Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 7266/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 4882/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2006 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin eine höhere Witwenrente zu gewähren ist.
Die Klägerin ist am 1932 in N. in der Ukraine geboren und war ab dem 13. März 1956 mit dem am 1935 in K. in der Region K. in Russland geborenen A. R. (Versicherter) verheiratet bis zu dessen Tode am 30. März 1998. Am 5. Dezember 1999 zog die Klägerin aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland zu; sie ist anerkannte Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 BVFG (Bescheinigung des Landratsamts R. Kreis vom 5. April 2000). Ab 20. Juli 1982 bezog sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der russischen Föderation. Der Versicherte bezog ab 1995 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der russischen Föderation.
Am 16. Dezember 1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von großer Witwenrente. Mit Bescheid vom 9. August 2000 gewährte die Beklagte große Witwenrente beginnend ab 5. Dezember 1999; sie nahm dabei eine Begrenzung der Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem Fremdrentenrecht nach § 22b Abs. 1 Fremdrentengesetz (FRG) vor im Hinblick auf die der Klägerin aus eigener Versicherung zustehende Regelaltersrente. Zu einem Zahlbetrag der Witwenrente kam es nicht, da bereits bei der eigenen Versichertenrente 25 Entgeltpunkte berücksichtigt worden waren (vgl. Rentenbescheid vom 9. August 2000).
Am 7. April 2003 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Auszahlung der Witwenrente im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R). Mit Bescheid vom 8. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Witwenrente ab. Soweit bei Erlass eines Verwaltungsakts von falschen Tatsachen ausgegangen oder das Recht unrichtig angewandt worden sei, sei der Verwaltungsakt gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen und Sozialleistungen entsprechend zu erbringen. Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger sei der angeführten Rechtsprechung des BSG über den Einzelfall hinaus nicht zu folgen, da sowohl nach Gesetzeswortlaut als auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes eindeutig auch Hinterbliebenenrenten von der Begrenzungsregelung erfasst seien. Ein Neufeststellungsgrund für die Hinterbliebenenrente liege nicht vor. Es verbleibe bei dem Bescheid vom 9. August 2000. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Mai 2004 Widerspruch. Zur Begründung verwies sie auf die neuerliche Rechtsprechung des BSG vom 11. März 2004 (Aktenzeichen: B 13 RJ 44/03 R). Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 FRG sei zwischenzeitlich vom Gesetzgeber mit Art. 8 Nr. 2 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes rückwirkend zum 7. Mai 1996 klargestellt worden. Mit dem rückwirkenden Inkraftsetzen der Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an entsprechend verstanden wissen wolle. Der bisherigen BSG-Rechtsprechung komme über die Einzelfälle hinaus keine Bedeutung zu.
Deswegen hat die Klägerin am 29. Oktober 2004 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung auf ihre Widerspruchsbegründung Bezug genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 24. Mai 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf höhere Witwenrente, weil die Höchstzahl von nach dem FRG anrechenbaren Entgeltpunkten bereits durch ihre Regelaltersrente erschöpft sei. Dies folge aus § 22b FRG in der durch Art. 9 RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 geänderten Fassung. Diese Vorschrift sei mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft getreten und anwendbar, da für den Antrag nach § 44 SGB X auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen sei. Durch die Änderung des § 22b FRG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass die Vorschrift auch beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten anzuwenden sei. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG sowohl in der alten wie in der neuen Fassung bestünden keine Bedenken.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Juni 2006 zugestellte Urteil hat dieser am 6. Juli 2006 beim SG Berufung eingelegt und vorgetragen, sowohl der verstorbene Versicherte als auch die Klägerin dürften nicht unter § 22 Abs. 2 FRG fallen; beide seien Vertriebene und beriefen sich auf § 100 Abs. 1 BVFG. Darüber hinaus handele es sich bei beiden um Personen (Heimkehrer) im Sinne des § 250 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Sie könnten zumindest für die Zeit bis zu ihrer Heimschaffung rentenbegründend Ersatzzeiten geltend machen. Die weiteren Zeiten, die die Klägerin geltend mache, seien allesamt Zeiten, welche bereits aufgrund anderer Vorschriften als dem FRG rentenrelevant seien. Eine Diskriminierung der Klägerin alleine deshalb, weil sie "später" heimgekehrt sei, sei nicht zulässig.