Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 4 R 693/05
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 1 R 277/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 5 RS 1/11 R
Datum
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Feststellungen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.
Der 1954 geborene Kläger erlangte ausweislich des Zeugnisses der Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" D. vom 26. Oktober 1979 den akademischen Grad Diplom-Ingenieur. Vom 1. September 1979 bis zum 30. Juni 1981 war er als Projektierungs- und Entwicklungsingenieur beim VEB Waggonbau A. und anschließend bis mindestens zum 30. Juni 1990 als Haupttechnologe beim VEB Transportanlagen-Montagen L. (im Folgenden: VEB TAM L.) tätig. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung zahlte der Kläger nicht; er erhielt auch keine schriftliche Zusage über eine Zusatzversorgung.
Am 27. Oktober 2003 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2004 mit der Begründung ab, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Den dagegen am 9. März 2005 eingelegten Widerspruch wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und lehnte ihn mit Bescheid vom 30. März 2005 erneut ab. Dagegen legte der Kläger am 28. April 2005 Widerspruch ein und trug vor, bei seinen Mitarbeitern sei die Zusatzversorgung anerkannt worden. Die willkürliche Ablehnung in seinem Fall verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 mit der Begründung zurück, die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige, dass der VEB TAM L. kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen sei. Er sei dort der Wirtschaftsgruppe 15559 (Reparatur- und Montagebetriebe für Metallkonstruktionen) zugeordnet gewesen. Dem Betrieb habe nicht die industrielle Produktion von Sachgütern das Gepräge gegeben.
Dagegen hat der Kläger am 13. Juli 2005 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und vorgetragen, im Zentrum des VEB TAM L. habe die Produktion von Industrie- und Sachgütern gestanden, und zwar sowohl die Fertigung als auch die Endmontage. Exemplarisch seien folgende Bereiche zu nennen: Fertigung von drucklosen und Druckbehältern, Flüssiggasbehältern in verschiedenen Konfigurationen, Batterietrögen für Großbatterien an Großgeräten, Komponenten für Kraftwerksanlagen, Filterkesseln, Wasseraufbereitungsanlagen und Umweltanlagentechnik sowie pneumatische Entstaubungstechnik. Diese Fertigung habe in einzelnen Fällen auch die Projektierung der Anlagen umfasst, in allen Fällen jedoch die Produktion und Instandsetzung. Neben der Fertigung habe zum Produktionsspektrum des VEB TAM L. die Montage von Stahlkonstruktionen (Hallen), von Förderanlagen (nebst Inbetriebnahme und Übergabe bzw. Probebetrieb) sowie von Rohrleitungssystemen gehört. Auch die Montage gehöre zur Produktion, denn ohne Montage sei kein Endprodukt gegeben. Der Kläger hat zur Unterstützung seines Vortrages den Funktionsplan für den Leiter der Hauptabteilung Technologie sowie seine Arbeitsverträge beigefügt.
Das SG hat Unterlagen aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB TAM L. sowie zum übergeordneten VEB Kombinat Anlagen- und Gerätebau H. sowie das Statut des Kombinates vom 1. Juli 1981 beigezogen. Sodann hat es die Beklagte mit Urteil vom 11. Juni 2007 verpflichtet, den Zeitraum vom 1. Oktober 1979 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der wesentliche Gegenstand des VEB TAM L. sei die industrielle Fertigung von Behältern und Komponenten für Kraftwerksanlagen oder auch Druckbehältern gewesen. Der VEB Waggonbau A. sei ebenfalls ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie gewesen, denn dort seien serienmäßig Reisezugwaggons produziert worden.
Gegen das ihr am 3. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, der Betriebszweck des VEB TAM L. sei nicht die Herstellung industrieller Sachgüter gewesen. Hierzu zähle das Erbringen von Montageleistungen nicht; diese stellten vielmehr eine industrielle Dienstleistung dar. Auch bei der Nachfolge-Kapitalgesellschaft Transportanlagen-Montagen GmbH (TAM GmbH) hätten ausweislich des beigefügten Gründungsberichts vom 1. August 1990 Montageleistungen im Vordergrund gestanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Der VEB TAM L. habe über einen bedeutenden eigenständigen Fertigungs- und Produktionszweig verfügt.
Der Senat hat folgende Unterlagen von der Rhenus Office Systems GmbH beigezogen bzw. von der Beklagten erhalten: - Gesellschaftervertrag der TAM GmbH vom 30. Mai 1990 sowie die Eintragung der GmbH in das Handelsregister. - Technisch-technologische Niveau-Analyse der Produktion und Sanierungserfordernisse (ohne Datum). - Darstellung der derzeitigen Marktsituation und Chancen (ohne Datum). - Auszug aus der Sanierungskonzeption der TAM GmbH vom 6. November 1990. - Bilanz zum 31. Dezember 1989. - Auszug aus dem Bericht des Diplom-Kaufmannes und Wirtschaftsprüfers Dr. Meichssner vom 21. November 1991 zur Prüfung des Abschlusses der TAM GmbH zum 31. Dezember 1990.
