L 10 R 4402/10

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 4333/08
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4402/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.08.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Weitergewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der am geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und lebt seit 1969 in Deutschland. Er hat keine Berufsausbildung und war seit 1991 bis zuletzt als Hilfsarbeiter (Anlernzeit von drei bis 12 Monaten) im Straßenbau, in einer Asphaltkolonne, versicherungspflichtig beschäftigt. Nach zunächst erfolgter Ablehnung einer Rente wegen Erwerbsminderung erhielt er von der Beklagten auf Grund eines im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart S 13 R 6002/05 angenommenen Anerkenntnisses Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.08.2006 bis 31.01.2008. Zu Grunde lag das auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingeholte Gutachten von Prof. Dr. E.-H., Ärztliche Direktorin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am B.-hospital S., die eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, eine Panikstörung ohne Agoraphobie und eine somatoforme autonome Funktionsstörung mit Leitsymptom Schmerz diagnostizierte und die Leistungsfähigkeit des Klägers wegen der schweren depressiven Episode wie auch der somatoformen Schmerzstörung für die Tätigkeit als Bauarbeiter auf weniger als sechs Stunde einschätzte. Schon damals berichtete sie über Verdeutlichungstendenzen in der Beschwerdeschilderung und Aggravation im Rahmen der Untersuchung. Dr. S., Facharzt für Chirurgie, Sozialmedizin schloss in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme für die Beklagte aus diesem Gutachten auf ein Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten von unter 3 Stunden.

Den Rentenantrag vom 25.10.2007 lehnte die Beklagte nach Begutachtung des Klägers auf internistischem, nervenfachärztlichem und chirurgischem Fachgebiet durch Bescheid vom 23.01.2008 und Widerspruchsbescheid vom 11.06.2008 ab. Der Internist Dr. B. diagnostizierte einen gut eingestellten Bluthochdruck und eine Adipositas und nahm keine Einschränkungen des Leistungsvermögens an. Der Nervenarzt Dr. H. fand den Kläger nicht depressiv, er diagnostizierte eine Somatisierungsstörung mit somatoformen Schmerzangaben und angegebenem Spannungskopfschmerz und hielt den Kläger für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten sechs Stunden und mehr leistungsfähig. Zusätzlich zu den von Dr. H. aufgeführten Störungen diagnostizierte der Chirurg Dr. G. in seinem integrierenden Gutachten gering- bis mäßiggradige degenerative Wirbelsäulenveränderungen mit Funktionseinschränkung bei Fehlhaltung sowie beginnende degenerative Veränderungen in den Hüft- und Kniegelenken. Er sah das Leistungsvermögen des Klägers soweit gemindert, dass dieser nur noch leichte Arbeit in vollschichtigem Umfang ausüben könne. Einschränkungen machte er für langes Stehen und häufiges Bücken sowie Knien, Hocken und Überkopfarbeiten. Lasten sollten nur noch bis maximal 5 bis 10 kg gehoben und getragen werden. Arbeiten unter erhöhtem Zeitdruck sowie Nachtschicht seien nicht mehr zumutbar.

Das am 23.06.2008 angerufene Sozialgericht Stuttgart hat auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG erneut ein Gutachten bei Prof. Dr. E.-H. eingeholt. Die Sachverständige berichtete erneut über Verdeutlichungstendenzen, die das Ausmaß der Beeinträchtigungen unklar erschienen ließen, sowie über starke Aggravationstendenzen bezüglich der Angaben zum Tagesablauf und bei der körperlichen Untersuchung. Sie hat niedrigere Werte bei der Testung von Depression und Angst gefunden und darauf hingewiesen, dass der Leidensdruck zwar hoch erscheine, jedoch für einige widersprüchliche Angaben der sehr hohe sekundäre Krankheitsgewinn und ein bewusstes Nichtredenwollen, um weiterhin Rente zu erhalten, eine erhebliche Rolle spiele. Insgesamt ist sie von einer Besserung der psychischen Symptomatik seit der Voruntersuchung im Jahre 2006 ausgegangen und hat nunmehr eine somatoforme autonome Funktionsstörung mehrerer Organe mit Leitsymptom Schmerz, eine Panikstörung ohne Agoraphobie, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichte Episode sowie einen schädlichen Gebrauch von Analgetika diagnostiziert. Eine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei dem Kläger über sechs Stunden zumutbar. Auf weiteren Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten bei Prof. Dr. W., Chefarzt der Abteilung Psychosomatische Medizin am R.-B.-Krankenhaus S. eingeholt. Auch dieser Sachverständige hat über unterschiedliche Angaben des Klägers zu Einschränkungen im täglichen Leben, über deutliche Aggravationstendenzen sowie ein widersprüchliches Bild bei den Untersuchungen berichtet, ebenfalls eine Besserung des psychischen Zustandes seit der Vorbegutachtung im Jahr 2006 angenommen, dieselben Diagnosen wie Prof. Dr. E.-H. gestellt und den Kläger für Tätigkeiten mit geringer kognitiver Anforderung sowie leichten bis mittelschwerer körperlicher Belastung vier bis sechs Stunden täglich leistungsfähig erachtet. Wegen seiner raschen Erschöpfbarkeit seien vermehrte Pausen notwendig. Hierzu hat Dr. S. in seiner Stellungnahme für die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Sachverständige trotz mehrmaliger Untersuchung des Klägers keinerlei Beschreibung der Verhaltensweisen bzw. der Ausdauer im Rahmen der Begutachtung geschildert habe. Warum der Kläger rasch erschöpfbar sei, werde nicht mitgeteilt.

