L 3 U 37/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 68 U 417/06
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 37/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2010 wird zurückge-wiesen. Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu er-statten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer höheren Verletztenrente auf Grund eines Arbeitsunfalls des Klägers vom 27. September 2002 sowie um die Anerkennung weiterer Unfallfolgen.

Der 1958 geborene Kläger wurde am 27. September 2002 während seiner Tätigkeit als Müllwerker von einer Radfahrerin angefahren (Unfallanzeige der B S vom 08. Ok-tober 2002). Im Durchgangsarztbericht vom selben Tag (Dr. K) wurde eine Schulter- und Unterschenkelprellung rechts diagnostiziert. Röntgenologisch ergab sich kein An-halt für eine Fraktur. Laut MRT-Bericht von 07. Oktober 2002 wurde eine mäßige AC-Gelenkarthrose mit leichtem Impingement des Muskulus Supraspinatus festgestellt ohne Nachweise für eine AC-Gelenksprengung oder eine Rotatorenmanschettenrup-tur.

Im Folgenden wurde beim Kläger ein Carpaltunnelsyndrom rechts diagnostiziert (EMG und NLG Dr. B vom 29. Oktober 2002), das am 19. November 2002 mittels ambulan-ter Carpaltunnelspaltung behandelt wurde (Bericht St. M Krankenhaus vom 03. De-zember 2002).

Am 04. Februar 2003 begann der Kläger bei seinem Arbeitgeber eine Belastungser-probung, die er am 12. Februar wegen Schulterschmerzen und eines durch Medika-menteneinnahme aufgetretenen Schwindelgefühls und Übelkeit abbrach.

Zugleich stellte er einen Antrag auf Unfallrente.

Nachdem Dr. K am 09. April 2003 eine erhebliche AC-Gelenkinstabilität im Bereich der rechten Schulter festgestellt hatte, wurde das AC-Gelenk am 14. April 2003 mittels einer offenen Resektion mit Transposition des Lig. coracoacromiale und Stabilisierung der Clavicula mit Trevira-Band als Augmentation saniert (Bericht St. M Krankenhaus vom 05. Mai 2003). Dr. K empfahl die Umsetzung des Klägers, der seine bisherige Tätigkeit als Müllwerker auf Grund der Beschwerden in der rechten Schulter nicht mehr durchführen könne, auf eine körperlich leichtere Tätigkeit (Schreiben von 04. August 2003). In seinem auf Veranlassung der Beklagten erstellten Ersten Rentengutachten vom 24. Mai 2004 stellte der Facharzt für Chirurgie Dr. K als Unfallfolgen eine Funktionsein-schränkung im Bereich des rechten Schultergelenks sowie eine schmerzhafte Ver-minderung der Belastbarkeit des rechten AC-Gelenks nach Verkürzung des lateralen Claviculaendes mit Umlagerung des acromialen Bandes und Einbringung eines Trivi-rabandes fest. Bei der gutachterlichen Untersuchung hatte der Kläger einen seit Au-gust 2003 bestehenden Tinnitus beklagt; seitdem müsse er ein Hörgerät tragen, zu-dem habe er beim Niesen Schwindelerscheinungen. Das Carpaltunnelsyndrom, den Tinnitus und die Gleichgewichtsstörungen erkannte Dr. K nicht als Unfallfolgen an. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Klägers betrage im Zeitraum vom 04. No-vember 2003 (Ende der Behandlung des Schultergelenks) bis zum 28. April 2005 20 v. H., im Anschluss daran nur noch 10 v. H.

Die Beklagte bewilligte, dem Gutachten des Dr. K folgend, dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 10. August 2004 für den Zeitraum vom 03. November 2003 bis zum 28. April 2005 eine Rente als vorläufige Entschädigung im Rahmen einer Gesamtvergü-tung nach einer MdE von 20 v. H. Als Folgen des Arbeitsunfalls wurden eine Verkür-zung des seitlichen Schlüsselbeinendes mit Umlagerung des acromialen Bandes und Einbringung eines Trivirabandes am rechten AC-Gelenk nach Schulterprellung rechts sowie eine verheilte Unterschenkelprellung rechts anerkannt.

Mit seinem hiergegen gerichteten Widerspruch machte der Kläger unter Vorlage von Attesten der Ärztin für Allgemeinmedizin K vom 05. August 2004, der Fachärztin für Nervenheilkunde I vom 03. August 2004 und der HNO-Ärztin Dipl.-Med. E vom 21. September 2004 geltend, die Funktionsbeeinträchtigung im Bereich der Schulter be-gründe eine höhere MdE als 20 v. H. Zudem seien auch das Carpaltunnelsyndrom, die Hörbeschwerden und der Tinnitus sowie ein depressives Syndrom, an dem er nunmehr leide, als Unfallfolgen anzuerkennen. Der Kausalzusammenhang sei zu be-jahen, weil irgendein anderes alltägliches Ereignis diese Unfallfolgen nicht ausgelöst hätte.

Die Beklagte zog diverse medizinische Unterlagen aus dem Erwerbsminderungsver-fahren der Landesversicherungsanstalt (LVA) Berlin, dem Schwerbehindertenverfah-ren beim Versorgungsamt Berlin sowie von der der City BKK B (ein Vorerkrankungs-verzeichnis vom 10. November 2004 und einen Befundbericht der Fachklinik Wvom 14. Oktober 2005 [Chefarzt Dr. S]) bei und veranlasste weitere Begutachtungen.

Im Rahmen seines daraufhin erstellten Zusammenhangsgutachtens vom 04. März 2005 führte der Facharzt für Orthopädie Dr. L aus, dass weder im knöchernen noch im Weichteilbereich der Schulter zeitnah zum Geschehen strukturelle, auf den Unfall zu-rückzuführende Veränderungen festzustellen seien. Im Zeitpunkt des Unfalls hätten jedoch degenerative Veränderungen im Bereich des Schulterhaupt- und Nebenge-lenks vorgelegen. Auch das Carpaltunnelsyndrom sei nicht unfallbedingt. Die unfall-bedingte MdE des Klägers sei mit 0 v. H. zu bewerten.

Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H kam in seinem Gutachten vom 28. März 2005 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass das Carpaltunnelsyndrom unfallunabhän-gig entstanden sei. Dies gelte auch für die bei dem Kläger bestehende depressive Grundstimmung. Eine messbare MdE aufgrund des Unfalls liege von daher nicht vor.

Der Facharzt für Hals-Nasen-Ohren-(HNO)-Heilkunde Prof. Dr. E führte in seinem Gutachten vom 24. April 2005 aus, dass keine der auf seinem Fachgebiet bestehen-den Beschwerden des Klägers (Tinnitus, Hörminderung, Schwindelbeschwerden) auf den Unfall vom 27. September 2002 zurückzuführen seien. Eine MdE sei daher nicht festzustellen.

Der des Weiteren beauftragte Facharzt für Chirurgie Dr. W gelangte in seinem Zu-satzgutachten auf handchirurgischem Gebiet vom 14. Dezember 2005 zu dem Ergeb-nis, dass das beim Kläger diagnostizierte Carpaltunnelsyndrom bereits vor dem Unfall latent bestanden habe. Es sei nicht durch den Unfall ausgelöst worden; dieser sei le-diglich als Gelegenheitsursache anzusehen. Eine MdE aufgrund von Unfallfolgen ha-be auf handchirurgischem Gebiet zu keiner Zeit bestanden.