Darüber hinaus sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der erkennende Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nicht folgt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Berufung ist begründet, weil die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 27. Oktober 2004 sowie vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005 rechtmäßig sind und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschweren.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 27. Oktober 2004 weder das Recht unrichtig angewendet noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech, Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.
Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).
I.
Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.
In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 12).
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird indes verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z.B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36).
Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a.a.O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 – juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.
Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.
Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a.a.O., Rdnr. 45):
"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."
Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.
Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009). Sie hat darauf hingewiesen, dass Verdienste oberhalb von 600 Mark für Beschäftigungszeiten ab März 1971 ohne Versorgungszusage wie bei allen übrigen Versicherten, die keinem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört haben, nur bei entsprechenden Beitragszahlungen zur FZR rentenrechtlich hätten berücksichtigt werden können. Dieser Hinweis der Bundesregierung auf die FZR ähnelt der soeben dargestellten Argumentation des Bundesverfassungsgerichts.
II.
Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger am 1. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, weil die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen oder in einem gleichgestellten Betrieb erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Das BSG setzt industriell und serienmäßig wiederkehrend ausdrücklich gleich (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –, juris, dort Rdnr. 28). Schließlich muss die industrielle Serienproduktion dem Betrieb das Gepräge gegeben haben.
In der industriellen Serienproduktion lag aber nicht die Haupttätigkeit des VEB TAM L ... Dagegen spricht schon die vom Kläger geschilderte Vielseitigkeit des Aufgabenspektrums des Betriebes, die durch die vom SG und vom Senat beigezogenen Unterlagen bestätigt wird. Ausweislich der Darstellung der derzeitigen Marktsituation und Chancen (ohne Datum) erbrachte der VEB TAM einerseits Montageleistungen und andererseits Fertigungsleistungen. Die Montageleistungen gliederten sich in Rohrleitungsmontagen, Fördertechnik, Stahlbaumontagen, Montageleistungen allgemeiner Maschinenbau sowie Montage von Elektrofiltern (Umweltschutz). Gegen eine serielle Produktion spricht bereits der Umstand, dass im Bereich Rohrleitungsmontagen überwiegend Reparaturleistungen in Gestalt des Austausches von verschlissenen Rohrleitungen und Aggregaten durchgeführt wurden. Die Montageleistungen insbesondere im Bereich des allgemeinen Maschinenbaus waren überdies sehr breit gefächert, was bereits an den vielen verschiedenen Montagestellen deutlich wird. So waren die Montageleistungen auf die ständigen Montagestellen Zementwerk K., Zuckerfabrik A., Hydrierwerk W., Chemiewerk B., Brikettfabrik D. usw. verteilt. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Rekonstruktion von Spanplattenwerken in G. und Be. sowie Montageleistungen für den VEB Märkische Ölwerke W. und den VEB Öl- und Fettwerke M ... In der Fachrichtung Fertigungsbetrieb wurden überwiegend Behälter für die chemische Verfahrenstechnik sowie Batterietröge für die Elektroindustrie und Behälter für Entaschungsanlagen gefertigt. Die geschilderte Vielseitigkeit der Aufgaben lässt sich durch serielle Produktion nicht erfüllen, so dass der Senat die Frage, ob die Montage überhaupt dem Produktionsbegriff des BSG unterfällt, nicht entscheiden musste.
Die Aufgabenvielfalt wird auch durch die technisch-technologische Niveau-Analyse der Produktion und Sanierungserfordernisse (ohne Datum) bestätigt. Danach war die Erzeugnispalette des Betriebes durch die Fertigung von Druckbehältern und drucklosen Behältern, Batterietrögen sowie Elektrofiltern und deren Komponenten charakterisiert. Die Montageleistungen umfassten den Stahlbau, die Fördertechnik, den Rohrleitungsbau sowie sonstige Montagen, wobei überwiegend keine eigenen Lieferungen montiert wurden. Der im Gesellschaftervertrag der TAM GmbH vom 30. Mai 1990, im Handelsregister des Amtsgerichts Halle-Saalkreis (HRB-778) sowie im Gründungsbericht zur Errichtung der TAM GmbH vom 1. August 1990 beschriebene Unternehmensgegenstand der Nachfolge-Kapitalgesellschaft lässt ebenfalls Rückschlüsse auf das breit gefächerte Aufgabenspektrum des VEB TAM L. zu. Folgende Bereiche sind dort erwähnt: Herstellung sowie Vertrieb jeglicher Art von Stahlbehältern und ähnlichen Konstruktionen, Montage von Stahlbaukonstruktionen im Bereich des Hallenbaus sowie des technologischen Stahlbaus, Montage von Stetigförderern, Rohrleitungsmontagen im Reparatur- und Investitionsbereich, Montage im Bereich allgemeiner Maschinenbau bei Sonderausrüstungen (z.B. Umweltschutzanlagen und sonstiges). Das weit gespannte Aufgabenspektrum verdeutlicht nicht zuletzt auch der Auszug aus der Sanierungskonzeption der TAM GmbH vom 6. November 1990, wobei hier zwischen Dienstleistungen (Montagen) einerseits und Fertigungsprogrammen andererseits differenziert wird. Diese Differenzierung entspricht der Argumentation der Beklagten, die die Montageleistungen als industrielle Dienstleistungen betrachtet. Der Senat hat allerdings keinen Anlass gesehen, dieser Frage nachzugehen, weil auch in der Sanierungskonzeption angesichts der Aufgabenvielfalt (Montage von Förderanlagen, Rohrleitungen, Stahlkonstruktionen und Ausrüstungen allgemeiner Art; Bau und Montage von Umweltschutzanlagen, z.B. Elektrofiltern; Behälter- und Bunkerfertigung sowie Fertigung von Batterietrögen) keine serielle Sachgüterproduktion beschrieben wird.
