Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 1 R 160/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 3 R 282/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI). Umstritten ist, ob es der Klägerin gelingt, die gesetzliche Fiktion der so genannten "Versorgungsehe" zu widerlegen, mit der Rechtsfolge eines Anspruchs auf Witwenrente.
Die am ... 1950 geborene Klägerin lebte nach ihren Angaben seit den 90er Jahren mit dem am 1949 geborenen Versicherten P. S. zunächst in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Der Versicherte war gelernter Stahlbauschlosser und als solcher bis 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. In der Folgezeit war er arbeitslos und ab Januar 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 5. März 2004 bezog er zunächst Krankengeld. Nachdem der Versicherte dann am 28. Juni 2004 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hatte, gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2004, ausgehend vom Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung am 23. Januar 2004.
Die Klägerin war Energiesachbearbeiterin im Fliesenwerk Z ... Sie ist seit 1992 arbeitslos und erhält seit dem 1. Januar 2005 durchgehend von der ARGE SGB II Landkreis W. (im Weiteren: ARGE) Arbeitslosengeld II in Höhe von zunächst rund 355,00 EUR monatlich. Die Klägerin hatte gegenüber der ARGE nicht angegeben, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit dem verstorbenen Versicherten zu leben. Am 2. Mai 2005 heirateten die Klägerin und der Versicherte; die Klägerin nahm in diesem Monat noch einen 1Euro-Job an, den sie bis heute verrichtet. Der Versicherte verstarb am 24. November 2005 an den Folgen einer Prostatakarzinomerkrankung. Die Auszahlung einer gemeinsamen Lebensversicherung in Höhe von 8225,59 EUR nach dem Tod des Versicherten hat die Klägerin der ARGE bei Beerdigungskosten von fast 5000,00 EUR nicht mitgeteilt.
Die Klägerin stellte am 1. Dezember 2005 den Antrag auf Bewilligung einer Witwenrente. In der Anlage zum Witwenrentenantrag kreuzte die Klägerin folgende vorgefertigte Erklärung an: "Die Heirat erfolgte zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten, und der Tod des Ehegatten war bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten". Zeitgleich hatte die Klägerin bei der D. Post AG, Niederlassung Rentenservice, einen Antrag auf Vorschusszahlung für das so genannte Sterbevierteljahr gestellt, der mit Schreiben vom 9. Dezember 2005 unter Hinweis auf das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmeG) abgelehnt wurde.
Die Beklagte zog zunächst die Antragsunterlagen zur bewilligten Erwerbsminderungsrente des Versicherten bei. In der Anlage zum Rentenantrag vom 28. Juni 2004 hatte der Versicherte zu dessen Begründung am 9. Juli 2004 unter anderem angegeben, es seien bei ihm Metastasen am Skelett festgestellt worden und er sei seit dem 23. Januar 2004 arbeitsunfähig erkrankt.
Ferner zog die Beklagte den Befundbericht der Klinik B. W. zum Anschlussheilbehandlungsantrag vom 17. Mai 2004 über den stationären Aufenthalt vom 27. April bis zum 19. Mai 2004 bei. Nach dem Reha-Entlassungsbericht vom 16. Juni 2004 über den Aufenthalt im E. Bad S. vom 28. Mai bis zum 15. Juni 2004 lagen folgende Diagnosen vor: Verdacht auf pathologische Knochenveränderungen rechts Becken-Hüft-Bereich bei unbekannter Ursache. Lumbales Pseudoradikulärsyndrom rechts. Rumpfmuskelinsuffizienz. Der Versicherte sei vorzeitig auf ärztliche Veranlassung aus der Rehabilitationseinrichtung arbeitsunfähig entlassen worden. Eine sozialmedizinische Einschätzung sei angesichts der ungeklärten Ursache der Knochenveränderungen nicht vorgenommen worden. Anamnestisch sei der Versicherte seit Januar 2004 arbeitsunfähig und klage seit dieser Zeit über progrediente Lumboischialgien rechts mit Schmerzausstrahlung in das rechte Bein. Er sei auf Hilfe im Haushalt angewiesen und befinde sich in einem leicht reduzierten Allgemeinzustand. Es bestehe der Verdacht einer Knochenmetastase bzw. eines Prostata-Karzinoms. Zur weiteren Abklärung des pathologischen Beckenknochenbefundes rechts sei eine Überweisung in die P.-G.-Stiftung W. erfolgt.
Nach dem Verlegungsbericht der P.-G.-Stiftung vom 17. Juni 2004 sei dort unter anderem die sekundäre bösartige Neubildung des Knochens und des Knochenmarks sowie der Prostata diagnostiziert und der Versicherte sei über den Tumorverdacht eines Prostatakarzinoms mit Knochenmetastasierung informiert worden. Aus der Epikrise der Klinik für Urologie der P.-G.-Stiftung vom 1. Juli 2004 ergeben sich die Diagnosen eines fortgeschrittenen metastasierenden Prostatakarzinoms und diffuser Knochenmetastasierung. Der dringende Verdacht auf eine Skelettmetastasierung habe sich nach Computertomographie (CT)-Untersuchung und Szintigraphie bestätigt. Die Befunde seien mit dem Versicherten ausführlich besprochen worden. Chirurgische Maßnahmen seien wegen des fortgeschrittenen und metastasierten Tumorstadiums nicht in Betracht gekommen. Es sei eine palliative Chemotherapie begonnen worden. In einem weiteren Arztbrief der Klinik für Urologie vom 26. Juli 2004 wird über die Durchführung des zweiten Zykluses der Chemotherapie am 21. und 22. Juli 2004 berichtet.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Witwenrente mit der Begründung ab, die Klägerin habe besondere Umstände, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprächen, nicht ausreichend dargelegt. Hieran ändere auch der Umstand, mit dem Versicherten eine langjährige Lebensgemeinschaft unterhalten zu haben, nichts. Mit am 30. Januar 2006 erhobenen Widerspruch trug die Klägerin vor, die Ehe geschlossen zu haben, um die erforderliche Pflege des Versicherten zu sichern. Sie verwies hierbei auf die Bewilligung von Pflegegeld für den Versicherten im Schreiben der Pflegekasse vom 15. Juli 2005 bei Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2005. Bei der Heirat sei mit dem Versterben in absehbarer Zeit noch nicht zu rechnen gewesen. Es sei der Wunsch des Versicherten gewesen, "durch die Heirat die Vorteile der Ehe zu erlangen [ ]. Somit ist dieser für ihn bedeutender Beweggrund gewichtiges Argument dafür, eine Eheschließung zum alleinigen bzw. überwiegenden Zweck einer Hinterbliebenenversorgung zu vollziehen." Von einer Versorgungsehe könne daher nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006 als unbegründet zurück. Besondere Umstände, die gegen die Annahme einer "Versorgungsehe" sprächen, seien von der Klägerin nicht dargelegt worden. Die mit dem Versicherten über mehrere Jahre geführte Lebensgemeinschaft - laut Mitteilung des Einwohnermeldeamtes habe vom April 2000 bis November 2005 eine gemeinsame Wohnanschrift bestanden - könne die gesetzliche Vermutung der Versorgungsabsicht nicht ohne Weiteres entkräften. Nachdem bereits bei den Rehabilitationsmaßnahmen im Mai/Juni 2004 der Verdacht auf eine pathologische Knochenveränderung geäußert worden sei, sei hierauf die Diagnose diffuser Knochenmarksmetastasierung und eines fortgeschrittenen Prostatakarzinoms gestellt worden. Nach ihren Ermittlungen sei zumindest seit Juli 2004 der Krankheitszustand des Versicherten bekannt gewesen. Über den lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung seien die Klägerin und der Versicherte im Bilde gewesen. Im Reha-Entlassungsbericht habe der Versicherte angegeben, er sei auf Hilfe im Haushalt angewiesen. Die Eheschließung sei auch zur Sicherung der Pflege des Versicherten nicht erforderlich gewesen, da die Pflegegeldgewährung für die Klägerin als Pflegeperson nach § 19 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) nicht von deren Status als Ehefrau abhängig gewesen sei.
Die Klägerin hat mit der am 6. April 2006 erhobenen Klage beim Sozialgericht Dessau-Rosslau ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, dass eine Versorgungsehe nicht vorliege, da die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Pflege erfolgt sei. Mit dem Ableben des pflegebedürftigen Versicherten sei auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen. Die Mitte 2004 festgestellten Erkrankungen mit grundsätzlich lebensbedrohlichem Charakter führten nicht dazu, dass in einem bestimmten Zeitfenster mit dessen Ableben zu rechnen gewesen war. In der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts am 13. September 2006 hat die Klägerin ein Attest von Dipl.-Med. H. vom 12. September 2006 überreicht. Danach sei im Juni 2004 beim Versicherten ein Prostatakarzinom bioptisch mit einem PSA-Wert von 498 nachgewiesen worden und angesichts dieses klinischen Befundes habe von vornherein eine schlechte Prognose bestanden. Nachdem der PSA-Wert durch eine Hormonentzugsbehandlung im Dezember 2004 auf einen Wert von 15,6 zurückgegangen war, habe man von einer statistischen Lebenserwartung von noch etwa drei Jahren ausgehen können. Nachdem der Versicherte auf die Hormonentzugsbehandlung nicht mehr angesprochen und sich gegen die Chemotherapie resistent gezeigt habe, sei er an den Folgen des fortgeschrittenen Karzinoms verstorben.
Die Klägerin hat in der Sitzung darüber hinaus vorgetragen, sie habe seit 1992 mit dem Versicherten zusammengelebt und es habe nach fünf Jahren festgestanden, dass sie am 2. Mai 2005 heiraten würden, da sie sich an einem 2. Mai kennengelernt hätten. Wegen der in den Jahren 1981 und 1984 in erster Ehe geborenen Kinder hätten sie nicht eher geheiratet. Es sei ihnen bei der Heirat nicht darum gegangen, als Pflegeperson anerkannt zu werden, sondern darum, dass eherechtlich besondere Beistandspflichten vorgesehen seien.
Schließlich hat die Klägerin noch vorgetragen, das konkrete Hochzeitsdatum habe sich aus einer "Zahlenvariation" ergeben. Nach der damaligen medizinischen Einschätzung zum Zeitpunkt der Heirat wäre der Versicherte eher mit dem Krebs als am Krebs gestorben. Sie hätten auch bereits ein Jahr vor der Heirat beim Standesamt N. vorgesprochen, da sie in einer historischen Mühle hätten heiraten wollen. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 11. August 2008 hat die Klägerin dargelegt, sie habe sich schon im Sommer 2004 telefonisch beim Standesamt N. wegen einer Eheschließung informiert.
Die Beklagte hat hiergegen eingewendet, es sei nicht nachvollziehbar, erst zwei Wochen vor dem Hochzeitstermin am 14. April 2005 die Eheschließung anzumelden, wenn doch der Tag der geplanten Eheschließung schon seit 1997 festgestanden habe. Im Hinblick auf den 2. Mai 2005 als Hochzeitsdatum sei unklar, weshalb nicht in früheren Jahren, sondern erst nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Krebserkrankung geheiratet worden sei. Es gäbe keine objektiven Anhaltspunkte für die Verwirklichung eines Heiratswunsches vor Kenntnis der Erkrankung des Versicherten. Auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis erscheine es wenig lebensnah und glaubhaft, anzunehmen, die Heirat im Jahr 2005 habe bereits im Jahr 1997 festgestanden. Der Umstand, dass sich der Versicherte jeweils am Tag nach der Aufgebotserstellung und dem Tag der Heirat zu weiteren Untersuchungen habe in Behandlung geben müssen, könne zudem als Indiz für eine weitere Gesundheitsverschlechterung gewertet werden. Im Übrigen seien statistische Werte zur hypothetischen Lebenserwartung bei bestimmten Tumorstadien für die Frage nach der Motivlage zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht von Relevanz. Nach dem in der öffentlichen Sitzung vorgelegten Befundbericht habe von vorne herein eine schlechte Prognose bestanden, zumal eine kausale Behandlung kaum mehr möglich gewesen sei. Durch die langjährige Lebensgemeinschaft der Klägerin mit dem Versicherten habe zwischen ihnen eine Einstandsgemeinschaft bestanden; eine Heirat habe daher für die Betreuung und Pflege keinen Vorteil erbracht. Zwischen den klägerischen Argumenten, einerseits mit der Heirat den durch die Krankheit hervorgerufenen Zustand verbessern zu wollen, und andererseits der langjährigen Planung der Heirat seit 1997 bestehe ein Widerspruch. Die Klägerin habe auch erst unmittelbar nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten Aktivitäten zur Eheschließung entfaltet. Da die Klägerin Leistungen nach dem SGB II erhalte, würde durch die Bewilligung einer großen Witwenrente ihre wirtschaftliche Situation nicht unwesentlich verbessert. Die Zweifel, dass die Ehe zum Zweck der Begründung eines Hinterbliebenenanspruchs geschlossen worden sei, seien nicht ausgeräumt und damit die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt worden.
