Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 3628/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 914/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2009 aufgehoben und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008 verpflichtet, ab 30. März 2010 einen GdB von 50 festzustellen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Mit Bescheid vom 30.04.2001 stellte das Versorgungsamt K. bei der am 21.06.1949 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung einer Fingerpolyarthrose, eines Fersensporns, einer Funktionsstörung durch Fußfehlform, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer Polyarthrose und einer Gebrauchseinschränkung der Hände einen GdB von 40 fest. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 19.04.2001 zugrunde, in der ohne Bewertung der einzelnen Funktionsstörungen insgesamt ein GdB von 40 vorgeschlagen wurde.
Die Neufeststellungsanträge der Klägerin vom 19.02.2002, 03.03.2003, 14.04.2004 und 21.01.2005 blieben erfolglos und wurden mit den Bescheiden vom 19.04.2002 (Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002), 07.05.2003 (Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003), 14.10.2004 und 19.04.2005 abgelehnt.
Am 17.11.2005 beantragte die Klägerin beim Landratsamt R. (LRA) die Erhöhung des GdB und gab an, ihre Funktionsstörungen im Bereich der Hände mit starken Schmerzen, im Bereich beider Kniegelenke und im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule hätten sich verschlimmert. Das LRA holte von dem Orthopäden Dr. A. den Befundbericht vom 23.11.2005 ein, in dem als zusätzliche Diagnosen eine Handwurzel- und Heberdenarthrose sowie eine Funktionsbehinderung beider Hände genannt sind. In der anschließend eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.12.2005 wurden folgende Funktionsstörungen berücksichtigt:
1. Fingerpolyarthrose, Gebrauchseinschränkung beider Hände, Funktionsbehinderung beider Handgelenke (GdB 30)
2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20)
3. Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchs- einschränkung des linken Fußes (GdB 10)
4. Bluthochdruck (GdB 10)
Insgesamt liege weiterhin ein GdB von 40 vor.
Am 10.01.2006 erließ das LRA einen entsprechenden Bescheid (GdB 40 seit 17.11.2005). Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und übersandte das ärztliche Attest des Orthopäden Dr. A. vom 27.03.2006. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006 wurde der Widerspruch der Klägerin - mangels wesentlicher Änderung ihres Gesundheitszustandes - mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006 zurückgewiesen. Im sich hieran anschließenden Klageverfahren (S 8 SB 4111/06) hörte das Sozialgericht Karlsruhe (SG) Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen (Auskunft vom 08.05.2007). Im Hinblick darauf, dass mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2006 der Neufeststellungsantrag der Klägerin nicht abgelehnt worden war, erklärte sich der Beklagte vergleichsweise bereit, der Klägerin auf ihren Neufeststellungsantrag vom 17.11.2005 einen (neuen) rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen. Dieses Angebot nahm die Klägerin an.
Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.01.2008, insbesondere zu den Angaben von Dr. A. vom 08.05.2007 gegenüber dem SG, lehnte das LRA den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.02.2008 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 29.02.2008 Widerspruch ein und machte einen GdB von 50 geltend. Unter Berücksichtigung der nach dem Bericht von Dr. A. vom 08.05.2007 bei ihr zusätzlich bestehenden Schulterteilsteife mit erheblicher Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks mit rezidivierenden, starken Ruhe- und Belastungsschmerzen seien die Beeinträchtigungen im Bereich beider Hände und beider Handgelenke mit einem GdB von (40 anstatt 30) zu bewerten. Ferner liege eine starke Arthrose an den Fußzehen mit ganz erheblichen Funktionseinschränkungen und Schmerzen vor. Auch der Befund an den Kniegelenken, insbesondere dem rechten Kniegelenk, habe sich ganz erheblich verschlechtert. Der vom LRA befragte Orthopäde Dr. Hi. diagnostizierte im wesentlichen einen neu aufgetretene Coxarthrose 1. bis 2. Grades, ein Fibromyalgiesyndrom mit starken diffusen Schmerzen im Bereich des gesamten Bewegungsapparates, eine Beweglichkeitseinschränkung zu einem Drittel im Bereich der rechten Schulter und eine Gonarthrose 2. Grades rechts (Beweglichkeit 0-5-120 Grad). Es bestehe eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit von mindestens 60 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück. Bei der - behandelbaren - Schultersteife rechts handele es sich um keinen Dauerzustand und damit um keine Behinderung. Die geltend gemachte Gon- und Coxarthrose mit endgradiger Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bedingten nach der Stellungnahme ihres ärztlichen Sachverständigen keinen GdB von wenigstens 10 und stellten somit ebenfalls keine Behinderung im Sinne der maßgebenden Bestimmungen dar.
Am 18.08.2008 erhob die Klägerin Klage zum SG, mit der sie weiterhin einen GdB von 50 geltend machte. Sie brachte vor, seit der am 17.11.2006 im Rechtsstreit S 8 SB 4111/06 vorgelegten Klagebegründung, auf die verwiesen werde, habe sich ihr Gesundheitszustand weiter insoweit verschlechtert, als die Funktionseinschränkungen der Finger-, Arm- und Schultergelenke sowie der Hüft- und Kniegelenke und der Füße weiter zugenommen hätten. Zusätzlich sei das von Dr. Hi. bei ihr diagnostizierte Fibromyalgiesyndrom mit starken Schmerzen am gesamten Bewegungsapparat von dem Beklagten nicht berücksichtigt und eine wesentliche Änderung seit dem Bescheid vom 30.04.2001 weiter verneint worden. Dies sei - wie sich aus dem Attest von Dr. A. vom 27.03.2006 und den Angaben von Dr. Hi. vom 24.04.2008, der insgesamt einen GdB von 60 angenommen habe - schlichtweg falsch. Auch die Beurteilung, dass die Einschränkungen im Bereich der rechten Schulter nicht dauerhaft seien, könnten angesichts der Äußerung von Dr. A. vom 08.05.2007 beim besten Willen nicht nachvollzogen werden.
