L 8 SB 4893/08

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 5432/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 4893/08
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Sozialgesetzbuch - Neuntes Buch - (SGB IX) streitig.

Die am 1953 geborene Klägerin - von Beruf Lehrerin - stellte am 19.07.2007 beim Landratsamt K. (LRA) einen Erstantrag nach dem SGB IX und gab an, sie leide unter einer chronifizierten Depression, einer posttraumatischen Belastungsstörung, einer Borreliose, einem vertebragenen Schmerzsyndrom und ausgedehnten Glaskörpertrübungen am linken Auge. Sie legte hierzu den vom 14.03.2007 stammenden Abschlussbericht der P. Klinik H. in Bad K. über ihre vom 28.12.2006 bis 14.03.2007 dauernde stationäre Behandlung vor. Darin wurden neben einer unklaren Erhöhung der Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und einem chronischen vertebralen Schmerzsyndrom eine rezidivierende depressive Störung, bei Aufnahme mittelgradige Episode, mit somatischem Syndrom und eine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert. Zum Behandlungsergebnis wurde in diesem Bericht ausgeführt, die depressive Entgleisung der Klägerin habe teilweise rekompensiert werden können. Die Klägerin sei nur eingeschränkt belastungsfähig. Um einer erneuten Dekompensation vorzubeugen, sei die Weiterführung der psychotherapeutischen Behandlung dringend notwendig. Die Klägerin wurde als arbeitsunfähig entlassen und eine stufenweise Wiedereingliederung empfohlen (zunächst eine Reduzierung der Stundenzahl auf 11 Stunden pro Woche). Nach Einholung eines Befundberichts vom 25.07.2007 von dem Augenarzt Dr. M. , der angab, aus der Visusminderung und aus Gesichtsfeldschäden resultiere kein GdB (aufgrund der Beeinträchtigung des Sehvermögens GdB 0) und der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 01.08.2007, wonach die bei der Klägerin vorliegende seelische Störung und die funktionellen Organbeschwerden einen GdB von 40, ansonsten aber keine weitere einen GdB von mindestens 10 bedingende Funktionsstörung vorliege, erließ das LRA am 02.08.2007 einen entsprechenden Bescheid (GdB 40 seit 28.12.2006).

Dagegen legte die Klägerin am 16.08.2007 Widerspruch ein und machte einen höheren GdB geltend. Hierzu legte sie neben einem Klinikbericht vom 01.08.1996 den Untersuchungsbericht des Zentrums für Psychosoziale Medizin am Universitätsklinikum H. vom 17.07.2007 (Diagnosen: Posttraumatische Belastungsstörung, chronifiziert; schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome), und des Zentralinstituts für Seelische Gesundheit vom 07.08.2007 (Diagnosen: mittelgradige depressive Episode, posttraumatische Belastungsstörung, psychische und Verhaltensstörung durch Alkohol, seit 1995 abstinent), den augenärztlichen Befundbericht von Prof. Dr. V. vom Universitätsklinikum H. vom 11.09.2007 und das von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sie. am 21.09.2007 verfasste Schreiben vor. In letzterem heißt es, sie habe bei der Klägerin eine mittelgradige depressive Erkrankung diagnostiziert, die trotz hochdosierter antidepressiver Medikation und psychotherapeutischer Behandlung nicht vollständig habe gebessert werden können. Die Klägerin sei daher auch mindestens bis Anfang nächsten Jahres beruflich eingeschränkt. Zur Zeit erfolge eine ganz langsame Wiedereingliederung. Die Bewertung der depressiven Störung mit einem GdB von 40 sei sicher nicht angemessen. Mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2007 wies das Regierungspräsidium S. - Landesversorgungsamt - den Widerspruch der Klägerin zurück.

