L 8 SB 2282/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 11 SB 3892/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2282/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. April 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches (Merkzeichens) "RF" (Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht) streitig.

Bei dem am 1940 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt H. mit Bescheid vom 25.02.2002 den GdB mit 80 fest. Ein Neufeststellungsantrag des Klägers blieb mit Bescheid vom 27.05.2003 ohne Erfolg.

Am 09.04.2008 beantragte der Kläger beim zwischenzeitlich zuständigen Landratsamt R. - Versorgungsamt - (VA) die Feststellung der gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "RF". Das VA holte den Befundbericht der Dr. H. vom 03.06.2008 ein und nahm den Entlassungsbrief des T. Krankenhauses und St. H. Klinik vom 27.05.2008 über eine stationäre Behandlung des Klägers vom 25.05.2008 bis 27.05.2008 zu den Akten. Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme des Arztes Ka. vom 05.07.2008) lehnte das VA mit Bescheid vom 21.07.2008 eine höhere Bewertung des GdB sowie das Merkzeichen "RF" ab. Dabei berücksichtigte das VA hinsichtlich des GdB Schlaganfallfolgen, eine Halbseitenteillähmung links (Teil-GdB 60), eine Herzleistungsminderung, abgelaufener Herzinfarkt, Stentimplantation (Teil-GdB 20), degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Schulter-Arm-Syndrom (Teil-GdB 20), eine Funktionsbehinderung beider Hüftgelenkte (Teil-GdB 10), ein Zwölffingerdarmgeschwürsleiden (Teil-GdB 10) sowie eine Prostatavergrößerung, Entleerungsstörung der Harnblase (Teil-GdB 10).

Gegen den Bescheid vom 21.07.2008 legte der Kläger am 22.08.2008 Widerspruch ein, mit dem er sich gegen die Ablehnung des Merkzeichens "RF" wandte. Er machte geltend, er sei durch einen Schlaganfall dauerhaft inkontinent geworden. Aufgrund der auftretenden Geruchsbelästigungen sei er an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen gehindert. Das VA zog den Entlassbericht des T. Krankenhauses und St. H. Klinik vom 12.06.2008 über eine stationäre Behandlung vom 11.06.2008 bis 13.06.2008 bei und holte den Befundbericht der Dr. H. vom 04.09.2008 ein, die weitere Befundberichte vorlegte (Berichte des T. Krankenhauses und St. H. Klinik vom 27.06.2006 und 06.06.2008). Nach versorgungsärztlicher Auswertung (gutachtliche Stellungnahme des Arztes Br. vom 13.10.2008) wurde der Widerspruch des Klägers vom Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 10.11.2008 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lasse sich trotz der Schwere der Behinderung des Klägers nicht begründen.

Hiergegen erhob der Kläger am 27.11.2008 Klage beim Sozialgericht Mannheim (SG). Er machte zur Begründung geltend, nach dem Bericht seiner Hausärztin Dr. H. vom 04.09.2008 lägen die Voraussetzungen für die Erteilung des Merkzeichens "RF" vor.

Das SG hörte zunächst Dr. H. schriftlich als sachverständige Zeugin an. Sie teilte in ihrer Stellungnahme vom 26.03.2009 unter Vorlage weiterer Befundberichte den Behandlungsverlauf sowie die Befunde mit. Beim Kläger bestehe nach einem Schlaganfall eine Harn- und Stuhlinkontinenz. Der Kläger sei aufgrund der Inkontinenz ständig nicht in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Weiter holte das SG von Amts wegen das urologische Gutachten von Dr. T. vom 23.07.2009 ein. Dr. T. gelangte in seinem Gutachten zu der Bewertung, die Beweisfragen könnten nur unzureichend beantwortet werden, da der Kläger eine urodynamische Untersuchung abgelehnt habe. Anamnestisch lägen beim Kläger eine Blasenentleerungsstörung mit Urosymptomatik und Inkontinenz vor. Sowohl eine häufige Drangsymptomatik als auch die Inkontinenz hinderten der Kläger an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Der Besuch von Veranstaltungen in geschlossenen Räumen sei weder dem Kläger noch den Besuchern zumutbar, da der Kläger die Veranstaltung durch häufige Toilettengänge unterbrechen bzw. stören müsse. Des Weiteren bestehe die berechtigte Angst, trotz des Tragens von Windelhosen seiner Umgebung durch die Geruchsbildung aufzufallen. Besuche bei Veranstaltungen im Freien seien dem Kläger zumutbar, sofern sich sanitäre Einrichtungen in unmittelbarer Nähe des Veranstaltungsgeländes befänden.