Das SG ließ sich vom behandelnden Arzt der Klägerin Dr. No. die ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Untersuchungsberichte des Urologen Dr. Be. vom 03.01.2008 und 15.07.2008) übersenden und holte anschließend bei dem Orthopäden Dr. Bu. ein fachärztliches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 31.10.2008 diagnostizierte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.11.2008 eine Polyarthrose der Hände mit Ritzarthrose, eine Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule mit grenzwertig weitem knöchernen Spinalkanal, eine beginnende Gonarthrose rechts und ein Hallux Rigidus links. Der wegen der Fingerpolyarthrose, der Gebrauchseinschränkung beider Hände und der Funktionsbehinderung beider Handgelenke vom Beklagten angenommene GdB von 30 erscheine nur in Anbetracht der Vielzahl der betroffenen Gelenke noch gerechtfertigt. Die Situation der Klägerin sei eindeutig günstiger als bei Personen mit dem Verlust eines Daumens im Mittelhandknochen oder mit Versteifung eines Handgelenks, die jeweils einen GdB von 30 bedingten. Auch der vom Beklagten für den Bereich der Wirbelsäule angenommene GdB von 20 bewege sich an der oberen Grenze. Die mit einem GdB von 10 anerkannte Funktionsbehinderung beider Kniegelenke entspreche der vorbefundenen Bewegungseinschränkung. Insgesamt sei unverändert ein GdB von 40 anzunehmen.
Die Klägerin verwies auf die Angaben der Orthopäden Dr. A. und Dr. Hi. und brachte vor, es könne nicht akzeptiert werden, dass bei der von Dr. Bu. durchgeführten Untersuchung kein einziger Tenderpoint positiv gewesen sei und dieser deshalb ein Fibromyalgiesyndrom verneint habe. Die Klägerin legte das Attest von Dr. No. vom 18.03.2008 vor, wonach die Klägerin weiterhin über chronische Schmerzen der großen Gelenke, der Hände und der Füße klage. Zudem klage sie über chronische Wirbelsäulenbeschwerden. Ferner machte die Klägerin geltend, es sei noch weitere medizinische Sachaufklärung durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens erforderlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2009 wies das SG die Klage ab. Im wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. Bu. verneinte es den Eintritt einer wesentlichen Änderung gegenüber dem Gesundheitszustand der Klägerin zur Zeit des Bescheides vom 30.04.2001 in dem Sinne, dass ein GdB von 50 festzustellen sei. Wesentliche Abweichungen zu den von Dr. A. in seinen Berichten vom 24.01.2001 und 13.03.2001 erwähnten Befunden bestünden nicht. Soweit eine Zunahme der Funktionsstörungen zu verzeichnen sei, resultiere daraus nicht, dass der bisherige GdB von 40 zu erhöhen sei. Aus dem von Dr. Hi. diagnostizierten Fibromyalgiesyndrom folgten keine weitergehenden, mit einem GdB verbundene Befunde. Hinweise auf neurologisch-psychiatrische Leiden seien nicht ersichtlich.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.02.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.02.2009 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens trägt sie vor, dass bei ihr nach den Angaben von Dr. Hi. ein Fibromyalgiesyndrom im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung vorliege. Der Sachverständige Dr. Bu. , bei dessen Untersuchung kein einziger Tenderpoint positiv gewesen sei, habe eine Untersuchung hinsichtlich der 18 Druckpunkte gar nicht durchgeführt. Ferner habe Dr. Hi. bereits in seinem Attest vom 18.03.2008 ausdrücklich auf ein chronisches Schmerzsyndrom an den großen Gelenken, den Händen und den Füßen hingewiesen. Auch auf die ständig auftretenden Ischialgien mit Ausstrahlung in die Beine sei Dr. Bu. nicht weiter eingegangen. Es komme hier zu neurologischen Ausfallerscheinungen. Die Schmerzen und Funktionseinschränkungen der Hände seien so stark, dass teilweise eine ganze Woche im Prinzip Gebrauchsunfähigkeit vorliege. Das Gutachten von Dr. Bu. könne einer Beurteilung nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) nicht zugrunde gelegt werden. Sie legt die Untersuchungsberichte von Dr. A. vom 05.08.2009 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. En. vom 02.09.2009 (Diagnose: Somatoforme Störung Polyarthrosen) vor und macht geltend, die Behandlung bei Dr. En. habe bisher keine Besserung der depressiven Störungen gebracht. Die Funktionseinschränkungen und Schmerzen an der rechten Hand/Finger sowie am rechten Knie hätten weiter zugenommen. Auch hätten sich die Funktionseinschränkungen und Schmerzen am Stütz- und Bewegungsapparat gegenüber den Feststellungen von Dr. Bu. im Gutachten vom 17.11.2008 ganz erheblich verschlimmert. Hierzu übersendet die Klägerin die Untersuchungsberichte von Dr. A. vom 02.11.2009 und von Dr. En. vom 04.12.2009. Im Bericht von Dr. En. heißt es, die Klagen der Klägerin seien glaubwürdig. Aus neurologischer Sicht sei durchaus ein GdB von mindestens 50 anzunehmen. Ferner legt die Klägerin im Rentenverfahren von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eingeholte fachärztliche Gutachten vor. Im Gutachten der Orthopädin Dr. L. vom 31.03.2010 wurde eine schwerste Polyarthrose beider Hände, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine Gonarthrose 2. Grades beidseits und ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits diagnostiziert. Die Klägerin sei hinsichtlich der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit der Fingergelenke beider Hände deutlich eingeschränkt. Feinmotorische Arbeiten könnten nicht mehr verrichtet werden, ebenso Tätigkeiten mit Heben und Bewegen von Lasten. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bi. gelangte in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 07.04.2010 zu der Beurteilung, durch die seit 1993 zunehmende deformierende Polyarthrosis habe sich bei der Klägerin eine depressive Symptomatik mit Rückzug, Interesselosigkeit und Antriebsarmut entwickelt. Außerdem bestünden Symptome einer vorzeitigen Involution wie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung sowie Weitschweifigkeit im Gespräch.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 05. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ab 17. November 2005 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ein GdB von 40 sei weiter angemessen. Nach dem für die BfA erstatteten Gutachten der Orthopädin Dr. L. sei die Funktionsbehinderung der Klägerin im Bereich der Hände mit einem GdB von 30 korrekt bewertet. Das gelte auch für die Funktionsbehinderung der Kniegelenke und der Wirbelsäule. Die bei der Klägerin vorliegende psychische Störung sei angesichts des sehr diskreten Befundes allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Beklagte legt die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 25.09.2009, Dr. W. vom 09.02.2010 und 23.06.2010, Dr. B. vom 12.08.2010 und Dr. Re. vom 21.10.2010 vor. Dr. B. hat ausgeführt, der Affekt sei im Gutachten von Dr. Bi. als leicht labil bezeichnet worden und die Schwingungsfähigkeit sei ein wenig eingeschränkt gewesen. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) seien psychische Beeinträchtigungen, die durch anerkannte Behinderungen hervorgerufen würden, in den GdB-Werten bereits berücksichtigt. Um eine solche Störung handele es sich hier. Dr. Re. hat die Auffassung vertreten, selbst bei einer Feststellung eines GdB von 20 für die psychische Störung der Klägerin erscheine es nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Zudem seien hier Überschneidungen durch die organisch bedingte und die somatoform bedingte Schmerzkomponente zu berücksichtigen.
