne gesetzliche Enteignungsentschädigung sei mit dem GG nicht vereinbar, hat sich die Rechtsprechung bereits mehrfach beschäftigt. Das BVerfG hat schon in seinen Urteilen vom 31.03.1998 - 1 BvR 2167/93, 1 BvR 2198/93 - (jeweils m.w.N.) ausgeführt, dass eine Verletzung des Art. 14 GG nicht ersichtlich ist, weil die angegriffene Zulassungsvorschrift sich auf die berufliche Betätigung und nicht auf deren Ergebnis bezieht (BVerfG, Urteil vom 31.03.1998 - 1 BvR 2167/93, m.w.N.). Durch sie wird die Möglichkeit des Verkaufs oder der Übertragung der Praxisräume und des Stammes der Privatpatienten nicht berührt. Davon abzuweichen, besteht kein Anlass.

Einer erneuten Auseinandersetzung unter Berücksichtigung der Argumentation des Klägers bedarf es unabhängig von alledem bereits deshalb nicht, weil die Ablehnung seines Antrags auf erneute Zulassung auch deshalb zu Recht versagt wurde, weil der Planungsbereich C für die Niederlassung von Hausärzten nach Maßgabe eines auf § 103 Abs. 3 SGB V i.V.m. § 16b Abs. 3 Sätze 2 und 3 Ärzte-ZV beruhenden Beschlusses des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen zum Stichtag 01.07.2007 gesperrt war (vgl. Rheinisches Ärzteblatt 1/2008 S. 3491). Anträge auf Zulassung sind durch den Zulassungsausschuss (§ 96 SGB V) abzulehnen, wenn - wie hier - bei Antragstellung für die dort tätigen Ärzte Zulassungsbeschränkungen nach § 103 Abs. 1 Satz 2 angeordnet sind (§ 95 Abs. 2 Satz 9 SGB V). Auch insofern sind weder Regelungen des Europäischen Gemeinschaftsrechts betroffen noch bestehen verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BSG, Beschluss vom 18.08.2010 - B KA 18/10 B - und Urteil vom 17.10. 2007 - B 6 KA 45/06 R - m.w.N.), die auch vom Kläger nicht vorgetragen sind. Da dem Beklagten, weder bezogen auf den bestandskräftigen Feststellungsbeschluss vom 09.12.1998 noch bezogen auf den angefochtenen Beschluss vom 18.07.2007 ein rechtswidriges (schuldhaftes) Verhalten vorzuhalten ist, bleibt auch die Schadensersatzklage des Klägers - sei es gestützt auf einen öffentlich-rechtlichen Schadens-, Folgenbeseitigungs- oder sozialrechtlichen Herstellungsanspruch - ohne Erfolg.
Rechtskraft
Aus
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