L 2 U 58/09

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 9 U 109/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 58/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 312/10 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 3. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 von Hundert (v.H.) über den 01.04.2006 hinaus streitig.

Der 1956 geborene Kläger erlitt am 19.05.2000 einen Arbeitsunfall, als er von einem fahrenden Gabelstapler seitlich heruntersprang und sein rechter Fuß von dem Gabelstapler überrollt wurde. Der Durchgangsarzt Dr. O. stellte am selben Tag eine Innenknöchelfraktur rechts fest. Außerdem war die Beweglichkeit des rechten Knies ebenfalls schmerzhaft eingeschränkt.

Im Klinikum St. E. in B-Stadt wurde eine "Unhappy Triad" des rechten Knies, also eine Teilruptur des vorderen Kreuzbandes, eine Ruptur des medialen Seitenbandes und eine Innenmeniskushornläsion diagnostiziert.

Im Zwischenbericht des Dr. O. vom 06.09.2000 wurde neu eine Kontusion der rechten Schulter festgestellt.

Mit Bescheid der Beklagten vom 23.01.2001 wurde der Unfall als Arbeitsunfall anerkannt und eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 20 v. H. ab 13.11.2000 gewährt. Als Folgen des Unfalls wurden festgestellt eine Muskelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels, eine Lockerung des vorderen Kreuz- sowie des Innenbandes am rechten Knie, Blutumlaufstörungen, eine Schwellung im Bereich des rechten Unterschenkels und eine Bewegungseinschränkung des rechten unteren Sprunggelenkes sowie reizlos liegendes Fremdmaterial. Nicht anerkannt wurde eine Bewegungseinschränkung im rechten Schultergelenk.

Dr. E. führte in einem Gutachten vom 18.03.2003 aus, dass im Bereich des oberen rechten Sprunggelenkes eine bleibende Bewegungseinschränkung nach Innenknöchelfraktur vorliege, die mit einer MdE von 30 v. H. zu bewerten sei. Von Seiten des Knies bestünde zwar eine - behebbare - Meniskusläsion, die aber zu keinen Bewegungseinschränkungen führe; die MdE hierfür betrage 0 v. H. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. G. bewertete die MdE in seiner Stellungnahme vom 21.03.2003 nach wie vor mit 20 v. H.

Mit Bescheid vom 07.04.2003 wurde eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v. H. anerkannt und als Folgen des Arbeitsunfalls eine Muskelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels, eine Lockerung des vorderen Kreuzbandes am rechten Knie, Blutumlaufstörungen und Schwellung im Bereich des rechten Unterschenkels sowie eine Bewegungseinschränkung im rechten oberen Sprunggelenk festgestellt.

Mit Schreiben vom 10.12.2005 beantragte der Kläger eine höhere Verletztenrente wegen Verschlimmerung. Es wurde daraufhin ein weiteres Rentengutachten bei Dr. Z. eingeholt. Dieser stellte fest, dass die MdE für die Unfallfolgen wegen Besserung nur noch 10 v. H. betrage. Am rechten Bein liege keine Muskelminderung mehr vor, weder am Ober- noch Unterschenkel; die Muskulatur sei seitengleich und kräftig. Blutumlaufstörungen und Schwellungen im Bereich des rechten Sprunggelenkes seien nicht mehr vorhanden, der Kniebandapparat sei stabil. Verblieben sei lediglich eine Bewegungseinschränkung am rechten oberen Sprunggelenk.

Mit Bescheid vom 23.03.2006 wurde der Bescheid vom 07.04.2003 aufgehoben und die Rente auf unbestimmte Zeit mit Wirkung ab 01.04.2006 entzogen.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und trug vor, dass keine Besserung eingetreten sei, da er noch erhebliche Schmerzen habe.

Die Beklagte holte ein weiteres Gutachten von Dr. K. eingeholt. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 06.02.2007 eine Osteochondrosis des rechten oberen Sprunggelenkes fest, bewertete die MdE aber nach wie vor mit 10 v. H.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2007 zurückgewiesen.

Der Kläger legte hiergegen am 14.05.2007 beim Sozialgericht München (SG) Klage ein und begehrte die Weitergewährung der Rente auf unbestimmte Zeit über den 31.03.2006 hinaus.