Der Senat hat zunächst Dr. Hi. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 07.07.2009 über die Behandlung der Klägerin vom 09.01. bis 07.11.2008 berichtet und die von ihm erhobenen Diagnosen mitgeteilt. Durch die Kombination der langjährigen Erkrankung habe sich ein autonomes Schmerzsyndrom ausgebildet. Dies sei naturgemäß schwer von einem sog. Fibromyalgiesyndrom abzugrenzen. Jedenfalls liege ein chronisches Schmerzsyndrom vor. Dies besteht seit seiner Behandlung und habe sich im letzten Jahr deutlich verschlimmert. Seit 2008 komme es zu zunehmenden Schmerzen im Bereich beider Leisten-Hüftgelenke. Beschwerden und Befund stünden in Übereinstimmung. Anschließend hat der Senat von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Di. ein nervenärztliches Gutachten eingeholt. Der Sachverständige hat die Klägerin am 14.04.2010 ambulant untersucht und ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.04.2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin an einer Anpassungs- und Somatisierungsstörung leide. Die diagnostizierten Leiden hätten in der Kombination den Charakter einer leichteren psychischen Störung, die er mit einem GdB von 20 bewerte. Zusammen mit den bereits anerkannten Funktionsstörungen, die einen GdB von 40 bedingen, resultiere ein Gesamt-GdB von 50. Das psychische Leiden habe sich im Laufe der letzten Jahre schleichend entwickelt. Einen genauen zeitlichen Beginn anzugeben, sei deshalb kaum möglich. Nachdem die Klägerin im August 2009 erstmals nervenärztliche Hilfe gesucht habe, dürfte zu diesem Zeitpunkt der heutige Schweregrad erreicht gewesen sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab 30.03.2010. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Für die davor liegende Zeit ergibt sich noch kein GdB von 50.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 05.02.2008 (Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008), mit dem der Beklagte eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Bescheides vom 19.04.2001 verneint und eine Erhöhung des GdB auf 50 abgelehnt hat. Die Klägerin macht dem gegenüber geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 50 gerechtfertigt sei.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), seit 01.01.2009 VG, hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29 zu den AHP 2004). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen VersMedV vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass nun die mit den AHP 2008 inhaltsgleichen VG heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin gegenüber den dem Bescheid vom 19.04.2001 zugrunde liegenden Verhältnissen nicht wesentlich verschlimmert haben. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung für die Zeit ab 30.03.2010 zu einem anderen Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen seit diesem Zeitpunkt einen GdB von 50. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf das vom Senat eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. Di. , die Angaben der vom SG und vom Senat gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, das vom SG eingeholte fachärztliche Gutachten von Dr. Bu. , die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie insbesondere die von der Klägerin vorgelegten Rentengutachten von Dr. L. und Dr. Bi ...
Eine Würdigung dieser ärztlichen Unterlagen ergibt, dass die Klägerin hauptsächlich durch ihre Leiden im Bereich beider Hände und beider Handgelenke sowie des rechten Schultergelenks, den bei ihr vorliegenden Wirbelsäulenschaden und seit 30.03.2010 auch durch ihre mit funktionellen Organbeschwerden verbundene seelische Störung beeinträchtigt ist. Hinzu kommen noch - von geringerer Ausprägung - Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke und des Fußes sowie ein Bluthochdruck.
Bei der Klägerin liegt eine Fingerpolyarthrose, Gebrauchseinschränkung beider Hände, Funktionsbehinderung beider Handgelenke und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks vor, die einen GdB von 30 bedingen. Zwar hat der vom SG gehörte Sachverständige Dr. Bu. in seinem orthopädischen Gutachten vom 17.11.2008 ausgeführt, der insoweit vom Beklagten angenommene GdB von 30 erscheine nur in Anbetracht der Vielzahl der betroffenen Gelenke noch gerechtfertigt. Die Situation der Klägerin sei eindeutig günstiger als bei Personen mit dem Verlust eines Daumens im Mittelhandknochen oder mit Versteifung eines Handgelenks, die jeweils einen GdB von 30 bedingten. Letztlich hat Dr. Bu. für diese Funktionsstörungen jedoch ebenfalls einen GdB von 30 angenommen. Dem ist das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid gefolgt. Der Beklagte hat sogar insoweit durchgehend seit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2002 - zuletzt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2010 - einen GdB von 30 angenommen. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, die bei der Klägerin vorliegenden Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten niedriger als mit einem GdB von 30 zu bewerten. Das von der Orthopädin Dr. L. für die BfA erstattete Rentengutachten vom 31.03.2010 bestätigt diese Bewertung zusätzlich. Diese hat nämlich in ihrem Gutachten eine schwerste Polyarthrose beider Hände diagnostiziert und ausgeführt, die Klägerin sei hinsichtlich der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit der Fingergelenke beider Hände deutlich eingeschränkt. Feinmotorische Arbeiten könnten ebenso wie Tätigkeiten mit Heben und Bewegen von Lasten nicht mehr verrichtet werden. Angesichts der geschilderten Beeinträchtigungen wäre eine Bewertung mit einem GdB von 20 zu niedrig.
Hinzu kommen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Spinalkanalstenose, für die ein GdB von 20 anzusetzen ist. Der Sachverständige Dr. Bu. hat auch insoweit ausgeführt, dass sich der vom Beklagten für den Bereich der Wirbelsäule angenommene GdB von 20 an der oberen Grenze bewege. Letztlich hat er aber auch diesen Teil-GdB seiner Beurteilung der Gesamtbeeinträchtigung - wie auch der Beklagte ebenfalls seit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2002 (zuletzt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2010) - zugrunde gelegt. Die Rentengutachterin Dr. L. fand im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule endgradige Bewegungseinschränkungen und Funktionsschmerzen. Da jedoch alle drei Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind und insoweit auch eine Schmerzstörung vorliegt, hält der Senat entsprechend Teil B Nr. 18.9, S. 107 der VG einen GdB von 20 für angemessen.