Der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. H kam in seinem Gutachten vom 21. März 2006 zu dem Ergebnis, dass in Anbetracht der eindeutigen Röntgen- und MRT-Befunde sowohl das Carpaltunnelsyndrom als auch die AC-Gelenkspathologie rechts aus-schließlich auf eine vorbestehende Schadensanlage des Klägers zurückzuführen sei-en. Als Unfallfolgen seien eine ausgeheilte Schultergelenksprellung rechts sowie eine ausgeheilte Unterschenkelprellung rechts festzustellen. Eine MdE-Einschätzung erfol-ge demnach nicht.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2006 als unbegründet zurück.

Zur Begründung seiner hiergegen vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage hat der Kläger einen Gleichstellungsbescheid gemäß § 2 Abs. 3 Neuntes Buch Sozi-algesetzbuch (SGB IX) der Bundesagentur für Arbeit vom 02. Juni 2006, einen Ver-längerungsbescheid zur Vorlage beim Arbeitgeber betreffend die teilstationäre Reha-bilitation im Reha-Zentrum S vom 24. Mai 2006 und einen vorläufigen Entlassungs-brief der Reha-Klinik vom 13. Juni 2006 vorgelegt. Er hat die Anerkennung weiterer Unfallfolgen in Form einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung, einer AC-Gelenksymptomatik, eines chronischen Tinnitus aurium links, eines Schwindels und einer Gleichgewichtsstörung, von Missempfindungen im Bereich des rechten Handge-lenks und einer seelischen Erkrankung als Unfallreaktion geltend gemacht. Der Unfall habe eine richtunggebende Verschlimmerung einer im Schultergelenk vorbestehen-den Arthrose ausgelöst, es liege eine wesentliche Mitursächlichkeit des Unfallgesche-hens vor. Aufgrund der Schulterpellung habe er monatelang eine Schonhaltung des rechten Arms eingenommen mit der Folge, dass der Abtransport von Flüssigkeit aus dem Carpalkanal gestört gewesen sei, was zu einem Carpaltunnelsyndrom geführt habe. Da das Carpaltunelsydndrom im Zusammenhang mit dem Unfallgeschehen aufgetreten sei, ab dem er krankheitsbedingt keiner beruflichen Tätigkeit mehr nach-gehen konnte, liege ein Ursachenzusammenhang mit dem Unfall bzw. mit der nach-folgenden Heilbehandlung nahe. Zu widersprechen sei der Einschätzung, dass eine unfallbedingte Nachbehandlung nur als Gelegenheitsursache gewertet werden könne. Komplikationen im Zusammenhang mit einer unfallbedingten Operation müssten von der Beklagten übernommen werden. Jedenfalls habe bis zum Abklingen der Operati-onsfolgen eine unfallbedingte Handverletzung mit Erhöhung der MdE bestanden. Hin-sichtlich der seelischen Erkrankung (somatoforme Schmerzstörung, Angst und De-pressionen, chronischer Tinnitus) habe der Chefarzt der Klinik W Dr. S eine Mitur-sächlichkeit des Unfalls anerkannt. Die aus der seine Leistungsfähigkeit stark beein-trächtigenden chronischen Schmerzerkrankung resultierende MdE sei mit 30 v. H. anzusetzen. Mit zum Gegenstand des Klageverfahrens (§ 96 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) gewor-denem Bescheid vom 08. August 2006 hat die Beklagte nach Anhörung des Klägers den angefochtenen Bescheid vom 10. August 2004 nach § 45 Zehntes Buch Sozial-gesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft insoweit zurückgenommen, als die Verkürzung des seitlichen Schlüsselbeinendes mit Umlagerung des acromialen Ban-des und Einbringung eines Trivirabandes des rechten AC-Gelenks als Unfallfolge an-erkannt worden war. Zur Begründung hat sie sich im Wesentlichen auf die Ergebnisse der eingeholten Gutachten von Dr. L und Prof. Dr. H sowie auf den MRT-Befund vom 07. Oktober 2002 gestützt. Der Kläger hatte zuvor im Anhörungsverfahren nur vorge-tragen, dass die Beklagte für Operationsfolgen und Komplikationen zumindest dann hafte, wenn die Operation unfallbedingt erforderlich geworden sei.

Das SG hat den Entlassungsbericht der Reha-Klinik S/T vom 03. Juli 2006 (Entlas-sung als arbeitsfähig, Defizite bei der Konzentrationsfähigkeit auf Grund des Tinnitus sowie Einschränkung durch chronifizierte Somatisierungstendenz mit Analgetika-Missbrauch als Folge des operativen Eingriffs in der rechten Schulter 2003) und Be-fundberichte (BB) von der Ärztin für Nervenheilkunde I vom 21. Februar 2009 (Tinni-tus, Schwerhörigkeit, zeitweise Schwindel, deprimiert bis depressiv über die veränder-te Situation) mit Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 22. März 2004 (Beschwerden nicht vollständig organisch-neurologisch erklärbar, patholo-gischer Befund ausschließlich distal am Nervus medianus) sowie von der Fachärztin für Psychiatrie B vom Februar 2009 (Anpassungsstörung, depressives Syndrom, Neu-rasthanie, rezidivierende depressive Stimmung, gegenwärtig schwere depressive Epi-sode, Panikstörung, Alkoholabusus) eingeholt.

Des Weiteren hat das SG den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. A mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

In seinem Gutachten vom 22. Oktober 2009 ist der Sachverständige zur Diagnose einer Neurasthenie (ICD 10: F48.0) gelangt. Sowohl anhand der biographischen A-namnese - bei dem Kläger habe zeitweilig, in den 90iger Jahren, ein inzwischen nicht mehr vorhandener Alkoholmissbrauch bestanden - als auch des Leistungsverzeich-nisses der Krankenkasse ließen sich Manifestationen derselben Störung feststellen, die jeweils durch psychosoziale Belastungen bzw. Krisensituationen bereits vor dem Unfallereignis ausgelöst worden seien, zuletzt im Rahmen der Trennung von der Ehe-frau im Frühjahr 2002. Diese neurasthenische Symptomatik mit ihren körperlichen Symptomen (Schmerz) und seelischen Beschwerden sei durch die nach dem Unfall-ereignis aufgetretenen Konflikte mit dem Arbeitgeber, von dem sich der Kläger ohne-hin schon unter Druck gesetzt gefühlt habe, und der durch Einsatz an einem leichte-ren Arbeitsplatz erlittenen Degradierung und Lohneinbuße intensiviert worden. Daher beklage der Kläger auch nach Abklingen der Funktionseinbußen der verletzten Schul-ter weiterhin Schmerzen. Die Neurasthenie sei weder im Sinne der erstmaligen unfall-verursachten Entstehung noch im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhängigen Leidens auf das Unfallereignis vom September 2002 zurückzufüh-ren. Vielmehr handele es sich bei der vorübergehenden Verstärkung von psychovege-tativer Symptomatik um das Ergebnis einer aktivierten vorbestehenden gleichartigen Störung (Schadensanlage). Insoweit seien bei der Abwägung konkurrierender Kausa-litäten das Unfallereignis und die mittelbaren Schwierigkeiten am Arbeitsplatz von pa-thogenetischer Bedeutung. Der vorbestehenden psychischen Störung komme als eine Schadensanlage aber die wesentliche und entscheidende Bedeutung zu. Das Unfall-ereignis, aber auch die belastende Situation am Arbeitsplatz, seien demgegenüber nachrangig und nicht von wesentlicher Bedeutung. Auf psychiatrischem Gebiet habe keine MdE bestanden und bestehe auch nicht.