Das Gericht erhob Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens von
Dr. M ... Dieser kam nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 03.09.2008 zu dem Ergebnis, dass eine wesentliche Besserung der Unfallfolgen eingetreten sei. Eine Minderung der Oberschenkelmuskulatur rechts und eine Kniebandlockerung rechts seien nicht mehr feststellbar, die Beweglichkeit des Knies sei frei. Am rechten Sprunggelenk bestehe eine Einschränkung der Dorsalextension, die mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten sei.

Mit Urteil vom 03.12.2008 wies das SG die Klage ab. Der Kläger habe wegen seines Arbeitsunfalls vom 19.05.2000 keinen Anspruch auf Verletztenrente über den 31.03.2006 hinaus, da ab diesem Zeitpunkt unfallbedingte Gesundheitsschäden in rentenberechtigendem Grade nicht mehr vorlägen.

Hiergegen hat der Kläger am 18.02.2009 Berufung eingelegt. Weder objektiv noch subjektiv sei eine Besserung gegeben, die zu einer Rentenaufhebung führen dürfte. Es sei nicht auszuschließen, dass das Wirbelsäulenproblem beim Kläger auf die Problematik des rechten Knie und Sprunggelenks zurückzuführen sei.

Im Auftrag des Senats hat der Orthopäde Dr. D. am 09.07.2009 ein Gutachten nach Untersuchung erstellt. Unfallfolgen seien eine geringe weichteilbedingte Bewegungseinschränkung am rechten Sprunggelenk. Zumindest seit 01.06.2002 betrage die MdE
10 v.H ... Es sei keine wesentliche Funktionseinschränkung mehr objektivierbar. Die Muskulatur sei symmetrisch, die Röntgenbefunde seitengleich, Schwellungszustände bestünden nicht. Am Sprunggelenk erreiche die Bewegungseinschränkung nicht einmal den Grad der "mittleren Einschränkung" (Heben/Senken 0-0-30), der eine MdE von 10 v.H. bedingen würde. Die Kniebeschwerden korrelierten ebenfalls nicht mit der seitengleichen Muskulatur. Eine MdE-relevante Funktionseinschränkung könne nicht objektiviert werden.

Auf Antrag des Klägers hat Prof. Dr. C. am 07.04.2010 ein weiteres Gutachten erstellt. Zum Befund vom 07.04.2003 sei danach insgesamt keine wesentliche Änderung eingetreten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit betrage 20 v.H ... Es liege zwar keine Schwellneigung mehr vor, und insoweit sei eine Besserung eingetreten. Gleichzeitig hätten sich aber degenerative Veränderungen im Knie und das Sprunggelenk verschlechtert, so dass von einer Verlagerung der Beschwerdesymptomatik auszugehen sei. Insgesamt sei eine Besserung nicht eingetreten.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 03.12.2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Dem Kläger steht aufgrund seines Arbeitsunfalles vom 19.05.2000 keine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. ab 01.04.2006 zu. Die Rente wurde zu Recht gemäß § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) i.V.m. § 73 Abs. 3 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) entzogen.

Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG abgesehen, da der Senat die Entscheidung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückweist.

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass das Vorbringen des Klägers auch im Berufungsverfahren zu keiner Änderung der Sach- und Rechtslage führen konnte.

Der vom Senat ernannte Sachverständige Dr. D. hat nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 06.07.2009 bestätigt, dass eine MdE im rentenberechtigendem Grade nicht vorliegt. Die Umfangmessungen an den unteren Extremitäten ergaben seitengleiche Befunde. Am rechten Sprunggelenk ist eine wesentliche Funktionseinschränkung nicht mehr objektivierbar. Die Muskulatur ist symmetrisch, die Röntgenbefunde sind seitengleich, Schwellungszustände bestehen nicht. Der Bewegungsumfang des rechten oberen Sprunggelenks beträgt 5-0-20. Damit liegt die MdE unter 10 v.H ... Diese setzt eine Bewegungseinschränkung von 0-0-30 Grad voraus (siehe z.B. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl ... S. 678).