Auf gerichtliche Anfrage hat das Standesamt N. mit Schreiben vom 25. März 2008 mitgeteilt, die Anmeldung zur Eheschließung der Klägerin sei am 14. April 2005 beim Standesamt der Verwaltungsgemeinschaft E.-F. erfolgt. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Erklärungen dazu, seit wann die Klägerin und der Versicherte in einem gemeinsamen Haushalt lebten und inwiefern sie erstmalig die Absicht geäußert hätten, zu heiraten. Die damalige Kollegin der Klägerin H. S. hat im Schreiben vom 4. Dezember 2007 mitgeteilt, die Klägerin und der Versicherte hätten seit Anfang der 90er Jahre zusammengelebt und ihr sei seit 1996 bekannt gewesen, dass die Klägerin den Versicherten am 2. Mai 2005 habe heiraten wollen. Die frühere Schulfreundin der Klägerin H. J. hat unter dem 5. Dezember 2007 bekundet, die Klägerin und der Versicherte hätten seit 1996 einen gemeinsamen Haushalt geführt; bei gemeinsamen Feierlichkeiten hätten sie das Datum ihres Kennenlernens am 2. Mai 1990 als Hochzeitsdatum für den 2. Mai 2005 festgelegt. Die Tochter der Klägerin, A. B., hat unter dem 18. Dezember 2007 angegeben, ihre Mutter und der Versicherte seien seit Anfang der 90er Jahre zusammen und das Hochzeitsdatum sei ihr seit mehr als 12 Jahren bekannt gewesen; das Datum im Mai beruhe auf dem Kennenlerndatum. Der Sohn der Klägerin M. B. hat unter dem 21. Dezember 2007 mitgeteilt, seine Mutter habe seit Anfang der 90er Jahre mit dem Versicherten in einem eheähnlichen Verhältnis gelebt. Beide hätten das Datum der Heirat sehr bald nach dem Kennenlernen am 5. Februar 1991 festgelegt.
In der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 11. August 2008 hat der Vorsitzende die Beklagte gebeten, zu prüfen, ob der Anspruch anerkannt werden könne und den Hinweis erteilt, dass die voraussichtliche Lebenserwartung des Versicherten nach dem Attest von Dipl.-Med. H. vom 12. September 2006 ein Indiz gegen eine Versorgungsehe sein dürfte. Die Beklagte hat erklärt, den Sachverhalt nochmals prüfen zu wollen, um dann dem Gericht Mitteilung zu machen, ob der Anspruch eventuell anerkannt werden könne; im Übrigen hat sich die Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt. Die Klägerin hat erklärt, sie sei nach Vorliegen der Stellungnahme der Beklagten mit einer Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden. Die Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 erklärt, den Anspruch auf Witwenrente nicht anerkennen zu wollen und dargestellt, die Zweifel, dass eine Versorgungsehe vorliege, seien nicht ausgeräumt worden. Ihre Einverständniserklärung zur Entscheidung mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hat die Beklagte hierbei wiederholt. Das Sozialgericht hat sodann mit Richterschreiben vom 14. Oktober 2008 an die Klägerin ausgeführt, es werde davon ausgegangen, dass sie ebenfalls nach wie vor mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2009 hat das Sozialgericht Dessau-Rosslau die Klage abgewiesen. Die Kammer sei nicht zur vollen Überzeugung gelangt, dass die Eheschließung nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient habe. Der Versicherte sei während seiner Behandlung vom 17. Juni bis zum 24. Juni 2004 in der Klinik für Urologie in W. darüber aufgeklärt worden, dass seine Erkrankung grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter habe. Bei der Eheschließung hätten daher die Ehegatten nicht sicher davon ausgehen können, der Kläger werde die Krebserkrankung um mehr als ein Jahr überleben. Das Argument, die Heirat sei zur Sicherstellung der Pflege des Versicherten erfolgt, sei hier nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Es sei nicht erkennbar, inwiefern der Versicherte zum vorgetragenen Zeitpunkt des Heiratsentschusses im Jahre 1997 bereits pflegebedüftig gewesen sei, zumal er noch bis 2002 als Stahlbauschlosser gearbeitet habe. Angesichts der bestehenden Einstandsgemeinschaft sei im Falle der Pflegebedürftigkeit durch eine Heirat auch kein Vorteil gegeben. Der behauptete frühe Heiratsentschluss sei durch äußere Umstände nicht belegt worden und es erscheine auch wenig lebensnah, im Jahr 1997 den Hochzeitstermin acht Jahre im Voraus zu planen, dann aber erst 2004 nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung Aktivitäten zur Eheschließung zu entfalten. Ein langjähriges Zusammenleben, ohne zu heiraten, spreche für den überwiegenden Heiratszweck, der späteren Witwe eine Versorgung zu verschaffen, wenn nach dem Bekanntwerden einer lebensbedrohlichen Erkrankung die Ehe geschlossen werde.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 17. Juli 2009 zugestellte Urteil am 14. August 2009 beim Sozialgericht Dessau-Rosslau Berufung eingelegt, das die Berufung an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Die Klägerin hat darauf verwiesen, das Attest von Dipl.-Med. H. stelle ein objektives Indiz gegen eine Versorgungsehe dar, da von einer damaligen Lebenserwartung von etwa drei Jahren auszugehen gewesen sei. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 25. Februar 2010 des Berichterstatters hat die Klägerin vorgetragen, zwischen ihr und dem Versicherten habe es sich um eine Liebesheirat gehandelt; sie hätten sich während der 15 Jahre ihrer Beziehung lieben gelernt. Sie hätten sich am 2. Mai 1990 beim Maitanz kennengelernt, seien aber erst 1997 zusammengezogen. Nach der Diagnose sei sie mit dem Versicherten im Sommer 2004 beim behandelnden Urologen Dipl.-Med. H. zu einer Besprechung gewesen, wobei sicherlich auch über die statistische Lebenserwartung von drei Jahren geredet worden sei. Das Heiratsdatum sei von Anfang an klar gewesen. Bereits in den Jahren 1991 und 1992 sei die Heirat diskutiert worden. Nach Berichtigung hat die Klägerin erläutert, die Pflege sei nicht das Heiratsmotiv gewesen, sondern ihre Empfindung, dass sich die Heirat so gehöre, da der Versicherte ohnehin ihr Mann sei.
In der öffentlichen Sitzung vor dem Senat am 29. April 2010 hat die Klägerin erklärt, die nichteheliche Lebensgemeinschaft habe seit 1997 bestanden. Nach dem Grund für die Heirat befragt, hat sie angegeben, "das Datum 2. Mai 2005 sei so ein Gedankenspiel und die Pflege sei ein zusätzliches Argument gewesen". Die Klägerin hat ferner vorgetragen, über eine Witwenversorgung sei zu keiner Zeit gesprochen worden. Solange sie noch nicht verheiratet gewesen seien und die Kinder noch zuhause gewohnt hätten, habe eine getrennte Haushaltsführung bestanden. Sie habe vom Verstorbenen nichts geerbt, allerdings sei mit dessen Tod eine Lebensversicherung in Höhe von ca. 8000 EUR an sie ausgezahlt worden. Nach Feststellung der Erkrankung des Verstorbenen hätten sie im Spätsommer 2004 die Örtlichkeit für die Trauung besichtigt und sich für eine Mühle entschieden. Die Klägerin hat ihre Angabe gegenüber dem Sozialgericht, bereits seit 1992 mit dem Verstorbenen zusammengelebt zu haben, dahingehend berichtigt, lediglich ein Paar gewesen zu sein, und erst 1997 eine gemeinsame Wohnung bezogen zu haben. Sie habe das Hochzeitsdatum "2. Mai 2005" vor der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht nicht erwähnt, da sie danach nicht gefragt worden sei. Nach den Umständen der Erstellung des "Attestes" von Herrn H. befragt, hat die Klägerin geantwortet, sich nicht mehr erinnern zu können, sie meine jedoch danach verlangt zu haben. Sodann ist Verhandlung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen vertagt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 13. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr große Witwenrente ab 1. Dezember 2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Das Standesamt N. hat mit Schreiben vom 30. August 2010 durch die damals zuständige Standesbeamtin Sch. mitgeteilt, die Vorbereitungen zur Trauung stellten keine beurkundungsrelevanten Fakten dar und hätten daher keinen Eingang in die Sammelakten gefunden. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, wann sich das Paar erstmalig mit dem Standesamt in Verbindung gesetzt habe und der Eheschließungstermin vereinbart worden sei. Aktenkundig seien lediglich die Anmeldung der Eheschließung am 14. April 2005 beim Wohnortstandesamt Z. und das Traugespräch am 21. April 2005. Das Datum "2. Mai 2010" sei gewählt worden, weil sich das Paar am 2. Mai 1992 näher gekommen sei, nachdem sie einige Zeit in demselben Betrieb gearbeitet hätten.
Weitere Befundberichte für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2005 sind vom Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin Dr. M. vom 24. September 2010, vom Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des Ev. Krankenhauses P. G. Stift Prof. Dr. J. vom 26. September 2010 und von Dipl.-Med. H. vom 7. Oktober 2010 eingeholt worden. Prof. Dr. J. weist darauf hin, eine infauste Prognose habe von Anfang an bestanden; der Versicherte sei palliativmedizinisch in der Inneren Klinik versorgt worden. Auch Dipl.-Med. H. bestätigt eine von Anfang an infauste Prognose und teilt mit, der Gesundheitszustand habe sich in den Jahren 2004 bis 2005 ständig verschlechtert. Der Senat hat die Kinder der Klägerin, A. und M. B. sowie ihre Bekannten H. S. und H. J. als Zeugen vernommen. Es wird insoweit auf das Verhandlungsprotokoll vom 8. Dezember 2010 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nach den §§ 143, 144 Absatz 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente.
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl das erstinstanzliche Verfahren an zwei wesentlichen Verfahrensmängeln leidet. Gemäß § 159 Abs. 1, Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Zum einen ist das Urteil vom 13. Juli 2009 nicht auf Grund mündlicher Verhandlung gemäß § 124 Abs. 1 SGG erlassen worden. Nach § 124 Abs. 2 SGG kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Das Einverständnis muss aber in jedem Fall ausdrücklich und vorbehaltlos erklärt werden; es kann grundsätzlich nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, mit Ausnahme des Falls eines Widerrufsvergleichs, denn das Einverständnis stellt eine bedingungsfeindliche Prozesserklärung dar (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl., vor § 60 Rn. 11).
Bereits die Erklärung der Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 11. August 2008, das Einverständnis von einer künftigen schriftlichen Stellungnahme der Beklagten abhängig zu machen, ist unwirksam. Das betreffende Verhandlungsprotokoll lässt erkennen, dass die Klägerin ihr Einverständnis unter eine Bedingung stellte, da die Beklagte nach richterlichem Hinweis nochmals den Sachverhalt überprüfen wollte, um den Anspruch dann eventuell anzuerkennen.
Hat sich die prozessuale Situation nach Abgabe der Einverständniserklärung etwa durch einen Schriftsatz mit erheblichem neuem Vorbringen des anderen Beteiligten geändert, so verliert auch eine wirksame Einverständniserklärung ohne weiteres ihre Wirksamkeit (Keller a.a.O., § 123 Rn. 3 d). Selbst bei Annahme einer wirksamen Einverständniserklärung durch die Klägerin am 11. August 2008 ist diese nach Eingang des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2008 weggefallen, da im Hinblick auf den im Termin erteilten richterlichen Hinweis von der Beklagten Neues vorgebracht wird. Entgegen der möglichen Erwartung der Klägerin und des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 den Klageantrag nicht anerkannt, sondern im Gegenteil, ihre Zweifel, dass keine Versorgungsehe vorliege, weiter untermauert. Die Beklagte hat ihre Einverständniserklärung zur Entscheidung mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hierbei wiederholt.