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2006 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 13. Oktober 2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Verfahren wieder angerufen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 9. August 2000 ihr ab 5. Dezember 1999 höhere große Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie verweist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010 und 3. September 2010; Das BVerfG habe festgestellt, dass die rückwirkende Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 verfassungsgemäß sei und diese gesetzliche Neuregelung nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoße. Weitere Verfassungsbeschwerden zu § 22b Abs. 1 FRG habe das BVerfG mit dem Hinweis auf seine Entscheidungen nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 14. Dezember 2010 darauf hingewiesen, dass der Senat in Betracht ziehe, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12. Januar 2011 gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte des SG (S 11 R 7266/04) und die Berufungsakten des Senats (L 2 R 3534/06, L 2 R 4882/10) Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. August 2000, mit dem diese der Klägerin ab 5. Dezember 1999 (nach den Vorschriften des FRG berechnet) große Witwenrente bewilligt, aber einen Zahlbetrag abgelehnt hat, ist hinsichtlich der Rentenberechnung nicht zu beanstanden, wie das SG zutreffend entschieden hat. Der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2004, mit dem die Beklagte die Gewährung höherer großer Witwenrente abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Verfahrensrechtliche Grundlage des geltend gemachten Überprüfungsanspruchs für die Zeit ab 5. Dezember 1999 ist § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Bei der Rentenberechnung ab 5. Dezember 1999 mit Bescheid vom 9. August 2000 hat die Beklagte das Recht nicht unrichtig angewandt; sie ist auch bei der Bestimmung der Entgeltpunkte für die Rentenberechnung nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Die Klägerin gehört als anerkannte Spätaussiedlerin nach § 1 Buchst. a FRG zu dem Personenkreis, auf den das FRG Anwendung findet. Die Klägerin hat vor ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland am 5. Dezember 1999 ausschließlich in der früheren Sowjetunion rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt. Für die Entgeltpunkte für die Rentenberechnung im Hinblick auf die FRG-Zeiten ist § 22b FRG, der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1471) mit Wirkung ab 7. Mai 1996 eingeführt wurde, maßgebend. Nach Abs. 1 Satz 1 des § 22b FRG gilt, dass für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt werden.
Zu Recht hat das SG die Entgeltpunkte für die Rentenberechnung im Hinblick auf die große Witwenrente nach dem FRG nach § 22b Abs. 1 Satz 1 begrenzt. Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BVR 2530/05) hat das BVerfG festgestellt, dass die rückwirkende Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 verfassungsgemäß ist und diese gesetzliche Neuregelung nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.
Soweit die Klägerin ferner geltend macht, es seien Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI anzuerkennen, weil der Versicherte Heimkehrer sei, hat die Beklagte im Rentenbescheid vom 9. August 2000 Ersatzzeiten gem. § 250 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vom 10. September 1949 bis 31. August 1952 anerkannt und diese Zeiten mit Entgeltpunkten (EP) für beitragsfreie Zeiten von 1,6128 bewertet. Weiterhin hat sie im Versicherungsverlauf (Anlage 2) den Zeitraum vom 10. September 1952 bis 31. Januar 1956 mit dem Vermerk "interniert, verschleppt, keine Anrechnung" und den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Dezember 1952 mit dem Vermerk "im Ausland festgehalten, keine Anrechnung" berücksichtigt. Gleichzeitig sind diese Zeiträume jedoch gem. § 16 FRG als anerkannte Beschäftigungszeiten mit Pflichtbeiträgen belegt. Für den Zeitraum ab 1. Januar 1957 hat die Beklagte zutreffend keine Ersatzzeiten anerkannt. Nach § 250 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 5 SGB VI sind Ersatzzeiten ab 1. Januar 1957 nicht anzuerkennen, wenn der Versicherte eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit auch aus anderen als den in der jeweiligen Vorschrift genannten Gründen nicht ausgeübt hat. Hieraus folgt zum einen, dass die Anerkennung von Ersatzzeiten für Zeiten ausgeschlossen ist, in denen eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit bestanden hat. Dies ist beim Versicherten der Fall, der ab 1950 in der Kolchose Osjornoje als Traktorist beschäftigt und in der staatlichen Rentenversicherung versichert war. Darüber hinaus können Ersatzzeiten grundsätzlich für Zeiten ab 1. Januar 1957 nur für die Dauer einer tatsächlichen Internierung, eines Festgehaltenwerdens oder eines Gewahrsams anerkannt werden, woran es jedoch beim Versicherten fehlt, der nach der "Rehabilitierungs-Bescheinigung" der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Kasachstan vom 25. September 1995 1941 aus nationalen Gründen umgesiedelt wurde und von 1951 bis 1956 als Bewohner einer Sondersiedlung registriert war.