Mit Gerichtsbescheid vom 26. Januar 2010 hat das SG die Klage unter Bezugnahme auf die Ergebnisse der eingeholten Gutachten und auf die Ausführungen der Beklag-ten im Widerspruchsbescheid vom 17. Mai 2006 abgewiesen. Die vom Kläger beklag-ten Beschwerden auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet seien nicht auf den Unfall vom 27. September 2002 zurückzuführen, wie aus dem schlüssigen und über-zeugenden Gutachten von Dr. A vom 22. Oktober 2009 zu schließen sei.

Mit seiner hiergegen gerichteten Berufung begehrt der Kläger weiterhin, ihm wegen der Folgen des Arbeitunfalls vom 27. September 2002 eine höhere Verletztenrente vom 03. November 2003 bis zum 28. April 2005 nach einer MdE von 30 v. H. zu ge-währen. Dem Gutachten von Dr. A sei nicht zu folgen. Im ärztlichen Entlassungsbe-richt der Reha-Klinik vom 14. Juni 2006 seien andere Erkrankungen, nämlich eine An-passungsstörung bei beruflicher Belastung mit deutlicher Somatisierungstendenz (ICD 10 F43.23) und ein Schmerzmittelmissbrauch nach Clavikularesektion (ICD 10 F55.2) diagnostiziert worden. Es werde auch auf die Vor- und Einweisungsdiagnosen (de-pressive Störung, Panikstörung, chronischer Tinnitus links, Impingementsyndrom, Schultersteife rechts, Cervikalsyndrom, Tendovaginitis, Clavikularesektion, AC-Gelenkplastik nach Schulterprellung, ACG-Arthrose, anhaltende somatoforme Schmerzstörung) Bezug genommen. Eine den AWMF-Leitlinien für psychosomatische Erkrankungen entsprechende Zusatztestung habe sehr hohe Werte für die Bereiche Somatisierung, Zwanghaftigkeit, Unsicherheit im Sozialkontakt, Depressivität, Ängst-lichkeit, phobische Angst und paranoides Denken ergeben. Derartige Untersuchungen lasse das Gutachten vermissen. Anders als Dr. A habe die Reha-Klinik festgestellt, dass die chronifizierte Somatisierungstendenz mit Analgetika-Missbrauch wesentlich mitursächlich auf die Schulter-Op zurückzuführen sei. Die Beklagte müsse auch für mittelbare Unfallfolgen eintreten, die sich auf Operationen zur Feststellung von Ursa-che, Art, Umfang und Ausmaß der Schädigungsfolgen beziehen würden. Hinzu kom-me die psychische Belastung durch seine Herabgruppierung wegen unfallbedingter Minderleistung in die Bereiche Büroreinigung, Tonnenfahrer, -ausstecher, -reiniger und Autowäscher, er sei von Vorgesetzten und Kollegen als "Querulant" bezeichnet worden. Diese Psychodynamik als mittelbare Unfallfolge habe Dr. A verkannt oder verharmlost, wenn er davon ausgehe, dass er wieder als Müllwerker arbeite. Dr. A sei auch nicht zu folgen, soweit er die Schadensanlage und nicht das Unfallereignis als wesentlich für die psychische Reaktion ansehe. Damit stehe er im Gegensatz zu der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (vgl. z. B. BSG, B 2 U 26/04 R bzw. B 2 U 1/05 R). Zudem berücksichtige das Gutachten auch nicht ausreichend den Schutz-zweck des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der grundsätzlich den gesam-ten Gesundheitszustand des Betroffenen im Zeitpunkt der Schädigung und damit alle bestehenden Schadensanlagen sowie Krankheitsdispositionen auf Grund von Auswir-kungen von z. B. konstitutionell bedingten Schwächen berücksichtigen müsse. Für die vorliegende Anpassungsstörung (ICD 10 F43.2) komme eine MdE bis längstens zwei Jahre nach dem Ereignis in Betracht, wobei für stärkergradig ausgeprägte Störungen eine MdE bis 30 v. H. angemessen sein könne.

Der Kläger hat beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 26. Januar 2010 aufzuhe-ben, den Bescheid vom 10. August 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbe-scheids vom 17. Mai 2006 abzuändern sowie den Bescheid vom 08. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm wegen der Folgen des Arbeitunfalls vom 27. September 2002 für die Zeit vom 03. November 2003 bis zum 28. April 2005 eine höhere Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat unter Verweis auf die im Verwaltungsverfahren erstatteten Gutachten ausge-führt, dass Erkrankungen, die über eine Prellung des Schultergelenks hinausgingen, zu keinem Zeitpunkt nachgewiesen worden seien. Die Operation des Schultereckge-lenks sei wegen der dort unfallunabhängig fortbestehenden Beschwerden erfolgt. Eine psychische Dekompensation, ein Tinnitus und eine Hörstörung/Schwerhörigkeit seien bereits vor dem Unfall dokumentiert und mithin weder unmittelbar noch mittelbar we-sentlich durch den Unfall verursacht worden. Zudem habe kein Unfallhergang vorge-legen, der geeignet gewesen wäre, diese Erkrankungsbilder hervorzurufen.

Der Senat hat von dem Sachverständigen Dr. A eine ergänzende Stellungnahme vom 16. September 2010 eingeholt. Hierin hat der Sachverständige ausgeführt, die vom Kläger für notwendig erachtete Persönlichkeitsdiagnostik und die testpsychologischen Zusatzverfahren seien im vorliegenden Fall überflüssig, da die vorgetragenen Be-schwerden erfasst und gewürdigt seien. Zudem seien sie bereits anlässlich der Reha-bilitation durchgeführt worden. Zum Vorwurf der unzureichenden Würdigung konkur-rierender Faktoren sei anzumerken, dass das Unfallereignis zweifellos der Auslöser für die zeitweilige Aktivierung eines Vorschadens gewesen sei, wobei auch der Situa-tion am Arbeitsplatz Bedeutung zukomme; rechtlich wesentlich sei jedoch die vorbe-stehende Erkrankung. Von einer Verschiebung der Wesensgrundlage sei nicht auszu-gehen, da die Grundlage der Symptomatik in der vorbestehenden Neurasthenie be-gründet sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren nach § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte so-wie der Verwaltungsakte der Beklagten (drei Bände), die bei Entscheidungsfindung vorgelegen haben, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist– und formgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden konnte (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig, aber unbegründet. Der Kläger hat, wie das Sozialgericht im Ergebnis zutreffend entschieden hat, keinen Anspruch auf Aufhebung des Bescheids vom 08. August 2006, auf Änderung des Bescheids vom 10. August 2004 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17. Mai 2006 und auf Gewährung einer höheren Verletztenrente nach einer MdE von 30 v. H für die Zeit vom 03. November 2003 bis zum 28. April 2005.