Auch ein stillschweigendes Einvernehmen reicht für § 124 Abs. 2 SGG nicht aus, auch nicht in der Form, dass das Gericht mitteilt, bei Schweigen werde das Einverständnis unterstellt (Keller a.a.O., § 123 Rn. 3 c). Offensichtlich ging das Sozialgericht nach Eingang des Beklagtenschriftsatzes vom 10. Oktober 2008 davon aus, dass die Einverständniserklärung der Klägerin keine Wirksamkeit mehr entfaltet. Es wandte sich daher mit Richterschreiben vom 14. Oktober 2008 an die Klägerin, mit dem Inhalt "es wird davon ausgegangen, dass Sie ebenfalls nach wie vor mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind". Diese Einverständnisunterstellung kann eine ausdrückliche Einverständniserklärung der Klägerin nicht ersetzen. Die Klägerin hat bis zum Erlass des Urteils nicht mehr geäußert.
Zum anderen stellt das Urteil des Sozialgerichts eine so genannte Überraschungsentscheidung dar. Durch den richterlichen Hinweis in der nichtöffentlichen Verhandlung vom 11. August 2008 ist bei der Klägerin die Erwartung geweckt worden, das Sozialgericht halte die Klage auf Bewilligung von Witwenrente für Erfolg versprechend. Dies ergibt sich aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin die Diktion des Vorsitzenden wiedergibt und von dem ärztlichen Attest als "objektivem Indiz gegen die Versorgungsehe" spricht. Das klageabweisende Urteil ist aus Sicht der Klägerin daher eine unerwartete Wendung des Verfahrens gewesen, mit der sie auf Grund der Äußerungen des Vorsitzenden nicht hätte rechnen müssen. Wäre der Klägerin dieser Verfahrensausgang als naheliegend erschienen, dann hätte sie möglicherweise noch einen Beweisantrag gestellt oder sich zu weiterem Sachvortrag veranlasst gesehen. Die Überraschungsentscheidung ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 62 SGG und stellt damit einen weiteren wesentlichen Verfahrensfehler dar.
Diese Verfahrensmängel sind insoweit wesentlich, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in dem gesetzlich vorgeschriebenen mündlichen Verfahren zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Trotz der wesentlichen Verfahrensmängel konnte der Senat jedoch in der Sache selbst entscheiden, weil er gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zwar befugt, aber nicht zwingend verpflichtet war, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Juni 2008 - L 3 R 102/06 -). Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteiligten an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits gegeneinander abgewogen. Angesichts der zu erwartenden Verfahrensdauer hält der Senat hier eine Zurückverweisung nicht mehr für sachgerecht. Zudem hatte die Klägerin ausdrücklich im Verhandlungstermin am 29. April 2010 keine Zurückweisung an das Sozialgericht gewünscht.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage auf Bewilligung von Witwenrente abgewiesen. Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 24. November 2005 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte; sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten das 45. Lebensjahr vollendet und hat auch nicht wieder geheiratet. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI besteht der Anspruch der Witwe jedoch dann nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr andauerte, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die vorgenannte Vorschrift ist mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt worden und entspricht damit inhaltlich den Regelungen im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht (§ 65 Abs. 6 SGB VII), im Bundesversorgungsgesetz (§ 38 Abs. 2 BVG) sowie den entsprechenden Regelungen im Beamtenversorgungsrecht (§ 19 Abs. 1 BeamtenVG). Es kann daher auch auf die bisherige Rechtsprechung des BSG zu den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen zurückgegriffen werden. Die Übergangsvorschrift des § 242a Abs. 1 bis 3 SGB VI in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung ist nicht anzuwenden, da die Ehe nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen wurde.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI sind hier erfüllt, da die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten weniger als ein Jahr gedauert hat, nämlich vom 2. Mai bis zum 24. November 2005. Allein die zeitliche Vorgabe der Ehedauer von weniger als einem Jahr begründet die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe, die allerdings widerlegt werden kann. Damit ist ein Anspruch auf Witwenrente grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor Ablauf eines Jahres nach der Ehe verstirbt (Löns in: Kreikebohm, SGB VI, § 46 Rn. 27). Bei einer Ehezeit von weniger als einem Jahr bedarf es auch keiner weiteren Anhaltspunkte, um das Vorliegen einer Versorgungsehe anzunehmen und die Witwenrente zu versagen (LSG Nordrhein-Westfalen, Entscheidung vom 16. Januar 1973 – L 15 BU 12/72 – Breithaupt 1973, 710 ff).
Nach Auffassung des BSG, die der Senat teilt und auch seinen früheren Entscheidungen zugrunde gelegt hat, ist diese Regelung nicht verfassungswidrig (BSG, Urteile vom 5. Mai 2009 - B 13 R 53/08 R und B 13 R 55/08 R -, zit. nach juris; Löns a.a.O.). Diese Norm schützt vielmehr die Ehe, indem sie hilft, die missbräuchliche Verwendung ihrer Rechtsform zu verhindern. § 46 Abs. 2a SGB VI verstößt auch insoweit nicht gegen höherrangiges Recht, als die Hinterbliebenenversorgung nicht zu den von Artikel (Art.) 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtspositionen gehört und auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht tangiert wird. Ebenso ist weder der allgemeine oder der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 GG, noch der Schutz der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, zumal der Gesetzgeber nicht gehalten ist, alle Ehen unterschiedslos vom ersten Tage ihres Bestehens mit Ansprüchen auf Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszustatten (vgl. BSG, a.a.O., juris Rn. 31).
Für die binnen Jahresfrist beendete Ehe greift zunächst die Vermutung der Versorgungsehe ein, sofern die Klägerin diese nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegen kann. Die Versorgungsehe kann dann als widerlegt angesehen werden, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts andere Heiratsmotive als die der Hinterbliebenenversorgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jenseits vernünftiger Zweifel vorliegen und ihnen mindestens gleichwertige Bedeutung zukommen. Existieren im Rahmen einer Gesamtabwägung lediglich Hinweise, die auf andere Motive als die Versorgungsabsicht hindeuten, gilt die gesetzliche Vermutung nicht als widerlegt, da der Vollbeweis des Gegenteils nicht anzunehmen ist. Bei vorhandenen Anhaltspunkten ist von Amts wegen den besonderen Umständen des Falles nachzugehen, allerdings trägt die Klägerin als Hinterbliebene die objektive Beweislast hinsichtlich der Widerlegungsgründe, wobei von ihr nach §§ 202 SGG, 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis des Gegenteils abverlangt wird (BSG, Urteil vom 3. September 1986 - B 9a RV 8/84 -, BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; o.g. Urteile vom 5. Mai 2009 a.a.O.). Diese Widerlegung ist durch besondere Umstände des Einzelfalls möglich, wie etwa bei Unfalltod eines Ehepartners binnen Jahresfrist. Aber auch hier müssten andere Motive für die Ehe, als die zur Begründung eines Versorgungsanspruchs, bewiesen werden.
Die Annahme, der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat liege in der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung, kann nach § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI durch die Darlegung von "besonderen Umständen" widerlegt werden. Die Klägerin hat hier nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen, die Ehe mit dem Versicherten aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen zu haben. Der Begriff der "besonderen Umstände" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986, a.a.O. m.w.N. und Urteile vom 5. Mai 2009, a.a.O.). Als "besondere Umstände" sind daher alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dies sind Umstände, die nicht schon von der Vermutung selbst umfasst sind und die geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen. Entscheidend ist nur, ob sie ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, BSGE 35, 272, 274 = SozR Nr. 2 zu § 594 RVO).
Der Leistungsträger und die Gerichte können sich nicht nur auf die Ermittlung äußerer Umstände beschränken, wenn die Antragstellerin bzw. Klägerin sich über innere Umstände äußern will. Die Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat" bzw. des "Zwecks der Heirat" würde die Möglichkeit des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme eine Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Die Klägerin hat selbst abzuwägen, ob sie private Details ihrer höchstpersönlichen Gründe für die Eheschließung preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften. Im Rahmen ihrer Darlegungsobliegenheit kann die Hinterbliebene individuelle Gründe zur Widerlegung der Vermutung vortragen und nachweisen (BSG, Urteil vom 28. März 1973, a.a.O. und Urteil vom 3. September 1986, a.a.O.). Sind diese Angaben glaubhaft, so sind auch diese persönlichen Gründe in die abschließende Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu würdigen (vgl. BSG Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - juris).
Hier ist die Klägerin über ihr Recht, Angaben zu den persönlichen Lebensumständen vor der Heirat sowie zu den Motiven der Heirat zu verweigern, belehrt worden. Sie hat gleichwohl Auskunft zu den persönlichen Lebensumständen vor der Heirat und zu Motiven der Heirat erteilt. Bei der Gesamtwürdigung dieser Angaben und der äußeren Gesamtumstände konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass mindestens gleichwertig andere Motive als die Erlangung der Hinterbliebenenversorgung gewesen sind. Als objektive Gesamtumstände sind der lebensbedrohliche Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Heirat sowie die an materiellen Interessen ausgerichtete Lebensführung der Klägerin vor der Heirat zu würdigen. Hier war der Gesundheitszustand des Versicherten im Zeitpunkt der Heirat objektiv und subjektiv lebensbedrohlich. Dies ergibt sich aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Rehabilitationsbericht vom 16. Juni 2004 über den Aufenthalt im E. Bad S ...
Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten ist als ein Umstand anzusehen, der die gesetzliche Vermutung zunächst bestätigt, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung vieles dafür spricht, dass die Ehe zu Versorgungszwecken geschlossen wurde. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus einem anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Demnach ist auch hier die Widerlegung der Versorgungsabsicht nicht ausgeschlossen. Allerdings müssen dann bei einer Gesamtbewertung diejenigen Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung war (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Juli 2008 - L 8 R 583/08 - juris Rn. 28). Dann müssen bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R -).
Bei der Ermittlung der Beweggründe für die Eheschließung ist zudem auf die maßgeblichen Motive beider Ehegatten abzustellen. Wenn nur ein Ehepartner aus einem anderen Grund als dem der Versorgung geheiratet hat, ist die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht mehr anzunehmen und die Motivlage des anderen unbeachtlich (KassKomm-Gürtner, § 46 SGB VI Rn. 46 c). Somit kommt es auf die ggf. voneinander abweichende Motivlage und Zielvorstellung beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, a.a.O., S. 275 f. und Urteil vom 3. September 1986, a.a.O., S. 208). Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat abhebt" - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - juris Rn. 21 mwN).
Die Klägerin hatte zunächst behauptet, Motiv für die Eheschließung sei die Sicherstellung der Pflege des Versicherten gewesen. Hiervon hat sie sich wieder distanziert, indem sie im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht erklärt hat, bei der Heirat sei es nicht darum gegangen, als Pflegeperson anerkannt zu werden. Später vor dem Landessozialgericht hat sie sogar ausdrücklich eingeräumt, dass die Pflege gerade nicht das Heiratsmotiv gewesen sei. Mit dem Argument der "Pflegeehe" hatte sich die Klägerin auch in Widerspruch zu ihrem Vortrag eines langjährigen Heiratsentschusses zu einer Zeit, als der Versicherte noch nicht pflegebedürftig war, gesetzt. Angesichts der mehrjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft war im Übrigen auch eine Einstandsgemeinschaft gegeben mit der Folge, dass objektiv eine Heirat zur Sicherstellung der Pflege nicht erforderlich war. Es bedurfte auch keiner Eheschließung, um als Pflegekraft für den Versicherten als zu pflegende Person anerkannt zu werden.
Über die Motive des Versicherten bei der Eheschließung ist nichts bekannt. Soweit nach der Erklärung der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen worden war, es sei der Wunsch des Versicherten gewesen, durch die Heirat die Vorteile der Ehe zu erlangen, die Ehe sei "zum alleinigen bzw. überwiegenden Zweck einer Hinterbliebenenversorgung vollzogen worden", ist diese Aussage im Verhandlungstermin als redaktionelles Versehen revidiert worden.
Die weitere Behauptung der Klägerin, der konkrete Heiratstermin am 2. Mai 2005 habe vom Anfang ihrer Beziehung an festgestanden, sieht der Senat nicht als bewiesen an. Es ist bereits nicht glaubhaft, dass die Ehegatten beim Kennenlernen am 2. Mai 1990 den konkreten Entschluss der Eheschließung für den 15 Jahre später liegenden Tag des 2. Mai 2005 gefasst haben. Auch der später abweichende Vortrag der Klägerin, sie hätten fünf Jahre nach dem Kennenlernen - und damit wohl im Jahre 1995 - den konkreten Eheentschluss gefasst, ist nicht glaubhaft. Soweit die Klägerin noch die Jahre 1991, 1992 und 1997 als Entschlusszeitpunkte für die Heirat angibt, erscheinen auch diese Angaben willkürlich genannt worden zu sein, ohne dass es nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Umsetzung eines derart früh gesetzten Eheversprechens gäbe. Im offenen Widerspruch zu den von der Klägerin benannten frühen Heiratsentschlussdaten steht ihre Einlassung, der Versicherte und sie hätten sich erst während ihres 15-jährigen Zusammenseins Lieben gelernt. Die Klägerin verwechselt den konkreten Heiratsentschluss im Sinne eines Heiratsantrages oder einer Aufgebotsbestellung mit den vagen Heiratsabsichten in unbestimmter Zukunft.
