L 12 AL 5454/10 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AL 3842/10 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5454/10 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Karlsruhe vom 19.10.2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten

Gründe:

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes einen Gründungszuschuss gemäß § 57 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) für eine Tätigkeit als Unternehmensberater. Der 1976 geborene Antragsteller machte im Juli 1992 seinen Hauptschulabschluss und begann im September 1992 eine Ausbildung zum Raumausstatter, die er im August 1993 ohne Abschluss beendete. Die Wirtschaftsschule in B. verließ er nach fast zwei Jahren im Juli 1995 mit einem Realschul-Abgangszeugnis. 1998 schloss er eine Ausbildung zum Industriekaufmann ab und war im Anschluss für insgesamt 18 Monate als Sachbearbeiter im Verkauf und Vertrieb tätig. Von März 2000 bis September 2003 arbeitete er im Kundenservice der ...-Bank in M. eG. Anschließend nahm er von Oktober 2003 bis März 2004 an einer kaufmännischen Trainingsmaßnahme in der Übungsfirma der Deutschen Angestellten-Akademie in R. teil und war dort in den Abteilungen Finanzbuchhaltung und Personalwesen eingesetzt. Nachdem er für siebzehn Monate arbeitssuchend war, arbeitete er von September 2005 bis einschließlich März 2006 im Verwaltungsbereich in der Fachambulanz des Baden-Württembergischen Landesverbands für Prävention und Rehabilitation. Nachdem er bis September 2006 ohne Beschäftigung war, arbeitete der Antragsteller von Oktober 2006 bis einschließlich Mai 2007 als freier Handelsvertreter für eine Krankenversicherung. Von Mitte Juli 2007 bis einschließlich Oktober 2008 war er als Produktionsmitarbeiter für die H. S. GmbH tätig, wo sein Aufgabenbereich u.a. das Herstellen von Paletten, Kisten und Dämmelementen sowie die Bearbeitung von Acrylglasplatten und die Kommissionierung von Artikeln für Kunden umfasste. Im Dezember 2008 begann der Antragsteller eine Beschäftigung als Servicemitarbeiter und Automatenbetreuer, die im Dezember 2009 endete. Im Januar und Februar 2010 absolvierte er den IHK-Lehrgang "Kaufmännische und betriebswirtschaftliche Grundlagen", der 60 Unterrichtssunden umfasste. Bis Mitte April 2010 nahm er an einer beruflichen Weiterbildung teil. Seit Dezember 2008 bezog der Antragsteller Arbeitslosengeld, das ihm bis zum 14.12.2010 bewilligt wurde. Am 27.07.2010 beantragte er bei der Antragsgegnerin einen Gründungszuschuss für eine selbständige, hauptberufliche Tätigkeit als Unternehmensberater ab dem 01.09.2010. Der Antrag enthielt neben einer Beschreibung des Existenzgründungsvorhabens und einer Erläuterung der Geschäftsidee auch die Stellungnahme eines Steuerberaters zur Tragfähigkeit der Existenzgründung. Durch Bescheid vom 02.08.2010 lehnte die Antragsgegnerin diese Bewilligung ab. Sie begründete die Entscheidung damit, dass eine Tragfähigkeit der Selbständigkeit als Unternehmensberater aufgrund des beruflichen Werdegangs des Antragsstellers und dem mangelnden Fachwissen bzw. der mangelnden Berufserfahrung in dem Bereich letztendlich nicht erfolgreich scheine. Mit Schreiben vom 10.08.2010 erhob der Antragsteller Widerspruch und wies u.a. daraufhin, dass für eine Tätigkeit als Unternehmensberater keine formalen Zulassungsvoraussetzungen gegeben seien. Durch Widerspruchsbescheid vom 13.08.2010 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch zurück. Auch bei dem gesetzlich ungeschützten Begriff des Unternehmensberaters könne bei der Prüfung der Tragfähigkeit einer Existenzgründung nicht außen vor bleiben, welche Erfahrungen und Vorkenntnisse jemand für die Tätigkeit mitbringe. So verlange auch § 18 des Einkommenssteuergesetz, dass der selbständig Tätige "auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und verantwortlich tätig" werde. Auch der Berufs- und Ehrenkodex von Unternehmensberatern umschreibe häufig die vorauszusetzende Kompetenz ihrer Mitglieder, wonach nur in Feldern beraten werden darf, in welchen der Unternehmensberater nachweislich Kompetenz erlangt habe. Durch Aufhebungsbescheid vom 25.08.2010 hob die Antragstellerin die Bewilligung von Arbeitslosengeld ab dem 01.09.2010 wegen Aufnahme einer Beschäftigung auf. Mit Schreiben vom 15.09.2010, am selben Tag eingegangen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG), hat der Antragsteller Klage erhoben und einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Er