Hinzu kommt eine mit funktionellen Organbeschwerden verbundene seelische Störung, bei der es sich nach der Beurteilung des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. Di. zwar nur um eine leichte Störung handelt, die aber nach Teil B Nr. 3.7 der VG, die insoweit einen Bewertungsrahmen von 0 bis 20 eröffnen, seit 30.03.2010 entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur mit einem GdB von 10, sondern mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. In dem auf der Untersuchung der Klägerin am 30.03.2010 beruhenden nervenärztlichen Rentengutachten von Dr. Bi. vom 07.04.2010 hat dieser unter Hinweis auf die von Dr. En. beschriebene deutliche depressive Verstimmung eine mittelschwere depressive Störung und Symptome einer vorzeitigen Involution, wie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, diagnostiziert. Die entsprechenden Beobachtungen des Gutachters (z.B. anfangs niedergeschlagen, gehemmt wirkend, wenig schwingungsfähig - dass die Schwingungsfähigkeit (nur) ein wenig eingeschränkt gewesen sei, wie es in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.08.2010 heißt, trifft also nicht zu) rechtfertigen die Annahme eines GdB von 20. Es handelt sich bei der seelischen Störung der Klägerin um eine Funktionsstörung, die jedenfalls seit 30.03.2010 zusätzlichen behindernden Charakter hat und deshalb nicht als bereits berücksichtigt angesehen werden kann. Zwar sind die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) in den in den VG niedergelegten Werten bereits berücksichtigt (vgl. Teil A 2 Buchst. i der VG). Die hier vorliegende - sich parallel zu den Beschwerden aufgrund der Funktionsbehinderung der Hände entwickelnde - psychische Beeinträchtigung hat sich spätestens seit dem Beginn der psychiatrischen Behandlung im August 2009 verselbständigt, wie sich aus dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. Di. (Diagnose: Anpassungs- und Somatisierungsstörung) ergibt und sich in dem von Dr. L. diagnostizierten Fibromyalgiesyndrom, d. h. einer von Organbefunden unabhängigen, den ganzen Körper erfassenden Schmerzerkrankung, widerspiegelt. Dem entspricht die von Dr. Bi. diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung. Seit 30.03.2010 liegt somit ein stärkeres Ausmaß der seelischen Störung der Klägerin vor. Der Nervenarzt Dr. Bi. hat ein schwerwiegenderes - durch Schmerzen und typische psychiatrische Befunde wie depressive Symptomatik, Rückzug, Interesselosigkeit und Antriebsarmut gekennzeichnetes - Krankheitsbild als der Sachverständige Dr. Di. angenommen und eine volle Erwerbsminderung aus seiner fachlichen Sicht bejaht. Auch wenn daraus nicht auf die Höhe des GdB geschlossen werden kann, spricht das von ihm beschriebene Ausmaß der psychischen Erkrankung der Klägerin, die sich schleichend entwickelt hat, für eine Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung.
Die weiteren Funktionsstörungen (Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des linken Fußes; Bluthochdruck) sind mit einem GdB von 10 jeweils angemessen bewertet. Auch die Klägerin selbst macht insoweit keine höhere Bewertung geltend.
Insgesamt ergibt sich seit 30.03.2010 ein GdB von 50. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier den Beeinträchtigungen im Bereich der oberen Extremitäten (GdB 30) - auszugehen. Hinzu kommen der Wirbelsäulenschaden und die seelische Störung, die jeweils einen GdB von 20 bedingen. Dem höchsten Teil-GdB von 30 sind im Hinblick auf den Wirbelsäulenschaden und die seelische Störung der Klägerin jeweils 10 Punkte hinzuzufügen, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Dass zu der Bewertung dieser Leiden auch eine Schmerzstörung bzw. funktionelle Organbeschwerden beitragen, ändert nichts daran, dass die seelische Störung der Klägerin, die nach dem Gutachten von Dr. Bi. mit den ohne Organbefunden einhergehenden, verselbständigten Schmerzen, einer depressiven Symptomatik, Rückzug, Interesselosigkeit und Antriebsarmut verbunden ist, zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung geführt hat. Würde eine Erhöhung des GdB um 10 Punkte wegen den gegenseitigen Überschneidungen aufgrund der Schmerzstörung nicht erfolgen, blieben diese genannten psychiatrischen Beeinträchtigungen völlig unberücksichtigt. Dies würde dem seit 30.03.2010 bestehenden Behinderungszustand der Klägerin nicht gerecht werden. Die jeweils nur einen GdB von 10 bedingenden Funktionsstörungen erhöhen den Gesamt-GdB hingegen nicht (vgl. Teil A Nr. 3 d der VG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren mit der Feststellung des geltend gemachten GdB von 50 (erst) ab März 2010 Erfolg gehabt hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin 2/3 ihrer außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren zu erstatten; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.
Mit Bescheid vom 30.04.2001 stellte das Versorgungsamt K. bei der am 21.06.1949 geborenen Klägerin unter Berücksichtigung einer Fingerpolyarthrose, eines Fersensporns, einer Funktionsstörung durch Fußfehlform, degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, einer Polyarthrose und einer Gebrauchseinschränkung der Hände einen GdB von 40 fest. Dieser Entscheidung lag die versorgungsärztliche Stellungnahme vom 19.04.2001 zugrunde, in der ohne Bewertung der einzelnen Funktionsstörungen insgesamt ein GdB von 40 vorgeschlagen wurde.
Die Neufeststellungsanträge der Klägerin vom 19.02.2002, 03.03.2003, 14.04.2004 und 21.01.2005 blieben erfolglos und wurden mit den Bescheiden vom 19.04.2002 (Widerspruchsbescheid vom 12.08.2002), 07.05.2003 (Widerspruchsbescheid vom 27.08.2003), 14.10.2004 und 19.04.2005 abgelehnt.
Am 17.11.2005 beantragte die Klägerin beim Landratsamt R. (LRA) die Erhöhung des GdB und gab an, ihre Funktionsstörungen im Bereich der Hände mit starken Schmerzen, im Bereich beider Kniegelenke und im Bereich der Lenden- und Halswirbelsäule hätten sich verschlimmert. Das LRA holte von dem Orthopäden Dr. A. den Befundbericht vom 23.11.2005 ein, in dem als zusätzliche Diagnosen eine Handwurzel- und Heberdenarthrose sowie eine Funktionsbehinderung beider Hände genannt sind. In der anschließend eingeholten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 17.12.2005 wurden folgende Funktionsstörungen berücksichtigt:
1. Fingerpolyarthrose, Gebrauchseinschränkung beider Hände, Funktionsbehinderung beider Handgelenke (GdB 30)
2. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (GdB 20)
3. Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchs- einschränkung des linken Fußes (GdB 10)
4. Bluthochdruck (GdB 10)
Insgesamt liege weiterhin ein GdB von 40 vor.