Für den Senat steht fest, dass die Klägerin und der Versicherte von dessen lebensbeendender Krebserkrankung bereits im Sommer 2004 und damit monatelang vor der Heirat am 2. Mai 2005 gewusst haben. Eine von Anfang an infauste Prognose wird auch von Prof. Dr. J. in seinem Bericht vom 26. September 2010 und von Dipl.Med. H. unter dem 7. Oktober 2010 gegenüber dem Senat bestätigt. Über den grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter der Krebserkrankung sind die Ehegatten durch die P.-G.-Stiftung und durch Dipl.-Med. H. aufgeklärt worden, was aus der Einlassung der Klägerin selbst folgt. Während im Reha-Entlassungsbericht vom 16. Juni 2004 noch der Verdacht auf eine pathologische Knochenveränderung bei unbekannter Ursache diagnostiziert worden war, ist bereits im Verlegebericht der P.-G.-Stiftung vom 17. Juni 2004 die bösartige Knochen- und Prostataneubildung erkannt worden. Nach der Epikrise vom 1. Juli 2004 der P.-G.-Stiftung sind die Befunde mit dem Versicherten auch ausführlich besprochen worden. Der Versicherte selbst hatte bereits am 28. Juni 2004 den Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung gestellt und zur Begründung die Skelettmetastasierung angeführt.
Der Behauptung der Klägerin, es handele sich um keine Versorgungsehe, da zur Zeit der Eheschließung mit dem Tod des Versicherten auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen sei, es kein "Zeitfenster" für die konkrete Lebenserwartung gegeben habe, der Versicherte bei dem konkreten Tumor noch eine statistische Lebenserwartung von drei Jahren gehabt habe und er aus damaliger Sicht eher mit als an der Krebserkankung sterben würde, folgt der Senat nicht. Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der abstrakten Lebenserwartung des Versicherten in der Sitzung vom 13. September 2006 auf ein tags zuvor erstelltes "Attest" von Dipl.-Med. H. bezieht, ist diese ärztliche Äußerung im Hinblick auf den Verhandlungstermin zehn Monate nach dem Tod des Versicherten wenig überzeugend. Der Senat würdigt das nachträgliche "Attest" unmittelbar vor dem Sitzungstermin als Gefälligkeitsattest, um die Klägerin gezielt in der Gerichtsverhandlung zu unterstützen. Darüber hinaus widerspricht sich die Klägerin selbst, indem sie mitteilt, der Versicherte habe noch eine statistische Lebenserwartung von drei Jahren gehabt, andererseits aber meint, es habe kein "Zeitfenster" für den Versicherten gegeben und es sei bei dem damals 66-jährigen Versicherten eher wahrscheinlich mit Krebs als, wie tatsächlich geschehen, an seiner Tumorerkrankung zu sterben. Entscheidend ist auch nicht die statistische allgemeine Lebenserwartung bei einer bestimmten Tumorerkrankung, sondern der Umstand, dass den Eheleuten mit der Diagnose der diffusen Knochenmetastasierung und des Prostatakarzinoms bekannt und bewusst war, dass es sich hierbei um eine lebensgefährliche und möglicherweise auch lebensbeendende Erkrankung handelte. Erst nach Kenntnis dieser schweren Erkrankung sind Heiratsaktivitäten nach außen entfaltet worden. Dies legt den Schluss nahe, dass die schwere Erkrankung des Versicherten die entscheidende Ursache für die Eheschließung legte.
Ein konkreter Heiratsentschluss zeitlich vor Kenntniserlangung von der lebensbeendenden Erkrankung des Versicherten ist zur Überzeugung des Senats nicht erwiesen. Fest steht lediglich die Anmeldung zur Eheschließung im April 2005 und damit Monate nach Kenntniserlangung von der Krebserkrankung. Es erscheint daher wahrscheinlicher, dass der konkrete Heiratswunsch maßgebend durch die fortschreitende Erkrankung des Versicherten bedingt war, um im Falle des Ablebens die Versorgung der Klägerin sicherzustellen. Es fehlen jegliche objektive Anhaltspunkte für einen früheren konkreten Heiratsentschluss, etwa in Form eines Aufgebotes, von Einladungen, der Vorbereitung einer Hochzeitsfeier, der Buchung einer Hochzeitsreise oder Ähnlichem. Auch die persönlichen Angaben der Klägerin sowie die schriftlichen und mündlichen Zeugenaussagen vermögen einen konkreten Heiratsentschluss vor dem Sommer 2004 nicht plausibel zu begründen. Selbst wenn unterstellt wird, dass der Verstorbene und die Klägerin bereits vor Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung den "2. Mai" als beabsichtigtes Heiratsdatum erwogen haben, kann angesichts der dann eingetretenen konkreten Umstände mit infauster Prognose dem Motiv, am Kennenlerndatum zu heiraten, nicht mehr die gleiche Bedeutung zugemessen werden wie der mit der Heirat verfolgten Hinterbliebenenversorgung.
Auch vermögen die Zeugenangaben keine "besonderen Umstände" zu begründen, die geeignet wären, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu widerlegen. Die Zeugin S. bekundet schriftlich, die Klägerin und der Versicherte hätten seit Anfang der 90er Jahre zusammengelebt, obgleich die Klägerin selbst zuletzt angibt, erst im Jahre 1997 mit dem Versicherten zusammengezogen zu sein. Weiter schreibt die Zeugin, ihr sei seit 1996 das konkrete Heiratsdatum bekannt, ohne die näheren Umstände hierfür anzugeben zu können. In der mündlichen Vernehmung hat Frau S. erklärt, sie könne nicht sagen, wie es zum konkreten Heiratsdatum gekommen sei, die Klägerin habe anlässlich einer Unterhaltung dieses Datum ´mal genannt. Die Angaben der Zeugin S. passen daher weder zu den Angaben der Klägerin noch erscheinen sie aus sich heraus schlüssig und plausibel. Die Zeugin J. gibt schriftlich ebenso im Widerspruch zur Klägerin und des Einwohnermeldeamtes 1996 als das Jahr an, in dem ein gemeinsamer Haushalt begründet worden sein soll. Ohne nähere Datumsangabe soll anlässlich nicht näher beschriebener "Feierlichkeiten" das konkrete Hochzeitsdatum festgelegt worden sein. Bei der mündlichen Vernehmung teilt die Zeugin dann mit, die Klägerin habe ihr von der Heiratsabsicht berichtet, wenn man sich mal mit den Kindern getroffen habe. Die Klägerin habe erst dann heiraten wollen, nachdem die Kinder aus dem Haus seien und die Liebe noch bestünde. Es sei immer vom 2. Mai 2005 die Rede gewesen. Von der Erkrankung des Versicherten habe sie erst im Oktober/November 2005 Kenntnis erlangt, andererseits wisse sie, dass es dem Versicherten zur Hochzeit noch sehr gut ginge. Da die Aussage der Zeugin J. die letzte Version des klägerischen Vortrags abbildet, drängt sich auch hier eine Absprache auf. Es überrascht auch, dass die Zeugin die innere Motivation der Klägerin zur Heirat kennen will und trotz dieser vertrauten Stellung zur Klägerin den sich über zwei Jahre verschlechternden Gesundheitszustand des Versicherten aber nicht bemerkt habe, im Gegenteil sogar dessen Wohlbefinden bei der Hochzeit noch bestätigen könne. Die Aussage der Zeugin J. erscheint daher auch in sich widersprüchlich und vom Wunsch getragen, der Klägerin zu einer Witwenrente zu verhelfen. Ein konkreter Heiratsentschluss vor dem Sommer 2004 kann hierdurch nicht bewiesen werden. Die Bekundung der Tochter A, B, das Hochzeitsdatum habe schon immer festgestanden, da das Kennenlerndatum ein "2. Mai" in den 90er Jahren gewesen sei, ist nicht glaubhaft, da dann der konkrete Entschluss schon vor Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft getroffen worden wäre; selbst nach den Angaben der Klägerin selbst ist eine Heirat zu dieser Zeit nur ein Gedankenspiel gewesen. Für ein festes Heiratsdatum im Jahr 2005 gibt es außer wirtschaftlichen Erwägungen durch die konkrete Bedarfssituation der Klägerin keine überzeugenden Anhaltspunkte. Die nahezu identischen Zeugenangaben des Sohnes M. B., der ebenfalls von einem "schon immer so besprochenen" Heiratsdatum ausgeht, erscheinen abgesprochen und allein dadurch motiviert, der eigenen Mutter einen Versorgungsanspruch in Form einer Witwenrente zu verschaffen. Auch die Angaben von A. und M. B., sie hätten zum Heiratszeitpunkt zwar um die Krebserkrankung des Versicherten gewusst, doch nicht mit dessen Versterben an der Krankheit gerechnet oder auch nur daran gedacht, passt zu den Bekundungen im Übrigen. Nach alledem sind die Zeugenaussagen nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe zu widerlegen.
Die Klägerin selbst ist angesichts ihrer unterlassenen Angaben gegenüber der ARGE hinsichtlich einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten und der vereinnahmten Lebensversicherungssumme für den Senat nur eingeschränkt glaubwürdig. Ihre Angaben gegenüber den jeweiligen Leistungsträgern haben sich als im Wesentlichen anspruchsorientiert erwiesen. Zur Überzeugung des Senats war das wirtschaftliche Interesse der Klägerin maßgeblich für eine Nichtheirat vor dem 1. Januar 2005 und dann für die Heirat nach diesem Datum mit dem Ziel der Bewilligung einer Witwenrente. Dies ergibt sich neben dem rechtswidrigem Verhalten der Klägerin gegenüber der ARGE unter anderem daraus, dass sie seit dem 1. Januar 2005 - und damit wenige Monate vor der Heirat - SGB II-Leistungen bezogen und mit der Heirat im Mai 2005 dann einen 1 Euro-Job angenommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Bewilligung einer Witwenrente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung – SGB VI). Umstritten ist, ob es der Klägerin gelingt, die gesetzliche Fiktion der so genannten "Versorgungsehe" zu widerlegen, mit der Rechtsfolge eines Anspruchs auf Witwenrente.
Die am ... 1950 geborene Klägerin lebte nach ihren Angaben seit den 90er Jahren mit dem am 1949 geborenen Versicherten P. S. zunächst in nichtehelicher Lebensgemeinschaft zusammen. Der Versicherte war gelernter Stahlbauschlosser und als solcher bis 2002 versicherungspflichtig beschäftigt. In der Folgezeit war er arbeitslos und ab Januar 2004 arbeitsunfähig erkrankt. Bis zum 5. März 2004 bezog er zunächst Krankengeld. Nachdem der Versicherte dann am 28. Juni 2004 die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung beantragt hatte, gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 2. September 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 1. Mai 2004, ausgehend vom Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung am 23. Januar 2004.
Die Klägerin war Energiesachbearbeiterin im Fliesenwerk Z ... Sie ist seit 1992 arbeitslos und erhält seit dem 1. Januar 2005 durchgehend von der ARGE SGB II Landkreis W. (im Weiteren: ARGE) Arbeitslosengeld II in Höhe von zunächst rund 355,00 EUR monatlich. Die Klägerin hatte gegenüber der ARGE nicht angegeben, in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit dem verstorbenen Versicherten zu leben. Am 2. Mai 2005 heirateten die Klägerin und der Versicherte; die Klägerin nahm in diesem Monat noch einen 1Euro-Job an, den sie bis heute verrichtet. Der Versicherte verstarb am 24. November 2005 an den Folgen einer Prostatakarzinomerkrankung. Die Auszahlung einer gemeinsamen Lebensversicherung in Höhe von 8225,59 EUR nach dem Tod des Versicherten hat die Klägerin der ARGE bei Beerdigungskosten von fast 5000,00 EUR nicht mitgeteilt.