Die weiteren Befunde ergaben hinsichtlich des rechten Knies einen stabilen Bandapparat und röntgenologisch einen altersentsprechenden Zustand. Der Bewegungsumfang am rechten Knie ist mit 0-0-140 nicht eingeschränkt. Die Röntgenuntersuchung durch
Dr. D. am Untersuchungstag erbrachte einen seitengleich altersgerechten Befund an beiden Knien, der Zustand war reizlos. Nach der Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/ Valentin, a.a.O., S. 654) bedingt erst eine Bewegungseinschränkung von 0-0-120 eine MdE von 10 v.H ...

Dr. D. konnte eine Arthrose im Gegensatz zum vom Kläger benannten Sachverständigen Prof. Dr. C. nicht erkennen. Eine Arthrose allein bedingt jedoch keine MdE. Vielmehr kommt es auf die Funktionsbehinderung durch die Arthrose an. Eine solche ist beim Kläger nicht festzustellen.

Im Hinblick auf die bei Bescheiderlass 2003 noch vorhandene Muskelmasseminderung, die Blutumlaufstörungen sowie die Schwellneigung lag die Bewertung der Unfallfolgen mit einer MdE von 20 v. H. im Rahmen des Beurteilungsspielraumes.

Das auf Antrag des Klägers eingeholte Gutachten von Prof. Dr. C. kann nicht überzeugen. Dieser stellte entgegen den Befunden der Vorgutachter (Dr. D., Dr. M., Dr. E.) eine Verschmächtigung der rechten Oberschenkelmuskulatur fest. Die Umfangmessungen ergaben 15 cm oberhalb bzw. unterhalb des Knies rechts jedoch Werte von 46 cm und 36 cm, links von 47 und 34 cm. Damit besteht zwar einerseits eine Umfangminderung von 1 cm, andererseits liegt eine Umfangmehrung von 2 cm vor. Insgesamt erscheint es auch unter Berücksichtigung der Vorbefunde und der Tatsache, dass die Wadenmuskulatur seitengleich ist, nicht schlüssig, dass eine Verschmächtigung der Oberschenkelmuskulatur vorliegen soll. Hinsichtlich des Knies wurde von Prof. Dr. C. eine mäßige Arthrose diagnostiziert, allerdings fehlen Messwerte zu den Bewegungsausmaßen. Das Gutachten des Prof. Dr. C. ist daher nicht geeignet, die insgesamt schlüssigen und überzeugenden Ausführungen von Dr. D. zu widerlegen.

Prof. Dr. C. kommt darüber hinaus insgesamt zu dem Ergebnis, dass in der Gesamtbetrachtung keine wesentlichen Änderungen zu dem Befund vom 07.04.2003 eingetreten sind. In einigen Bereichen sei eine Besserung der Beschwerdesymptomatik eingetreten (z.B. bezüglich der Schwellneigung im Unterschenkel), in anderen Bereichen (Knie und Sprunggelenk) hätten sich die degenerativen Veränderungen verschlechtert. Er spricht von einer Verlagerung der Beschwerdesymptomatik.

Im Hinblick auf die dargestellten Messwerte, den Wegfall der Muskelminderung im Bereich des rechten Oberschenkels und dem Fehlen der Blutumlaufstörung und Schwellung im Bereich des rechten Unterschenkels sind Verbesserungen im Vergleich zur medizinischen Sachlage im Jahre 2003 nachgewiesen.

Auch bezüglich der geltend gemachten Wirbelsäulenproblematik ergeben sich keine neuen Aspekte. Unabhängig davon, ob die behaupteten Beschwerden überhaupt auf den Arbeitsunfall zurückzuführen wären, ergab sich bei der Untersuchung durch Dr. D. ein unauffälliger Befund. Die Entfaltung und Inklination der Brust- und Lendenwirbelsäule war frei. Seitneigung und Reklination lagen im Rahmen der Altersnorm. Hinsichtlich der Halswirbelsäule lagen ebenfalls keine Bewegungseinschränkungen vor. Die Vorhaltung, im erstinstanzlichen Verfahren habe Dr. M. die Wirbelsäule nicht begutachtet, ist unbegründet. Dr. M. hatte vielmehr ebenfalls einen unauffälligen Befund festgestellt. Auch Prof. Dr. C. konnte keine relevanten Funktionseinschränkungen nachweisen.

Insgesamt ist das Gutachten des Prof. Dr. C. in seinen Aussagen zu unbestimmt. Der allgemeine Hinweis auf degenerative Veränderungen kann jedenfalls eine MdE von 20 v.H. nicht begründen.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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