wendet sich gegen die Ablehnung seines Antrags auf Gründungszuschuss und trägt vor, die Tragfähigkeit der geplanten Tätigkeit sowie die ausreichende Qualifikation und Berufserfahrung ergebe sich schon aus der Prüfung durch den Steuerberater und der Email eines Mitarbeiters des Instituts für Freie Berufe an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg e.V ... Gleichzeitig legte er Emailverkehr mit Unternehmen und der Antragsgegnerin vor, denen er Beratung und die Präsentation von Ideen anbot. Für einen Gewerbeverein in R. wird der Antragsteller ehrenamtlich eine Marketing-Aktion im nächsten Jahr durchführen. Mit Beschluss vom 19.10.2010 wies das SG den Antrag ab. In den Gründen führte im wesentlichen aus, nach summarischer Prüfung bestehe kein Anspruch auf einen Gründungszuschuss gemäß § 57 Abs. 1 SGB III. Der Antragsteller hätte den für den Erlass einer Regelungsanordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft machen können. Zusätzlich bestünden auch Zweifel an dem Vorliegen eines Anordnungsgrundes und damit an der Eilbedürftigkeit. Nach § 57 Abs. 1 SGB III hätten Arbeitnehmer, die durch Aufnahme einer selbständigen, hauptberuflichen Tätigkeit die Arbeitslosigkeit beenden, zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur sozialen Sicherung in der Zeit nach der Existenzgründung Anspruch auf einen Gründungszuschuss. Voraussetzung für die Gewährung sei gemäß § 57 Abs. 2 SGB III, dass der Arbeitnehmer bis zur Aufnahme der selbständigen Tätigkeit einen Anspruch auf Entgeltersatzleistungen nach SGB III habe oder eine Beschäftigung ausgeübt habe, die als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme nach dem SGB III gefördert worden sei (Nr. 1), bei Aufnahme der selbständigen Tätigkeit noch über einen Anspruch auf Arbeitslosengeld von mindestens 90 Tagen verfüge (Nr. 2), der Agentur für Arbeit die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachweise (Nr. 3) und seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darlege (Nr. 4). Vorliegend erfülle der Antragsteller unstreitig die Voraussetzungen gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 SGB III. Allerdings sei es ihm nach summarischer Prüfung vorliegend nicht gelungen, gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und Nr. 4 SGB III die Tragfähigkeit der Existenzgründung nachzuweisen sowie seine Kenntnisse und Fähigkeiten zur Ausübung der selbständigen Tätigkeit darzulegen. Der Antragsteller habe eine Stellungnahme von seinem Steuerberater vorgelegt, in der die Tragfähigkeit seiner Existenzgründung bejaht und ein Rohgewinn von 10.000,00 Euro im ersten Geschäftsjahr und 30.000,00 Euro im zweiten Geschäftsjahr prognostiziert werde. Die Antragsgegnerin habe diese Stellungnahme anzweifeln können. Die Beweisführungslast liegt hier in Abweichung vom Amtsermittlungsprinzip des § 20 SGB X beim Antragsteller. Gerade im Bereich der Unternehmensberatung hänge die Tragfähigkeit des Unternehmens unmittelbar von den Kenntnissen und Fähigkeiten der Person ab, die die Tätigkeit ausübe. Eine erfolgreiche Beratungstätigkeit setze zwangsläufig eine gewisse Kompetenz voraus. Der Berater verkaufe den Kunden sein Wissen, das dem Kunden einen Mehrwert bringen solle. Diese Kompetenz liege in der Regel entweder in einer neuartigen Idee und/oder in Fachwissen. Das Fachwissen könne durch eine akademische Ausbildung und/oder durch praktische Berufserfahrung erlangt werden. Vorliegend hätte der Antragsteller die erforderlichen Fähigkeiten und Kennnisse nicht glaubhaft machen können. Entscheidend sei dabei aber nicht der Umstand gewesen, dass der Antragsteller nicht studiert habe. Die Tätigkeit als Unternehmensberater unterliege keinem Berufsschutz und damit auch keinen formalen Voraussetzungen. Sie könne grundsätzlich von jedem ausgeübt werden. Allerdings sei im Umkehrschluss nicht davon auszugehen, dass jede beliebige Qualifikation als Kenntnis- und Fähigkeitsnachweis sowie für eine Tragfähigkeit im Sinne des § 57 SGB III ausreiche. Aus dem schulischen und beruflichen Werdegang des Antragsstellers ergäben sich zwar viele verschiedene Fähigkeiten und Berufserfahrungen, die allerdings nicht besonders vertieft, sondern aufgrund der kurzen Dauer eher oberflächlich seien. Der Antragsteller verfüge über keine überdurchschnittlichen Fachkenntnisse oder langjährige Berufserfahrung in einem Bereich. Auch zeitlich begrenzte Weiterbildungsmaßnahmen könnten nur Grundkenntnisse vermitteln, die jedoch nicht ausreichen