Streitgegenstand sind zum einen der Bescheid vom 10. August 2004 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17. Mai 2006, mit welchen die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 03. November 2003 bis zum 28. April 2005 eine Rente als vorläufi-ge Leistung nach einer MdE von 20 v. H. gewährt hat (zu I.), zum anderen der Be-scheid vom 08. August 2006, mit welchem die Beklagte den Bescheid vom 10. August 2004 hinsichtlich der anerkannten Unfallfolge "Verkürzung des seitlichen Schlüssel-beinendes mit Umlagerung des acromialen Bandes und Einbringung eines Triviraban-des des rechten AC-Gelenkes" mit Wirkung für die Zukunft zurückgenommen hat (zu II.).

I. Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf eine höhere Verletztenrente ist § 56 SGB VII. Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Vorschrift haben Versi-cherte Anspruch auf Rente, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. ge-mindert ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versi-cherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirken-de Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII).

Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalles der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität). Das Ent-stehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalles, sondern erst für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG vom 04. September 2007, B 2 U 28/06 R, SozR 4-2700 § 8 Nr. 24 m. w. N.).

Alle rechtserheblichen Tatsachen bedürfen des vollen Beweises mit Ausnahme derje-nigen, die einen Ursachenzusammenhang (Unfallkausalität, haftungsbegründende und haftungsausfüllende Kausalität) ergeben; für diese genügt angesichts der hier typischen Beweisschwierigkeiten die hinreichende Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG in SozR 2200 § 548 Nrn. 70 und 84). Beim Vollbeweis muss sich das Gericht grundsätz-lich die volle Überzeugung vom Vorliegen oder Nichtvorliegen der Tatsachen ver-schaffen. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richter-liche Überzeugung zu begründen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, Randnr. 3b zu § 128 m. w. N.). Voll bewiesen sein müssen aber auch hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges immer die Ursache selbst und der ihr zuzurechnende Erfolg; die hinreichende Wahrscheinlichkeit bezieht sich nur auf die kausalen Zwischenglieder. Hinreichende Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel aus-scheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG vom 02. April 2009, B 2 U 29/07 R, in Juris m. w. N.). Zu den voll zu beweisenden Tatsachen gehören damit z. B. die Er-füllung des Versicherungsschutztatbestandes nach §§ 2 ff SGB VII, die Verrichtung der versicherten Tätigkeit, das äußere Ereignis, ein Körperschaden und die Plötzlich-keit als Unfallmerkmale. Erforderlich ist in diesem Zusammenhang der positive Nach-weis, der Ausschluss anderer Ursachen reicht nach den ausgeführten Grundsätzen nicht aus.

Die MdE bezeichnet den durch die körperlichen, seelischen und geistigen Folgen des Versicherungsfalls bedingten Verlust an Erwerbsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Steht die unfallbedingte Leistungs-einbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteil vom 29. November 1956, 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149; Urteil vom 27. Juni 2000, B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7; Urteil vom 02. Mai 2001, B 2 U 24/00 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Dabei sind die medizinischen und sonstigen Er-fahrungssätze ebenso zu beachten wie die Gesamtumstände des Einzelfalles (BSG, Urteil vom 02. Mai 2001, B 2 U 24/00, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Wie weit die Unfall-folgen bzw. die Folgen der anerkannten Berufskrankheit die körperlichen und geisti-gen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen sind die Erfahrungs-sätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Er-fahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täg-lichen Praxis (BSG, Urteil vom 26. Juni 1985, 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23; Urteil vom 26. November 1987, 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27; Urteil vom 30. Juni 1998, B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewähr-leistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).

Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze erweist sich der Bescheid vom 10. August 2004 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 17. Mai 2006 insoweit als rechtmäßig, als die Beklagte das Ereignis vom 27. September 2002 als Unfall und als dessen Fol-gen eine Schulterprellung rechts und eine verheilte Unterschenkelprellung rechts fest-gestellt hat. Soweit die Beklagte, dem Ersten Rentengutachten von Dr. Kvom 24. Mai 2004 folgend, darüber hinaus als Unfallfolge eine Verkürzung des seitlichen Schlüs-selbeinendes mit Umlagerung des acromialen Bandes und Einbringung eines Trivira-bandes des rechten AC-Gelenkes anerkannt hatte, geschah dies rechtswidrig begüns-tigend, so dass sie – wie unten zu II. noch auszuführen sein wird - diese zunächst an-erkannten Unfallfolgen mit dem Bescheid vom 08. August 2006 zurücknehmen durfte. Mit Recht hat die Beklagte das Carpaltunnel-Syndrom, die Hörstörung, den Tinnitus und die psychische Erkrankung nicht als Unfallfolgen berücksichtigt, denn diese Ge-sundheitsstörungen wurden nicht rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 27. September 2002 verursacht. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Feststellung einer höheren MdE als 20 v. H. und Zahlung einer höheren Verletztenrente im hier streitigen Zeitraum.

Die von der Beklagten ursprünglich im Bescheid vom 10. August 2004 anerkannten Unfallfolgen rechtfertigen keinesfalls eine höhere MdE als 20 v. H. So ist eine ent-schädigungspflichtige MdE aufgrund der - zu Recht - festgestellten Unfallfolgen "Schulterprellung rechts, verheilte Unterschenkelprellung rechts" nicht verblieben, da diese bereits nach wenigen Tagen bzw. Wochen nach dem Unfallereignis ausgeheilt waren. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus den Gutachten des Facharz-tes für Orthopädie Dr. L vom 04. März 2005 sowie des Facharztes für Chirurgie Prof. Dr. H vom 21. März 2006, die alle vorliegenden Befunde, das Unfallereignis und die Beschwerdeschilderungen des Klägers unter Berücksichtigung der unfallmedizini-schen Kriterien umfassend gewürdigt haben. Soweit die Beklagte entsprechend dem Ersten Rentengutachten von Dr. K vom 24. Mai 2004 – rechtswidrig – als weitere Un-fallfolge die Verkürzung des seitlichen Schlüsselbeinendes mit Umlagerung des acro-mialen Bandes und Einbringung eines Trivirabandes des rechten AC-Gelenks aner-kannt hatte, rechtfertigen die objektiven Befunde bezüglich der Schulterfunktion jeden-falls keine höhere MdE als 20 v. H. Während sich bei der Untersuchung durch Dr. K am 29. April 2004 noch mehr oder weniger ausgeprägte Einschränkungen des Schul-tergelenks bei der Beweglichkeitsprüfung in fast allen Ebenen fanden, vermochte der von der LVA Berlin beauftragte Gutachter, der Chirurg Dipl.-Med. P bei seiner Unter-suchung am 02. Juni 2004 bis auf eine Druckschmerzhaftigkeit um das AC-Gelenk und eine gewisse Schmerzhaftigkeit bei Abduktion und Elevation keine Funktionsein-schränkungen der rechten Schulter mehr festzustellen. Ebenso beschrieb der den Kläger behandelnde Arzt Prof. Dr. S als Ergebnis seiner Untersuchung vom 27. Okto-ber 2004 bei geklagter Schmerzhaftigkeit keine objektivierbaren Funktionseinschrän-kungen mehr. Die anlässlich der Begutachtung bei Dr. L am 23. Februar 2005 erho-benen Befunde waren nicht geeignet, eine MdE zu begründen. Dort zeigte sich keine Verschmächtigung der Schulter- und Nackenmuskulatur rechts, woraus auf eine sei-tengleiche Belastung der Muskulatur zu schließen ist. Auch die Bewegungsausmaße waren frei und seitengleich, wenn auch rechtsseitig unter Schmerzangabe. Die noch von Dr. K festgestellten Beweglichkeitseinschränkungen in der rechten Schulter recht-fertigen, da sowohl die Armvorwärts- und –seitwärtshebung über 120 Grad hinaus möglich war, nur mit Blick auf die Rotationseinschränkungen gerade noch eine MdE von 20 v. H. (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 523).

