L 3 R 1548/07

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 13 R 530/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 R 1548/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 01. November 2007 wird zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die von der Beklagten als Versorgungsträger erlasse-nen Bescheide insoweit, als in ihnen die Feststellung getroffen wird, dass in dem Zeit-raum vom 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze (BBG) in Betracht kommt.

Der 1932 geborene Kläger schloss zum 31. August 1955 ein Studium an der H-Universität B als Diplom-Wirtschaftler ab, 1963 promovierte er außerdem zum Dr. oec. an der K-M-Universität L. Im Rahmen eines Fernstudiums vom 01. September 1960 bis zum 31. Januar 1964 erwarb er des Weiteren mit Urkunde der Ingenieurschule für Schwermaschinenbau und Elektrotechnik B vom 07. April 1964 die Qualifikation zum Ingenieur für Technologie der Elektro-Feinwerktechnik. Vom 05. September 1974 bis zum 30. Juni 1975 besuchte er die Parteihochschule "Karl Marx" beim ZK der SED.

Vom 01. Januar 1960 bis zum 29. Februar 1964 war er als Diplom-Wirtschaftler bzw. Leiter des Büros beim VEB T "K L" und ab dem 01. März 1964 bis zum 31. März 1966 als Direktor für Ökonomie beim VVB H und K beschäftigt. Zum 01. April 1966 wech-selte er zum Ministerium für Elektrotechnik und Energie, wo er bis zum 31. Dezember 1970 als Abteilungsleiter für Planung und Ökonomie, anschließend als Hauptabtei-lungsleiter und vom 10. Mai 1973 bis zum 04. September 1974 sowie vom 01. Juli 1975 bis zum 31. Dezember 1988 als Stellvertreter des Ministers beschäftigt war. Vom 01. Januar 1989 bis zur Abberufung zum 17. April 1990 arbeitete er als Stellver-treter des Ministers im Ministerium für Maschinenbau bzw. Wirtschaft, die Arbeitsauf-gaben wurden trotz Abberufung bis zum 30. April 1990 weiter ausgeführt. Ab dem 01. Mai 1990 bis zum 30. Juni 1990 war er als Direktor für Firmenkredite bei der DK AG beschäftigt.

Zum 01. Mai 1965 trat er der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelli-genz bei. Zum 01. März 1971 wechselte er in die freiwillige zusätzliche Altersversor-gung für hauptamtliche Mitarbeiter des Staatsapparates (ZVStA).

Mit Überführungsbescheid vom 03. Februar 1997 stellte die Beklagte den Zeitraum vom 01. Mai 1965 bis zum 28. Februar 1971 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzli-chen Altersversorgung der technischen Intelligenz und die Zeiträume vom 01. März 1971 bis zum 31. August 1974 sowie vom 16. Juli 1975 bis zum 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zur freiwilligen zusätzlichen Altersversorgung für hauptamtliche Mit-arbeiter des Staatsapparates nebst den in den aufgeführten Zeiträumen tatsächlich erzielten nachgewiesenen Brutto-Entgelten sowie die Zeit vom 01. September 1974 bis zum 15. Juli 1975 als sonstige Unterbrechung fest. Bei den Zeiträumen vom 01. Mai 1965 bis zum 28. Februar 1971 sowie vom 18. März bis zum 30. Juni 1990 wurde angegeben, dass von dem nachgewiesenen Brutto-Entgelt ein Einkommen nach Maß-gabe der Anlage 3 ("maßg. Anl. 3") zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungs-gesetz (AAÜG) berücksichtigt werde. Hinsichtlich des Zeitraums vom 01. März 1971 bis zum 17. März 1990 werde vom nachgewiesenen Brutto-Entgelt ein Entgelt nach Maßgabe der Anlage 5 ("maßg. Anl. 5") berücksichtigt. Auf Seite 3 wurde dazu ver-merkt: "Mit "3" gekennzeichnete Zeiten überschreiten den Wert der Anlage 3 zum AAÜG. Dies ist als Hinweis auf Rechtsvorschriften zu verstehen, die der Rentenversi-cherungsträger anwenden wird (s. Erläuterungen auf Seite 1 dieses Bescheides). Mit "5" gekennzeichnete Zeiten überschreiten den Wert der Anlage 4 zum AAÜG und wurden auf den Wert der Anlage 5 zum AAÜG begrenzt." Auf Seite 1 hieß es: "Soweit in diesem Bescheid die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen mit dem Hinweis "Anl. 3" versehen worden sind, ist hierin keine verbindliche Entschei-dung des Versorgungsträgers zu sehen. ( ) Erst der Rentenversicherungsträger ent-scheidet verbindlich, bis zu welchem Betrag die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte oder Arbeitseinkommen in Anwendung von § 6 Abs.1 AAÜG in Verbindung mit Anlage 3 zum AAÜG höchstens zu berücksichtigen sind." Gegen den Bescheid wurde kein Widerspruch eingelegt.