Am 10.01.2006 erließ das LRA einen entsprechenden Bescheid (GdB 40 seit 17.11.2005). Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und übersandte das ärztliche Attest des Orthopäden Dr. A. vom 27.03.2006. Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006 wurde der Widerspruch der Klägerin - mangels wesentlicher Änderung ihres Gesundheitszustandes - mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006 zurückgewiesen. Im sich hieran anschließenden Klageverfahren (S 8 SB 4111/06) hörte das Sozialgericht Karlsruhe (SG) Dr. A. schriftlich als sachverständigen Zeugen (Auskunft vom 08.05.2007). Im Hinblick darauf, dass mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.01.2006 der Neufeststellungsantrag der Klägerin nicht abgelehnt worden war, erklärte sich der Beklagte vergleichsweise bereit, der Klägerin auf ihren Neufeststellungsantrag vom 17.11.2005 einen (neuen) rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen. Dieses Angebot nahm die Klägerin an.
Nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.01.2008, insbesondere zu den Angaben von Dr. A. vom 08.05.2007 gegenüber dem SG, lehnte das LRA den Antrag der Klägerin mit Bescheid vom 05.02.2008 ab.
Dagegen legte die Klägerin am 29.02.2008 Widerspruch ein und machte einen GdB von 50 geltend. Unter Berücksichtigung der nach dem Bericht von Dr. A. vom 08.05.2007 bei ihr zusätzlich bestehenden Schulterteilsteife mit erheblicher Funktionseinschränkung des rechten Schultergelenks mit rezidivierenden, starken Ruhe- und Belastungsschmerzen seien die Beeinträchtigungen im Bereich beider Hände und beider Handgelenke mit einem GdB von (40 anstatt 30) zu bewerten. Ferner liege eine starke Arthrose an den Fußzehen mit ganz erheblichen Funktionseinschränkungen und Schmerzen vor. Auch der Befund an den Kniegelenken, insbesondere dem rechten Kniegelenk, habe sich ganz erheblich verschlechtert. Der vom LRA befragte Orthopäde Dr. Hi. diagnostizierte im wesentlichen einen neu aufgetretene Coxarthrose 1. bis 2. Grades, ein Fibromyalgiesyndrom mit starken diffusen Schmerzen im Bereich des gesamten Bewegungsapparates, eine Beweglichkeitseinschränkung zu einem Drittel im Bereich der rechten Schulter und eine Gonarthrose 2. Grades rechts (Beweglichkeit 0-5-120 Grad). Es bestehe eine Minderung der Gebrauchsfähigkeit von mindestens 60 v.H. Mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück. Bei der - behandelbaren - Schultersteife rechts handele es sich um keinen Dauerzustand und damit um keine Behinderung. Die geltend gemachte Gon- und Coxarthrose mit endgradiger Bewegungseinschränkung der Hüftgelenke bedingten nach der Stellungnahme ihres ärztlichen Sachverständigen keinen GdB von wenigstens 10 und stellten somit ebenfalls keine Behinderung im Sinne der maßgebenden Bestimmungen dar.
Am 18.08.2008 erhob die Klägerin Klage zum SG, mit der sie weiterhin einen GdB von 50 geltend machte. Sie brachte vor, seit der am 17.11.2006 im Rechtsstreit S 8 SB 4111/06 vorgelegten Klagebegründung, auf die verwiesen werde, habe sich ihr Gesundheitszustand weiter insoweit verschlechtert, als die Funktionseinschränkungen der Finger-, Arm- und Schultergelenke sowie der Hüft- und Kniegelenke und der Füße weiter zugenommen hätten. Zusätzlich sei das von Dr. Hi. bei ihr diagnostizierte Fibromyalgiesyndrom mit starken Schmerzen am gesamten Bewegungsapparat von dem Beklagten nicht berücksichtigt und eine wesentliche Änderung seit dem Bescheid vom 30.04.2001 weiter verneint worden. Dies sei - wie sich aus dem Attest von Dr. A. vom 27.03.2006 und den Angaben von Dr. Hi. vom 24.04.2008, der insgesamt einen GdB von 60 angenommen habe - schlichtweg falsch. Auch die Beurteilung, dass die Einschränkungen im Bereich der rechten Schulter nicht dauerhaft seien, könnten angesichts der Äußerung von Dr. A. vom 08.05.2007 beim besten Willen nicht nachvollzogen werden.
Das SG ließ sich vom behandelnden Arzt der Klägerin Dr. No. die ihm vorliegenden ärztlichen Unterlagen (Untersuchungsberichte des Urologen Dr. Be. vom 03.01.2008 und 15.07.2008) übersenden und holte anschließend bei dem Orthopäden Dr. Bu. ein fachärztliches Gutachten ein. Nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 31.10.2008 diagnostizierte der Sachverständige in seinem schriftlichen Gutachten vom 17.11.2008 eine Polyarthrose der Hände mit Ritzarthrose, eine Spondylarthrose der Lendenwirbelsäule mit grenzwertig weitem knöchernen Spinalkanal, eine beginnende Gonarthrose rechts und ein Hallux Rigidus links. Der wegen der Fingerpolyarthrose, der Gebrauchseinschränkung beider Hände und der Funktionsbehinderung beider Handgelenke vom Beklagten angenommene GdB von 30 erscheine nur in Anbetracht der Vielzahl der betroffenen Gelenke noch gerechtfertigt. Die Situation der Klägerin sei eindeutig günstiger als bei Personen mit dem Verlust eines Daumens im Mittelhandknochen oder mit Versteifung eines Handgelenks, die jeweils einen GdB von 30 bedingten. Auch der vom Beklagten für den Bereich der Wirbelsäule angenommene GdB von 20 bewege sich an der oberen Grenze. Die mit einem GdB von 10 anerkannte Funktionsbehinderung beider Kniegelenke entspreche der vorbefundenen Bewegungseinschränkung. Insgesamt sei unverändert ein GdB von 40 anzunehmen.