Am 12.11.2007 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG), mit der sie einen GdB von 50 geltend machte. Sie brachte vor, aufgrund der Art und Schwere der Depression und posttraumatischen Belastungsstörung, die stark chronifiziert sei, sei ihre Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit wesentlich eingeschränkt. Ihre angstbesetzte Kontaktfähigkeit führe immer wieder zu kräfteraubender Isolation mit Suizidgedanken. Ferner seien inzwischen ihre beiden Augen entzündet. Sie sehe ständig wie durch einen "Nebel", was für sie sehr kräftezehrend und seelisch belastend sei. Auch sollte berücksichtigt werden, dass sie als Alleinerziehende von zwei Söhnen - ihr Ehemann habe 1986 die Familie verlassen und die Scheidung erwirkt - immer wieder überlastet und schwer depressiv gewesen sei. Sie leiste Unterhalt für ihren älteren, studierenden Sohn, der seinen 20 Monate alten Sohn versorge, und sei dadurch besonderen familiären Belastungen ausgesetzt. Die Klägerin legte außer den bereits aktenkundigen ärztlichen Unterlagen die Untersuchungsberichte des Infektiologen PD Dr. Ha. vom 19.07.2007 (Diagnose: Zustand nach Borrelieninfektion) und die Befundberichte der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dres. Ra. und Kollegen vom 07.12. und 10.12.2007 vor. Ferner übersandte sie das nervenärztliche Attest von Dr. Sie. vom 14.01.2008. Darin heißt es, aufgrund ihrer Erkrankung komme es bei der Klägerin immer wieder zu Phasen mit schweren depressiven Einbrüchen, die psychiatrischer Interventionen bedürften. Die Klägerin könne aus diesem Grund nicht mehr voll arbeiten. Dies bedeute einen erheblichen Nachteil im beruflichen Leben und auch im familiären sozialen Alltag. Aus diesem Grund halte sie eine Anhebung des GdB auf 50 unbedingt für angebracht.

Das SG holte von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie O. ein fachärztliches Gutachten ein. In ihrem fachneurologisch-psychiatrischen Gutachten vom 19.05.2008 gelangte die Sachverständige nach ambulanter Untersuchung der Klägerin zu dem Ergebnis, es liege bei ihr eine histrionische Persönlichkeitsstörung und eine dysthyme Entwicklung bei Zustand nach rezidivierenden depressiven Episoden und Alkoholabusus bis 1995 vor. Unter Berücksichtigung vermehrtem somatoformen Erleben bestehe eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, für die ein GdB von 40 anzunehmen sei. Da die Augensymptomatik keinen GdB von 10 bedinge, sei von einem Gesamt-GdB von 40 auszugehen.

Die Klägerin brachte hierzu vor, ihre zunehmenden, stark schwankenden Schmerzen seien ihres Erachtens und nach Ansicht ihres Hausarztes Dr. Sü. und von Frau Dr. Sie. zu wenig berücksichtigt worden. Hierzu legte sie den Bericht von Dr. Sü. vom 07.09.2008 vor. Dr. Sü. führte darin aus, einem GdB von 40 könne er aus hausärztlicher Sicht nicht zustimmen. Nach den ihm vorliegenden Unterlagen sei die Depression zu gering bewertet. Im Laufe der hausärztlichen Betreuung seien mehrmals schwere depressive Episoden aufgetreten. Ferner sei das alkogene Psychosyndrom nicht berücksichtigt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.09.2008 wies das SG die Klage ab. Im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten der Sachverständigen O. und unter Berücksichtigung der Beurteilungskriterien der "Anhaltspunkte" verneinte es eine schwere Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die gegebenenfalls höher als die hier vorliegende stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit zu bewerten wäre. Weder die Erkrankung selbst sei nach den überzeugenden Darlegungen der Sachverständigen als schwer einzuordnen noch lasse der von der Klägerin geschilderte Tagesablauf erkennen, dass z.B. erhebliche familiäre/soziale Probleme durch Kontaktverlust und/oder affektive Nivellierungen oder gar sozialem Rückzug bestünden.