Aus den von der Beklagten berücksichtigten 1,6128 EP für Ersatzzeiten gem. § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI folgt im Übrigen kein Zahlbetrag für die Klägerin. Denn die Bewertung dieser Zeit (beitragsfreie Zeiten) mit EP erfolgt im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (vgl. § 71 Abs. 1 SGB VI). Sie erhalten den Durchschnittswert an EP, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen - vorliegend ausschließlich Zeiten nach dem FRG - ergibt. Dabei hat die Beklagte zutreffend gem. § 71 Abs. 1 Satz 2 SGB VI den anerkannten Ersatzzeiten den höheren Durchschnittswert aus der Vergleichsbewertung (vgl. § 73 SGB VI), nämlich 0,0448 EP - zugemessen. Da aber somit die Bewertung der Ersatzzeiten allein auf den Zeiten nach dem FRG fußt, diese aber unter die "Kappung" von § 22 b FRG fallen, sind der Anwendung dieser Vorschrift folglich auch die EP für die Ersatzzeiten unterworfen. Dass bei der Klägerin Tatbestände für Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI vorliegen könnten, ergibt sich nicht alleine daraus, dass sie als Russlanddeutsche als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt und erst am 5. Dezember 1999 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Klägerin eine höhere Witwenrente zu gewähren ist.
Die Klägerin ist am 1932 in N. in der Ukraine geboren und war ab dem 13. März 1956 mit dem am 1935 in K. in der Region K. in Russland geborenen A. R. (Versicherter) verheiratet bis zu dessen Tode am 30. März 1998. Am 5. Dezember 1999 zog die Klägerin aus Kasachstan in die Bundesrepublik Deutschland zu; sie ist anerkannte Spätaussiedlerin im Sinne von § 4 BVFG (Bescheinigung des Landratsamts R. Kreis vom 5. April 2000). Ab 20. Juli 1982 bezog sie eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der russischen Föderation. Der Versicherte bezog ab 1995 eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der russischen Föderation.
Am 16. Dezember 1999 beantragte die Klägerin die Gewährung von großer Witwenrente. Mit Bescheid vom 9. August 2000 gewährte die Beklagte große Witwenrente beginnend ab 5. Dezember 1999; sie nahm dabei eine Begrenzung der Entgeltpunkte aus Zeiten nach dem Fremdrentenrecht nach § 22b Abs. 1 Fremdrentengesetz (FRG) vor im Hinblick auf die der Klägerin aus eigener Versicherung zustehende Regelaltersrente. Zu einem Zahlbetrag der Witwenrente kam es nicht, da bereits bei der eigenen Versichertenrente 25 Entgeltpunkte berücksichtigt worden waren (vgl. Rentenbescheid vom 9. August 2000).
Am 7. April 2003 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Auszahlung der Witwenrente im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 2001 (B 4 RA 118/00 R). Mit Bescheid vom 8. April 2004 lehnte die Beklagte den Antrag auf Neufeststellung der Witwenrente ab. Soweit bei Erlass eines Verwaltungsakts von falschen Tatsachen ausgegangen oder das Recht unrichtig angewandt worden sei, sei der Verwaltungsakt gemäß § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zurückzunehmen und Sozialleistungen entsprechend zu erbringen. Nach Auffassung der Rentenversicherungsträger sei der angeführten Rechtsprechung des BSG über den Einzelfall hinaus nicht zu folgen, da sowohl nach Gesetzeswortlaut als auch nach Sinn und Zweck des Gesetzes eindeutig auch Hinterbliebenenrenten von der Begrenzungsregelung erfasst seien. Ein Neufeststellungsgrund für die Hinterbliebenenrente liege nicht vor. Es verbleibe bei dem Bescheid vom 9. August 2000. Hiergegen erhob die Klägerin am 17. Mai 2004 Widerspruch. Zur Begründung verwies sie auf die neuerliche Rechtsprechung des BSG vom 11. März 2004 (Aktenzeichen: B 13 RJ 44/03 R). Mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Begrenzungsregelung des § 22b Abs. 1 FRG sei zwischenzeitlich vom Gesetzgeber mit Art. 8 Nr. 2 des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes rückwirkend zum 7. Mai 1996 klargestellt worden. Mit dem rückwirkenden Inkraftsetzen der Gesetzesänderung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die Auslegung der Begrenzungsregelung bereits von Anfang an entsprechend verstanden wissen wolle. Der bisherigen BSG-Rechtsprechung komme über die Einzelfälle hinaus keine Bedeutung zu.