Die Klägerin verwies auf die Angaben der Orthopäden Dr. A. und Dr. Hi. und brachte vor, es könne nicht akzeptiert werden, dass bei der von Dr. Bu. durchgeführten Untersuchung kein einziger Tenderpoint positiv gewesen sei und dieser deshalb ein Fibromyalgiesyndrom verneint habe. Die Klägerin legte das Attest von Dr. No. vom 18.03.2008 vor, wonach die Klägerin weiterhin über chronische Schmerzen der großen Gelenke, der Hände und der Füße klage. Zudem klage sie über chronische Wirbelsäulenbeschwerden. Ferner machte die Klägerin geltend, es sei noch weitere medizinische Sachaufklärung durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens erforderlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 29.01.2009 wies das SG die Klage ab. Im wesentlichen gestützt auf das Gutachten von Dr. Bu. verneinte es den Eintritt einer wesentlichen Änderung gegenüber dem Gesundheitszustand der Klägerin zur Zeit des Bescheides vom 30.04.2001 in dem Sinne, dass ein GdB von 50 festzustellen sei. Wesentliche Abweichungen zu den von Dr. A. in seinen Berichten vom 24.01.2001 und 13.03.2001 erwähnten Befunden bestünden nicht. Soweit eine Zunahme der Funktionsstörungen zu verzeichnen sei, resultiere daraus nicht, dass der bisherige GdB von 40 zu erhöhen sei. Aus dem von Dr. Hi. diagnostizierten Fibromyalgiesyndrom folgten keine weitergehenden, mit einem GdB verbundene Befunde. Hinweise auf neurologisch-psychiatrische Leiden seien nicht ersichtlich.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 04.02.2009 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 26.02.2009 Berufung eingelegt, mit der sie an ihrem Ziel festhält. Unter Wiederholung ihres bisherigen Vorbringens trägt sie vor, dass bei ihr nach den Angaben von Dr. Hi. ein Fibromyalgiesyndrom im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung vorliege. Der Sachverständige Dr. Bu. , bei dessen Untersuchung kein einziger Tenderpoint positiv gewesen sei, habe eine Untersuchung hinsichtlich der 18 Druckpunkte gar nicht durchgeführt. Ferner habe Dr. Hi. bereits in seinem Attest vom 18.03.2008 ausdrücklich auf ein chronisches Schmerzsyndrom an den großen Gelenken, den Händen und den Füßen hingewiesen. Auch auf die ständig auftretenden Ischialgien mit Ausstrahlung in die Beine sei Dr. Bu. nicht weiter eingegangen. Es komme hier zu neurologischen Ausfallerscheinungen. Die Schmerzen und Funktionseinschränkungen der Hände seien so stark, dass teilweise eine ganze Woche im Prinzip Gebrauchsunfähigkeit vorliege. Das Gutachten von Dr. Bu. könne einer Beurteilung nach der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) nicht zugrunde gelegt werden. Sie legt die Untersuchungsberichte von Dr. A. vom 05.08.2009 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. En. vom 02.09.2009 (Diagnose: Somatoforme Störung Polyarthrosen) vor und macht geltend, die Behandlung bei Dr. En. habe bisher keine Besserung der depressiven Störungen gebracht. Die Funktionseinschränkungen und Schmerzen an der rechten Hand/Finger sowie am rechten Knie hätten weiter zugenommen. Auch hätten sich die Funktionseinschränkungen und Schmerzen am Stütz- und Bewegungsapparat gegenüber den Feststellungen von Dr. Bu. im Gutachten vom 17.11.2008 ganz erheblich verschlimmert. Hierzu übersendet die Klägerin die Untersuchungsberichte von Dr. A. vom 02.11.2009 und von Dr. En. vom 04.12.2009. Im Bericht von Dr. En. heißt es, die Klagen der Klägerin seien glaubwürdig. Aus neurologischer Sicht sei durchaus ein GdB von mindestens 50 anzunehmen. Ferner legt die Klägerin im Rentenverfahren von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) eingeholte fachärztliche Gutachten vor. Im Gutachten der Orthopädin Dr. L. vom 31.03.2010 wurde eine schwerste Polyarthrose beider Hände, ein degeneratives Wirbelsäulensyndrom, eine Gonarthrose 2. Grades beidseits und ein Schulter-Arm-Syndrom beidseits diagnostiziert. Die Klägerin sei hinsichtlich der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit der Fingergelenke beider Hände deutlich eingeschränkt. Feinmotorische Arbeiten könnten nicht mehr verrichtet werden, ebenso Tätigkeiten mit Heben und Bewegen von Lasten. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Bi. gelangte in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 07.04.2010 zu der Beurteilung, durch die seit 1993 zunehmende deformierende Polyarthrosis habe sich bei der Klägerin eine depressive Symptomatik mit Rückzug, Interesselosigkeit und Antriebsarmut entwickelt. Außerdem bestünden Symptome einer vorzeitigen Involution wie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörung sowie Weitschweifigkeit im Gespräch.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 29. Januar 2009 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 05. Februar 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ab 17. November 2005 einen GdB von 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Ein GdB von 40 sei weiter angemessen. Nach dem für die BfA erstatteten Gutachten der Orthopädin Dr. L. sei die Funktionsbehinderung der Klägerin im Bereich der Hände mit einem GdB von 30 korrekt bewertet. Das gelte auch für die Funktionsbehinderung der Kniegelenke und der Wirbelsäule. Die bei der Klägerin vorliegende psychische Störung sei angesichts des sehr diskreten Befundes allenfalls mit einem GdB von 10 zu bewerten. Der Beklagte legt die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. G. vom 25.09.2009, Dr. W. vom 09.02.2010 und 23.06.2010, Dr. B. vom 12.08.2010 und Dr. Re. vom 21.10.2010 vor. Dr. B. hat ausgeführt, der Affekt sei im Gutachten von Dr. Bi. als leicht labil bezeichnet worden und die Schwingungsfähigkeit sei ein wenig eingeschränkt gewesen. Nach den versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) seien psychische Beeinträchtigungen, die durch anerkannte Behinderungen hervorgerufen würden, in den GdB-Werten bereits berücksichtigt. Um eine solche Störung handele es sich hier. Dr. Re. hat die Auffassung vertreten, selbst bei einer Feststellung eines GdB von 20 für die psychische Störung der Klägerin erscheine es nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Zudem seien hier Überschneidungen durch die organisch bedingte und die somatoform bedingte Schmerzkomponente zu berücksichtigen.