Mit Bescheid vom 03. September 1997 gewährte die Deutsche Rentenversicherung Bund als Rentenversicherung dem Kläger Regelaltersrente. Auch gegen diesen Be-scheid wurde kein Widerspruch eingelegt.

Mit Schreiben vom 05. Februar 2002 begehrte der Kläger beim Rentenversicherungs-träger eine Überprüfung seiner Rentenansprüche im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und die Änderungen des AAÜG. Den Über-prüfungsantrag lehnte der Rentenversicherungsträger mit Bescheid vom 07. März 2002 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers, mit dem dieser die Kor-rektur seines Rentenbescheides vom 03. September 1997 und Zahlung einer höheren Rente aufgrund einer verfassungswidrigen Begrenzung seiner Entgelte entsprechend Anlage 5 des AAÜG begehrte, ruhte anschließend im Hinblick auf das anhängige Ver-fahren beim BVerfG zur Verfassungsgemäßheit des § 6 Abs. 2 und 3 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG-Änderungsgesetzes vom 11. November 1996 (AAÜG-ÄndG 1996, BGBl. I, 1674).

Mit Schreiben vom 30. September 2005 begehrte der Kläger bei der Beklagten im Hinblick auf die Rechtsprechung des BVerfG vom 23. Juni 2004 die Überprüfung des Überführungsbescheides. Im Rahmen dieses Verfahrens legte er u. a. die Berufungs-urkunde zum Stellvertreter des Ministers für Elektrotechnik und Elektronik vor. Dar-aufhin hob die Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2006 die Feststellungen im Be-scheid vom 03. Februar 1997 hinsichtlich der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen BBG ab dem 01. Juli 2004 für den Zeitraum vom 01. März 1971 bis zum 09. Mai 1973 auf. Hinsichtlich der übrigen Zeiten verbleibe es bei den im Bescheid vom 03. Februar 1997 getroffenen Feststel-lungen. Der Rentenversicherungsträger werde abschließend bestimmen, von wel-chem Zeitpunkt an die Rente neu festgestellt werde. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2006 zurück. Eine Aufhebung der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrige-ren als der regelmäßigen BBG sei nicht möglich. Die Feststellung eines Sondertatbe-standes gemäß § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des 1. Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des AAÜG vom 21. Juni 2005 (1. AAÜG-ÄndG 2005, BGBl. I, 1672) gelte u. a. nach Nr. 4 für Zeiten, in denen eine Beschäftigung als Minister, stellvertretender Minister oder stimmberechtigtes Mitglied des Staats- oder Ministerrates oder ihr jewei-liger Stellvertreter ausgeübt worden sei. In der Zeit vom 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 habe der Kläger eine Beschäftigung als stellvertretender Minister ausge-übt. Daher sei für die genannte Zeit ein Sondertatbestand festzustellen. Es werde darauf hingewiesen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R – Widerspruch und Klagen, die sich gegen die Anwendung der besonderen BBG des § 6 Abs. 2 AAÜG – "Entgeltbegrenzung" – bei der Rentenberechnung richteten, nur gegen den Rentenversicherungsträger zu-lässig seien.

Mit Bescheid vom 09. August 2006 stellte der Rentenversicherungsträger die Regelal-tersrente ab dem 01. Juli 2004 neu fest, weil für die Zeiten vom 01. März 1971 bis zum 09. Mai 1973 höhere Entgelte zu berücksichtigen seien. Bisher sei der während dieser Zeiten erzielte Arbeitsverdienst auf den Durchschnittsverdienst im Beitrittsge-biet begrenzt worden. Die bisherige Regelung für diese Entgeltbegrenzung habe das BVerfG mit Beschluss vom 23. Juni 2004 – 1 BvL 3/98 u. a. – für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber habe diese Regelung nach den Vorgaben des BVerfG neu gefasst. Aufgrund der Neuregelung seien für die oben genannten Zeiten die tatsäch-lich erzielten Arbeitsverdienste bei der Ermittlung der Rente (ggf. begrenzt auch die Werte der allgemeinen BBG) anzurechnen. Hiergegen hat der Kläger Widerspruch eingelegt und insbesondere die Neufeststellung und Nachzahlung höherer Rente be-reits ab dem 07. März 2002 und auch für Zeiten nach dem 09. Mai 1973 auf der Grundlage der allgemeinen BBG begehrt. Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Novem-ber 2006 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben, die durch Gerichtsbescheid des Sozialgerichts (SG) Cottbus vom 20. Sep-tember 2007 (Az. S 13 R 898/96) abgewiesen worden ist. In der Berufungsinstanz (L 3 R 1407/07) ist das Verfahren durch Beschluss des Senats vom 01. April 2009 zum Ruhen gebracht worden.