Gegen den ihr am 24.09.2008 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 20.10.2008 Berufung eingelegt, mit dem sie ihr Ziel weiterverfolgt. Sie vertritt die Auffassung, dass den Beurteilungen der sie seit Mai 2007 regelmäßig betreuenden Nervenfachärztin Dr. Sie. und ihres Hausarztes Dr. Sü. , die beide einen GdB von 50 für gerechtfertigt hielten, zu folgen sei. Bei der Untersuchung durch die Sachverständige O. habe sie sehr unter Druck gestanden und ihre aktuelle Lebenssituation verfälscht dargestellt. Ihren Tagesablauf habe sie idealisierend - so wie sie es gerne hätte - dargestellt. Tatsächlich befinde sie sich sehr oft in Rückzugs- und Isolationszuständen verbunden mit Ängsten und starken Schmerzen. Auch sei in diesem Gutachten ihre posttraumatische Belastungsstörung zu wenig berücksichtigt worden. Inzwischen hätten sich diese Störungen chronifiziert. Dies sei auch dem Bericht der Amtsärztin Dr. Ri. (Gesundheitsamt Landratsamt K. ) zu entnehmen. Im Übrigen würde sie bei einem GdB von 50 beruflich entlastet werden, was ihr wiederum helfen könne, tatsächlich bis zum 65. Lebensjahr ihre Arbeit durchzuhalten und damit weiterhin aktiv am Leben und in der Gesellschaft teilzunehmen. Die Klägerin legt das nervenärztliche Attest von Dr. Sie. vom 25.09.2008, die darin dringend die Bewertung des Leidens der Klägerin mit einem GdB von 50 befürwortet, und die Schreiben von Frau Dr. Ri. vom 11.07.2008 (an die Klägerin) und 06.08.2008 (an das Regierungspräsidium K. ) vor. Frau Dr. Ri. spricht im Schreiben vom 06.08.2008 von einer langjährigen psychischen Erkrankung der Klägerin, die eine überaus schonende Wiedereingliederung notwendig mache. Die bis 31.07.2008 auf 13 Wochenstunden fortgeschrittene Wiedereingliederungsmaßnahme sollte bis 10.01.2009 auf 18 Unterrichtsstunden pro Woche und ab 10.01.2009 auf 23 Stunden pro Woche angehoben werden. Sie gehe davon aus, dass die Klägerin ab Januar 2009 einer Stundenbelastung von 23 Wochenstunden gerecht werden könne, vorausgesetzt sie bleibe in therapeutischer Begleitung. Ferner übersandte die Klägerin den Bericht des S.-Zentrums - Fachkrankenhaus für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik - in Bad S. über ihre stationäre Behandlung vom 03.12.2009 bis 26.03.2010 sowie den Bericht des Schmerzzentrums H. in Bad S. vom 12.01.2010 über ihre am 23.12.2009 erfolgte Untersuchung. Im Klinikentlassungsbericht vom 29.04.2010 wurden eine rezidivierende depressive Episode, derzeit schwer, eine chronisch somatoforme Schmerzstörung, eine PTSD, eine gemischte Persönlichkeitsstörung mit histrionischen und emotional instabilen Anteilen sowie ein chronisches Schmerzsyndrom und eine Paradentose diagnostiziert. Abschließend heißt es in diesem Bericht, auch wenn die Symptomatik habe klinisch deutlich gebessert werden können, bleibe die Wiederherstellung der vollen Berufsfähigkeit dem Erfolg der dringend notwendigen ambulanten Psychotherapie vorbehalten. Mit der Klägerin sei ein Rekonvaleszensverfahren erarbeitet worden. Die Medikation sollte auf jeden Fall beibehalten werden. Aufgrund der Vielzahl wieder auslösender retraumatisierender Settings an der jetzigen Schule werde dringend zu einem Schulwechsel geraten.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 19. September 2008 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 2. August 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Oktober 2007 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von 50 seit 28. Dezember 2006 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Eine anhaltend schwere seelische Störung in allen Lebensbereichen, die einen höheren GdB als 40 bedingen könnte, läge bei der Klägerin nicht vor. Ein GdB von 50 entspräche einer schweren seelischen Störung mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten, die angesichts ihrer Angaben zu ihrem Tagesablauf und ihrem Freizeitverhalten gegenüber der Sachverständigen O. nicht als nachgewiesen anzusehen seien. Er legt hierzu die versorgungsärztlichen Stellungnahmen von Dr. Ma. vom 27.08.2009, Dr. W. vom 15.03.2010 und Dr. Re. vom 26.08.2010 vor.

Der Senat hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. mit der Erstattung eines nervenärztlichen Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat die Klägerin ambulant untersucht und ist in ihrem schriftlichen Gutachten vom 14.05.2009 zu der Beurteilung gelangt, die Klägerin leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung auf der Basis einer posttraumatischen Belastungsstörung und begleitend liege eine leichte bis mittelschwere, phasenweise auch schwere depressive Symptomatik vor. Es liege eine schwere Störung mit zumindest mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vor, die einen GdB von 50 bedinge. Die schwere Persönlichkeitsstörung der Klägerin sei von der Sachverständigen O. nicht ausreichend bewertet worden. Dafür sei wohl die erheblich idealisierte Darstellung der Klägerin zu ihren Tagesabläufen und ihrem Freizeitverhalten verantwortlich. Sie habe damals offensichtlich - nicht der Realität entsprechende - Wunschvorstellungen wiedergegeben. In ihrer vom Senat eingeholten ergänzenden Stellungnahme vom 01.03.2010 hielt die Sachverständige an ihrer Beurteilung fest. Die Kriterien einer posttraumatischen Belastungsstörung seien wie auch die einer chronisch somatoformen Störung und einer histrionischen Persönlichkeitsstörung erfüllt. Es bestehe nicht nur eine leichte Anpassungsstörung. Seit 2006 liege eine zunehmende depressive Symptomatik mit Suizidalität und zehnwöchiger stationärer Behandlung und anschließender, bis heute dauernder ambulanter Verhaltenstherapie vor. Auch aktuell komme es zu immer wieder auftretenden Suizidgedanken. Die von Dr. Ma. in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme genannten familiären Kontakte bestünden in der von ihm geschilderten Form nicht und die Kontakte zu Freundinnen und zum Partner seien nur äußerst eingeschränkt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die Akten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 151 SGG), aber nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid des Beklagten ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von 50.