Soweit in dem Bericht des Diplom-Kaufmannes und Wirtschaftsprüfers Dr. Meichssner zur Prüfung des Abschlusses der TAM GmbH zum 31. Dezember 1990 vom 21. November 1991 die Zahl der in der Produktion beschäftigten Mitarbeiter zum 1. Juli 1990 mit 405 (von 631) und zum 31. Dezember 1990 mit 349 (von 487) beziffert wurde, kann hierdurch nicht auf eine Produktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG, also im Sinne des sogenannten fordistischen Produktionsmodells geschlossen werden. Vielmehr ist Dr. Meichssner offensichtlich von einem allgemeinen, weiter gefassten Produktionsbegriff ausgegangen. Denn er differenziert nicht zwischen Produktion nach dem fordistischen Modell und der Produktion, die unzweifelhaft nicht diesem Modell entsprach.
Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zu Gunsten des Klägers beeinflusst, dass die Beklagte möglicherweise in gleichgelagerten Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung festgestellt hat. Darauf kann sich der Kläger selbst bei gleicher Sachlage nicht berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher (rechtswidriger) Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 – BVerfGE 50, 142, 166).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob das BSG an dem Produktionsbegriff des früher für die Zusatzversorgung zuständigen 4. Senats im Sinne einer industriellen (serienmäßigen, wiederkehrenden) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –, juris, dort Rdnr. 28) bzw. im Sinne des fordistischen Produktionsmodells (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, juris, dort Rdnr. 46) festhält.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Feststellungen im Zusammenhang mit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem.
Der 1954 geborene Kläger erlangte ausweislich des Zeugnisses der Hochschule für Verkehrswesen "Friedrich List" D. vom 26. Oktober 1979 den akademischen Grad Diplom-Ingenieur. Vom 1. September 1979 bis zum 30. Juni 1981 war er als Projektierungs- und Entwicklungsingenieur beim VEB Waggonbau A. und anschließend bis mindestens zum 30. Juni 1990 als Haupttechnologe beim VEB Transportanlagen-Montagen L. (im Folgenden: VEB TAM L.) tätig. Beiträge zur freiwilligen Zusatzrentenversicherung zahlte der Kläger nicht; er erhielt auch keine schriftliche Zusage über eine Zusatzversorgung.
Am 27. Oktober 2003 beantragte der Kläger die Überführung von Zusatzversorgungsanwartschaften. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Oktober 2004 mit der Begründung ab, der Kläger sei am 30. Juni 1990 nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb oder einem gleichgestellten Betrieb beschäftigt gewesen. Den dagegen am 9. März 2005 eingelegten Widerspruch wertete die Beklagte als Überprüfungsantrag gemäß § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) und lehnte ihn mit Bescheid vom 30. März 2005 erneut ab. Dagegen legte der Kläger am 28. April 2005 Widerspruch ein und trug vor, bei seinen Mitarbeitern sei die Zusatzversorgung anerkannt worden. Die willkürliche Ablehnung in seinem Fall verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2005 mit der Begründung zurück, die Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR bestätige, dass der VEB TAM L. kein volkseigener Produktionsbetrieb gewesen sei. Er sei dort der Wirtschaftsgruppe 15559 (Reparatur- und Montagebetriebe für Metallkonstruktionen) zugeordnet gewesen. Dem Betrieb habe nicht die industrielle Produktion von Sachgütern das Gepräge gegeben.
Dagegen hat der Kläger am 13. Juli 2005 beim Sozialgericht Halle (SG) Klage erhoben und vorgetragen, im Zentrum des VEB TAM L. habe die Produktion von Industrie- und Sachgütern gestanden, und zwar sowohl die Fertigung als auch die Endmontage. Exemplarisch seien folgende Bereiche zu nennen: Fertigung von drucklosen und Druckbehältern, Flüssiggasbehältern in verschiedenen Konfigurationen, Batterietrögen für Großbatterien an Großgeräten, Komponenten für Kraftwerksanlagen, Filterkesseln, Wasseraufbereitungsanlagen und Umweltanlagentechnik sowie pneumatische Entstaubungstechnik. Diese Fertigung habe in einzelnen Fällen auch die Projektierung der Anlagen umfasst, in allen Fällen jedoch die Produktion und Instandsetzung. Neben der Fertigung habe zum Produktionsspektrum des VEB TAM L. die Montage von Stahlkonstruktionen (Hallen), von Förderanlagen (nebst Inbetriebnahme und Übergabe bzw. Probebetrieb) sowie von Rohrleitungssystemen gehört. Auch die Montage gehöre zur Produktion, denn ohne Montage sei kein Endprodukt gegeben. Der Kläger hat zur Unterstützung seines Vortrages den Funktionsplan für den Leiter der Hauptabteilung Technologie sowie seine Arbeitsverträge beigefügt.