Deswegen hat die Klägerin am 29. Oktober 2004 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung auf ihre Widerspruchsbegründung Bezug genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 24. Mai 2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf höhere Witwenrente, weil die Höchstzahl von nach dem FRG anrechenbaren Entgeltpunkten bereits durch ihre Regelaltersrente erschöpft sei. Dies folge aus § 22b FRG in der durch Art. 9 RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 geänderten Fassung. Diese Vorschrift sei mit Wirkung vom 7. Mai 1996 in Kraft getreten und anwendbar, da für den Antrag nach § 44 SGB X auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung abzustellen sei. Durch die Änderung des § 22b FRG habe der Gesetzgeber klargestellt, dass die Vorschrift auch beim Zusammentreffen von Versicherten- und Hinterbliebenenrenten anzuwenden sei. Bezüglich der Verfassungsmäßigkeit von § 22b FRG sowohl in der alten wie in der neuen Fassung bestünden keine Bedenken.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 6. Juni 2006 zugestellte Urteil hat dieser am 6. Juli 2006 beim SG Berufung eingelegt und vorgetragen, sowohl der verstorbene Versicherte als auch die Klägerin dürften nicht unter § 22 Abs. 2 FRG fallen; beide seien Vertriebene und beriefen sich auf § 100 Abs. 1 BVFG. Darüber hinaus handele es sich bei beiden um Personen (Heimkehrer) im Sinne des § 250 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Sie könnten zumindest für die Zeit bis zu ihrer Heimschaffung rentenbegründend Ersatzzeiten geltend machen. Die weiteren Zeiten, die die Klägerin geltend mache, seien allesamt Zeiten, welche bereits aufgrund anderer Vorschriften als dem FRG rentenrelevant seien. Eine Diskriminierung der Klägerin alleine deshalb, weil sie "später" heimgekehrt sei, sei nicht zulässig.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2006 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Am 13. Oktober 2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Verfahren wieder angerufen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheids vom 9. August 2000 ihr ab 5. Dezember 1999 höhere große Witwenrente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und die streitbefangenen Bescheide für zutreffend. Sie verweist auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 21. Juli 2010 und 3. September 2010; Das BVerfG habe festgestellt, dass die rückwirkende Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 verfassungsgemäß sei und diese gesetzliche Neuregelung nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstoße. Weitere Verfassungsbeschwerden zu § 22b Abs. 1 FRG habe das BVerfG mit dem Hinweis auf seine Entscheidungen nicht zur Entscheidung angenommen.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten mit gerichtlicher Verfügung vom 14. Dezember 2010 darauf hingewiesen, dass der Senat in Betracht ziehe, nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu entscheiden, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 12. Januar 2011 gegeben. Die Beteiligten haben sich nicht mehr geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die die Klägerin betreffende Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakte des SG (S 11 R 7266/04) und die Berufungsakten des Senats (L 2 R 3534/06, L 2 R 4882/10) Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die nach §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte sowie zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
Der Bescheid der Beklagten vom 9. August 2000, mit dem diese der Klägerin ab 5. Dezember 1999 (nach den Vorschriften des FRG berechnet) große Witwenrente bewilligt, aber einen Zahlbetrag abgelehnt hat, ist hinsichtlich der Rentenberechnung nicht zu beanstanden, wie das SG zutreffend entschieden hat. Der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29. September 2004, mit dem die Beklagte die Gewährung höherer großer Witwenrente abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Verfahrensrechtliche Grundlage des geltend gemachten Überprüfungsanspruchs für die Zeit ab 5. Dezember 1999 ist § 44 SGB X. Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Bei der Rentenberechnung ab 5. Dezember 1999 mit Bescheid vom 9. August 2000 hat die Beklagte das Recht nicht unrichtig angewandt; sie ist auch bei der Bestimmung der Entgeltpunkte für die Rentenberechnung nicht von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Die Klägerin gehört als anerkannte Spätaussiedlerin nach § 1 Buchst. a FRG zu dem Personenkreis, auf den das FRG Anwendung findet. Die Klägerin hat vor ihrem Zuzug in die Bundesrepublik Deutschland am 5. Dezember 1999 ausschließlich in der früheren Sowjetunion rentenrechtliche Zeiten zurückgelegt. Für die Entgeltpunkte für die Rentenberechnung im Hinblick auf die FRG-Zeiten ist § 22b FRG, der durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz vom 25. September 1996 (BGBl. I S. 1471) mit Wirkung ab 7. Mai 1996 eingeführt wurde, maßgebend. Nach Abs. 1 Satz 1 des § 22b FRG gilt, dass für anrechenbare Zeiten nach dem FRG für Renten aus eigener Versicherung und wegen Todes eines Berechtigten insgesamt höchstens 25 Entgeltpunkte der allgemeinen Rentenversicherung zugrunde gelegt werden.