Streitgegenstand ist der Bescheid vom 02.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.10.2007, mit dem der Beklagte bei der Klägerin einen GdB von 40 seit 28.12.2006 festgestellt hat. Die Klägerin macht demgegenüber geltend, dass die Auswirkungen der bei ihr vorliegenden psychischen Erkrankung einen GdB von 50 rechtfertigen.

Nach § 2 Abs. 1 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als Grad der Behinderung, nach Zehnergraden abgestuft, festgestellt (§ 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 17 BVG erlassenen und am 01.01.2009 in Kraft getretenen Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10.12.2008 gelten entsprechend (§ 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX), so dass die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht 2008, (AHP) nun als "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (Anlage zu § 2 VersMedV - VG -) weiter heranzuziehen sind.

Nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. Teil A Nr. 3 der VG). In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (VG a.a.O.). Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (Teil A Nr. 3 der VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung dieser Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (vgl. BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5, jeweils zu den AHP).

Bei der Beurteilung des GdB ist zu beachten, dass nach Teil A 2 Buchst. f der VG Schwankungen im Gesundheitszustand bei längerem Leidensverlauf mit einem Durchschnittswert Rechnung zu tragen ist. Dies bedeutet: Wenn bei einem Leiden der Verlauf durch sich wiederholende Besserungen und Verschlechterungen des Gesundheitszustandes geprägt ist (Beispiele: chronische Bronchitis, Hautkrankheiten, Anfallsleiden), können die zeitweiligen Verschlechterungen - aufgrund der anhaltenden Auswirkungen auf die gesamte Lebensführung - nicht als vorübergehende Gesundheitsstörungen betrachtet werden. Dementsprechend muss in solchen Fällen bei der GdB-Beurteilung von dem "durchschnittlichen" Ausmaß der Beeinträchtigung ausgegangen werden.

Das SG ist in seiner Entscheidung unter Anwendung der eingangs genannten gesetzlichen Vorschriften und der Beurteilungsgrundsätze der AHP zu dem Ergebnis gekommen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen der Klägerin keinen höheren GdB als 40 bedingen. Der Senat kommt unter zusätzlicher Berücksichtigung der Ergebnisse der im Berufungsverfahren erfolgten weiteren medizinischen Sachaufklärung zum selben Ergebnis. Die seelische Störung der Klägerin rechtfertigt keinen GdB von 50. Diese Beurteilung gründet sich im Wesentlichen auf die aktenkundigen nervenärztlichen Gutachten der Sachverständigen O. und Dr. E. , die Angaben der vom SG gehörten behandelnden Ärzte der Klägerin und die zu den Akten gelangten Klinik- und Arztberichte.

Aus dem von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu den Akten gereichten HNO-fachärztlichen Attest vom 13.12.2010, in dem Dr. Schn. eine Innenohrschwerhörigkeit beidseits, Tinnitus aurium somatogen links bei exacerbierter Borreliose und Vertigo als Diagnose angibt, ergibt sich keine GdB-relevante Leistungseinbuße. Ausweislich des dem Attest beigefügten Ton-Audiogramms vom 03.12.2010 ist nach der 4-Frequenztabelle nach Röser (vgl. VG Teil B Nr. 5.2 Tabelle B) von einem Hörverlust von 5 % rechts und 15 % links auszugehen, was nach den Bewertungsgrundsätzen der VG eine Normalhörigkeit (Hörverlust bis zu 20 % für jedes Ohr) mit einem Teil-GdB von 0 ergibt (vgl. VG a.a.O., Tabelle D) und mit der Einschätzung von Dr. Schn. als geringgradige Schwerhörigkeit links annähernd übereinstimmt (auch bei einseitiger geringgradiger Schwerhörigkeit und Normalhörigkeit auf dem anderen Ohr ist nach der zitierten Tabelle D nur ein Teil-GdB von 0 gegeben). Der als somatogen beschriebene Tinnitus ist grundsätzlich integrierend zu berücksichtigen und wirkt sich vorliegend nicht erhöhend aus, denn konkrete Hörbeeinträchtigungen sind dem im Dezember 2010 erhobenen Befund nicht zu entnehmen. Darüber hinausgehende belastende Ohrgeräusche sind nervenärztlich zu bewerten. Hierfür finden sich keine Anhaltspunkte. Entsprechende Beschwerden hat die Klägerin nach den vorliegenden nervenärztlichen Befunden bislang nicht beschrieben bzw. sind als Beeinträchtigung des vegetativen Systems (z.B. Durchschlafstörungen) mitbewertet worden.