Abgesehen davon, ist der Zustand nach operativer Verkürzung des seitlichen Schlüs-selbeinendes mit Umlagerung des acromialen Bandes und Einbringung eines Trivira-bandes des rechten AC-Gelenks nicht durch den Unfall vom 27. September 2002 be-dingt. Wie die Gutachter Dr. L und Prof. Dr. H überzeugend dargelegt haben, hatte der Kläger lediglich eine Schulterprellung erlitten, die schon weit vor der Operation ausge-heilt war. Weder anhand der diversen Unfallschilderungen des Klägers noch anhand der zeitnah zum Unfallgeschehen erhobenen Befunde lässt sich eine schwerere Schulterverletzung feststellen. Für diese Einschätzung spricht zunächst, dass der erstbehandelnde Durchgangsarzt Dr. K bei seiner Untersuchung nur Bewegungs-schmerzen in der rechten Schulter bei freier Beweglichkeit fand, jedoch keine äußeren Verletzungszeichen (Durchgangsarztbericht vom 27. September 2002). Röntgenolo-gisch ergaben sich keine Anhaltspunkte für eine Fraktur. Laut MRT-Bericht von 07. Oktober 2002 lag kein Nachweis für schwerere Verletzungen, etwa in Form einer AC-Gelenksprengung oder einer Rotatorenmanschettenruptur vor. Auch aus dem akten-kundigen Hergang des Unfallereignisses ergibt sich kein Anhalt für eine schwerer wiegende Beeinträchtigung. Hier fällt die äußerst vage Darstellung des Unfallereignis-ses auf. Obwohl der Kläger eine polizeiliche Unfallaufnahme erwähnt, hat er weder das Protokoll vorgelegt noch Unfallzeugen benannt, obgleich er in Begleitung von Kol-legen war. Auch die Darstellung des Unfallhergangs ist uneinheitlich. So hat der Klä-ger zunächst lediglich angegeben, von einer Radfahrerin angefahren worden zu sein. Gegenüber dem Gutachter Dr. H hat er seinen Vortrag dahingehend erweitert, dass er bei dem Zusammenstoß gestürzt sei, wogegen er gegenüber dem Gutachter Dr. L angegeben hat, nicht er, sondern die Radfahrerin sei bei dem Unfall zu Fall gekom-men, er selbst sei lediglich gestrauchelt und sei einfach "geschockt" gewesen. Ge-genüber dem Gutachter Dr. H hat der Kläger dann erstmals angegeben, er habe sich bei dem Anprall mit der rechten Hand am Auto abgestützt, sich danach "zum Ausru-hen hingesetzt und Zigaretten geraucht". Keinesfalls belegen die geschilderten Um-stände einen schwereren Anfahrunfall.

Insoweit handelt es sich nicht um Unfallfolgen, sondern um solche der am 14. April 2003 im St. M Krankenhaus erfolgten Operation des AC-Gelenks. Dem Einwand des Klägers, die Beklagte müsse auch für solche Unfallfolgen eintreten, die sich auf Ope-rationen zur Feststellung von Ursache, Art, Umfang und Ausmaß der Schädigungsfol-gen beziehen würden, ist nicht zu folgen. Es lässt sich schon nicht mit der erforderli-chen Wahrscheinlichkeit feststellen, dass dieser ärztliche Eingriff durch das Anprall-trauma verursacht wurde. Bereits Dr. K, der im Ersten Rentengutachten vom 24. Mai 2004 zwar die Folgen der Operation am AC-Gelenk als letztlich unfallbedingt ange-nommen hat, hat darauf hingewiesen, dass man sich mit der Verletzung des rechten Schultereck-Gelenks "kritisch" auseinandersetzen müsse, da weder die Röntgen- noch die MRT-Aufnahmen eine Tossy-III-Verletzung nachgewiesen hätten. Bei der Untersuchung des Klägers durch Dr. S am 24. Oktober 2003 wurden Zweifel an einem Zusammenhang des Fahrradunfalls mit der nachfolgenden Operation nach Weaver-Dunn im St. M-Krankenhaus ausgesprochen. Dass die AC-Gelenkspathologie rechts beim Kläger bereits schicksalhaft, d. h. auf Grund einer inneren Schadensanlage, vor-handen war, ergibt sich aber vor allem unter Berücksichtigung der nach dem Unfall durchgeführten Röntgen- und MRT-Untersuchungen sowie der eingeholten Gutachten von Dr. L und Prof. Dr. H. Der Facharzt für Chirurgie Dr. L hat in seinem Zusammenhangsgutachten vom 04. März 2005 ausgeführt, dass der Kläger bei dem Unfall zwar eine direkte Anprallverlet-zung der rechten Schulter erlitten habe, jedoch seien weder im knöchernen noch im Weichteilbereich der Schulter röntgenologisch bzw. durch die zehn Tage nach dem Unfall durchgeführte MRT-Aufnahme unfallbedingte strukturelle Veränderungen nach-gewiesen worden. Die Diagnose einer Tossy-I-Verletzung (Bänderverletzung) entbeh-re jeder Grundlage. Zu einer Verletzung tiefer gelegener Strukturen könne es nur kommen, wenn äußerlich sichtbare Verletzungsmerkmale nachweisbar seien. Hieran fehle es jedoch. Im Zeitpunkt des Unfalls hätten vielmehr degenerative Veränderun-gen im Bereich des Schulterhaupt- und Nebengelenks vorgelegen. Der Facharzt für Chirurgie Prof. Dr. H hat in seinem Gutachten vom 21. März 2006 bestätigt, dass der beschriebene Unfallhergang und die festgestellten Verletzungsspu-ren keinerlei fassbare Unfallfolgen für das rechte Schultergelenk erbracht hätten. An-gesichts der eindeutigen Röntgen- und MRT-Befunde lasse sich die AC-Gelenkspathologie rechts ausschließlich auf eine vorbestehende Schadensanlage des Klägers, der ein erhebliches Aggravationsverhalten an den Tag lege, zurückführen. Die Operation sei ausschließlich zur Behebung der im Schultereckgelenk unfallunab-hängig bestehenden Beschwerden aufgrund bereits vorliegender, degenerativer Ver-änderungen im Bereich des Schulterhaupt- und Nebengelenks erfolgt. Ein Zusam-menhang zum Unfallereignis sei nicht herstellbar.