Zu Recht hat das SG die Entgeltpunkte für die Rentenberechnung im Hinblick auf die große Witwenrente nach dem FRG nach § 22b Abs. 1 Satz 1 begrenzt. Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Mit Beschluss vom 21. Juli 2010 (1 BVR 2530/05) hat das BVerfG festgestellt, dass die rückwirkende Neufassung des § 22b Abs. 1 FRG durch das RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom 21. Juli 2004 verfassungsgemäß ist und diese gesetzliche Neuregelung nicht gegen das Rückwirkungsverbot verstößt.
Soweit die Klägerin ferner geltend macht, es seien Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI anzuerkennen, weil der Versicherte Heimkehrer sei, hat die Beklagte im Rentenbescheid vom 9. August 2000 Ersatzzeiten gem. § 250 Abs. 1 Nr. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) vom 10. September 1949 bis 31. August 1952 anerkannt und diese Zeiten mit Entgeltpunkten (EP) für beitragsfreie Zeiten von 1,6128 bewertet. Weiterhin hat sie im Versicherungsverlauf (Anlage 2) den Zeitraum vom 10. September 1952 bis 31. Januar 1956 mit dem Vermerk "interniert, verschleppt, keine Anrechnung" und den Zeitraum vom 1. Februar bis 31. Dezember 1952 mit dem Vermerk "im Ausland festgehalten, keine Anrechnung" berücksichtigt. Gleichzeitig sind diese Zeiträume jedoch gem. § 16 FRG als anerkannte Beschäftigungszeiten mit Pflichtbeiträgen belegt. Für den Zeitraum ab 1. Januar 1957 hat die Beklagte zutreffend keine Ersatzzeiten anerkannt. Nach § 250 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 5 SGB VI sind Ersatzzeiten ab 1. Januar 1957 nicht anzuerkennen, wenn der Versicherte eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit auch aus anderen als den in der jeweiligen Vorschrift genannten Gründen nicht ausgeübt hat. Hieraus folgt zum einen, dass die Anerkennung von Ersatzzeiten für Zeiten ausgeschlossen ist, in denen eine Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit bestanden hat. Dies ist beim Versicherten der Fall, der ab 1950 in der Kolchose Osjornoje als Traktorist beschäftigt und in der staatlichen Rentenversicherung versichert war. Darüber hinaus können Ersatzzeiten grundsätzlich für Zeiten ab 1. Januar 1957 nur für die Dauer einer tatsächlichen Internierung, eines Festgehaltenwerdens oder eines Gewahrsams anerkannt werden, woran es jedoch beim Versicherten fehlt, der nach der "Rehabilitierungs-Bescheinigung" der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Kasachstan vom 25. September 1995 1941 aus nationalen Gründen umgesiedelt wurde und von 1951 bis 1956 als Bewohner einer Sondersiedlung registriert war.
Aus den von der Beklagten berücksichtigten 1,6128 EP für Ersatzzeiten gem. § 250 Abs. 1 Nr. 2 SGB VI folgt im Übrigen kein Zahlbetrag für die Klägerin. Denn die Bewertung dieser Zeit (beitragsfreie Zeiten) mit EP erfolgt im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung (vgl. § 71 Abs. 1 SGB VI). Sie erhalten den Durchschnittswert an EP, der sich aus der Gesamtleistung an Beiträgen - vorliegend ausschließlich Zeiten nach dem FRG - ergibt. Dabei hat die Beklagte zutreffend gem. § 71 Abs. 1 Satz 2 SGB VI den anerkannten Ersatzzeiten den höheren Durchschnittswert aus der Vergleichsbewertung (vgl. § 73 SGB VI), nämlich 0,0448 EP - zugemessen. Da aber somit die Bewertung der Ersatzzeiten allein auf den Zeiten nach dem FRG fußt, diese aber unter die "Kappung" von § 22 b FRG fallen, sind der Anwendung dieser Vorschrift folglich auch die EP für die Ersatzzeiten unterworfen. Dass bei der Klägerin Tatbestände für Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI vorliegen könnten, ergibt sich nicht alleine daraus, dass sie als Russlanddeutsche als Spätaussiedlerin nach § 4 BVFG anerkannt und erst am 5. Dezember 1999 in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen (§ 160 Abs. 2 SGG).
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