Schwindelerscheinungen in einem funktionell relevanten Ausmaß sind der von Dr. Schn. durchgeführten Gleichgewichtuntersuchung vom 10.12.2010 nicht zu entnehmen. Der Rombergindex war ohne Befund. Eine Seitendifferenz bei der thermischen Erregbarkeitsprüfung war nicht nachweisbar. Die Nystagmus-Tests waren unauffällig, bis auf einen vereinzelt auftretenden Lagenystagmus in Linkslage. Dem mitgeteilten Gleichgewichtsscreening ist nur ein Rombergindex mit Erschwernis als pathologisch zuzuordnen, die übrigen Tests wurden als gut beurteilt. Die von Dr. Schn. diagnostizierte peripher vestibuläre, jedoch geringgradige Komponente vermag danach keinen gesonderten Einzel-GdB zu begründen. Der von Dr. Schn. angenommene Einzel-GdB 20 ist mit dem Bewertungsgrundsätzen der VG nicht vereinbar. Der Senat hat sich deshalb auch nicht veranlasst gesehen, hierzu weitere Ermittlungen von Amts wegen anzustrengen.

Funktionelle Beeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet, die über die aktenkundigen Befunde, insbesondere dem zuletzt vorgelegten Entlassungsbericht des S.-Zentrums in Bad S. vom 29.04.2010 bzw. dem Befundbericht des Schmerzzentrums H. , Bad S. , vom 12.01.2010, hinausgehen, sind dem ebenfalls in der mündlichen Verhandlung des Senats vorgelegten ärztlichen Attest vom 15.12.2010 nicht zu entnehmen. Darin gibt Dr. Si. an, dass die Klägerin seit vielen Jahren in ihrer orthopädischen Behandlung stehe und seit vielen Jahren Schmerzen an der Hals- und Lendenwirbelsäule, an beiden Kniegelenken und an der linken Hand angebe. Hierzu sind die Diagnosen einer fortgeschrittenen Uncovertebralarthrose der HWS, Foramenstenose der HWS, Cervikocephalgie, Cervikobrachialgie, einer Facettengelenkarthrose der LWS, einer Osteochondrose bei L5/S1, Zustand nach Bandscheibenprolaps L4/L5 mit rezidivierenden Lumboischialgien, eine Retropatellararthrose an beiden Kniegelenken sowie eine Arthrose der radialen Handwurzel und des Daumensattelgelenkes im Attest angeführt. Eine Verschlechterung des Gesundheitszustands beschreibt Dr. Si. in ihrem Attest vom 15.12.2010 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die seit vielen Jahren stattfindende Behandlung nicht. Eine zu den Befunden des Schmerzzentrums H. im Arztbrief vom 12.01.2010 (u.a. ein chronifiziertes Schmerzsyndrom nach Grad II nach Gerbershagen bei Zustand nach Bandscheibenvorfall lumbal L4/L5 -im Jahre 1996-, sekundäre Fibromyalgie, Blockierungskette cervicothorakaler Übergang rechtsbetont, Zervikobrachialgie rechts, Somatisierungsstörung, reaktive Depression) hinzukommende weitere funktionelle Beeinträchtigung - eine solche ist vorrangig maßgebend und weniger eine diagnostische Krankheitsbezeichnung - ist dem Attest auch nicht zu entnehmen. Nach dem Entlassungsbericht des S.-Zentrums vom 29.04.2010 ist davon auszugehen, dass unter der Mitbehandlung des Schmerzzentrums H. sich die Somatisierungsstörung gebessert hat. Ein pathologisch/funktioneller auffälliger organischer Befund hinsichtlich der Wirbelsäule und des übrigen Bewegungsapparates war bei der Aufnahmeuntersuchung nicht erhoben worden. Der Bewegungsablauf war unbehindert, der Zehen- und Fersengang beidseits möglich, der Einbeinstand war unauffällig. Die Wirbelsäule war normal geschwungen mit altersentsprechender Beweglichkeit bei einem Finger-Boden-Abstand von 20 cm. Das Lasègue-Zeichen war negativ. Es fand sich kein Druck- oder Klopfschmerz über den Wirbelkörpern und kein Stauchschmerz. Die Gelenke waren ohne Schwellungen und ohne Funktionseinschränkungen. Der neurologische Status war unauffällig, insbesondere war der Muskeltonus und die Kraftentfaltung an den oberen und unteren Extremitäten sowie am Rumpf unauffällig. Allein die verspannte Schultergürtelmuskulatur begründet keine maßgebliche Funktionseinschränkung, zumal dies in der Regel einer therapeutischen Maßnahme zugänglich ist und daher nicht als Dauerzustand gewertet werden kann. Die GdB-Einschätzung mit 30 von Dr. Si. ist daher nicht nachvollziehbar. Sie entspricht auch nicht den Bewertungsgrundsätzen der VG. Denn ein GdB für alle auf orthopädischem Fachgebiet vorliegenden Erkrankungen wird nicht dem Erfordernis gerecht, dass für die Einzel-GdB-Bestimmung eine zusammenfassende Beurteilung der einzelnen Funktionssysteme, wie z.B. Arme, Beine, Rumpf usw., zu erfolgen hat (VG Teil A Nummer 2 e)), was dann bei der Gesamt-GdB-Bildung zu berücksichtigen ist (VG Teil A Nummer 3). Das Attest von Dr. Si. gab dem Senat auch keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen.