Daher ist auch kein Raum für die vom Kläger aufgeworfene Frage nach der Berück-sichtigung von Folgen einer vorgetragenen ärztlichen Fehlbehandlung im Rahmen der Operation des Schultereckgelenks, denn ein Zusammenhang der im OP-Bericht be-schriebenen degenerativ bedingten AC-Gelenkarthrose mit leichtem Impingement des Muskulus Supraspinatus und degenerativen Veränderungen im Bereich des Tubercu-lum majus zum Unfallereignis ist nicht herstellbar. Insoweit handelt es sich um eine vorbestehende Schadensanlage in Form einer AC-Gelenksverschleißerkrankung rechts. Zudem spricht auch der dokumentierte zeitliche Ablauf gegen einen Zusam-menhang zwischen der Operation und dem Unfallgeschehen. Die Arbeitsunfähigkeit des Klägers vor Beginn der Belastungserprobung am 04. Februar 2003 beruhte auf dem (unfallunabhängigen) Carpaltunnelsyndrom, welches am 19. November 2002 operativ behandelt wurde (vgl. Berichte von Dr. K vom 03. Dezember 2002 und 21. Januar 2003). Erst nachdem während der Belastungserprobung beim Kläger verstärkt Schulterbeschwerden aufgetreten waren (die nach den überzeugenden Ausführungen von Dr. L und Prof. Dr. H den degenerativen Veränderungen zuzuordnen sind), wurde nach erfolgloser konservativer Behandlung die Notwendigkeit einer operativen Sanie-rung des Schultergelenks gesehen (vgl. Berichte von Dr. K vom 13. Februar 2003 und 09. April 2003).

Zu Recht hat die Beklagte das Carpaltunnelsyndrom, den Tinnitus, die Gleichge-wichtsstörungen und die psychische Erkrankung nicht als Unfallfolgen berücksichtigt, denn diese Erkrankungen wurden nicht rechtlich wesentlich durch den Arbeitsunfall vom 27. September 2002 verursacht.

Das Carpaltunnelsyndrom ist nicht unfallbedingt entstanden, sondern hat schicksalhaft bereits vor dem Unfall vorgelegen. Die Gutachter Dr. K(im Ersten Rentengutachten vom 24. Mai 2004), Dr. L (im Zusammenhangsgutachten vom 04. März 2005) und Prof. Dr. H (im Gutachten vom 21. März 2006) haben übereinstimmend und nachvoll-ziehbar ausgeführt, dass der vom Kläger bei dem Unfall erlittene Stoß an die Schulter nicht geeignet gewesen sei, ein Carpaltunnelsyndrom hervorzurufen. Auch nach sei-nen eigenen Angaben ist der Kläger nicht an der Hand bzw. am Unterarm verletzt worden, er ist weder darauf gestürzt noch konnte ein direktes Anprallereignis oder eine Gewalteinwirkung im Handgelenksbereich, die ein derartiges Syndrom hätte aus-lösen können, festgestellt werden. Vielmehr haben die Gutachter darauf hingewiesen, dass ein Carpaltunnelsyndrom infolge einer – meist vorbestehenden - anatomischen Enge des Carpaltunnels, die den Nerv schädige, entsteht. Hierzu könne es zwar auch durch eine Gewebeschwellung, etwa infolge einer mechanische Überlastung, Entzün-dung oder Allgemeinerkrankungen, kommen. Gleichwohl sei entscheidend die vorbe-stehende, unfallunabhängige Veranlagung. Diese Einschätzung wird bestätigt durch das handchirurgische Zusatzgutachten von Dr. W vom 14. Dezember 2005. Der Gutachter hat es zwar für möglich gehalten, dass das Carpaltunnelsyndrom durch eine Schonhaltung auf Grund der Unfallprellung aus-gelöst worden sein könnte, er hat aber darauf hingewiesen, dass es bereits vorher bestanden habe und keinesfalls als unfallbedingt anzusehen sei. Es werde kein Un-fallhergang mit Sturz auf die rechte Hand oder Verdrehung des rechten Handgelenkes geschildert, es sei ein solcher auch nicht aus den Unterlagen zu entnehmen. Vielmehr deuteten aktenkundige frühere Behandlungen wegen Synovitis und Tendosynovitis auf eine Vorbelastung der Sehnen hin. Dies werde dadurch bestätigt, dass bei der Untersuchung auch ein Engpasssyndrom im I. Strecksehnenfach am Handgelenk, verursacht durch entzündlich verdicktes Sehnengleitgewebe, und ein Schnappfinger festgestellt worden seien. Ein Carpaltunnelsyndrom entstehe nahezu ausschließlich durch ein Missverhältnis von Platzbedarf und Platzangebot im Carpaltunnel, oft be-dingt durch Verdickung des Sehnengleitgewebes im Sinne einer Synovialitis. Schließ-lich sei auch ein latentes Carpaltunnelsyndrom links, also auf der unfallfernen Seite, festzustellen. Auch dem Vorerkrankungsverzeichnis der City BKK vom 10. November 2004 lasse sich entnehmen, dass der Kläger vor dem Unfall bereits mehrfach wegen Synovitis und Tendosynovitis arbeitsunfähig erkrankt war. Nach alledem sei das Car-paltunnelsyndrom rechts durch den Unfall lediglich manifest geworden. Es handele sich auch nicht um eine richtunggebende Verschlimmerung eines bereits bestehenden Leidens, sondern um ein zeitliches, zufälliges Zusammentreffen. Es entstehe der Ein-druck, dass die zahlreichen vorbestehenden Gesundheitsstörungen vom Kläger igno-riert und alles im Sinne eines übertriebenen Kausalitätsbedürfnisses dem Unfall ange-lastet werde. Auch aus neurologischer Sicht sind sowohl Dr. B (Bericht nach neurologischer Unter-suchung vom 29. Oktober 2002) wie auch Dr. H im Gutachten vom 28. Mai 2005 zu dem Ergebnis gelangt, dass sich das Carpaltunnelsyndrom als unfallunabhängig dar-stelle.