Das SG hat Unterlagen aus dem Register der volkseigenen Wirtschaft zum VEB TAM L. sowie zum übergeordneten VEB Kombinat Anlagen- und Gerätebau H. sowie das Statut des Kombinates vom 1. Juli 1981 beigezogen. Sodann hat es die Beklagte mit Urteil vom 11. Juni 2007 verpflichtet, den Zeitraum vom 1. Oktober 1979 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der wesentliche Gegenstand des VEB TAM L. sei die industrielle Fertigung von Behältern und Komponenten für Kraftwerksanlagen oder auch Druckbehältern gewesen. Der VEB Waggonbau A. sei ebenfalls ein volkseigener Produktionsbetrieb der Industrie gewesen, denn dort seien serienmäßig Reisezugwaggons produziert worden.
Gegen das ihr am 3. Juli 2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 10. Juli 2007 Berufung eingelegt. Sie vertritt die Auffassung, der Betriebszweck des VEB TAM L. sei nicht die Herstellung industrieller Sachgüter gewesen. Hierzu zähle das Erbringen von Montageleistungen nicht; diese stellten vielmehr eine industrielle Dienstleistung dar. Auch bei der Nachfolge-Kapitalgesellschaft Transportanlagen-Montagen GmbH (TAM GmbH) hätten ausweislich des beigefügten Gründungsberichts vom 1. August 1990 Montageleistungen im Vordergrund gestanden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 11. Juni 2007 zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Der VEB TAM L. habe über einen bedeutenden eigenständigen Fertigungs- und Produktionszweig verfügt.
Der Senat hat folgende Unterlagen von der Rhenus Office Systems GmbH beigezogen bzw. von der Beklagten erhalten: - Gesellschaftervertrag der TAM GmbH vom 30. Mai 1990 sowie die Eintragung der GmbH in das Handelsregister. - Technisch-technologische Niveau-Analyse der Produktion und Sanierungserfordernisse (ohne Datum). - Darstellung der derzeitigen Marktsituation und Chancen (ohne Datum). - Auszug aus der Sanierungskonzeption der TAM GmbH vom 6. November 1990. - Bilanz zum 31. Dezember 1989. - Auszug aus dem Bericht des Diplom-Kaufmannes und Wirtschaftsprüfers Dr. Meichssner vom 21. November 1991 zur Prüfung des Abschlusses der TAM GmbH zum 31. Dezember 1990.
Darüber hinaus sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der erkennende Senat der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur fiktiven Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem nicht folgt.
Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der anschließenden Beratung gewesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Sachvortrags der Beteiligten wird ergänzend auf den Inhalt dieser Akten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung hat Erfolg.
Die Berufung ist begründet, weil die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 27. Oktober 2004 sowie vom 30. März 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Juni 2005 rechtmäßig sind und den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschweren.
Die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen nicht vor. Die Beklagte hat bei Erlass des Bescheides vom 27. Oktober 2004 weder das Recht unrichtig angewendet noch ist sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 und § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG Zugehörigkeitszeiten zu einem Zusatzversorgungssystem festgestellt werden. Er unterfällt nicht dem Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, weil er weder tatsächlich noch im Wege der Unterstellung der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz (AVItech, Zusatzvorsorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG) angehörte.
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG gilt das Gesetz für Ansprüche und Anwartschaften, die aufgrund der Zugehörigkeit zu Zusatz- und Sonderversorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind. Der Kreis der potentiell vom AAÜG erfassten Personen umfasst diejenigen Personen, die entweder (1.) durch einen nach Art. 19 Einigungsvertrag (EVertr) bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder (2.) später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder (3.) nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 11).
Der Kläger erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Weder ist ihm von Organen der DDR eine Versorgung zugesagt worden, noch ist er aufgrund einer Rehabilitierungsentscheidung in ein Versorgungssystem einbezogen worden. Auch ein rechtsstaatswidriger Entzug einer Versorgungsanwartschaft hat in seinem Falle nicht stattgefunden.
Im Ergebnis kommt es nicht darauf an, dass der Senat nicht der Rechtsprechung des früheren 4. Senats des BSG folgt, wonach die Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auch im Wege der Unterstellung vorliegen kann (siehe unter I.), da auch die dafür vom BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vorliegen (II.).
I.