Eine Würdigung der übrigen aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt, dass die Klägerin im Wesentlichen durch ihre psychische Erkrankung beeinträchtigt ist. Ein einen GdB von mindestens 10 bedingendes Augenleiden liegt bei ihr nicht vor. Bei der Bemessung des GdB sind sowohl die Sehschärfe auf beiden Augen als auch mögliche Gesichtsfeldeinschränkungen zu berücksichtigen. Dass insoweit kein GdB von mindestens 10 anzunehmen ist, ergibt sich aus den Angaben von Dr. M. vom 25.07.2007 gegenüber dem Beklagten, der von einem GdB von 0 ausgegangen ist. Auch in den von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten Untersuchungsberichten der Augenklinik am Universitätsklinikum H. vom 11.09.2007 und 30.11.2007 wurde das Sehvermögen der Klägerin sowohl auf dem rechten als auch auf dem linken Auge mit 1,0 angegeben. Die von der Klägerin angegebenen Beschwerden in Form von Nebelsehen und auch allgemeiner Unschärfe wurden im Bericht vom 11.09.2007 durch die zelluläre Infiltration des Glaskörpers im Sinne einer Uveitis intermedia erklärt. Ein GdB von mindestens 10 auf rein augenärztlichem Gebiet lässt sich damit jedoch nicht begründen, zumal im Bericht vom 30.11.2007 anklingt, dass die Sehstörung als eine Nebenwirkung der von der Klägerin eingenommenen Antidepressiva anzusehen sein könnte.