Mit Urteil vom 26.08.2010 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und unter Darlegung der Rechtsgrundlagen für eine Rente wegen Erwerbsminderung (§ 43 und § 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI -) ausgeführt, der Kläger sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und könne auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verwiesen werden, so dass er auch nicht berufsunfähig sei. Es hat sich dabei den von der Beklagten eingeholten Gutachten bei Dr. B., Dr. H. und Dr. G. sowie den Ausführungen von Prof. Dr. E.-H. ausgeschlossen. Von einer raschen Erschöpfbarkeit des Klägers, die nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit verursache, könne sich die Kammer nicht überzeugen.

Gegen das ihm am 03.09.2010 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17.09.2010 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen seine bereits im erstinstanzlichen Verfahren vorgebrachten Angriffe gegen das Gutachten von Prof. Dr. E.-H. und führt aus, nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. stehe ihm zumindest Teilrente zu. Er meine aber, dass er keine Arbeitsfähigkeit von wirtschaftlichem Wert mehr habe.

Der Kläger beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26.08.2010 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.06.2008 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung, auch bei Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Nichts anderes gilt im Hinblick auf die Angriffe des Klägers gegen das auf seinen eigenen Antrag nach § 109 SGG eingeholte Gutachten von Prof. Dr. E.-H ... Soweit der Kläger einen Widerspruch in den Ausführungen der Sachverständigen sieht, hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass die Gefahr einer weiteren Chronifizierung des Leidens des Klägers schon allein durch die Art der bei ihm diagnostizierten psychischen Störungen besteht und deshalb eine Behandlung erforderlich ist, dass diese Gefahr aber für sich genommen keine rentenrelevante Einschränkung der Leistungsfähigkeit bedeutet, so dass die Leistungsbeurteilung der Sachverständigen insoweit nicht widersprüchlich ist.

Im Ergebnis sieht der Senat somit keinerlei Anlass, die vom Sozialgericht vorgenommene Beweiswürdigung zu beanstanden. Soweit der Kläger behauptet, sein Gesundheitszustand habe sich seit der früheren Begutachtung durch Prof. Dr. E.-H. nicht geändert, trifft dies selbst nach dem Gutachten von Prof. Dr. W. nicht zu. Der Sachverständige hat insoweit in Übereinstimmung mit Prof. Dr. E.-H. und ausdrücklich eine Remission der depressiven Störung sowie der Panikstörung festgestellt. Im Übrigen käme es auf die Frage einer fehlenden Besserung des Gesundheitszustandes schon aus Rechtsgründen nicht an, weil der geltend gemachte Anspruch grundsätzlich unabhängig vom früheren Leistungsvermögen zu prüfen ist. Soweit sich der Kläger auf die Leistungsbeurteilung von Prof. Dr. W. beruft ist darauf hinzuweisen, dass dieser Sachverständige nicht - wie vom Kläger vorgetragen - von einem noch zumutbaren Arbeitspensum von vier Stunden täglich ausgeht, sondern ein zeitliches Leistungsvermögen von bis zu sechs Stunden selbst bei mittlerer körperlicher Belastung bejaht. Dies lässt die Annahme teilweiser Erwerbsminderung (unter sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten) nicht zu. Im Ergebnis gelangt somit sogar Prof. Dr. W. zu keiner rentenrelevanten zeitlichen Einschränkung der Leistungsfähigkeit des Klägers.

Nicht zu folgen vermag der Senat - ebenso wenig wie die Beklagte und das Sozialgericht - der Einschätzung von Prof. Dr. W., der Kläger würde vorzeitig ermüden und bedürfe deshalb besonderer Pausen. Hier hat der Sachverständige die Selbsteinschätzung des Klägers zu Grunde gelegt, ohne diesbezüglich eine kritische Überprüfung vorzunehmen und entsprechende objektive Umstände zu dokumentieren. Dr. S. hat in diesem Zusammenhang in seiner für die Beklagten abgegebenen beratungsärztlichen Stellungnahme zu Recht darauf hingewiesen, dass der Sachverständige trotz viermaliger Untersuchung des Klägers keinerlei Umstände dokumentiert hat, die auf eine vorzeitige Ermüdung des Klägers in Bezug auf eine sechsstündige Tätigkeit hindeuten. Im Gegenteil hat er in seinem im Gutachten dokumentierten psychopathologischen Befund gerade keine Hinweise auf gröbere kognitive und mnestische Einschränkungen gefunden. Dies spricht gegen die Angaben des Klägers über vorzeitige Ermüdung. Im Übrigen hätte angesichts der auch von Prof. Dr. W. erkannten Aggravationstendenzen des Klägers, die im Übrigen auch im Gutachten von Prof. Dr. E.-H. mehrmals dokumentiert sind, Anlass bestanden, die Angaben des Klägers einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Damit kann - bezogen auf eine sechsstündige tägliche Tätigkeit - nicht von einer vorzeitigen Ermüdung bzw. raschen Erschöpfung ausgegangen werden, sodass auch vermehrte Pausen nicht erforderlich sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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