Die Klägerin stellte am 1. Dezember 2005 den Antrag auf Bewilligung einer Witwenrente. In der Anlage zum Witwenrentenantrag kreuzte die Klägerin folgende vorgefertigte Erklärung an: "Die Heirat erfolgte zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten, und der Tod des Ehegatten war bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten". Zeitgleich hatte die Klägerin bei der D. Post AG, Niederlassung Rentenservice, einen Antrag auf Vorschusszahlung für das so genannte Sterbevierteljahr gestellt, der mit Schreiben vom 9. Dezember 2005 unter Hinweis auf das Altersvermögensergänzungsgesetz (AVmeG) abgelehnt wurde.
Die Beklagte zog zunächst die Antragsunterlagen zur bewilligten Erwerbsminderungsrente des Versicherten bei. In der Anlage zum Rentenantrag vom 28. Juni 2004 hatte der Versicherte zu dessen Begründung am 9. Juli 2004 unter anderem angegeben, es seien bei ihm Metastasen am Skelett festgestellt worden und er sei seit dem 23. Januar 2004 arbeitsunfähig erkrankt.
Ferner zog die Beklagte den Befundbericht der Klinik B. W. zum Anschlussheilbehandlungsantrag vom 17. Mai 2004 über den stationären Aufenthalt vom 27. April bis zum 19. Mai 2004 bei. Nach dem Reha-Entlassungsbericht vom 16. Juni 2004 über den Aufenthalt im E. Bad S. vom 28. Mai bis zum 15. Juni 2004 lagen folgende Diagnosen vor: Verdacht auf pathologische Knochenveränderungen rechts Becken-Hüft-Bereich bei unbekannter Ursache. Lumbales Pseudoradikulärsyndrom rechts. Rumpfmuskelinsuffizienz. Der Versicherte sei vorzeitig auf ärztliche Veranlassung aus der Rehabilitationseinrichtung arbeitsunfähig entlassen worden. Eine sozialmedizinische Einschätzung sei angesichts der ungeklärten Ursache der Knochenveränderungen nicht vorgenommen worden. Anamnestisch sei der Versicherte seit Januar 2004 arbeitsunfähig und klage seit dieser Zeit über progrediente Lumboischialgien rechts mit Schmerzausstrahlung in das rechte Bein. Er sei auf Hilfe im Haushalt angewiesen und befinde sich in einem leicht reduzierten Allgemeinzustand. Es bestehe der Verdacht einer Knochenmetastase bzw. eines Prostata-Karzinoms. Zur weiteren Abklärung des pathologischen Beckenknochenbefundes rechts sei eine Überweisung in die P.-G.-Stiftung W. erfolgt.
Nach dem Verlegungsbericht der P.-G.-Stiftung vom 17. Juni 2004 sei dort unter anderem die sekundäre bösartige Neubildung des Knochens und des Knochenmarks sowie der Prostata diagnostiziert und der Versicherte sei über den Tumorverdacht eines Prostatakarzinoms mit Knochenmetastasierung informiert worden. Aus der Epikrise der Klinik für Urologie der P.-G.-Stiftung vom 1. Juli 2004 ergeben sich die Diagnosen eines fortgeschrittenen metastasierenden Prostatakarzinoms und diffuser Knochenmetastasierung. Der dringende Verdacht auf eine Skelettmetastasierung habe sich nach Computertomographie (CT)-Untersuchung und Szintigraphie bestätigt. Die Befunde seien mit dem Versicherten ausführlich besprochen worden. Chirurgische Maßnahmen seien wegen des fortgeschrittenen und metastasierten Tumorstadiums nicht in Betracht gekommen. Es sei eine palliative Chemotherapie begonnen worden. In einem weiteren Arztbrief der Klinik für Urologie vom 26. Juli 2004 wird über die Durchführung des zweiten Zykluses der Chemotherapie am 21. und 22. Juli 2004 berichtet.
Mit Bescheid vom 9. Januar 2006 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung von Witwenrente mit der Begründung ab, die Klägerin habe besondere Umstände, die gegen die Annahme einer Versorgungsehe sprächen, nicht ausreichend dargelegt. Hieran ändere auch der Umstand, mit dem Versicherten eine langjährige Lebensgemeinschaft unterhalten zu haben, nichts. Mit am 30. Januar 2006 erhobenen Widerspruch trug die Klägerin vor, die Ehe geschlossen zu haben, um die erforderliche Pflege des Versicherten zu sichern. Sie verwies hierbei auf die Bewilligung von Pflegegeld für den Versicherten im Schreiben der Pflegekasse vom 15. Juli 2005 bei Pflegestufe I ab dem 1. Mai 2005. Bei der Heirat sei mit dem Versterben in absehbarer Zeit noch nicht zu rechnen gewesen. Es sei der Wunsch des Versicherten gewesen, "durch die Heirat die Vorteile der Ehe zu erlangen [ ]. Somit ist dieser für ihn bedeutender Beweggrund gewichtiges Argument dafür, eine Eheschließung zum alleinigen bzw. überwiegenden Zweck einer Hinterbliebenenversorgung zu vollziehen." Von einer Versorgungsehe könne daher nicht ausgegangen werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2006 als unbegründet zurück. Besondere Umstände, die gegen die Annahme einer "Versorgungsehe" sprächen, seien von der Klägerin nicht dargelegt worden. Die mit dem Versicherten über mehrere Jahre geführte Lebensgemeinschaft - laut Mitteilung des Einwohnermeldeamtes habe vom April 2000 bis November 2005 eine gemeinsame Wohnanschrift bestanden - könne die gesetzliche Vermutung der Versorgungsabsicht nicht ohne Weiteres entkräften. Nachdem bereits bei den Rehabilitationsmaßnahmen im Mai/Juni 2004 der Verdacht auf eine pathologische Knochenveränderung geäußert worden sei, sei hierauf die Diagnose diffuser Knochenmarksmetastasierung und eines fortgeschrittenen Prostatakarzinoms gestellt worden. Nach ihren Ermittlungen sei zumindest seit Juli 2004 der Krankheitszustand des Versicherten bekannt gewesen. Über den lebensbedrohlichen Charakter der Erkrankung seien die Klägerin und der Versicherte im Bilde gewesen. Im Reha-Entlassungsbericht habe der Versicherte angegeben, er sei auf Hilfe im Haushalt angewiesen. Die Eheschließung sei auch zur Sicherung der Pflege des Versicherten nicht erforderlich gewesen, da die Pflegegeldgewährung für die Klägerin als Pflegeperson nach § 19 S. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (Soziale Pflegeversicherung - SGB XI) nicht von deren Status als Ehefrau abhängig gewesen sei.
Die Klägerin hat mit der am 6. April 2006 erhobenen Klage beim Sozialgericht Dessau-Rosslau ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat geltend gemacht, dass eine Versorgungsehe nicht vorliege, da die Heirat zur Sicherung der erforderlichen Pflege erfolgt sei. Mit dem Ableben des pflegebedürftigen Versicherten sei auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen. Die Mitte 2004 festgestellten Erkrankungen mit grundsätzlich lebensbedrohlichem Charakter führten nicht dazu, dass in einem bestimmten Zeitfenster mit dessen Ableben zu rechnen gewesen war. In der öffentlichen Sitzung des Sozialgerichts am 13. September 2006 hat die Klägerin ein Attest von Dipl.-Med. H. vom 12. September 2006 überreicht. Danach sei im Juni 2004 beim Versicherten ein Prostatakarzinom bioptisch mit einem PSA-Wert von 498 nachgewiesen worden und angesichts dieses klinischen Befundes habe von vornherein eine schlechte Prognose bestanden. Nachdem der PSA-Wert durch eine Hormonentzugsbehandlung im Dezember 2004 auf einen Wert von 15,6 zurückgegangen war, habe man von einer statistischen Lebenserwartung von noch etwa drei Jahren ausgehen können. Nachdem der Versicherte auf die Hormonentzugsbehandlung nicht mehr angesprochen und sich gegen die Chemotherapie resistent gezeigt habe, sei er an den Folgen des fortgeschrittenen Karzinoms verstorben.
Die Klägerin hat in der Sitzung darüber hinaus vorgetragen, sie habe seit 1992 mit dem Versicherten zusammengelebt und es habe nach fünf Jahren festgestanden, dass sie am 2. Mai 2005 heiraten würden, da sie sich an einem 2. Mai kennengelernt hätten. Wegen der in den Jahren 1981 und 1984 in erster Ehe geborenen Kinder hätten sie nicht eher geheiratet. Es sei ihnen bei der Heirat nicht darum gegangen, als Pflegeperson anerkannt zu werden, sondern darum, dass eherechtlich besondere Beistandspflichten vorgesehen seien.
Schließlich hat die Klägerin noch vorgetragen, das konkrete Hochzeitsdatum habe sich aus einer "Zahlenvariation" ergeben. Nach der damaligen medizinischen Einschätzung zum Zeitpunkt der Heirat wäre der Versicherte eher mit dem Krebs als am Krebs gestorben. Sie hätten auch bereits ein Jahr vor der Heirat beim Standesamt N. vorgesprochen, da sie in einer historischen Mühle hätten heiraten wollen. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 11. August 2008 hat die Klägerin dargelegt, sie habe sich schon im Sommer 2004 telefonisch beim Standesamt N. wegen einer Eheschließung informiert.
Die Beklagte hat hiergegen eingewendet, es sei nicht nachvollziehbar, erst zwei Wochen vor dem Hochzeitstermin am 14. April 2005 die Eheschließung anzumelden, wenn doch der Tag der geplanten Eheschließung schon seit 1997 festgestanden habe. Im Hinblick auf den 2. Mai 2005 als Hochzeitsdatum sei unklar, weshalb nicht in früheren Jahren, sondern erst nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Krebserkrankung geheiratet worden sei. Es gäbe keine objektiven Anhaltspunkte für die Verwirklichung eines Heiratswunsches vor Kenntnis der Erkrankung des Versicherten. Auch unter Berücksichtigung der schriftlichen Erklärungen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis erscheine es wenig lebensnah und glaubhaft, anzunehmen, die Heirat im Jahr 2005 habe bereits im Jahr 1997 festgestanden. Der Umstand, dass sich der Versicherte jeweils am Tag nach der Aufgebotserstellung und dem Tag der Heirat zu weiteren Untersuchungen habe in Behandlung geben müssen, könne zudem als Indiz für eine weitere Gesundheitsverschlechterung gewertet werden. Im Übrigen seien statistische Werte zur hypothetischen Lebenserwartung bei bestimmten Tumorstadien für die Frage nach der Motivlage zum Zeitpunkt der Eheschließung nicht von Relevanz. Nach dem in der öffentlichen Sitzung vorgelegten Befundbericht habe von vorne herein eine schlechte Prognose bestanden, zumal eine kausale Behandlung kaum mehr möglich gewesen sei. Durch die langjährige Lebensgemeinschaft der Klägerin mit dem Versicherten habe zwischen ihnen eine Einstandsgemeinschaft bestanden; eine Heirat habe daher für die Betreuung und Pflege keinen Vorteil erbracht. Zwischen den klägerischen Argumenten, einerseits mit der Heirat den durch die Krankheit hervorgerufenen Zustand verbessern zu wollen, und andererseits der langjährigen Planung der Heirat seit 1997 bestehe ein Widerspruch. Die Klägerin habe auch erst unmittelbar nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung des Versicherten Aktivitäten zur Eheschließung entfaltet. Da die Klägerin Leistungen nach dem SGB II erhalte, würde durch die Bewilligung einer großen Witwenrente ihre wirtschaftliche Situation nicht unwesentlich verbessert. Die Zweifel, dass die Ehe zum Zweck der Begründung eines Hinterbliebenenanspruchs geschlossen worden sei, seien nicht ausgeräumt und damit die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nicht widerlegt worden.
Auf gerichtliche Anfrage hat das Standesamt N. mit Schreiben vom 25. März 2008 mitgeteilt, die Anmeldung zur Eheschließung der Klägerin sei am 14. April 2005 beim Standesamt der Verwaltungsgemeinschaft E.-F. erfolgt. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung von schriftlichen Erklärungen dazu, seit wann die Klägerin und der Versicherte in einem gemeinsamen Haushalt lebten und inwiefern sie erstmalig die Absicht geäußert hätten, zu heiraten. Die damalige Kollegin der Klägerin H. S. hat im Schreiben vom 4. Dezember 2007 mitgeteilt, die Klägerin und der Versicherte hätten seit Anfang der 90er Jahre zusammengelebt und ihr sei seit 1996 bekannt gewesen, dass die Klägerin den Versicherten am 2. Mai 2005 habe heiraten wollen. Die frühere Schulfreundin der Klägerin H. J. hat unter dem 5. Dezember 2007 bekundet, die Klägerin und der Versicherte hätten seit 1996 einen gemeinsamen Haushalt geführt; bei gemeinsamen Feierlichkeiten hätten sie das Datum ihres Kennenlernens am 2. Mai 1990 als Hochzeitsdatum für den 2. Mai 2005 festgelegt. Die Tochter der Klägerin, A. B., hat unter dem 18. Dezember 2007 angegeben, ihre Mutter und der Versicherte seien seit Anfang der 90er Jahre zusammen und das Hochzeitsdatum sei ihr seit mehr als 12 Jahren bekannt gewesen; das Datum im Mai beruhe auf dem Kennenlerndatum. Der Sohn der Klägerin M. B. hat unter dem 21. Dezember 2007 mitgeteilt, seine Mutter habe seit Anfang der 90er Jahre mit dem Versicherten in einem eheähnlichen Verhältnis gelebt. Beide hätten das Datum der Heirat sehr bald nach dem Kennenlernen am 5. Februar 1991 festgelegt.