Der Senat ist zum Einen nicht der Auffassung, dass das AAÜG den Kreis der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen erweitert und das Neueinbeziehungsverbot modifiziert hat (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – SozR 3-8570 § 1 AAÜG Nr. 2, S. 12). Erst diese Annahme führt jedoch zu einer vom BSG behaupteten Ungleichbehandlung ("Wertungswiderspruch"), die durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG zu korrigieren sei. Zum Anderen ist der Senat der Ansicht, dass, wenn die Annahme des BSG tatsächlich zutreffen sollte und mit dem AAÜG der einbezogene Personenkreis erweitert worden ist, zumindest keine verfassungskonforme Auslegung erforderlich ist, da die behauptete Ungleichbehandlung zu rechtfertigen wäre. Im Übrigen hätte das BSG wegen des von ihm unterstellten "Wertungswiderspruchs" keine erweiternde Auslegung vornehmen dürfen, sondern eine konkrete Normenkontrolle an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 GG veranlassen müssen. Denn die vom BSG vorgenommene Rechtsfortbildung überschreitet nach Auffassung des erkennenden Senats die sich aus Art. 20 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grenzen der richterlichen Entscheidungsbefugnis, weil der eindeutige Wortlaut des § 1 Abs. 1 AAÜG die vom BSG vorgenommene Interpretation nicht hergibt. Es ist deshalb schon nicht möglich, die bei einem unklaren oder nicht eindeutigen Wortlaut heranzuziehenden einschlägigen Auslegungskriterien anzuwenden (BSG, Urteil vom 19. Februar 2009 – B 10 EG 1/08 R – juris, Rdnr. 19). Auch für eine richterliche Rechtsfortbildung im Wege der Analogie fehlt es – wie noch auszuführen sein wird – an der erforderlichen Regelungslücke.
In den Gesetzesmaterialien findet sich kein Hinweis dafür, dass durch das AAÜG außer den Personen, die durch einen nach Art. 19 EVertr bindend gebliebenen Verwaltungsakt der DDR oder einer ihrer Untergliederungen oder später durch eine Rehabilitierungsentscheidung oder nach Art. 19 Satz 2 oder 3 EVertr (wieder) in ein Versorgungssystem einbezogen worden waren (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 11), weitere Personen einbezogen werden sollten (siehe BTDrs. 12/405, S. 113, 146; BTDrs. 12/786, S. 139; II A, IV A; BTDrs. 12/826, S. 4, 5, 10, 11, 21). Vielmehr wird in den Gesetzesmaterialien immer auf den EVertr Bezug genommen. Zwar wird dann ausgeführt, dass die Einhaltung der Vorgaben des EVertr zu nicht sachgerechten und zu nicht nur sozialpolitisch unvertretbaren Ergebnissen führen müsste und sich deshalb die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung ergebe (BTDrs. 12/405, S. 113). Aus der weiteren Gesetzesbegründung ist jedoch ohne Schwierigkeiten ablesbar, dass sich diese Regelungen auf die Bereiche der Rentenberechnung, Leistungsbegrenzung, Abschmelzung laufender Leistungen, des Besitzschutzes bei der Neufeststellung von Leistungen, der Auszahlungen von Leistungen, eines Vorbehaltes der Einzelüberprüfung und der Kostenerstattung durch den Bund beziehen (a.a.O., S. 113, 114). Nicht angesprochen ist hingegen eine Ausweitung des erfassten Personenkreises. Auch bei der Begründung des § 1 AAÜG wird ausgeführt, dass diese Vorschrift den Geltungsbereich der nach dem EVertr vorgeschriebenen Überführung (und gerade keine darüber hinausgehende) festlegt (BTDrs. 12/405, S. 146).
Auch überzeugt den Senat nicht, dass aus dem Wortlaut von § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG auf eine Modifizierung des Verbots der Neueinbeziehung zu schließen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 12). In den Gesetzesmaterialien findet sich nämlich kein Anhaltspunkt für die vom BSG vorgenommene Unterscheidung zwischen "Einbeziehung in ein Versorgungssystem" und der "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem". Der Gesetzgeber benutzt im Gegenteil auch zur Beschreibung des Personenkreises des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, der auch nach Ansicht des BSG konkret einbezogen war (BSG, a.a.O., S. 12), den Terminus "Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem" (BTDrs. 12/826, S. 21) und nicht etwa "Einbeziehung in ein Versorgungssystem".
Der Gesetzgeber ging auch, soweit erkennbar, nicht davon aus, dass die in § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG angesprochene Personengruppe eine Erweiterung der "potenziell vom AAÜG ab 1. August 1991 erfassten" Personen darstellt. Ursprünglich war Satz 2 in der Gesetzesvorlage nicht enthalten (BTDrs. 12/405, S. 77). Erst in den Ausschussberatungen wurde dann die Anfügung des Satzes 2 empfohlen (BTDrs. 12/786, S. 139). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass diese Anfügung nur eine Klarstellung bedeute (BTDrs. 12/826, S. 21). Der Gesetzgeber nahm also an, dass diese Personengruppe ohnehin von Satz 1 und vom Überführungsauftrag des EVertr umfasst ist.