Der Senat hat zunächst Dr. Hi. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dieser hat am 07.07.2009 über die Behandlung der Klägerin vom 09.01. bis 07.11.2008 berichtet und die von ihm erhobenen Diagnosen mitgeteilt. Durch die Kombination der langjährigen Erkrankung habe sich ein autonomes Schmerzsyndrom ausgebildet. Dies sei naturgemäß schwer von einem sog. Fibromyalgiesyndrom abzugrenzen. Jedenfalls liege ein chronisches Schmerzsyndrom vor. Dies besteht seit seiner Behandlung und habe sich im letzten Jahr deutlich verschlimmert. Seit 2008 komme es zu zunehmenden Schmerzen im Bereich beider Leisten-Hüftgelenke. Beschwerden und Befund stünden in Übereinstimmung. Anschließend hat der Senat von dem Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Di. ein nervenärztliches Gutachten eingeholt. Der Sachverständige hat die Klägerin am 14.04.2010 ambulant untersucht und ist in seinem schriftlichen Gutachten vom 15.04.2010 zu dem Ergebnis gekommen, dass die Klägerin an einer Anpassungs- und Somatisierungsstörung leide. Die diagnostizierten Leiden hätten in der Kombination den Charakter einer leichteren psychischen Störung, die er mit einem GdB von 20 bewerte. Zusammen mit den bereits anerkannten Funktionsstörungen, die einen GdB von 40 bedingen, resultiere ein Gesamt-GdB von 50. Das psychische Leiden habe sich im Laufe der letzten Jahre schleichend entwickelt. Einen genauen zeitlichen Beginn anzugeben, sei deshalb kaum möglich. Nachdem die Klägerin im August 2009 erstmals nervenärztliche Hilfe gesucht habe, dürfte zu diesem Zeitpunkt der heutige Schweregrad erreicht gewesen sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG auch insgesamt zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50 ab 30.03.2010. Im Übrigen ist die Berufung der Klägerin unbegründet. Für die davor liegende Zeit ergibt sich noch kein GdB von 50.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 05.02.2008 (Widerspruchsbescheid vom 31.07.2008), mit dem der Beklagte eine wesentliche Änderung der gesundheitlichen Verhältnisse der Klägerin gegenüber den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Bescheides vom 19.04.2001 verneint und eine Erhöhung des GdB auf 50 abgelehnt hat. Die Klägerin macht dem gegenüber geltend, dass eine Erhöhung des GdB auf 50 gerechtfertigt sei.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den rechtlichen und tatsächlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine wesentliche Änderung im Hinblick auf den GdB gegenüber einer vorausgegangenen Feststellung liegt nur dann vor, wenn im Vergleich zu den den GdB bestimmenden Funktionsausfällen, wie sie der letzten Feststellung des GdB tatsächlich zugrunde gelegen haben, insgesamt eine Änderung eingetreten ist, die einen um wenigstens 10 geänderten Gesamt GdB bedingt. Dabei ist die Bewertung nicht völlig neu, wie bei der Erstentscheidung, vorzunehmen. Vielmehr ist zur Feststellung der Änderung ein Vergleich mit den für die letzte bindend gewordene Feststellung der Behinderung oder eines Nachteilsausgleichs maßgebenden Befunden und behinderungsbedingten Funktionseinbußen anzustellen. Eine ursprünglich falsche Entscheidung kann dabei grundsätzlich nicht korrigiert werden, da die Bestandskraft zu beachten ist. Sie ist lediglich in dem Maße durchbrochen, wie eine nachträgliche Veränderung eingetreten ist. Dabei kann sich ergeben, dass das Zusammenwirken der Funktionsausfälle im Ergebnis trotz einer gewissen Verschlimmerung unverändert geblieben ist. Rechtsverbindlich anerkannt bleibt nur die festgestellte Behinderung mit ihren tatsächlichen Auswirkungen, wie sie im letzten Bescheid in den Gesamt-GdB eingeflossen, aber nicht als einzelne (Teil-)GdB gesondert festgesetzt worden sind. Auch der Gesamt-GdB ist nur insofern verbindlich, als er im Sinne des § 48 Abs. 3 SGB X bestandsgeschützt ist, nicht aber in der Weise, dass beim Hinzutreten neuer Behinderungen der darauf entfallende Teil-GdB dem bisherigen Gesamt-GdB nach den Maßstäben der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP), seit 01.01.2009 VG, hinzuzurechnen ist (vgl. BSG SozR 1300 § 48 Nr. 29 zu den AHP 2004). Die Verwaltung ist nach § 48 SGB X berechtigt, eine Änderung zugunsten und eine Änderung zuungunsten des Behinderten in einem Bescheid festzustellen und im Ergebnis eine Änderung zu versagen, wenn sich beide Änderungen gegenseitig aufheben (BSG SozR 3-3870 § 3 Nr 5).
Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen VersMedV vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass nun die mit den AHP 2008 inhaltsgleichen VG heranzuziehen sind.
Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).
Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin gegenüber den dem Bescheid vom 19.04.2001 zugrunde liegenden Verhältnissen nicht wesentlich verschlimmert haben. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung für die Zeit ab 30.03.2010 zu einem anderen Ergebnis. Die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin rechtfertigen seit diesem Zeitpunkt einen GdB von 50. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf das vom Senat eingeholte nervenärztliche Gutachten von Dr. Di. , die Angaben der vom SG und vom Senat gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin, das vom SG eingeholte fachärztliche Gutachten von Dr. Bu. , die aktenkundigen Klinik- und Arztberichte sowie insbesondere die von der Klägerin vorgelegten Rentengutachten von Dr. L. und Dr. Bi ...
Eine Würdigung dieser ärztlichen Unterlagen ergibt, dass die Klägerin hauptsächlich durch ihre Leiden im Bereich beider Hände und beider Handgelenke sowie des rechten Schultergelenks, den bei ihr vorliegenden Wirbelsäulenschaden und seit 30.03.2010 auch durch ihre mit funktionellen Organbeschwerden verbundene seelische Störung beeinträchtigt ist. Hinzu kommen noch - von geringerer Ausprägung - Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke und des Fußes sowie ein Bluthochdruck.
Bei der Klägerin liegt eine Fingerpolyarthrose, Gebrauchseinschränkung beider Hände, Funktionsbehinderung beider Handgelenke und eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks vor, die einen GdB von 30 bedingen. Zwar hat der vom SG gehörte Sachverständige Dr. Bu. in seinem orthopädischen Gutachten vom 17.11.2008 ausgeführt, der insoweit vom Beklagten angenommene GdB von 30 erscheine nur in Anbetracht der Vielzahl der betroffenen Gelenke noch gerechtfertigt. Die Situation der Klägerin sei eindeutig günstiger als bei Personen mit dem Verlust eines Daumens im Mittelhandknochen oder mit Versteifung eines Handgelenks, die jeweils einen GdB von 30 bedingten. Letztlich hat Dr. Bu. für diese Funktionsstörungen jedoch ebenfalls einen GdB von 30 angenommen. Dem ist das SG im angefochtenen Gerichtsbescheid gefolgt. Der Beklagte hat sogar insoweit durchgehend seit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2002 - zuletzt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2010 - einen GdB von 30 angenommen. Der Senat sieht deshalb keinen Anlass, die bei der Klägerin vorliegenden Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten niedriger als mit einem GdB von 30 zu bewerten. Das von der Orthopädin Dr. L. für die BfA erstattete Rentengutachten vom 31.03.2010 bestätigt diese Bewertung zusätzlich. Diese hat nämlich in ihrem Gutachten eine schwerste Polyarthrose beider Hände diagnostiziert und ausgeführt, die Klägerin sei hinsichtlich der Bewegungs- und Belastungsfähigkeit der Fingergelenke beider Hände deutlich eingeschränkt. Feinmotorische Arbeiten könnten ebenso wie Tätigkeiten mit Heben und Bewegen von Lasten nicht mehr verrichtet werden. Angesichts der geschilderten Beeinträchtigungen wäre eine Bewertung mit einem GdB von 20 zu niedrig.