In der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 11. August 2008 hat der Vorsitzende die Beklagte gebeten, zu prüfen, ob der Anspruch anerkannt werden könne und den Hinweis erteilt, dass die voraussichtliche Lebenserwartung des Versicherten nach dem Attest von Dipl.-Med. H. vom 12. September 2006 ein Indiz gegen eine Versorgungsehe sein dürfte. Die Beklagte hat erklärt, den Sachverhalt nochmals prüfen zu wollen, um dann dem Gericht Mitteilung zu machen, ob der Anspruch eventuell anerkannt werden könne; im Übrigen hat sich die Beklagte mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt. Die Klägerin hat erklärt, sie sei nach Vorliegen der Stellungnahme der Beklagten mit einer Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 SGG einverstanden. Die Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 erklärt, den Anspruch auf Witwenrente nicht anerkennen zu wollen und dargestellt, die Zweifel, dass eine Versorgungsehe vorliege, seien nicht ausgeräumt worden. Ihre Einverständniserklärung zur Entscheidung mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hat die Beklagte hierbei wiederholt. Das Sozialgericht hat sodann mit Richterschreiben vom 14. Oktober 2008 an die Klägerin ausgeführt, es werde davon ausgegangen, dass sie ebenfalls nach wie vor mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden sei.
Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 13. Juli 2009 hat das Sozialgericht Dessau-Rosslau die Klage abgewiesen. Die Kammer sei nicht zur vollen Überzeugung gelangt, dass die Eheschließung nicht allein oder überwiegend der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gedient habe. Der Versicherte sei während seiner Behandlung vom 17. Juni bis zum 24. Juni 2004 in der Klinik für Urologie in W. darüber aufgeklärt worden, dass seine Erkrankung grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter habe. Bei der Eheschließung hätten daher die Ehegatten nicht sicher davon ausgehen können, der Kläger werde die Krebserkrankung um mehr als ein Jahr überleben. Das Argument, die Heirat sei zur Sicherstellung der Pflege des Versicherten erfolgt, sei hier nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe zu widerlegen. Es sei nicht erkennbar, inwiefern der Versicherte zum vorgetragenen Zeitpunkt des Heiratsentschusses im Jahre 1997 bereits pflegebedüftig gewesen sei, zumal er noch bis 2002 als Stahlbauschlosser gearbeitet habe. Angesichts der bestehenden Einstandsgemeinschaft sei im Falle der Pflegebedürftigkeit durch eine Heirat auch kein Vorteil gegeben. Der behauptete frühe Heiratsentschluss sei durch äußere Umstände nicht belegt worden und es erscheine auch wenig lebensnah, im Jahr 1997 den Hochzeitstermin acht Jahre im Voraus zu planen, dann aber erst 2004 nach Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung Aktivitäten zur Eheschließung zu entfalten. Ein langjähriges Zusammenleben, ohne zu heiraten, spreche für den überwiegenden Heiratszweck, der späteren Witwe eine Versorgung zu verschaffen, wenn nach dem Bekanntwerden einer lebensbedrohlichen Erkrankung die Ehe geschlossen werde.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 17. Juli 2009 zugestellte Urteil am 14. August 2009 beim Sozialgericht Dessau-Rosslau Berufung eingelegt, das die Berufung an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Die Klägerin hat darauf verwiesen, das Attest von Dipl.-Med. H. stelle ein objektives Indiz gegen eine Versorgungsehe dar, da von einer damaligen Lebenserwartung von etwa drei Jahren auszugehen gewesen sei. In der nichtöffentlichen Sitzung vom 25. Februar 2010 des Berichterstatters hat die Klägerin vorgetragen, zwischen ihr und dem Versicherten habe es sich um eine Liebesheirat gehandelt; sie hätten sich während der 15 Jahre ihrer Beziehung lieben gelernt. Sie hätten sich am 2. Mai 1990 beim Maitanz kennengelernt, seien aber erst 1997 zusammengezogen. Nach der Diagnose sei sie mit dem Versicherten im Sommer 2004 beim behandelnden Urologen Dipl.-Med. H. zu einer Besprechung gewesen, wobei sicherlich auch über die statistische Lebenserwartung von drei Jahren geredet worden sei. Das Heiratsdatum sei von Anfang an klar gewesen. Bereits in den Jahren 1991 und 1992 sei die Heirat diskutiert worden. Nach Berichtigung hat die Klägerin erläutert, die Pflege sei nicht das Heiratsmotiv gewesen, sondern ihre Empfindung, dass sich die Heirat so gehöre, da der Versicherte ohnehin ihr Mann sei.
In der öffentlichen Sitzung vor dem Senat am 29. April 2010 hat die Klägerin erklärt, die nichteheliche Lebensgemeinschaft habe seit 1997 bestanden. Nach dem Grund für die Heirat befragt, hat sie angegeben, "das Datum 2. Mai 2005 sei so ein Gedankenspiel und die Pflege sei ein zusätzliches Argument gewesen". Die Klägerin hat ferner vorgetragen, über eine Witwenversorgung sei zu keiner Zeit gesprochen worden. Solange sie noch nicht verheiratet gewesen seien und die Kinder noch zuhause gewohnt hätten, habe eine getrennte Haushaltsführung bestanden. Sie habe vom Verstorbenen nichts geerbt, allerdings sei mit dessen Tod eine Lebensversicherung in Höhe von ca. 8000 EUR an sie ausgezahlt worden. Nach Feststellung der Erkrankung des Verstorbenen hätten sie im Spätsommer 2004 die Örtlichkeit für die Trauung besichtigt und sich für eine Mühle entschieden. Die Klägerin hat ihre Angabe gegenüber dem Sozialgericht, bereits seit 1992 mit dem Verstorbenen zusammengelebt zu haben, dahingehend berichtigt, lediglich ein Paar gewesen zu sein, und erst 1997 eine gemeinsame Wohnung bezogen zu haben. Sie habe das Hochzeitsdatum "2. Mai 2005" vor der mündlichen Verhandlung am Sozialgericht nicht erwähnt, da sie danach nicht gefragt worden sei. Nach den Umständen der Erstellung des "Attestes" von Herrn H. befragt, hat die Klägerin geantwortet, sich nicht mehr erinnern zu können, sie meine jedoch danach verlangt zu haben. Sodann ist Verhandlung zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen vertagt worden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Rosslau vom 13. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr große Witwenrente ab 1. Dezember 2005 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für rechtmäßig.
Das Standesamt N. hat mit Schreiben vom 30. August 2010 durch die damals zuständige Standesbeamtin Sch. mitgeteilt, die Vorbereitungen zur Trauung stellten keine beurkundungsrelevanten Fakten dar und hätten daher keinen Eingang in die Sammelakten gefunden. Es könne daher nicht nachvollzogen werden, wann sich das Paar erstmalig mit dem Standesamt in Verbindung gesetzt habe und der Eheschließungstermin vereinbart worden sei. Aktenkundig seien lediglich die Anmeldung der Eheschließung am 14. April 2005 beim Wohnortstandesamt Z. und das Traugespräch am 21. April 2005. Das Datum "2. Mai 2010" sei gewählt worden, weil sich das Paar am 2. Mai 1992 näher gekommen sei, nachdem sie einige Zeit in demselben Betrieb gearbeitet hätten.
Weitere Befundberichte für den Zeitraum Januar 2004 bis November 2005 sind vom Facharzt für Orthopädie, Rheumatologie, Sportmedizin Dr. M. vom 24. September 2010, vom Chefarzt der Klinik für Innere Medizin des Ev. Krankenhauses P. G. Stift Prof. Dr. J. vom 26. September 2010 und von Dipl.-Med. H. vom 7. Oktober 2010 eingeholt worden. Prof. Dr. J. weist darauf hin, eine infauste Prognose habe von Anfang an bestanden; der Versicherte sei palliativmedizinisch in der Inneren Klinik versorgt worden. Auch Dipl.-Med. H. bestätigt eine von Anfang an infauste Prognose und teilt mit, der Gesundheitszustand habe sich in den Jahren 2004 bis 2005 ständig verschlechtert. Der Senat hat die Kinder der Klägerin, A. und M. B. sowie ihre Bekannten H. S. und H. J. als Zeugen vernommen. Es wird insoweit auf das Verhandlungsprotokoll vom 8. Dezember 2010 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist nach den §§ 143, 144 Absatz 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und gemäß § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerecht erhoben.
Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin damit nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Witwenrente.
Der Senat konnte in der Sache entscheiden, obwohl das erstinstanzliche Verfahren an zwei wesentlichen Verfahrensmängeln leidet. Gemäß § 159 Abs. 1, Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht die angefochtene Entscheidung durch Urteil aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Zum einen ist das Urteil vom 13. Juli 2009 nicht auf Grund mündlicher Verhandlung gemäß § 124 Abs. 1 SGG erlassen worden. Nach § 124 Abs. 2 SGG kann das Gericht mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Das Einverständnis muss aber in jedem Fall ausdrücklich und vorbehaltlos erklärt werden; es kann grundsätzlich nicht von einer Bedingung abhängig gemacht werden, mit Ausnahme des Falls eines Widerrufsvergleichs, denn das Einverständnis stellt eine bedingungsfeindliche Prozesserklärung dar (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 9. Aufl., vor § 60 Rn. 11).
Bereits die Erklärung der Klägerin in der nichtöffentlichen Sitzung des Sozialgerichts vom 11. August 2008, das Einverständnis von einer künftigen schriftlichen Stellungnahme der Beklagten abhängig zu machen, ist unwirksam. Das betreffende Verhandlungsprotokoll lässt erkennen, dass die Klägerin ihr Einverständnis unter eine Bedingung stellte, da die Beklagte nach richterlichem Hinweis nochmals den Sachverhalt überprüfen wollte, um den Anspruch dann eventuell anzuerkennen.
Hat sich die prozessuale Situation nach Abgabe der Einverständniserklärung etwa durch einen Schriftsatz mit erheblichem neuem Vorbringen des anderen Beteiligten geändert, so verliert auch eine wirksame Einverständniserklärung ohne weiteres ihre Wirksamkeit (Keller a.a.O., § 123 Rn. 3 d). Selbst bei Annahme einer wirksamen Einverständniserklärung durch die Klägerin am 11. August 2008 ist diese nach Eingang des Schriftsatzes der Beklagten vom 10. Oktober 2008 weggefallen, da im Hinblick auf den im Termin erteilten richterlichen Hinweis von der Beklagten Neues vorgebracht wird. Entgegen der möglichen Erwartung der Klägerin und des Gerichts hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10. Oktober 2008 den Klageantrag nicht anerkannt, sondern im Gegenteil, ihre Zweifel, dass keine Versorgungsehe vorliege, weiter untermauert. Die Beklagte hat ihre Einverständniserklärung zur Entscheidung mit Urteil ohne mündliche Verhandlung hierbei wiederholt.
Auch ein stillschweigendes Einvernehmen reicht für § 124 Abs. 2 SGG nicht aus, auch nicht in der Form, dass das Gericht mitteilt, bei Schweigen werde das Einverständnis unterstellt (Keller a.a.O., § 123 Rn. 3 c). Offensichtlich ging das Sozialgericht nach Eingang des Beklagtenschriftsatzes vom 10. Oktober 2008 davon aus, dass die Einverständniserklärung der Klägerin keine Wirksamkeit mehr entfaltet. Es wandte sich daher mit Richterschreiben vom 14. Oktober 2008 an die Klägerin, mit dem Inhalt "es wird davon ausgegangen, dass Sie ebenfalls nach wie vor mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden sind". Diese Einverständnisunterstellung kann eine ausdrückliche Einverständniserklärung der Klägerin nicht ersetzen. Die Klägerin hat bis zum Erlass des Urteils nicht mehr geäußert.