Auch mit einer verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 AAÜG (über den Wortlaut hinaus) lässt sich ein Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung nicht begründen (so aber BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 31/01 R – a.a.O., S. 12).
Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist jedoch nicht jede Differenzierung ausgeschlossen. Das Grundrecht wird indes verletzt, wenn eine Gruppe von Rechtsanwendungsbetroffenen anders als eine andere behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (z.B. BVerfG, Beschluss vom 26. Oktober 2005 – 1 BvR 1921/04 u. a. – juris, Rdnr. 36).
Für den Senat ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb das BSG der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG, also der Personen, die irgendwann vor dem 30. Juni 1990 (aber nicht am 30. Juni 1990) konkret einbezogen waren (BSG, a.a.O.), die Personengruppe gegenüberstellt, die nie konkret einbezogen war, aber zumindest am 30. Juni 1990 nach den Regeln der Versorgungssysteme alle Voraussetzungen für die Einbeziehung an diesem Stichtag erfüllt hatte. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem (z. B. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 – 1 BvF 1/05 – juris, Rdnr. 89). Hier unterscheiden sich jedoch die Tatbestände in wesentlichen Gesichtspunkten. § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG knüpft nämlich an ein in der Vergangenheit verliehenes Versorgungsprivileg an, welches ein Bedürfnis nach der im AAÜG vorgesehenen Sonderprüfung der Rentenwirksamkeit erzielter Arbeitsentgelte anzeigt. Bei Personen, die nie in ein Zusatzversorgungssystem einbezogen waren, besteht ein solches Bedürfnis hingegen nicht.
Richtiger wäre es nach Ansicht des Senats ohnehin, der Personengruppe des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG als Vergleichsgruppe die Personen gegenüberzustellen, die nicht konkret einbezogen waren, irgendwann vor dem – aber nicht am – 30. Juni 1990 jedoch alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatten.
Das Bundesverfassungsgericht führt zum Vergleich dieser Personengruppen aus (Beschluss vom 26. Oktober 2005, a.a.O., Rdnr. 45):
"Der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfasste Personenkreis hat seine Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem als Folge eines Ausscheidens vor dem Leistungsfall verloren. Es bestanden also zunächst nach dem Recht der Deutschen Demokratischen Republik rechtlich gesicherte Anwartschaften. Diese wollte der gesamtdeutsche Gesetzgeber erhalten (vgl. BTDrs. 12/826, S. 21). Der hier in Frage stehende Personenkreis (gemeint ist der Personenkreis, der irgendwann vor dem 30. Juni 1990, aber nicht am 30. Juni 1990 alle Voraussetzungen für die Einbeziehung erfüllt hatte) hatte dagegen solche Rechtspositionen im Recht der Deutschen Demokratischen Republik zu keinem Zeitpunkt inne. Für eine rechtlich gesicherte Verbesserung der Altersversorgung über die Leistungen der Sozialpflichtversicherung hinaus stand dem betroffenen Personenkreis im Rentenrecht der Deutschen Demokratischen Republik der Beitritt zur Freiwilligen Zusatzrentenversicherung offen, war dort allerdings - anders als in vielen Systemen der Zusatzversorgung - mit eigenen Beitragsleistungen verbunden. Es bestand daher keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der gesamtdeutschen Gesetzgebung und Rechtsprechung, diesen Personenkreis den durch § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG begünstigten Personen gleichzustellen und insoweit die Grundentscheidung des Gesetzgebers abzuschwächen, eine Einbeziehung von Sozialpflichtversicherten in die Zusatzversorgungssysteme über den 30. Juni 1990 hinaus im Interesse einer schnellen Herbeiführung der rentenrechtlichen Renteneinheit zu untersagen."
Die gleichen Überlegungen gelten für einen Vergleich zwischen den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG betroffenen Personen und denjenigen, die nach der Rechtsprechung des BSG vom fiktiven Anspruch profitieren sollen. Auch die fiktiv in den Anwendungsbereich des AAÜG Einbezogenen hatten zu Zeiten der DDR keine Rechtsposition inne, die ihnen einen Zugang zu einer zusätzlichen Altersversorgung aus einem Zusatzversorgungssystem ermöglicht hätte. Auch ihnen stand die Möglichkeit offen, der Freiwilligen Zusatzrentenversicherung beizutreten. Diese Punkte lässt das BVerfG genügen, um eine Ungleichbehandlung mit den von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen zu rechtfertigen. Dasselbe muss dann auch bei einem Vergleich der von § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG erfassten Personen und den Personen gelten, die am 30. Juni 1990 die Voraussetzungen für die Einbeziehung in ein Zusatzversorgungssystem erfüllt hatten.
Aus diesen Gründen liegt auch keine Gesetzeslücke vor, die möglicherweise im Wege einer Analogie zu schließen gewesen wäre.