Außerdem holte das SG von Amts wegen das nervenärztliche Gutachten des Dr. W. vom 14.09.2009 ein. Dr. W. diagnostizierte in seinem Gutachten eine geklagte Urin- und Stuhlinkontinenz nach cerebralem Insult 2001, eine erhebliche Restparese in der linken Hand mit Einschränkung der Supination und schloss eine relevante psychische Erkrankung aus. Zusammenfassend gelangte er zu der Beurteilung, bezüglich der geklagten Urin- und Stuhlinkontinenz ergäben sich im Vergleich zu den Aktenunterlagen Diskrepanzen, die auch durch die Untersuchung nicht hätten erklärt werden können. Eine Ausgestaltung bzw. Aggravation sei nicht auszuschließen. Aufgefallen sei, dass der Kläger selbst mit dem Pkw zur Untersuchung angereist und bis zum Verlassen der Praxis keine Toilette aufgesucht habe. Eine Geruchsbelästigung sei nicht vorhanden gewesen. Darüber hinaus habe der Kläger bestätigt, dass er bis zu 2 Stunden einen Toilettengang überbrücken könne. Stuhldrang könne er noch länger vermeiden, wenn er längere Zeit nicht essen würde. Insofern sei, neben den Diskrepanzen, nicht nachvollziehbar, warum der Kläger ständig außer Stande sein solle, an öffentlichen Veranstaltungen auch in geschlossenen Räumen teilzunehmen, wenn er bereit wäre, seine Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr entsprechend einzuteilen. Der Kläger sei, bei Vorliegen einer entsprechenden Motivation, nicht grundsätzlich außerstande, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Er sei auch nicht grundsätzlich daran gehindert, nur an bestimmten Veranstaltungen teilzunehmen. Eine Begleitperson sei nicht notwendig.

Der Kläger erhob gegen das Gutachten des Dr. W. unter Vorlage eines ärztlichen Attestes vom 01.03.2010 Einwendungen.

Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 15.12.2009 entgegen.

Mit Gerichtsbescheid vom 15.04.2010 wurde die Klage des Klägers abgewiesen. Das SG führte zur Begründung aus, gemessen an dem durch die sozialgerichtliche Rechtsprechung gemachten Vorgaben und der restriktiven Auslegung des Rundfunkgebührenbefreiungstatbestandes seien beim Kläger die Voraussetzungen für den Nachteilsausgleich "RF" nicht nachgewiesen. Eine Harninkontinenz, die mit Windeln von bis zu zwei Stunden ausgeglichen werden könne, rechtfertige keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht. Die vom Kläger lediglich anamnestisch angegebene Blasenentleerungsstörung lasse sich nicht ausreichend durch fundierte medizinische Daten belegen. Selbst wenn die Blasenentleerungsstörung und die Darminkontinenz in dem vom Kläger beschriebenen Umfang tatsächlich vorhanden sein sollten, führe dies nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht dazu, dass der Kläger ständig gehindert sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Der Kläger sei bei entsprechender Vorbereitung und Mitwirkung in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Allein der Umstand, dass es dem Kläger aufgrund einer bestehenden Inkontinenz nicht mehr gut möglich sei, größere (längere) Veranstaltungen zu besuchen, begründe nicht die Annahme einer ständigen Hinderung an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen. Es gebe eine Vielzahl von Veranstaltungen, die für behinderte Menschen angeboten würden und die eine längere Anwesenheit nicht erforderten. Der Kläger sei in der Lage, zumindest solche öffentliche Veranstaltungen kleinerer Art, die keine längere Anwesenheitszeit erforderten, zu besuchen.

