L 1 R 99/10

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 10 R 220/07
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 99/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. März 2010 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Dessau-Roßlau zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten noch darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung über den 31. August 2009 hinaus hat.

Die 1952 geborene Klägerin beantragte am 16. Oktober 2006 die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Diesen Antrag lehnte die Beklagte nach Einholung eines orthopädischen und eines psychiatrischen Gutachtens mit Bescheid vom 15. Dezember 2006 mit der Begründung ab, die Klägerin könne unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Sie sei auch noch in der Lage, in der ihr zumutbaren Tätigkeit als Registratorin mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Den dagegen am 8. Januar 2007 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte nach Einholung eines Befundberichtes des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 7. Februar 2007 mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2007 zurück und führte zur Begründung aus, die Klägerin sei noch in der Lage, in dem bisherigen Beruf als Mitarbeiterin in dem Bereich Marketing Tourismus mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Hiergegen hat die Klägerin am 8. Mai 2007 beim Sozialgericht Dessau, jetzt Dessau-Roßlau (SG) Klage erhoben. Das SG hat medizinische Ermittlungen durchgeführt, u. a. ein psychiatrisches Gutachten von (ohne Datum, Eingang beim SG am 10. April 2008) eingeholt. Während des erstinstanzlichen Verfahrens hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. Oktober 2008 wegen der Feststellung eines bösartigen Krebses der Gebärmutterschleimhaut im Juni 2008 einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit aufgrund eines Leistungsfalls vom 6. Juni 2008 bis zum 31. August 2009 anerkannt. Die Klägerin hat dieses Teil-Anerkenntnis angenommen, aber das Ziel einer unbefristeten Rentengewährung weiter verfolgt. Das SG hat danach ein gynäkologisches Gutachten durch vom 18. Dezember 2009 eingeholt. Schließlich hat es mit Schreiben vom 28. Januar 2010 den Beteiligten mitgeteilt, dass es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid in Betracht ziehe, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen gegeben. Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 12. Febraur 2010 die Einholung eines psychiatrisch-psychologischen Fachgutachtens beantragt. Die Leistungsbeurteilung durch sei aus gynäkologischer Sicht erfolgt. Eine Stellungnahme zum Ausmaß der psychischen Folgen sei nicht Gegenstand der Begutachtung gewesen und demzufolge ausgeblieben. Eine Zweitschrift dieses Antrages hat das SG zur Kenntnis an die Beklagte gesandt und anschließend die Klage mit Gerichtsbescheid vom 3. März 2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen bestehe kein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung über den Wegfallzeitpunkt 31. August 2009 hinaus.

Gegen den am 6. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31. März 2010 Berufung eingelegt und vorgetragen, die medizinische Sachaufklärung des SG sei unzureichend gewesen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 3. März 2010 und den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2007 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Dauer zu gewähren.

Die Beklagte hat keinen Antrag gestellt.

Die Klägerin und die Beklagte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Verfahrens sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen. Diese haben bei der Beratung des Senats vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Hierüber konnte der Senat gemäß § 153 Abs. 1, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben.

Der Gerichtsbescheid des SG vom 3. März 2010 war aufzuheben und der Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Ein Verfahrensmangel im Sinne dieser Norm ist gegeben, wenn ein Verstoß gegen eine das Gerichtsverfahren regelnde Vorschrift vorliegt. Wesentlich ist dieser Verfahrensmangel, wenn die Entscheidung des SG darauf beruhen kann (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. § 159 Rdnr. 3, 3 a m. w. N.).

Die Entscheidung des SG leidet an einem wesentlichen Verfahrensmangel, denn es hat verfahrensfehlerhaft durch Gerichtsbescheid entschieden. Nachdem das SG den Beteiligten mit Schreiben vom 28. Janaur 2010 mitgeteilt hatte, dass es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid in Betracht ziehe, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 die Einholung eines psychiatrisch-psychologischen Fach-gutachtens beantragt. In dieser Situation hätte das SG die Anhörungsmitteilung wiederholen und darauf hinweisen müssen, dass es trotz dieses Antrages nicht weiter von Amts wegen Beweis erheben werde, sondern an der beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid festhalte (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 105, Rdnr. 11). Von der grundsätzlich gebotenen erneuten Anhörung hätte das SG verfahrensfehlerfrei dann absehen können, wenn die Klägerin früheres Vorbringen lediglich wiederholt hätte oder wenn ihr Vorbringen unsubstantiiert gewesen wäre. Das ist hier jedoch nicht der Fall. Denn das aktuellste psychiatrische Gutachten von ist noch vor der Feststellung des bösartigen Krebses der Gebärmutterschleimhaut erstellt worden. hat in seinem Gutachten nach dieser Diagnosestellung insoweit lediglich ausgeführt, aus fachspezifischer – damit kann nur das Fachgebiet der Gynäkologie gemeint sein – Sicht sei der medizinische Sachverhalt geklärt und bedürfe momentan keiner weiteren Fachgutachten mehr. Eine Verschlechterung des psychiatrischen Gesundheits-zustandes aufgrund der Diagnose einer Krebserkrankung ist nach Auffassung des Senats jedenfalls vorstellbar. In der Berufungsbegründung hat die Klägerin auch ausdrücklich eine Verschlechterung ihres psychischen Zustandes geltend gemacht. Angesichts dessen kann es dahinstehen, ob die formularmäßige Anhörungsmitteilung des SG den Anforderungen genügt, die der Grundsatz des rechtlichen Gehörs verlangt, oder ob nicht vielmehr ein konkreter fallbezogender Hinweis erforderlich gewesen wäre (vgl. Leitherer, a.a.O., Rdnr. 10).

Im Übrigen hätte die Klägerin im Falle einer erneuten Anhörung überdenken können, ob sie einen Antrag nach § 109 SGG stellt. Der geschilderte Verfahrensfehler ist auch wesentlich, denn es ist nicht auszuschließen, dass die Klägerin einen Antrag nach § 109 SGG gestellt und ein entsprechendes Gutachten zu einer anderen Beurteilung durch das SG geführt hätte.

Der Senat hat sich im Rahmen seines Ermessens gemäß § 159 SGG entschieden, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Sache an das SG zurückverweisen, weil das Verfahren erst kurze Zeit in der Berufungsinstanz anhängig ist.

Das SG wird auch über die Kosten zu entscheiden haben.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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