Im Übrigen hat auch die Bundesregierung mehrfach betont, dass das AAÜG nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nur anwendbar sein sollte, wenn eine ausdrückliche Versorgungszusage vorliegt (Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage, BTDrs. 16/11127 vom 28. November 2008; Antwort des Staatssekretärs im Bundesministerium für Arbeit und Soziales Franz-Josef Lersch-Mense auf eine Frage der Abgeordneten Dr. Martina Bunge, BTDrs. 16/13916 vom 21. August 2009). Sie hat darauf hingewiesen, dass Verdienste oberhalb von 600 Mark für Beschäftigungszeiten ab März 1971 ohne Versorgungszusage wie bei allen übrigen Versicherten, die keinem Zusatz- oder Sonderversorgungssystem angehört haben, nur bei entsprechenden Beitragszahlungen zur FZR rentenrechtlich hätten berücksichtigt werden können. Dieser Hinweis der Bundesregierung auf die FZR ähnelt der soeben dargestellten Argumentation des Bundesverfassungsgerichts.
II.
Nach der Rechtsprechung des BSG hängt der Anspruch auf eine fiktive Einbeziehung im hier allein in Frage kommenden Fall gemäß § 1 der Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. I S. 844, VO-AVItech) i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 der Zweiten Durchführungsbestimmung zur VO-AVItech vom 24. Mai 1951 (GBl. I S. 487, 2. DB) von drei Voraussetzungen ab, die alle zugleich vorliegen müssen. Generell war dieses Versorgungssystem eingerichtet für (1.) Personen, die berechtigt waren, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen (persönliche Voraussetzung) und (2.) die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben (sachliche Voraussetzung), und zwar (3.) in einem volkseigenen Produktionsbetrieb im Bereich der Industrie oder des Bauwesens oder einem gleichgestellten Betrieb (betriebliche Voraussetzung).
Nach der Rechtsprechung des BSG müssen diese drei Voraussetzungen, damit das AAÜG überhaupt anwendbar ist, am 30. Juni 1990 vorgelegen haben. Bei Beachtung dieser Voraussetzungen hatte der Kläger am 1. August 1991 (dem Tag des Inkrafttretens des AAÜG) keinen fiktiven Anspruch auf Einbeziehung in das Versorgungssystem der AVItech, weil die betriebliche Voraussetzung nicht erfüllt ist. Eine Versorgungsanwartschaft konnte nur bei einer Beschäftigung in einem volkseigenen Produktionsbetrieb in der Industrie oder im Bauwesen oder in einem gleichgestellten Betrieb erworben werden (BSG, Urteil vom 10. April 2002 – B 4 RA 10/02 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 5, S. 30). Der Begriff des Produktionsbetriebes erfasst nach der Rechtsprechung des BSG nur solche Betriebe, die Sachgüter im Hauptzweck industriell gefertigt haben. Der Betrieb muss auf die industrielle Fertigung, Fabrikation, Herstellung bzw. Produktion von Sachgütern ausgerichtet gewesen sein (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R – SozR 3–8570 § 1 Nr. 6 S. 47; Urteil vom 27. Juli 2004 – B 4 RA 11/04 R – juris). Das BSG setzt industriell und serienmäßig wiederkehrend ausdrücklich gleich (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –, juris, dort Rdnr. 28). Schließlich muss die industrielle Serienproduktion dem Betrieb das Gepräge gegeben haben.
In der industriellen Serienproduktion lag aber nicht die Haupttätigkeit des VEB TAM L ... Dagegen spricht schon die vom Kläger geschilderte Vielseitigkeit des Aufgabenspektrums des Betriebes, die durch die vom SG und vom Senat beigezogenen Unterlagen bestätigt wird. Ausweislich der Darstellung der derzeitigen Marktsituation und Chancen (ohne Datum) erbrachte der VEB TAM einerseits Montageleistungen und andererseits Fertigungsleistungen. Die Montageleistungen gliederten sich in Rohrleitungsmontagen, Fördertechnik, Stahlbaumontagen, Montageleistungen allgemeiner Maschinenbau sowie Montage von Elektrofiltern (Umweltschutz). Gegen eine serielle Produktion spricht bereits der Umstand, dass im Bereich Rohrleitungsmontagen überwiegend Reparaturleistungen in Gestalt des Austausches von verschlissenen Rohrleitungen und Aggregaten durchgeführt wurden. Die Montageleistungen insbesondere im Bereich des allgemeinen Maschinenbaus waren überdies sehr breit gefächert, was bereits an den vielen verschiedenen Montagestellen deutlich wird. So waren die Montageleistungen auf die ständigen Montagestellen Zementwerk K., Zuckerfabrik A., Hydrierwerk W., Chemiewerk B., Brikettfabrik D. usw. verteilt. Einen weiteren Schwerpunkt bildete die Rekonstruktion von Spanplattenwerken in G. und Be. sowie Montageleistungen für den VEB Märkische Ölwerke W. und den VEB Öl- und Fettwerke M ... In der Fachrichtung Fertigungsbetrieb wurden überwiegend Behälter für die chemische Verfahrenstechnik sowie Batterietröge für die Elektroindustrie und Behälter für Entaschungsanlagen gefertigt. Die geschilderte Vielseitigkeit der Aufgaben lässt sich durch serielle Produktion nicht erfüllen, so dass der Senat die Frage, ob die Montage überhaupt dem Produktionsbegriff des BSG unterfällt, nicht entscheiden musste.
