L 19 AS 1608/10 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Dortmund (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 2668/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 19 AS 1608/10 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 30.08.2010 wird zurückgewiesen.

Gründe:

Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre Klage gegen die Verrechnung überzahlter Heizkosten mit einem Leistungsanspruch nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Die in Bedarfsgemeinschaft lebenden Kläger beziehen fortlaufend Leistungen nach dem SGB II, die ab dem 01.10.2008 unter Berücksichtigung monatlich anerkannter Kosten der Heizung von 34,07 EUR bis zum 31.01.2009 sowie ab dem 01.02.2009 bis zum 31.12.2009 unter Berücksichtigung monatlich anerkannter Kosten der Heizung in Höhe von 48,17 EUR bewilligt wurden.

Aus der vorgelegten Jahresabrechnung des Energieversorgers der Kläger vom 22.01.2010 ergab sich ein Gesamtüberschuss der im Jahr 2009 gezahlten Abschläge für Gas und Strom gegenüber den tatsächlichen Verbräuchen in Höhe von 94,33 EUR, um den der erste Abschlag für die neue Abrechnungsperiode, fällig am 10.02.2010, zu mindern sei. Der verbleibende Betrag von 5,67 EUR werde zum 10.02.2010 fällig und vom Konto der Kläger abgebucht. Die Abrechnung vom 22.01.2010 enthält zudem die Festsetzung eines neuen Abschlages für die Gaslieferung in Höhe von 57,- EUR monatlich.

Die Beklagte ermittelte die Differenz zwischen den im Jahre 2009 gezahlten Leistungen für Heizung und den vom Energieversorger abgerechneten Verbräuchen, bereinigt um einen Abzug für die Kosten der Warmwasseraufbereitung, und bewilligte den Klägern mit Bescheid vom 08.02.2010 für den Zeitraum vom 01.02.2010 bis 31.03.2010 Leistungen nach dem SGB II als Vorschuss. Aufgrund der vorgelegten Jahresrechnung der Stadtwerke seien die Heizkosten zum 01.02.2010 anzupassen und das errechnete Guthaben in Höhe von 48,66 EUR einmalig im März 2010 einzubehalten.

Mit weiterem Bescheid vom 08.02.2010 lehnte die Beklagte den Antrag auf Übernahme weiterer Heiz- und Betriebskosten für den Abrechnungszeitraum vom 01.01.2009 bis 31.12.2009 vom 26.01.2010 ab.

Gegen den Bescheid vom 08.02.2010 legten die Kläger am 19.03.2010 Widerspruch ein, der nicht begründet wurde. Mit Bescheid vom 05.05.2010 bewilligte die Beklagte den Klägern Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2010 bis 31.03.2010 endgültig sowie unter Berücksichtigung eines pauschalen Abzugs von 30,- EUR vom angerechneten Einkommen des Klägers zu 2). Mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2010 (W 921/10), auf dessen Begründung Bezug genommen wird, wies die Beklagte den Widerspruch der Kläger zurück. Gegen diese Entscheidung haben die Kläger am 10.06.2010 Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Minderung ihres Leistungsanspruches für März 2010 um 48,66 EUR wenden. Kosten der Warmwasseraufbereitung dürften nicht nachträglich angerechnet werden.

Mit Beschluss vom 30.08.2010 hat das Sozialgericht die zugleich mit Klageerhebung beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen den am 06.09.2010 zugestellten Beschluss hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger am 08.09.2010 namens und in Auftrag "der Klägerin" Beschwerde eingelegt, auf deren Begründung Bezug genommen wird. Zu weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

Der Senat legt die ausdrücklich nur im Namen "der Klägerin" geführte Beschwerde im Wege der Meistbegünstigung so aus, dass auch im Namen des Klägers zu 2) Beschwerde eingelegt wird, da beide Kläger den sie einheitlich betreffenden Leistungsbescheid gemeinsam angreifen und nicht ersichtlich ist, warum der Kläger zu 2) seinen Teilanspruch zwischenzeitlich aufgegeben haben sollte.

Den Klägern steht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des sie vertretenen Rechtsanwaltes nach §§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), 114 f. der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht zu, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne von § 114 ZPO aufweist.

Als Ergebnis der hier vorzunehmenden summarischen Prüfung ergeben sich zwar Zweifel an der Richtigkeit der von der Beklagten vorgenommenen Berechnung. Die Kläger werden jedoch durch diesen möglichen Fehler nicht benachteiligt und durch die angefochtenen Bescheide nicht beschwert. Die mit Bescheiden vom 08.02.2010, 05.05.2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2010 vorgenommene Anrechnung in Höhe von 48,66 EUR wird von der Beklagten auf § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II gestützt.

Nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II mindern Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen. § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II ist mit dem zum 01.08.2006 in Kraft getretenen "Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20.07.2006 (BGBl I, 1706) eingeführt worden, um zuvor bestehende Anrechnungsprobleme zu beseitigen. Vor der Einführung der Vorschrift wurden Rückzahlungen der Energieversorger als Einkommen angerechnet. Dies führte zum einen dazu, dass ein Versicherungspauschbetrag bzw. Versicherungskosten von der Rückzahlung abgesetzt werden musste, zum anderen dazu, dass überzahlte Betriebskosten im Wesentlichen der Agentur für Arbeit zugute kamen, obwohl diese zu über 70% von den Kommunen im Rahmen ihrer Leistungszuständigkeit für Leistungen nach § 22 SGB II aufgebracht worden waren. Dies zu ändern, war ausdrücklich erklärte Intention des Gesetzgebers (Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Bundestagsdrucksache 16/1696 vom 31.05.2006, S. 26 f. zu Nr. 6a des Entwurfes). Dort heißt es weiter: "Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, Erstattungen überzahlter Betriebskosten unmittelbar von den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung abzusetzen. Im Ergebnis kommt es zu einer Entlastung des kommunalen Trägers. Nicht abgesetzt werden können Rückzahlungsanteile, die sich auf die Kosten der Haushaltsenergie beziehen. Diese Kosten werden nicht vom kommunalen Träger, sondern aus der vom Bund zu finanzierenden Regelleistung bestritten." § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II findet daher nach Wortlaut und Materialien gleichermaßen eindeutig (nur) dann Anwendung, wenn Leistungsempfänger Rückzahlungen oder Guthaben erzielt haben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind und dem Leistungsempfänger zugute kommen (dies bejahend bei Rückfluss in die Insolvenzmasse im Falle der Verbraucherinsolvenz LSG NW Urteil vom 22.09.2009 - L 6 AS 11/09 -; verneinend bei Verrechnung durch den Vermieter mit einer eigenen Forderung SG Neubrandenburg Urteil vom 27.09.2010 - S 11 AS 960/07 -).

Der von der Beklagten angerechnete Betrag von 48,66 EUR ist von ihr als Differenz der zustehenden zu den geleisteten Zahlungen für Heizungskosten nach Abzug der Pauschale für Kosten der Warmwasserbereitung ermittelt worden (vgl. Erläuterungsschreiben vom 14.12.2010). Dies dürfte - der Senat lässt dies aber im Rahmen der hier alleine möglichen summarischen Prüfung im Ergebnis offen - nicht der sich aus dem Gesetzeszweck von § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II vorgegebene Berechnungsweg sein. Denn § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II dürfte nach Wortlaut und vorstehend beschriebener Intention des Gesetzgebers nur dann und nur insoweit Anwendung finden, als im Abrechnungsverhältnis der Leistungsempfänger zu ihrem Energieversorger ein Überschuss aufgetreten ist. Im Falle der Kläger hat sich nach der vorgelegten Jahresrechnung vom 22.01.2010 (Bl. 244 VA) im Jahre 2009 aus dem Abgleich der geleisteten Abschläge für Strom einerseits und Gas andererseits mit ihren tatsächlichen Verbräuchen im Kalenderjahr 2009 ein Gesamtüberschuss von 94,33 EUR ergeben, der mit der ersten Abschlagszahlung für die neue Abrechnungsperiode ab Februar 2010 verrechnet werden sollte.

§ 22 Abs. 1 S. 4 SGB II erfordert - nach der aus summarischer Prüfung gewonnenen Sicht des Senats - Ermittlungen, welche Anteile dieses Überschusses auf die Gasversorgung und hiervon wiederum auf die Gasversorgung ohne Kosten der Warmwasserbereitung entfallen. Dieser Überschuss dürfte am zweckmäßigsten durch Bildung der Differenz zwischen den geleisteten Abschlägen und den aufgetretenen Verbräuchen, jeweils bereinigt um die Abzüge für Kosten der Warmwasserbereitung, vorzunehmen sein. Im Jahr 2009 haben die Kläger im Januar 46,- EUR, in den Folgemonaten bis einschließlich Dezember 2009 60,- EUR, insgesamt also 706,- EUR Abschläge für die Gaslieferungen gezahlt. Nach Abzug der im Jahr 2009 bei zwei haushaltsangehörigen Personen zu berücksichtigenden Pauschalen für Kosten der Warmwasserbereitung von 138,24 EUR (vgl. Schriftsatz der Beklagten vom 14.12.2010) ergibt dies 567,76 EUR, die die Kläger im Jahre 2009 für Gaslieferungen zu reinen Heizzwecken aufgewendet haben. Tatsächlich verbraucht wurde im Jahr 2009 nach der Abrechnung vom 22.01.2010 Gas für 653,52 EUR. Hiervon entfallen nach Abzug der Pauschalen für Kosten der Warmwasserbereitung von 138,24 EUR auf Heizkosten 512,28 EUR. Die Differenz von 55,48 EUR (567,76 EUR - 512,28 EUR = 55,48 EUR) dürfte den alleine auf Heizkosten entfallenden Anteil an der Gesamtüberzahlung von 94,33 EUR und damit auch den nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II anrechenbaren Betrag darstellen. Bei Richtigkeit dieser Überlegungen wäre die mit den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Anrechnung zugunsten der Kläger um 6,82 EUR zu niedrig (55,48 EUR - 48,66 EUR = 6,82 EUR).

Kosten des Beschwerdeverfahrens nach Ablehnung von Prozesskostenhilfe sind entsprechend § 127 Abs. 4 ZPO nicht zu erstatten.

Dieser Beschluss ist endgültig, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
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