Bei der Klägerin liegt eine - ganz im Vordergrund stehende - psychische Beeinträchtigung (seelische Störung, funktionelle Organbeschwerden - chronifiziertes Schmerzsyndrom, sekundäre Fibromyalgie, Somatisierungsstörung -) vor, die mit einem GdB von 40 nicht zu niedrig bewertet ist. Ein GdB von 40 kann erst angenommen werden, wenn eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit vorliegt. Nach Teil B Nr. 3.7 der VG ist eine solche Störung mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten. Das bedeutet, dass der Beklagte bei seiner Beurteilung der psychischen Beeinträchtigung der Klägerin an die Obergrenze des insoweit vorgegebenen Bewertungsrahmens gegangen ist. Ein noch stärkeres Ausmaß ihres psychischen Leidens besteht entgegen der Ansicht der Klägerin, die einen GdB von 50 für gerechtfertigt hält, nicht. Dies würde nach Teil B Nr. 3.7 der VG schwere Störungen (z.B. schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten (GdB 50 bis 70) voraussetzen, die bei der Klägerin jedoch nicht vorliegen. Dies folgt für den Senat in erster Linie aus den Angaben zu ihrer beruflichen Tätigkeit und zu ihrem Freizeitverhalten, die sie zuletzt (gegenüber Dr. E. ) gemacht hat. Danach bestehen zwar stärkere Auswirkungen ihrer psychischen Erkrankung als von ihr gegenüber der erstinstanzlichen Sachverständigen O. angegeben. Auch ihre außerberuflichen Aktivitäten werden von ihr als wesentlich eingeschränkter beschrieben. Allerdings sind die Einschränkungen nicht derart, dass sie die Annahme einer schweren psychischen Störung rechtfertigen würden. Nach ihren Angaben zu ihrer Tätigkeit als Lehrerin arbeite sie je nach Wochentag von 07.25 Uhr bzw. 08.00 Uhr bis 14.00 Uhr. Danach sei sie dann leer und "zerfleddert", könne nicht mehr strukturiert denken und bräuchte dann mehrere Stunden Ruhe, um die Anstrengungen des Unterrichts zu verarbeiten. Sie würde dann vier Stunden lang ausruhen (ruhig liegen). Andererseits gibt sie an, dass sie aus der Arbeit mit den Kindern auch Kraft und Freude schöpfe, und es ihr wichtig sei, solange wie möglich zu arbeiten, allerdings nur in geringerem Umfang. Etwa 20 Stunden pro Woche halte sie für sie zeitlich für ein gutes Pensum. Damit wird deutlich, dass die Klägerin sich durchaus noch in der Lage sieht, ihrer Tätigkeit als Lehrerin - wenn auch zeitlich etwas reduziert - nachzugehen. Ob sie dieser Tätigkeit auch noch in vollem zeitlichen Umfang gewachsen ist, ist für die Beurteilung, ob ein GdB von 50 vorliegt, nicht entscheidend. Eine Herabsetzung des Unterrichtsdeputats ist jederzeit möglich. Die von ihr mit einem GdB von 50 verbundene Erwartung einer (von ihr auch für notwendig gehaltenen) Arbeitsentlastung von 2 Stunden pro Woche spricht jedenfalls nur für eher leichtere psychische Beschwerden. Bei schweren psychischen Störungen - wie für einen GdB von 50 erforderlich - wäre eine solch vergleichsweise geringe Ermäßigung des Unterrichtsdeputats sicherlich nicht ausreichend. Vielmehr dürfte eine Tätigkeit als Lehrerin in so einem Fall nicht mehr möglich sein.

Die sonstigen von der Klägerin gegenüber Dr. E. genannten Aktivitäten, insbesondere ihr Freizeitverhalten, spricht ebenfalls nicht für eine schwere psychische Störung. Danach trifft sie sich einmal pro Woche mit Freundinnen zum Spazierengehen und ebenfalls einmal pro Woche mit ihrem derzeitigen Partner. Alle 14 Tage sehe sie am Wochenende ihre Enkelkinder, ginge zur Selbsthilfegruppe und einmal pro Monat zur Frauengruppe. Sie lebe in einer Hausgemeinschaft, in der sie ebenfalls Kontakt pflege. Auch wenn sie angibt, jedes zweite Mal das Treffen mit ihren Freundinnen zum Spazierengehen absagen zu müssen, weil es ihr schlecht gehe, reicht dies in Verbindung mit ihren anderen Aktivitäten nicht aus, um überhaupt einen anhaltenden und wesentlichen sozialen Rückzug - geschweige denn in dem für eine schwere psychische Störung erforderlichen Ausmaß - bejahen zu können. Vielmehr sprechen auch diese Angaben der Klägerin allenfalls für eine stärker behindernde psychische Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, nicht aber für eine schwere psychische Störung. Der Senat folgt der Beurteilung der Sachverständigen Dr. E. , dass bei der Klägerin eine schwere psychische Störung mit zumindest mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten vorliege, die einen GdB von 50 bedinge, daher nicht.