Zum anderen stellt das Urteil des Sozialgerichts eine so genannte Überraschungsentscheidung dar. Durch den richterlichen Hinweis in der nichtöffentlichen Verhandlung vom 11. August 2008 ist bei der Klägerin die Erwartung geweckt worden, das Sozialgericht halte die Klage auf Bewilligung von Witwenrente für Erfolg versprechend. Dies ergibt sich aus der Berufungsbegründung, in der die Klägerin die Diktion des Vorsitzenden wiedergibt und von dem ärztlichen Attest als "objektivem Indiz gegen die Versorgungsehe" spricht. Das klageabweisende Urteil ist aus Sicht der Klägerin daher eine unerwartete Wendung des Verfahrens gewesen, mit der sie auf Grund der Äußerungen des Vorsitzenden nicht hätte rechnen müssen. Wäre der Klägerin dieser Verfahrensausgang als naheliegend erschienen, dann hätte sie möglicherweise noch einen Beweisantrag gestellt oder sich zu weiterem Sachvortrag veranlasst gesehen. Die Überraschungsentscheidung ist eine Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 62 SGG und stellt damit einen weiteren wesentlichen Verfahrensfehler dar.
Diese Verfahrensmängel sind insoweit wesentlich, als nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer in dem gesetzlich vorgeschriebenen mündlichen Verfahren zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre. Trotz der wesentlichen Verfahrensmängel konnte der Senat jedoch in der Sache selbst entscheiden, weil er gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG zwar befugt, aber nicht zwingend verpflichtet war, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuverweisen (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 16. März 2006, a.a.O., LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Juni 2008 - L 3 R 102/06 -). Im Rahmen seines Ermessens hat der Senat das Interesse der Beteiligten an einer möglichst zeitnahen Erledigung des Rechtsstreits einerseits mit den Nachteilen durch den Verlust einer Tatsacheninstanz andererseits gegeneinander abgewogen. Angesichts der zu erwartenden Verfahrensdauer hält der Senat hier eine Zurückverweisung nicht mehr für sachgerecht. Zudem hatte die Klägerin ausdrücklich im Verhandlungstermin am 29. April 2010 keine Zurückweisung an das Sozialgericht gewünscht.
Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage auf Bewilligung von Witwenrente abgewiesen. Gemäß § 46 Abs. 2 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tod des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 24. November 2005 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte; sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten das 45. Lebensjahr vollendet und hat auch nicht wieder geheiratet. Nach § 46 Abs. 2a SGB VI besteht der Anspruch der Witwe jedoch dann nicht, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr andauerte, es sei denn, nach den besonderen Umständen des Falles ist die Annahme nicht gerechtfertigt, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die vorgenannte Vorschrift ist mit Wirkung zum 1. Januar 2002 in das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt worden und entspricht damit inhaltlich den Regelungen im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht (§ 65 Abs. 6 SGB VII), im Bundesversorgungsgesetz (§ 38 Abs. 2 BVG) sowie den entsprechenden Regelungen im Beamtenversorgungsrecht (§ 19 Abs. 1 BeamtenVG). Es kann daher auch auf die bisherige Rechtsprechung des BSG zu den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen zurückgegriffen werden. Die Übergangsvorschrift des § 242a Abs. 1 bis 3 SGB VI in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung ist nicht anzuwenden, da die Ehe nach dem 31. Dezember 2001 geschlossen wurde.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 Abs. 2a Halbsatz 1 SGB VI sind hier erfüllt, da die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten weniger als ein Jahr gedauert hat, nämlich vom 2. Mai bis zum 24. November 2005. Allein die zeitliche Vorgabe der Ehedauer von weniger als einem Jahr begründet die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe, die allerdings widerlegt werden kann. Damit ist ein Anspruch auf Witwenrente grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Versicherte vor Ablauf eines Jahres nach der Ehe verstirbt (Löns in: Kreikebohm, SGB VI, § 46 Rn. 27). Bei einer Ehezeit von weniger als einem Jahr bedarf es auch keiner weiteren Anhaltspunkte, um das Vorliegen einer Versorgungsehe anzunehmen und die Witwenrente zu versagen (LSG Nordrhein-Westfalen, Entscheidung vom 16. Januar 1973 – L 15 BU 12/72 – Breithaupt 1973, 710 ff).
Nach Auffassung des BSG, die der Senat teilt und auch seinen früheren Entscheidungen zugrunde gelegt hat, ist diese Regelung nicht verfassungswidrig (BSG, Urteile vom 5. Mai 2009 - B 13 R 53/08 R und B 13 R 55/08 R -, zit. nach juris; Löns a.a.O.). Diese Norm schützt vielmehr die Ehe, indem sie hilft, die missbräuchliche Verwendung ihrer Rechtsform zu verhindern. § 46 Abs. 2a SGB VI verstößt auch insoweit nicht gegen höherrangiges Recht, als die Hinterbliebenenversorgung nicht zu den von Artikel (Art.) 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützten Rechtspositionen gehört und auch die allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG nicht tangiert wird. Ebenso ist weder der allgemeine oder der spezielle Gleichheitssatz des Art. 3 GG, noch der Schutz der Ehe durch Art. 6 Abs. 1 GG verletzt, zumal der Gesetzgeber nicht gehalten ist, alle Ehen unterschiedslos vom ersten Tage ihres Bestehens mit Ansprüchen auf Hinterbliebenenversorgung aus der gesetzlichen Rentenversicherung auszustatten (vgl. BSG, a.a.O., juris Rn. 31).
Für die binnen Jahresfrist beendete Ehe greift zunächst die Vermutung der Versorgungsehe ein, sofern die Klägerin diese nicht zur Überzeugung des Gerichts widerlegen kann. Die Versorgungsehe kann dann als widerlegt angesehen werden, wenn zur vollen Überzeugung des Gerichts andere Heiratsmotive als die der Hinterbliebenenversorgung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit jenseits vernünftiger Zweifel vorliegen und ihnen mindestens gleichwertige Bedeutung zukommen. Existieren im Rahmen einer Gesamtabwägung lediglich Hinweise, die auf andere Motive als die Versorgungsabsicht hindeuten, gilt die gesetzliche Vermutung nicht als widerlegt, da der Vollbeweis des Gegenteils nicht anzunehmen ist. Bei vorhandenen Anhaltspunkten ist von Amts wegen den besonderen Umständen des Falles nachzugehen, allerdings trägt die Klägerin als Hinterbliebene die objektive Beweislast hinsichtlich der Widerlegungsgründe, wobei von ihr nach §§ 202 SGG, 292 Zivilprozessordnung (ZPO) der volle Beweis des Gegenteils abverlangt wird (BSG, Urteil vom 3. September 1986 - B 9a RV 8/84 -, BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; o.g. Urteile vom 5. Mai 2009 a.a.O.). Diese Widerlegung ist durch besondere Umstände des Einzelfalls möglich, wie etwa bei Unfalltod eines Ehepartners binnen Jahresfrist. Aber auch hier müssten andere Motive für die Ehe, als die zur Begründung eines Versorgungsanspruchs, bewiesen werden.
Die Annahme, der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat liege in der Begründung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung, kann nach § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI durch die Darlegung von "besonderen Umständen" widerlegt werden. Die Klägerin hat hier nicht zur vollen Überzeugung des Senats nachgewiesen, die Ehe mit dem Versicherten aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen zu haben. Der Begriff der "besonderen Umstände" ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der von den Rentenversicherungsträgern und den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit mit einem bestimmten Inhalt ausgefüllt werden muss und dessen Beurteilungsspielraum der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 3. September 1986, a.a.O. m.w.N. und Urteile vom 5. Mai 2009, a.a.O.). Als "besondere Umstände" sind daher alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dies sind Umstände, die nicht schon von der Vermutung selbst umfasst sind und die geeignet sind, einen Schluss auf den Zweck der Heirat zuzulassen. Entscheidend ist nur, ob sie ausreichen, um die Vermutung zu widerlegen (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, BSGE 35, 272, 274 = SozR Nr. 2 zu § 594 RVO).
Der Leistungsträger und die Gerichte können sich nicht nur auf die Ermittlung äußerer Umstände beschränken, wenn die Antragstellerin bzw. Klägerin sich über innere Umstände äußern will. Die Beschränkung auf objektiv nach außen tretende Umstände bei der "Ermittlung der Beweggründe für die Heirat" bzw. des "Zwecks der Heirat" würde die Möglichkeit des hinterbliebenen Ehegatten, die gesetzliche Annahme eine Versorgungsehe zu entkräften, in unzulässiger Weise beschneiden. Die Klägerin hat selbst abzuwägen, ob sie private Details ihrer höchstpersönlichen Gründe für die Eheschließung preisgeben will, um die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu entkräften. Im Rahmen ihrer Darlegungsobliegenheit kann die Hinterbliebene individuelle Gründe zur Widerlegung der Vermutung vortragen und nachweisen (BSG, Urteil vom 28. März 1973, a.a.O. und Urteil vom 3. September 1986, a.a.O.). Sind diese Angaben glaubhaft, so sind auch diese persönlichen Gründe in die abschließende Gesamtbetrachtung einzustellen und unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Falls zu würdigen (vgl. BSG Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - juris).
Hier ist die Klägerin über ihr Recht, Angaben zu den persönlichen Lebensumständen vor der Heirat sowie zu den Motiven der Heirat zu verweigern, belehrt worden. Sie hat gleichwohl Auskunft zu den persönlichen Lebensumständen vor der Heirat und zu Motiven der Heirat erteilt. Bei der Gesamtwürdigung dieser Angaben und der äußeren Gesamtumstände konnte der Senat nicht die Überzeugung gewinnen, dass mindestens gleichwertig andere Motive als die Erlangung der Hinterbliebenenversorgung gewesen sind. Als objektive Gesamtumstände sind der lebensbedrohliche Gesundheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Heirat sowie die an materiellen Interessen ausgerichtete Lebensführung der Klägerin vor der Heirat zu würdigen. Hier war der Gesundheitszustand des Versicherten im Zeitpunkt der Heirat objektiv und subjektiv lebensbedrohlich. Dies ergibt sich aus den beigezogenen ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem Rehabilitationsbericht vom 16. Juni 2004 über den Aufenthalt im E. Bad S ...
Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten ist als ein Umstand anzusehen, der die gesetzliche Vermutung zunächst bestätigt, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung vieles dafür spricht, dass die Ehe zu Versorgungszwecken geschlossen wurde. Jedoch ist auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus einem anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Demnach ist auch hier die Widerlegung der Versorgungsabsicht nicht ausgeschlossen. Allerdings müssen dann bei einer Gesamtbewertung diejenigen Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten im Zeitpunkt der Eheschließung war (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17. Juli 2008 - L 8 R 583/08 - juris Rn. 28). Dann müssen bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Annahme ("Vermutung") einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R -).
Bei der Ermittlung der Beweggründe für die Eheschließung ist zudem auf die maßgeblichen Motive beider Ehegatten abzustellen. Wenn nur ein Ehepartner aus einem anderen Grund als dem der Versorgung geheiratet hat, ist die gesetzliche Vermutung der Versorgungsehe nicht mehr anzunehmen und die Motivlage des anderen unbeachtlich (KassKomm-Gürtner, § 46 SGB VI Rn. 46 c). Somit kommt es auf die ggf. voneinander abweichende Motivlage und Zielvorstellung beider Ehegatten an, es sei denn, dass der hinterbliebene Ehegatte den Versicherten beispielsweise durch Ausnutzung einer Notlage oder Willensschwäche zur Eheschließung veranlasst hat (vgl. BSG, Urteil vom 28. März 1973, a.a.O., S. 275 f. und Urteil vom 3. September 1986, a.a.O., S. 208). Die "Annahme" des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat abhebt" - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (vgl. BSG, Urteil vom 5. Mai 2009 - B 13 R 55/08 R - juris Rn. 21 mwN).
Die Klägerin hatte zunächst behauptet, Motiv für die Eheschließung sei die Sicherstellung der Pflege des Versicherten gewesen. Hiervon hat sie sich wieder distanziert, indem sie im Verhandlungstermin vor dem Sozialgericht erklärt hat, bei der Heirat sei es nicht darum gegangen, als Pflegeperson anerkannt zu werden. Später vor dem Landessozialgericht hat sie sogar ausdrücklich eingeräumt, dass die Pflege gerade nicht das Heiratsmotiv gewesen sei. Mit dem Argument der "Pflegeehe" hatte sich die Klägerin auch in Widerspruch zu ihrem Vortrag eines langjährigen Heiratsentschusses zu einer Zeit, als der Versicherte noch nicht pflegebedürftig war, gesetzt. Angesichts der mehrjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft war im Übrigen auch eine Einstandsgemeinschaft gegeben mit der Folge, dass objektiv eine Heirat zur Sicherstellung der Pflege nicht erforderlich war. Es bedurfte auch keiner Eheschließung, um als Pflegekraft für den Versicherten als zu pflegende Person anerkannt zu werden.