dürften, um Unternehmen zu beraten. Es sei auch kein konkretes Konzept oder eine bestimmte originelle Idee ersichtlich, mit denen die mangelnden Fachkenntnisse ausgeglichen werden könnten. Auch das Vorliegen eines Anordnungsgrundes sei wohl zu verneinen. Es sei zweifelhaft, dass alle zumutbaren Möglichkeiten der Selbsthilfe erfolglos ausgeschöpft worden seien. Bei einem Streit um die einstweilige Zuerkennung von Leistungen der Arbeitsförderung nach dem SGB III sei eine Verweisung auf die Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich möglich. Eine einstweilige Anordnung der Gewährung eines Gründungszuschusses, der wie die Leistungen nach § 19 ff. SGB II u. a. zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Selbständigen bestimmt sei, komme daher nur in Betracht, wenn dieser Anspruch offensichtlich begründet ist und ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt worden sei. Könne keine Antragsstellung auf Leistungen nachgewiesen werden, fehle es bereits aus diesem Grund an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Der Antragsteller habe vorliegend keine Angaben dazu gemacht, dass er Leistungen nach dem SGB II beantragt habe. Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 22.11.2010 beim LSG Baden-Württemberg Beschwerde eingelegt und noch zusätzlich vorgetragen, durch den Antrag auf Gewährung von Leistungen nach SGB II hätte die Antragsgenerin eine deutliche Möglichkeit negativ auf seine Selbständigkeit und das aktuelle Klageverfahren einzuwirken. II. Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet. Das SG hat zu Recht unter ausführlicher Darstellung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen den vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen des SG und weist die Beschwerde insoweit aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurück (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG). Ergänzend ist noch auszuführen, dass es genauso wie an einem Anordnungsanspruch auch an einem Anordnungsgrund fehlt. Der Antragsteller hat nicht glaubhaft gemacht, dass sich für ihn derzeit wesentliche Nachteile ergeben, die durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuwehren wären. Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes in Fällen der vorliegenden Art ist es, eine akute Notlage zu beseitigen, denn nur dann kann von einem wesentlichen Nachteil gesprochen werden, den es abzuwenden gilt, und bei dem ein Abwarten bis zur Entscheidung in der Hauptsache nicht zuzumuten wäre. Vorliegend hat der Antragsteller diese Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, da er nach eigenen Angaben eine Antragstellung auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unterlassen hat. Bei einem Streit um die einstweilige Zuerkennung von Leistungen nach dem SGB III, die u. a. zur Sicherung des Lebensunterhalts bestimmt sind, ist eine Verweisung auf die Inanspruchnahme von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich möglich. Eine einstweilige Anordnung der Gewährung eines Gründungszuschusses, der wie die Leistungen nach § 19 ff. SGB II u. a. zur Sicherung des Lebensunterhalts eines Selbständigen bestimmt ist (vgl. zur Zweckidentität eines Existenzgründungszuschusses mit der Regelleistung BSG Urteil vom 06.12.2007 B 14/7b As 14/06 R= BSGE 99, 240), kommt daher nur in Betracht, wenn dieser Anspruch offensichtlich begründet ist und ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt wurde (vgl. LSG NRW Beschlüsse vom 14.10.2010 - L 19 B 31/09 AL ER und vom 23.10.2009 - L 19 B 37/09 AL ER zur einstweiligen Anordnung der Gewährung von Arbeitslosengeld). Kann keine Antragsstellung auf Leistungen nachgewiesen werden, fehlt es bereits aus diesem Grund an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AL 115/10 B ER Beschluss vom 12.05.2010). Dem Antragsteller ist eine solche Antragstellung auch zumutbar gewesen. Zwar trägt er vor, dass er von einer Antragstellung deshalb Abstand genommen habe, weil er durch die Gewährung dieser Leistungen eine starke negative Einflussnahme der Antragsgegnerin auf das aktuelle Klageverfahren zum Gründungsausschuss befürchte. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Die Gewährung von Leistungen nach SGB II hat keinerlei Einfluss auf die Bewilligung des Gründungsausschusses. Diese Leistungen spielen nur bei der Prüfung des Anordnungsgrunds eine Rolle.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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