Unabhängig hiervon ist die Annahme eines GdB von 50 für die psychische Erkrankung der Klägerin auch deshalb nicht gerechtfertigt, weil sie - wie die aktenkundigen ärztlichen Unterlagen belegen - starken Schwankungen unterworfen ist und daher der Bewertung entsprechend Teil A 2 Buchst. f der VG das "durchschnittliche" Ausmaß der Beeinträchtigung zugrunde zu legen ist. Die Klägerin befand sich nach dem Klinikbericht der P. Klinik H. in Bad K. vom 14.03.2007 bei der Aufnahme am 28.12.2006 in einer mittelgradigen Episode der depressiven Störung. Im Juli 2007 und August 2007 lag nach den aktenkundigen Arztberichten eine schwere bzw. mittelgradige Episode der Depression vor. Bei ihrer Untersuchung durch die Sachverständigen O. im Februar 2008 und Dr. E. im April 2009 bestand nur eine Dysthymie (depressive Verstimmung) bzw. eine leichte depressive Störung, während bei ihrer stationären Behandlung vom Dezember 2009 bis März 2010 eine schwere Episode ihrer Erkrankung vorlag. Dies verdeutlicht - wie auch die Angaben der Klägerin gegenüber den Sachverständigen - den schwankenden, durch ein "auf und ab" gekennzeichneten Verlauf ihrer Erkrankung. Als Maßstab für die Beurteilung des GdB, die zu einer angemessenen Bewertung der "durchschnittlichen" Beeinträchtigung auf Dauer durch das seelische Leiden führen muss, kann naturgemäß weder eine leichte noch eine schwere Krankheitsepisode herangezogen werden. Selbst wenn mithin in einer schweren Krankheitsepisode ein GdB von 50 gerechtfertigt wäre, würde eine solche Bewertung dem durchschnittlichen Ausmaß der Beeinträchtigung nicht gerecht werden. Ein höherer GdB als 40 für die "durchschnittliche" Beeinträchtigung der Klägerin ist daher nicht angemessen.

Soweit die Klägerin mit der Berufung geltend macht, im erstinstanzlichen Gutachten sei ihre posttraumatische Belastungsstörung zu wenig berücksichtigt worden, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Die Sachverständige O. hat in ihrem Gutachten keine posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert, während die vom Senat gehörte Sachverständige Dr. E. zu der Einschätzung gelangt ist, die Klägerin leide unter einer schweren Persönlichkeitsstörung auf der Basis einer posttraumatischen Belastungsstörung. Letztlich kann dahingestellt bleiben, ob bei der Klägerin tatsächlich eine posttraumatische Belastungsstörung vorliegt. Im Schwerbehindertenrecht, in dem es nicht auf die Ursache einer Erkrankung, sondern allein auf die funktionelle Einschränkung ankommt, hat die Frage der zutreffenden Krankheitsdiagnose keine ausschlaggebende Bedeutung. Entscheidend ist das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen und hier das Ausmaß der Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit der Klägerin. Ob hierfür eine depressive Symptomatik oder eine posttraumatische Belastungstörung mit einer begleitenden depressiven Symptomatik verantwortlich ist, würde an der Bewertung des psychischen Leidens nur dann etwas ändern, wenn mit der posttraumatischen Belastungsstörung eine zusätzliche, durch die depressive Symptomatik noch nicht erfasste Beeinträchtigung verbunden wäre. Dies ist hier ersichtlich nicht der Fall.

Entgegen der Auffassung der Klägerin kann bei der Beurteilung des GdB nicht berücksichtigt werden, dass sie nach ihren Angaben als Alleinerziehende von 2 Söhnen immer wieder überlastet und schwer depressiv gewesen sei. Maßgebend ist allein die Beeinträchtigung der seelischen Gesundheit im Zeitraum ab der Antragstellung bzw. - wie hier - ab Beginn des Klinikaufenthalts (28.12.2006). Es hat auch keinen Einfluss auf die Höhe des GdB, dass die Klägerin für ihren älteren, studierenden Sohn, der seinen 20 Monate alten Sohn versorge, Unterhalt leiste und dadurch besonderen familiären Belastungen ausgesetzt sei. Körperliche, geistige oder seelische Belastungen sind nach dem eingangs zitierten § 2 Abs. 1 SGB IX nur dann zu berücksichtigen, wenn und soweit sie zu Abweichungen von dem für das Lebensalter typischen (Gesundheits-) Zustand geführt haben. Eigenständige Faktoren für die Beurteilung des GdB stellen sie nicht dar.

Das Berufungsvorbringen der Klägerin, wonach sie bei einem GdB von 50 beruflich entlastet werden würde, was ihr wiederum helfen könne, tatsächlich bis zum 65. Lebensjahr ihre Arbeit durchzuhalten und damit weiter aktiv am Leben und in der Gesellschaft teilzunehmen, ist ebenfalls nicht geeignet, einen höheren GdB als 40 zu begründen. Eine (vorsorglich) höhere Bewertung der Funktionsstörungen als durch deren objektiv bestehendes Ausmaß begründet, ist - mit Ausnahme von Gesundheitsstörungen, bei denen eine Heilungsbewährung abzuwarten ist (was hier nicht zutrifft) - nicht mit den genannten gesetzlichen Regelungen für die Beurteilung des GdB vereinbar. Danach kommt es allein auf die aktuellen Auswirkungen der Funktionsstörungen an.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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