Über die Motive des Versicherten bei der Eheschließung ist nichts bekannt. Soweit nach der Erklärung der Klägerin im Widerspruchsverfahren vorgetragen worden war, es sei der Wunsch des Versicherten gewesen, durch die Heirat die Vorteile der Ehe zu erlangen, die Ehe sei "zum alleinigen bzw. überwiegenden Zweck einer Hinterbliebenenversorgung vollzogen worden", ist diese Aussage im Verhandlungstermin als redaktionelles Versehen revidiert worden.
Die weitere Behauptung der Klägerin, der konkrete Heiratstermin am 2. Mai 2005 habe vom Anfang ihrer Beziehung an festgestanden, sieht der Senat nicht als bewiesen an. Es ist bereits nicht glaubhaft, dass die Ehegatten beim Kennenlernen am 2. Mai 1990 den konkreten Entschluss der Eheschließung für den 15 Jahre später liegenden Tag des 2. Mai 2005 gefasst haben. Auch der später abweichende Vortrag der Klägerin, sie hätten fünf Jahre nach dem Kennenlernen - und damit wohl im Jahre 1995 - den konkreten Eheentschluss gefasst, ist nicht glaubhaft. Soweit die Klägerin noch die Jahre 1991, 1992 und 1997 als Entschlusszeitpunkte für die Heirat angibt, erscheinen auch diese Angaben willkürlich genannt worden zu sein, ohne dass es nachvollziehbare Anhaltspunkte für die Umsetzung eines derart früh gesetzten Eheversprechens gäbe. Im offenen Widerspruch zu den von der Klägerin benannten frühen Heiratsentschlussdaten steht ihre Einlassung, der Versicherte und sie hätten sich erst während ihres 15-jährigen Zusammenseins Lieben gelernt. Die Klägerin verwechselt den konkreten Heiratsentschluss im Sinne eines Heiratsantrages oder einer Aufgebotsbestellung mit den vagen Heiratsabsichten in unbestimmter Zukunft.
Für den Senat steht fest, dass die Klägerin und der Versicherte von dessen lebensbeendender Krebserkrankung bereits im Sommer 2004 und damit monatelang vor der Heirat am 2. Mai 2005 gewusst haben. Eine von Anfang an infauste Prognose wird auch von Prof. Dr. J. in seinem Bericht vom 26. September 2010 und von Dipl.Med. H. unter dem 7. Oktober 2010 gegenüber dem Senat bestätigt. Über den grundsätzlich lebensbedrohlichen Charakter der Krebserkrankung sind die Ehegatten durch die P.-G.-Stiftung und durch Dipl.-Med. H. aufgeklärt worden, was aus der Einlassung der Klägerin selbst folgt. Während im Reha-Entlassungsbericht vom 16. Juni 2004 noch der Verdacht auf eine pathologische Knochenveränderung bei unbekannter Ursache diagnostiziert worden war, ist bereits im Verlegebericht der P.-G.-Stiftung vom 17. Juni 2004 die bösartige Knochen- und Prostataneubildung erkannt worden. Nach der Epikrise vom 1. Juli 2004 der P.-G.-Stiftung sind die Befunde mit dem Versicherten auch ausführlich besprochen worden. Der Versicherte selbst hatte bereits am 28. Juni 2004 den Antrag auf Bewilligung von Rente wegen Erwerbsminderung gestellt und zur Begründung die Skelettmetastasierung angeführt.
Der Behauptung der Klägerin, es handele sich um keine Versorgungsehe, da zur Zeit der Eheschließung mit dem Tod des Versicherten auf absehbare Zeit nicht zu rechnen gewesen sei, es kein "Zeitfenster" für die konkrete Lebenserwartung gegeben habe, der Versicherte bei dem konkreten Tumor noch eine statistische Lebenserwartung von drei Jahren gehabt habe und er aus damaliger Sicht eher mit als an der Krebserkankung sterben würde, folgt der Senat nicht. Soweit sich die Klägerin hinsichtlich der abstrakten Lebenserwartung des Versicherten in der Sitzung vom 13. September 2006 auf ein tags zuvor erstelltes "Attest" von Dipl.-Med. H. bezieht, ist diese ärztliche Äußerung im Hinblick auf den Verhandlungstermin zehn Monate nach dem Tod des Versicherten wenig überzeugend. Der Senat würdigt das nachträgliche "Attest" unmittelbar vor dem Sitzungstermin als Gefälligkeitsattest, um die Klägerin gezielt in der Gerichtsverhandlung zu unterstützen. Darüber hinaus widerspricht sich die Klägerin selbst, indem sie mitteilt, der Versicherte habe noch eine statistische Lebenserwartung von drei Jahren gehabt, andererseits aber meint, es habe kein "Zeitfenster" für den Versicherten gegeben und es sei bei dem damals 66-jährigen Versicherten eher wahrscheinlich mit Krebs als, wie tatsächlich geschehen, an seiner Tumorerkrankung zu sterben. Entscheidend ist auch nicht die statistische allgemeine Lebenserwartung bei einer bestimmten Tumorerkrankung, sondern der Umstand, dass den Eheleuten mit der Diagnose der diffusen Knochenmetastasierung und des Prostatakarzinoms bekannt und bewusst war, dass es sich hierbei um eine lebensgefährliche und möglicherweise auch lebensbeendende Erkrankung handelte. Erst nach Kenntnis dieser schweren Erkrankung sind Heiratsaktivitäten nach außen entfaltet worden. Dies legt den Schluss nahe, dass die schwere Erkrankung des Versicherten die entscheidende Ursache für die Eheschließung legte.
Ein konkreter Heiratsentschluss zeitlich vor Kenntniserlangung von der lebensbeendenden Erkrankung des Versicherten ist zur Überzeugung des Senats nicht erwiesen. Fest steht lediglich die Anmeldung zur Eheschließung im April 2005 und damit Monate nach Kenntniserlangung von der Krebserkrankung. Es erscheint daher wahrscheinlicher, dass der konkrete Heiratswunsch maßgebend durch die fortschreitende Erkrankung des Versicherten bedingt war, um im Falle des Ablebens die Versorgung der Klägerin sicherzustellen. Es fehlen jegliche objektive Anhaltspunkte für einen früheren konkreten Heiratsentschluss, etwa in Form eines Aufgebotes, von Einladungen, der Vorbereitung einer Hochzeitsfeier, der Buchung einer Hochzeitsreise oder Ähnlichem. Auch die persönlichen Angaben der Klägerin sowie die schriftlichen und mündlichen Zeugenaussagen vermögen einen konkreten Heiratsentschluss vor dem Sommer 2004 nicht plausibel zu begründen. Selbst wenn unterstellt wird, dass der Verstorbene und die Klägerin bereits vor Kenntnis der lebensbedrohlichen Erkrankung den "2. Mai" als beabsichtigtes Heiratsdatum erwogen haben, kann angesichts der dann eingetretenen konkreten Umstände mit infauster Prognose dem Motiv, am Kennenlerndatum zu heiraten, nicht mehr die gleiche Bedeutung zugemessen werden wie der mit der Heirat verfolgten Hinterbliebenenversorgung.
Auch vermögen die Zeugenangaben keine "besonderen Umstände" zu begründen, die geeignet wären, die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe zu widerlegen. Die Zeugin S. bekundet schriftlich, die Klägerin und der Versicherte hätten seit Anfang der 90er Jahre zusammengelebt, obgleich die Klägerin selbst zuletzt angibt, erst im Jahre 1997 mit dem Versicherten zusammengezogen zu sein. Weiter schreibt die Zeugin, ihr sei seit 1996 das konkrete Heiratsdatum bekannt, ohne die näheren Umstände hierfür anzugeben zu können. In der mündlichen Vernehmung hat Frau S. erklärt, sie könne nicht sagen, wie es zum konkreten Heiratsdatum gekommen sei, die Klägerin habe anlässlich einer Unterhaltung dieses Datum ´mal genannt. Die Angaben der Zeugin S. passen daher weder zu den Angaben der Klägerin noch erscheinen sie aus sich heraus schlüssig und plausibel. Die Zeugin J. gibt schriftlich ebenso im Widerspruch zur Klägerin und des Einwohnermeldeamtes 1996 als das Jahr an, in dem ein gemeinsamer Haushalt begründet worden sein soll. Ohne nähere Datumsangabe soll anlässlich nicht näher beschriebener "Feierlichkeiten" das konkrete Hochzeitsdatum festgelegt worden sein. Bei der mündlichen Vernehmung teilt die Zeugin dann mit, die Klägerin habe ihr von der Heiratsabsicht berichtet, wenn man sich mal mit den Kindern getroffen habe. Die Klägerin habe erst dann heiraten wollen, nachdem die Kinder aus dem Haus seien und die Liebe noch bestünde. Es sei immer vom 2. Mai 2005 die Rede gewesen. Von der Erkrankung des Versicherten habe sie erst im Oktober/November 2005 Kenntnis erlangt, andererseits wisse sie, dass es dem Versicherten zur Hochzeit noch sehr gut ginge. Da die Aussage der Zeugin J. die letzte Version des klägerischen Vortrags abbildet, drängt sich auch hier eine Absprache auf. Es überrascht auch, dass die Zeugin die innere Motivation der Klägerin zur Heirat kennen will und trotz dieser vertrauten Stellung zur Klägerin den sich über zwei Jahre verschlechternden Gesundheitszustand des Versicherten aber nicht bemerkt habe, im Gegenteil sogar dessen Wohlbefinden bei der Hochzeit noch bestätigen könne. Die Aussage der Zeugin J. erscheint daher auch in sich widersprüchlich und vom Wunsch getragen, der Klägerin zu einer Witwenrente zu verhelfen. Ein konkreter Heiratsentschluss vor dem Sommer 2004 kann hierdurch nicht bewiesen werden. Die Bekundung der Tochter A, B, das Hochzeitsdatum habe schon immer festgestanden, da das Kennenlerndatum ein "2. Mai" in den 90er Jahren gewesen sei, ist nicht glaubhaft, da dann der konkrete Entschluss schon vor Begründung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft getroffen worden wäre; selbst nach den Angaben der Klägerin selbst ist eine Heirat zu dieser Zeit nur ein Gedankenspiel gewesen. Für ein festes Heiratsdatum im Jahr 2005 gibt es außer wirtschaftlichen Erwägungen durch die konkrete Bedarfssituation der Klägerin keine überzeugenden Anhaltspunkte. Die nahezu identischen Zeugenangaben des Sohnes M. B., der ebenfalls von einem "schon immer so besprochenen" Heiratsdatum ausgeht, erscheinen abgesprochen und allein dadurch motiviert, der eigenen Mutter einen Versorgungsanspruch in Form einer Witwenrente zu verschaffen. Auch die Angaben von A. und M. B., sie hätten zum Heiratszeitpunkt zwar um die Krebserkrankung des Versicherten gewusst, doch nicht mit dessen Versterben an der Krankheit gerechnet oder auch nur daran gedacht, passt zu den Bekundungen im Übrigen. Nach alledem sind die Zeugenaussagen nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung des Vorliegens einer Versorgungsehe zu widerlegen.
Die Klägerin selbst ist angesichts ihrer unterlassenen Angaben gegenüber der ARGE hinsichtlich einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft mit dem Versicherten und der vereinnahmten Lebensversicherungssumme für den Senat nur eingeschränkt glaubwürdig. Ihre Angaben gegenüber den jeweiligen Leistungsträgern haben sich als im Wesentlichen anspruchsorientiert erwiesen. Zur Überzeugung des Senats war das wirtschaftliche Interesse der Klägerin maßgeblich für eine Nichtheirat vor dem 1. Januar 2005 und dann für die Heirat nach diesem Datum mit dem Ziel der Bewilligung einer Witwenrente. Dies ergibt sich neben dem rechtswidrigem Verhalten der Klägerin gegenüber der ARGE unter anderem daraus, dass sie seit dem 1. Januar 2005 - und damit wenige Monate vor der Heirat - SGB II-Leistungen bezogen und mit der Heirat im Mai 2005 dann einen 1 Euro-Job angenommen hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
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