Hinzu kommen degenerative Veränderungen der Wirbelsäule und eine Spinalkanalstenose, für die ein GdB von 20 anzusetzen ist. Der Sachverständige Dr. Bu. hat auch insoweit ausgeführt, dass sich der vom Beklagten für den Bereich der Wirbelsäule angenommene GdB von 20 an der oberen Grenze bewege. Letztlich hat er aber auch diesen Teil-GdB seiner Beurteilung der Gesamtbeeinträchtigung - wie auch der Beklagte ebenfalls seit der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.07.2002 (zuletzt in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 23.06.2010) - zugrunde gelegt. Die Rentengutachterin Dr. L. fand im Bereich der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule endgradige Bewegungseinschränkungen und Funktionsschmerzen. Da jedoch alle drei Wirbelsäulenabschnitte betroffen sind und insoweit auch eine Schmerzstörung vorliegt, hält der Senat entsprechend Teil B Nr. 18.9, S. 107 der VG einen GdB von 20 für angemessen.
Hinzu kommt eine mit funktionellen Organbeschwerden verbundene seelische Störung, bei der es sich nach der Beurteilung des vom Senat gehörten Sachverständigen Dr. Di. zwar nur um eine leichte Störung handelt, die aber nach Teil B Nr. 3.7 der VG, die insoweit einen Bewertungsrahmen von 0 bis 20 eröffnen, seit 30.03.2010 entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur mit einem GdB von 10, sondern mit einem GdB von 20 zu bewerten ist. In dem auf der Untersuchung der Klägerin am 30.03.2010 beruhenden nervenärztlichen Rentengutachten von Dr. Bi. vom 07.04.2010 hat dieser unter Hinweis auf die von Dr. En. beschriebene deutliche depressive Verstimmung eine mittelschwere depressive Störung und Symptome einer vorzeitigen Involution, wie Konzentrations- und Merkfähigkeitsstörungen, diagnostiziert. Die entsprechenden Beobachtungen des Gutachters (z.B. anfangs niedergeschlagen, gehemmt wirkend, wenig schwingungsfähig - dass die Schwingungsfähigkeit (nur) ein wenig eingeschränkt gewesen sei, wie es in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.08.2010 heißt, trifft also nicht zu) rechtfertigen die Annahme eines GdB von 20. Es handelt sich bei der seelischen Störung der Klägerin um eine Funktionsstörung, die jedenfalls seit 30.03.2010 zusätzlichen behindernden Charakter hat und deshalb nicht als bereits berücksichtigt angesehen werden kann. Zwar sind die üblichen seelischen Begleiterscheinungen (z.B. bei Entstellung des Gesichts, Verlust der weiblichen Brust) in den in den VG niedergelegten Werten bereits berücksichtigt (vgl. Teil A 2 Buchst. i der VG). Die hier vorliegende - sich parallel zu den Beschwerden aufgrund der Funktionsbehinderung der Hände entwickelnde - psychische Beeinträchtigung hat sich spätestens seit dem Beginn der psychiatrischen Behandlung im August 2009 verselbständigt, wie sich aus dem nervenärztlichen Gutachten von Dr. Di. (Diagnose: Anpassungs- und Somatisierungsstörung) ergibt und sich in dem von Dr. L. diagnostizierten Fibromyalgiesyndrom, d. h. einer von Organbefunden unabhängigen, den ganzen Körper erfassenden Schmerzerkrankung, widerspiegelt. Dem entspricht die von Dr. Bi. diagnostizierte somatoforme Schmerzstörung. Seit 30.03.2010 liegt somit ein stärkeres Ausmaß der seelischen Störung der Klägerin vor. Der Nervenarzt Dr. Bi. hat ein schwerwiegenderes - durch Schmerzen und typische psychiatrische Befunde wie depressive Symptomatik, Rückzug, Interesselosigkeit und Antriebsarmut gekennzeichnetes - Krankheitsbild als der Sachverständige Dr. Di. angenommen und eine volle Erwerbsminderung aus seiner fachlichen Sicht bejaht. Auch wenn daraus nicht auf die Höhe des GdB geschlossen werden kann, spricht das von ihm beschriebene Ausmaß der psychischen Erkrankung der Klägerin, die sich schleichend entwickelt hat, für eine Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung.
Die weiteren Funktionsstörungen (Funktionsbehinderung beider Kniegelenke, Gebrauchseinschränkung des linken Fußes; Bluthochdruck) sind mit einem GdB von 10 jeweils angemessen bewertet. Auch die Klägerin selbst macht insoweit keine höhere Bewertung geltend.
Insgesamt ergibt sich seit 30.03.2010 ein GdB von 50. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist von der schwerwiegendsten Funktionsbeeinträchtigung - hier den Beeinträchtigungen im Bereich der oberen Extremitäten (GdB 30) - auszugehen. Hinzu kommen der Wirbelsäulenschaden und die seelische Störung, die jeweils einen GdB von 20 bedingen. Dem höchsten Teil-GdB von 30 sind im Hinblick auf den Wirbelsäulenschaden und die seelische Störung der Klägerin jeweils 10 Punkte hinzuzufügen, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Dass zu der Bewertung dieser Leiden auch eine Schmerzstörung bzw. funktionelle Organbeschwerden beitragen, ändert nichts daran, dass die seelische Störung der Klägerin, die nach dem Gutachten von Dr. Bi. mit den ohne Organbefunden einhergehenden, verselbständigten Schmerzen, einer depressiven Symptomatik, Rückzug, Interesselosigkeit und Antriebsarmut verbunden ist, zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung geführt hat. Würde eine Erhöhung des GdB um 10 Punkte wegen den gegenseitigen Überschneidungen aufgrund der Schmerzstörung nicht erfolgen, blieben diese genannten psychiatrischen Beeinträchtigungen völlig unberücksichtigt. Dies würde dem seit 30.03.2010 bestehenden Behinderungszustand der Klägerin nicht gerecht werden. Die jeweils nur einen GdB von 10 bedingenden Funktionsstörungen erhöhen den Gesamt-GdB hingegen nicht (vgl. Teil A Nr. 3 d der VG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Klägerin im Berufungsverfahren mit der Feststellung des geltend gemachten GdB von 50 (erst) ab März 2010 Erfolg gehabt hat.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
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