Hinsichtlich der auf HNO-Gebiet beklagten Beschwerden, wie Tinnitus, Hörminderung und Schwindel, hat der Facharzt für HNO-Heilkunde Prof. Dr. E in seinem Gutachten vom 24. April 2005 nachvollziehbar dargelegt, dass diese Beschwerden nicht auf den Unfall vom 27. September 2002 zurückzuführen sind. So habe der Kläger bereits nach einem (privat veranlassten) Motorradunfall vor 20 Jahren einen Tinnitus beklagt, der sich mit den Jahren verstärkt habe (siehe auch Bericht des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B vom 17. Mai 2004). Für die Richtigkeit der Einschätzung des Gutachters spricht zudem, dass die behandelnde HNO-Ärztin Dipl.-Med. Eeinen chro-nischen, dekompensierten Tinnitus aurium links sowie eine Innenohrschwerhörigkeit links (25 %) und rechts (5 %) mit Z. n. Hörgeräteversorgung links attestiert und ausge-führt hat, der Kläger sei bereits seit dem Jahr 2000 wegen wiederholter Exacerbation dieser Hörstörungen in ihrer Behandlung (vgl. Attest vom 12. August 2003, vorgelegt im Schwerbehindertenverfahren). Zu berücksichtigen ist schließlich, dass hier kein Unfallhergang vorgelegen hat, der geeignet gewesen wäre, einen Tinnitus und eine Hörstörung hervorzurufen. Es gab kein Ereignis mit starkem Lärm oder einem Anprall auf der linken Kopfseite, die das linke Ohr geschädigt haben könnten. Auch die Schwindelbeschwerden, sollten sie überhaupt vom Tinnitus verursacht sein, können daher nicht auf den Unfall vom 27. September 2002 zurückgeführt werden. Soweit der Kläger als weitere Ursache - neben dem beklagten Tinnitus und der depressiven Er-krankung – die Einnahme von Medikamenten sieht, wird das Vorkommen von Schwindel (Gleichgewichtsstörungen) als eine mögliche Nebenwirkung des dem Klä-ger rezeptierten Antidepressivums Gladem genannt. Ein Zusammenhang der Schwin-delerscheinungen mit der Medikamenteneinnahme wäre jedoch nicht als unfallbedingt zu werten, denn wie der Tinnitus ist auch die psychische Erkrankung des Klägers nicht ursächlich auf den Unfall zurückzuführen.

Die auf psychiatrischem Gebiet liegenden Erkrankungen können, wie bereits der Gut-achter Dr. H in seinem Gutachten vom 28. Mai 2005 überzeugend ausgeführt hat, e-benfalls nicht als Unfallfolge festgestellt werden. Vielmehr hat eine beim Kläger beste-hende depressive Grundstörung bereits vor dem Unfall vorgelegen, diese ist mit dem Antidepressivum Gladem behandelt worden. Die Einschätzung Dr. H wird gestützt durch das Gutachten des neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Dr. A vom 22. Oktober 2009. Der Sachverständige ist zwar zur Diagnose einer Neurasthenie (ICD 10: F48.0) gelangt, er hat jedoch aus-geführt, dass die Neurasthenie weder im Sinne der erstmaligen unfallverursachten Entstehung noch im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eines unfallunabhän-gigen Leidens auf das Unfallereignis zurückzuführen sei. Vielmehr handele es sich bei den geklagten Beschwerden (Tinnitus, sporadische Schwindelgefühle und verstärkte Schmerzwahrnehmung) um Somatisierungssymptome im Sinne einer aktivierten vor-bestehenden gleichartigen Störung (Schadensanlage), die eine wesentliche und ent-scheidende Bedingung für die psychische Erkrankung darstelle. Für die Richtigkeit dieser Einschätzung spricht auch der Umstand, dass der Kläger einige Monate vor dem Unfall, im Frühjahr des Jahres 2002, nach der Trennung von seiner Ehefrau in psychiatrischer Behandlung war. Nach seiner gegenüber dem Gut-achter geäußerten Selbsteinschätzung sei ihm "alles zu viel gewesen", er habe noch nicht die Trennung überwunden gehabt und sich durch die Konflikte mit dem Arbeit-geber, der ihn unter Druck gesetzt habe, und die anstrengende Arbeit überfordert ge-fühlt. Nach dem Unfallereignis sei es zu Enttäuschung und Frustration über Fehlver-halten des Arbeitgebers und des Betriebsrates gekommen, man habe ihn "loswerden wollen". Außerdem sei sein Lohn wegen eines vorübergehenden Einsatzes im Bereich einfacherer Tätigkeiten zurückgestuft worden. Von da ab habe er auch eine Intensivie-rung des seit Jahren bestehenden Tinnitus bemerkt. Nachvollziehbar führt der Sachverständige Dr. A aus, dass nicht der eher leichte Un-fall eine wesentliche Ursache für das Entstehen der psychischen Erkrankung des Klä-gers gewesen sei, vielmehr sei diese durch eine persönliche Veranlagung hervorgeru-fen worden. Hierbei werde nicht in Frage gestellt, dass der Kläger sich durch das vor-getragene Verhalten von Seiten seines Arbeitgebers und des Betriebsrates gekränkt gefühlt habe. Der Grund für die Verstärkung der seelischen Symptome liege jedoch weder im Unfall noch im Verhalten des Arbeitgebers, sondern in der Persönlichkeit des Klägers mit unfallunabhängiger Anfälligkeit für Kränkungen und Verletzungen, die die wesentliche Ursache für die psychische Erkrankung darstelle.

Der Senat fühlte sich nicht gedrängt, die vom Kläger im Rahmen seiner Berufungsbe-gründung für notwendig erachtete Persönlichkeitsdiagnostik und testpsychologische Zusatzuntersuchung vornehmen zu lassen. Diese sind - worauf Dr. A in seiner ergän-zenden Stellungnahme vom 16. September 2010 hingewiesen hat - bereits anlässlich des Reha-Verfahrens durchgeführt worden. Auch würden derartige Testverfahren kei-ne neuen Erkenntnisse zur Frage der Ursächlichkeit des Unfalls mit der seelischen Störung erbringen, denn sie sind nur geeignet, einen Status quo abzubilden, ohne auf Ursachen einzugehen. Der Senat teilt auch nicht die vom Kläger geäußerte Kritik an dem Gutachten von Dr. A Der Sachverständige hat sich mit den vorgetragenen Be-schwerden auseinandergesetzt und diese im Hinblick auf die konkurrierenden Fakto-ren des Unfallereignisses einerseits, der Vorbelastung des Klägers und seine Situati-on am Arbeitsplatz andererseits abgewogen und als rechtlich wesentlich die vorbeste-hende Neurasthenie angesehen. Dieses Ergebnis erscheint bereits unter Berücksich-tigung der eigenen Angaben des Klägers nachvollziehbar begründet. Es wird insbe-sondere gestützt durch die bereits erwähnten Eintragungen im Vorerkrankungsver-zeichnis der City BKK vom 10. November 2004, aus denen hervorgeht, dass der Klä-ger u. a. auch wegen psychischer Erkrankungen, die jeweils durch psychosoziale Be-lastungen bzw. Krisensituationen bereits vor dem Unfallereignis ausgelöst wurden (z. B. Trennung von der Ehefrau im Frühjahr 2002), behandelt worden ist. Von daher er-scheint es nachvollziehbar, dass auch die nach dem Unfall aufgetretenen Konflikte mit dem Arbeitgeber, die Degradierung im Rahmen der Beschäftigung mit die Lohneinbu-ße, zur Intensivierung der vorbestehenden seelischen Störung beigetragen haben.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der vom Kläger vorgelegten ärztlichen Atteste; vielmehr sprechen diese bereits für das Vorbestehen der vom Klä-ger als unfallabhängig bezeichneten Erkrankungen. So hat die Ärztin für Allgemein-medizin K in ihrem Attest vom 05. August 2004 angegeben, dass sie den Kläger be-reits seit 2002 wegen depressiver Episoden, Schulter-, Thoraxschmerzen, somato-formen Störungen und Insomnie für psychisch und körperlich stark eingeschränkt be-lastungsfähig halte. Die Fachärztin für Nervenheilkunde I attestierte unter dem 03. August 2004 ein Carpaltunnelsyndrom und eine Schädigung des Nervus medianus sowie eine depressive Symptomatik, die HNO-Ärztin Dipl.-Med. Eliaschewitz unter dem 21. September 2004 einen chronischen, dekompensierten Tinnitus aurium links und eine Innenohrschwerhörigkeit links (25 %) und rechts (5 %) mit Z. n. Hörgeräte-versorgung links, wobei sie darauf hinwies, dass der Kläger bereits seit dem Jahr 2000 wegen der Hörstörung in Behandlung gewesen sei. Soweit der Kläger weitere Erkrankungen aufzählt, nämlich eine Anpassungsstörung bei beruflicher Belastung mit deutlicher Somatisierungstendenz (F43.23) und einen Schmerzmittelmissbrauch nach Clavikularesektion (F55.2), sowie wiederum auf die Vor- und Einweisungsdiagnosen seiner behandelnden Ärzte (depressive Störung, Panikstörung, chronischer Tinnitus links, Impingementsyndrom, Schultersteife rechts, Cervikalsyndrom, Tendovaginitis, Klavikularesektion, AC-Gelenkplastik nach Schulterprellung, ACG-Arthrose, anhalten-de somatoforme Schmerzstörung) hinweist, lässt sich hieraus kein Zusammenhang dieser Leiden mit dem Unfallgeschehen vom 27. September 2002 feststellen. Weder ist ein solcher von den behandelnden Ärzten und Kliniken nachvollziehbar benannt und begründet worden, noch lässt er sich unter Berücksichtigung der oben dargestell-ten Gutachten begründen. Schließlich lässt sich auch dem vom Kläger überreichten Befundbericht der Fachklinik W vom 14. Oktober 2005 (Chefarzt Dr. S) entnehmen, dass der Unfall keine schwer wiegenden Traumen nach sich gezogen hat, dass der Heilungsverlauf sich aufgrund vorbestehender verschleißbedingter Veränderungen im Schultergürtel kompliziert gestaltet habe und dass der jahrelang gut kompensierbare Tinnitus aufgrund von Querelen mit dem Arbeitgeber eskaliert sei. Es entstehe der Eindruck, dass der Kläger im Wesentlichen darum kämpfe, eine leichtere Tätigkeit ohne finanzielle Nachteile ausüben zu können.