Gegen den dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 19.04.2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.05.2010 Berufung eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, trotz der Verwendung von Hilfsmitteln erlaube ihm die damit verbundene psychische Störung nicht, dass er sich zutraue, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Das SG habe das Vorliegen der Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" bei ihm rechtswidrig verneint. Aus seinen Angaben, noch regelmäßig nach Freiburg zu fahren und 2 Stunden ohne Toilette auskommen zu können sowie dem Umstand, dass er in der Lage gewesen sei, von Hirschberg nach Heidelberg zu fahren und sich unmittelbar der 75-minütigen Untersuchung zu unterziehen und sodann die Praxis ohne das Aufsuchen von Toilettenräumen wieder zu verlassen, den Schluss zu ziehen, ihm sei eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen ohne unzumutbare Beeinträchtigung anderer Teilnehmer möglich, sei falsch. Bei der Begutachtung durch Dr. T. habe er den Gutachter selbst nie gesehen. Der Kläger hat zu der von ihm abgelehnten urodynamische Untersuchung Stellung genommen. Ein gestörtes Stuhlverhalten mit einer Harn- und Teilstuhlinkontinenz könne bereits zu einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führen. Allein aus der Tatsache, dass er 1 1/4 Stunden keine Toilette habe aufsuchen müssen, zu schließen, eine Stuhlinkontinenz liege nur eingeschränkt vor, sei nicht nachvollziehbar. Längere Autofahrten, blieben deshalb trotzdem möglich. Andererseits sei es dem Betroffenen nur in eingeschränktem Umfang möglich, die unkontrollierten Blasenentleerungen zu absorbieren. Maßgeblich sei, dass dem durch eine Stuhl- oder Teilstuhlinkontinenz Betroffenen eine Teilnahme an mehrstündigen Veranstaltungen mangels Kontrolle einer möglichen Darmentleerung und der damit einhergehenden Geruchsbelästigung nicht möglich sei. Er habe unter Beweisantritt das Vorliegen einer solchen Stuhlinkontinenz vorgetragen. Dieses Beweisangebot werde wiederholt. Aufgrund der vorhandenen und tatsächlich vorliegenden Darminkontinenz habe erst seit dem Jahr 2001 keine öffentliche Veranstaltung mehr aufgesucht.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 15. April 2010 sowie den Bescheid des Beklagten vom 16. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. November 2008 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, bei ihm die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des Nachteilsausgleiches "RF" festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Entgegen der Ansicht des Klägers lägen bei ihm die Voraussetzungen für die Feststellung des Merkzeichens "RF" nicht vor. Der Harninkontinenz könne durch entsprechendes Trinkverhalten oder die Benutzung entsprechender Vorlagen entgegengewirkt werden. Aus den Tatsachen, dass der Kläger eine rund zweistündige Anfahrt in den Schwarzwald ohne Besuch der Toilette absolvieren können und auch in der Untersuchungssituation über 1 1/4 Stunden keinen Toilettenbesuch benötigt habe, ergebe sich, dass öffentliche Veranstaltungen besucht werden könnten. Voraussetzung für das Merkzeichen "RF" sei der umfassende Ausschluss vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Nachteilsausgleiches "RF". Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden.

Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers nach seinem erkennbaren Begehren sachdienlich gefasst.

Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist nur, ob beim Kläger die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme des Merkzeichens "RF" vorliegen, wie er alleinig beantragt hat. Nicht Gegenstand des Rechtsstreits ist, dass das VA im Bescheid vom 21.07.2008 außerdem abgelehnt hat, bei dem Kläger den GdB höher zu bewerten. Hiergegen hat sich der Kläger vorliegend nicht gewandt.

Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den Grad der Behinderung (GdB) fest. Sind neben dem Vorliegen der Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen, so treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden ebenfalls die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Hierzu gehören auch die landesrechtlich festgelegten gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, bei deren Erfüllung in den Schwerbehindertenausweis das Merkzeichen "RF" einzutragen ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 5 SchwbAwV).

Für den in Baden-Württemberg wohnhaften Kläger ist seit 01.04.2005 Art 5 § 6 Abs. 1 Nr. 8 des Achten Staatsvertrages zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge vom 8. bis 15.10.2004 idF des Baden-Württembergischen Gesetzes vom 17.3.2005 (GBl 2005, 189) heranzuziehen. Danach werden behinderte Menschen, deren GdB nicht nur vorübergehend wenigstens 80 beträgt und die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können, von der Rundfunkgebührenpflicht befreit. Ein sonstiger Gebührenbefreiungstatbestand scheidet beim Kläger aus.

Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor. Es ist zwar ein GdB von 80 festgestellt. Der Kläger ist jedoch nicht ständig gehindert, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Das SG hat im angefochtenen Gerichtsbescheid auf der Grundlage der von ihm herangezogenen sozialgerichtlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 12.02.1997 - 9 RVs 2/96 -; Urteil des erkennenden Senats vom 18.03.2005 - L 8 SB 2166/03 -; LSG Nordrhein-Westfahlen vom 29.03.2006 - L 4 SB 224/05; LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 09.12.1998 - L 3 VS 40/97) zutreffend und ausführlich begründet (Seiten 7, 8), dass eine Harninkontinenz, die mit Windeln von bis zu zwei Stunden ausgeglichen werden könne, keine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht rechtfertigt, dass selbst dann, wenn die Blasenentleerungsstörung und die Stuhlinkontinenz in dem vom Kläger beschriebenen Umfang tatsächlich vorhanden ist, dies nach der sozialgerichtlichen Rechtsprechung nicht dazu führt, dass der Kläger ständig gehindert ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, sondern dass der Kläger bei entsprechender Vorbereitung und Mitwirkung in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen, dass allein der Umstand, dass es dem Kläger aufgrund einer bestehenden Inkontinenz nicht mehr gut möglich ist, größere (längere) Veranstaltungen zu besuchen, nicht die Annahme einer ständigen Hinderung an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen rechtfertigt, dass es vielmehr eine Vielzahl von Veranstaltungen gibt, die für behinderte Menschen angeboten werden und die eine längere Anwesenheit nicht erforderten und dass der Kläger in der Lage ist, zumindest solche öffentliche Veranstaltungen kleinerer Art, die keine längere Anwesenheitszeit erfordern, zu besuchen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum gleichen Ergebnis. Er macht sich diese Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid zur Begründung seiner eigenen Entscheidung zu Eigen, auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen des Klägers bleibt auszuführen:

Dem Kläger ist zuzugestehen, dass ein gestörtes Stuhlverhalten mit einer Harn- und Stuhlinkontinenz (je nach den konkreten Umständen des Einzelfalles) zu einer Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht führen kann. Dies wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt. Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich jedoch aus den Tatsachen, dass es ihm noch möglich ist, regelmäßig nach Freiburg zu fahren und 2 Stunden ohne Toilette auszukommen, wie er angegeben hat, sowie dem Umstand, dass er in der Lage war, von Hirschberg nach Heidelberg zu fahren und sich unmittelbar der 75-minütigen Untersuchung im Rahmen der Begutachtung durch Dr. W. ohne Unterbrechung zu unterziehen und anschließend die Praxis ohne aufsuchen von Toilettenräumen wieder zu verlassen und dem Umstand, dass während der Untersuchung eine Geruchsbelästigung nicht bestanden hat, wie Dr. W. in seinem Gutachten ausgeführt hat, darauf schließen, dass beim Kläger keine Stuhl- und Harninkontinenz vorliegt, die ihm einen Besuch zumindest öffentlicher Veranstaltungen kleinerer Art, die keine längere Anwesenheitszeit erfordern, unmöglich macht, worauf der Beklagte in der Berufungserwiderung zutreffend hingewiesen hat. Dies wird zusätzlich durch die nicht in Abrede gestellten weiteren Angaben des Klägers bei der Begutachtung durch Dr. W. untermauert, dass er bis zu zwei Stunden einen Toilettengang überbrücken und den Stuhldrang, wenn er längere Zeit nichts essen würde, noch länger vermeiden kann. Damit steht fest, dass der Kläger in der Lage ist, seine Inkontinenz über eine gewisse Zeitdauer zu steuern, wodurch ihm die Möglichkeit eröffnet ist, jedenfalls zeitlich kürzere öffentliche Veranstaltungen zu besuchen. Aufgrund dieser Umstände ist auch Dr. W. in seinem Gutachten überzeugend zu der Ansicht gelangt, dass es nicht nachvollziehbar ist, warum der Kläger ständig außer Stande sein soll, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen bzw. bei Vorliegen einer entsprechenden Motivation, er grundsätzlich in der Lage ist, an öffentlichen Veranstaltungen, gegebenenfalls auch in geschlossenen Räumen teilzunehmen, wenn er bereit ist, seine Flüssigkeits- und Nahrungszufuhr entsprechend einzuteilen, was dem Kläger nach seinen Angaben auch möglich ist. Dass damit Beeinträchtigungen der Gesundheit oder sonstige erhebliche Nachteile für den Kläger verbunden sind, ist nicht ersichtlich, weshalb dem Kläger eine solche - nur vorübergehend erforderliche - Umstellung zumutbar ist (vgl. BSG Urteil vom 12.02.1997 - RVs 2/96 - und LSG Nordrhein-Westfahlen, Beschluss vom 31.01.2007 - L 6 B 20/06 SB -, jeweils veröffentlicht in juris). Sein Berufungsvorbringen, längere Autofahrten - wie die Fahrt zur Begutachtung - seien ihm nur möglich, weil eine eventuelle unkontrollierte Darmentleerung keine mitfahrenden Dritten beeinträchtige und er andererseits solche Darmentleerungen "absorbieren" könne, ist daher rechtlich ohne Belang. Darauf, ob der Kläger an bestimmten Veranstaltungen, wie mehrstündige Opern- oder Theaterbesuche, nicht mehr teilnehmen kann, kommt es entgegen seiner Ansicht nicht maßgebend an. Unerheblich ist auch, ob der Kläger seit dem Jahre 2001 keine öffentliche Veranstaltung aufgesucht hat, wie er geltend macht. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Kläger wegen seines Leidens ständig, d.h. allgemein und umfassend, vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausgeschlossen ist, also allenfalls an einem nicht nennenswerten Teil der Gesamtheit solcher Veranstaltungen teilnehmen kann. Dies trifft, wie ausgeführt, beim Kläger jedoch nicht zu. Eine deutliche Beeinträchtigung im täglichen Leben, wie zuletzt von Dr. H. am 01.03.2010 attestiert, reicht für eine solche Annahme noch nicht aus. Dass beim Kläger eine psychische Störung vorliegt, die ihn allgemein und umfassend vom Besuch öffentlicher Veranstaltungen ausschließt, wie er zudem geltend gemacht hat, trifft nicht zu. Vielmehr hat Dr. W. in seinem Gutachten für den Senat nachvollziehbar und überzeugend eine relevante psychische Erkrankung des Klägers ausgeschlossen.

Der Ansicht von Dr. T. in seinem Gutachten, für den Kläger sei der Besuch von Veranstaltungen in geschlossenen Räumen unzumutbar, folgt der Senat nicht. Dr. T. legt seiner Bewertung zugrunde, dass der Kläger solche Veranstaltungen durch häufige Toilettengänge unterbrechen bzw. stören müsse und dass die berechtigte Angst bestünde, trotz des Tragens von Windelhosen seiner Umgebung durch die Geruchsbildung aufzufallen. Er lässt dabei unberücksichtigt, dass der Kläger - wie ausgeführt - in der Lage ist, seine Inkontinenz über eine gewisse Zeitdauer zu steuern. Entsprechendes gilt für die von Dr. H. in ihrer schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 26.03.2009 an das SG geäußerte Ansicht, dass der Kläger aufgrund einer Stuhl- und Harninkontinenz ständig nicht in der Lage sei, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.

Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den maßgeblichen Sachverhalt durch die vom SG durchgeführten Ermittlungen - auch ohne die vom Kläger abgelehnte urodynamische Untersuchung - für aufgeklärt. Insbesondere durch die Angaben des Klägers sowie sein anlässlich der Begutachtung durch Dr. W. gezeigtes Verhalten hält der Senat das Ausmaß der beim Kläger bestehenden Inkontinenz für hinreichend geklärt, weshalb kein Anlass besteht, dem im Berufungsverfahren wiederholten Antrag des Klägers zu entsprechen, ein - weiteres - urologisches Gutachten zum Ausmaß der vorhandenen Inkontinenz von Amts wegen einzuholen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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