Die Aufgabenvielfalt wird auch durch die technisch-technologische Niveau-Analyse der Produktion und Sanierungserfordernisse (ohne Datum) bestätigt. Danach war die Erzeugnispalette des Betriebes durch die Fertigung von Druckbehältern und drucklosen Behältern, Batterietrögen sowie Elektrofiltern und deren Komponenten charakterisiert. Die Montageleistungen umfassten den Stahlbau, die Fördertechnik, den Rohrleitungsbau sowie sonstige Montagen, wobei überwiegend keine eigenen Lieferungen montiert wurden. Der im Gesellschaftervertrag der TAM GmbH vom 30. Mai 1990, im Handelsregister des Amtsgerichts Halle-Saalkreis (HRB-778) sowie im Gründungsbericht zur Errichtung der TAM GmbH vom 1. August 1990 beschriebene Unternehmensgegenstand der Nachfolge-Kapitalgesellschaft lässt ebenfalls Rückschlüsse auf das breit gefächerte Aufgabenspektrum des VEB TAM L. zu. Folgende Bereiche sind dort erwähnt: Herstellung sowie Vertrieb jeglicher Art von Stahlbehältern und ähnlichen Konstruktionen, Montage von Stahlbaukonstruktionen im Bereich des Hallenbaus sowie des technologischen Stahlbaus, Montage von Stetigförderern, Rohrleitungsmontagen im Reparatur- und Investitionsbereich, Montage im Bereich allgemeiner Maschinenbau bei Sonderausrüstungen (z.B. Umweltschutzanlagen und sonstiges). Das weit gespannte Aufgabenspektrum verdeutlicht nicht zuletzt auch der Auszug aus der Sanierungskonzeption der TAM GmbH vom 6. November 1990, wobei hier zwischen Dienstleistungen (Montagen) einerseits und Fertigungsprogrammen andererseits differenziert wird. Diese Differenzierung entspricht der Argumentation der Beklagten, die die Montageleistungen als industrielle Dienstleistungen betrachtet. Der Senat hat allerdings keinen Anlass gesehen, dieser Frage nachzugehen, weil auch in der Sanierungskonzeption angesichts der Aufgabenvielfalt (Montage von Förderanlagen, Rohrleitungen, Stahlkonstruktionen und Ausrüstungen allgemeiner Art; Bau und Montage von Umweltschutzanlagen, z.B. Elektrofiltern; Behälter- und Bunkerfertigung sowie Fertigung von Batterietrögen) keine serielle Sachgüterproduktion beschrieben wird.
Soweit in dem Bericht des Diplom-Kaufmannes und Wirtschaftsprüfers Dr. Meichssner zur Prüfung des Abschlusses der TAM GmbH zum 31. Dezember 1990 vom 21. November 1991 die Zahl der in der Produktion beschäftigten Mitarbeiter zum 1. Juli 1990 mit 405 (von 631) und zum 31. Dezember 1990 mit 349 (von 487) beziffert wurde, kann hierdurch nicht auf eine Produktion im Sinne der Rechtsprechung des BSG, also im Sinne des sogenannten fordistischen Produktionsmodells geschlossen werden. Vielmehr ist Dr. Meichssner offensichtlich von einem allgemeinen, weiter gefassten Produktionsbegriff ausgegangen. Denn er differenziert nicht zwischen Produktion nach dem fordistischen Modell und der Produktion, die unzweifelhaft nicht diesem Modell entsprach.
Die Entscheidung wird auch nicht dadurch zu Gunsten des Klägers beeinflusst, dass die Beklagte möglicherweise in gleichgelagerten Fällen Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung festgestellt hat. Darauf kann sich der Kläger selbst bei gleicher Sachlage nicht berufen. Denn auf eine rechtswidrige Verwaltungsentscheidung kann ein Dritter wegen der vorrangigen Bindung der Verwaltung an Recht und Gesetz (Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG) kein schutzwürdiges Vertrauen in dem Sinne gründen, dass bei gleicher Sachlage wiederum in gleicher (rechtswidriger) Weise entschieden werden müsste. Einen Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht kennt die Rechtsordnung nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Januar 1979 – 1 BvL 25/77 – BVerfGE 50, 142, 166).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen, weil er der Frage grundsätzliche Bedeutung beimisst, ob das BSG an dem Produktionsbegriff des früher für die Zusatzversorgung zuständigen 4. Senats im Sinne einer industriellen (serienmäßigen, wiederkehrenden) Fertigung, Herstellung, Anfertigung, Fabrikation bzw. Produktion von Sachgütern (BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 – B 4 RA 14/03 R –, juris, dort Rdnr. 28) bzw. im Sinne des fordistischen Produktionsmodells (BSG, Urteil vom 9. April 2002 – B 4 RA 41/01 R –, juris, dort Rdnr. 46) festhält.
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