II. Der Bescheid vom 08. August 2006, mit welchem die Beklagte während des Klagever-fahrens den Bescheid vom 10. August 2004 nach § 45 Abs. 1 SGB X mit Wirkung für die Zukunft hinsichtlich der anerkannten Unfallfolge "Verkürzung des seitlichen Schlüsselbeinendes mit Umlagerung des acromialen Bandes und Einbringung eines Trivirabandes des rechten AC-Gelenkes" zurückgenommen hat, erweist sich als rechtmäßig.

Gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwal-tungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nach Unanfechtbarkeit nur unter den Ein-schränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft o-der für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigen-der Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzu-mutbaren Nachteilen rückgängig machen kann.

Wie zuvor unter I. bereits ausgeführt, war der den Kläger begünstigende Bescheid der Beklagten vom 10. August 2004 rechtswidrig, soweit darin als Folge des Unfalls vom 27. September 2002 die Verkürzung des seitlichen Schlüsselbeinendes mit Umlage-rung des acromialen Bandes und Einbringung eines Trivirabandes des rechten AC-Gelenks anerkannt worden war. Insoweit war der Bescheid vom 10. August 2004, da vom Kläger diesbezüglich nicht angefochten, auch bestandskräftig geworden. Die Voraussetzungen für eine teilweise Rücknahme des Bescheids vom 10. August 2004 mit Wirkung für die Zukunft lagen daher vor.

In formellrechtlicher Hinsicht begegnet der Bescheid keinen ernsthaften rechtlichen Bedenken. Die Beklagte hat die Zwei-Jahresfrist nach § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X ein-gehalten, denn der Bescheid vom 08. August 2006 wurde dem Prozessbevollmächtig-ten des Klägers noch am gleichen Tag per Boten zugestellt. Die Erfüllung der in § 45 SGB X genannten Voraussetzungen scheitert auch nicht an unzureichenden Ermessenserwägungen. Zwar ist eine Rücknahme nach § 45 Abs.2 SGB X ausgeschlossen, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsak-tes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Der Rücknahmebescheid muss erkennen lassen, dass sich die Behörde bewusst war, einen Ermessensspielraum zu haben und die Gesichtspunkte zentraler Bedeutung aufzeigen, von denen die Behörde bei der Aus-übung des Ermessens ausgegangen ist (von Wulffen, SGB X, § 45 Anm.4). Im Streit-fall ergibt sich eine nähere Darstellung der Ermessenserwägungen zwar nicht direkt aus dem Bescheid vom 08. August 2006. Jedoch hat die Beklagten zum einen ledig-lich eine Änderung mit Wirkung für die Zukunft vorgenommen und damit eine Aus-übung des Rücknahmeermessens durch Berücksichtigung eines Vertrauensschutzes des Klägers für die Vergangenheit deutlich gemacht. Zum anderen hat sie den Kläger mit Schreiben vom 19. Juli 2006 zu der beabsichtigten teilweisen Zurücknahme des Bescheides vom 10. August 2004 mit Wirkung für die Zukunft nach § 24 SGB X ange-hört. Hierbei hat sie ihre Gründe dargelegt und zugleich den Kläger darauf hingewie-sen, dass er seinerseits Gründe für eine unbillige Härte der beabsichtigten Entschei-dung geltend machen könne und hat auch als derartige mögliche Gründe, etwa finan-zielle oder Vermögensdispositionen auf Grund bisheriger Rentenzahlungen, genannt. Abgestellt auf den Empfängerhorizont des Klägers konnte dieser Hinweis nur als Auf-forderung verstanden werden, mögliche, in eine Ermessensausübung einzubeziehen-de Umstände vorzubringen. Der Kläger hat daraufhin lediglich vorgetragen, dass die Beklagte für Operationsfolgen und Komplikationen zumindest dann hafte, wenn die Operation unfallbedingt erforderlich wurde. Diese Einschätzung war - wie bereits dar-gelegt - im Streitfall zum einen unzutreffend, sie betrifft zum anderen auch nicht Grün-de, die in die Ermessenserwägungen einfließen könnten, sondern den dem Ermessen entzogenen Bereich der festzustellenden Unfallfolgen. Anhaltspunkte für eine unbillige Härte aufgrund getroffener Vermögensdispositionen auf Grund bisheriger Rentenzah-lungen hat der Kläger nicht vorgetragen, sie liegen auch nach Aktenlage nicht vor. Demzufolge ist es nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im Rahmen ihrer Abwä-gung sich für eine Herstellung des materiell rechtmäßigen Zustandes entschieden und damit ihrem gesetzlichen Auftrag, nur durch einen Arbeitsunfall verursachte Folgen anzuerkennen und zu entschädigen, entsprochen hat.

Nach alldem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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