Gegen den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 27. September 2006 hat der Kläger Klage beim SG Berlin erhoben, das die Klage mit Beschluss vom 23. Mai 2007 an das örtlich zuständige SG Cottbus verwiesen hat. Er hat vorgetragen, er wende sich gegen das Vorliegen von Sondertatbeständen nach § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fas-sung des 1. AAÜG-ÄndG 2005. In dem Bescheid vom 17. Mai 2005 seien die tat-bestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regel-mäßigen BBG nur teilweise aufgehoben worden. Der Rechtsstreit werde jetzt noch um die Frage geführt, ob vom 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 ein Sondertatbestand i. S. d. § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG-ÄndG 2005 festzustellen sei. In der Begründung des 1. AAÜG-ÄndG 2005 werde ihm in seiner Funktion als stellvertre-tender Minister in der DDR eine "faktische oder rechtliche Weisungsbefugnis gegen-über dem MfS" unterstellt. Diese Annahme entbehre jeder tatsächlichen Grundlage. Die Beklagte werde aufgefordert, entsprechende Nachweise für eine angebliche Wei-sungsbefugnis seinerseits gegenüber dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) vor-zulegen. Der zweite Punkt der Gesetzesbegründung liege in der Anschuldigung, er sei Teil eines Systems der Selbstprivilegierung gewesen. Ein solches System sei ihm un-bekannt. Er habe das Recht, dass ihm endlich Beweise für ein solches System vorge-legt würden. Im Übrigen habe die 35. Kammer des SG Berlin einen Vorlagebeschluss nach Art. 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) zur verfassungsrechtlichen Prüfung erlassen, ob § 6 Abs. 2 in der Fassung des 1. AAÜG-ÄndG 2005 mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sei.

Der Kläger hat schriftsätzlich beantragt, unter Aufhebung der angefochtenen Beschei-de die Beklagte zu verpflichten, die Zeit seiner Zugehörigkeit im Versorgungssystem mit dem während dieses Zeitraumes tatsächlich erzielten Entgelt ohne das Vorliegen eines Sondertatbestandes für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen BBG nach § 6 Abs. 2 AAÜG neu festzustellen. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbe-scheid vom 01. November 2007 als unzulässig abgewiesen und ist dabei von dem sinngemäßen Antrag des Klägers, die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2006 und im Überprüfungswege auch unter Abänderung des Bescheides vom 03. Februar 1997 zu verurteilen, auch für Zeiten nach dem 09. Mai 1973 von der An-wendung einer niedrigeren als der regelmäßigen BBG abzusehen, ausgegangen. Hin-sichtlich der Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen BBG auch für Zeiten nach dem 09. Mai 1973 sei die Beklagte nicht passivlegitimiert. Da der Kläger nie in Abrede gestellt habe, im streitigen Zeitraum Stellvertreter des Ministers gewesen zu sein, habe sein Vorbringen vernünftigerweise nicht dahingehend ausgelegt werden können, dass schon die Feststellungen hinsichtlich der tatbestandlichen Vorausset-zungen für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen BBG als solche angegriffen würden. Anlass zu Ermittlungen habe nicht bestanden.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er seinen schriftsätzlichen erstinstanzlichen Antrag wiederholt. Der Senat habe im Rahmen seiner Amtsermitt-lungspflicht durch eine kurzfristig zu organisierende Befragung sachverständiger Zeu-gen die Fragen zu klären, von denen die Rechtmäßigkeit oder die Verfassungswidrig-keit der ihn belastenden Kürzungen unmittelbar abhänge, nämlich ob er Weisungsbe-fugnisse gegenüber Mitarbeitern des MfS besessen sowie was ein System der Selbstprivilegierung sei und ob er einem solchen angehört habe. Es werde sich erwei-sen, dass er weder derartige Weisungsbefugnisse gehabt noch dass es ein System der Selbstprivilegierung gegeben habe. Hinsichtlich der Einzelheiten der begehrten Beweisaufnahme wird auf den Schriftsatz des Klägers vom 11. Januar 2011 Bezug genommen. Bei verfassungskonformer Anwendung und Auslegung der Entscheidun-gen des BVerfG vom 28. April 1999 und 23. Juni 2004 sei der Senat verpflichtet fest-zustellen, dass die neuen Vorschriften des § 6 Abs. 2 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG-ÄndG 2005 die Maßgabe des BVerfG grob missachteten. Im Übrigen habe das SG seinen Antrag falsch ausgelegt. Dem SG sei bekannt gewesen, dass er auch ein Verfahren gegen den Rentenversicherungsträger führe. Einen Antrag auf Neuberech-nung seiner Rente habe er nicht bei der Beklagten, sondern beim Rentenversiche-rungsträger gestellt. Soweit das BVerfG durch Beschluss vom 06. Juli 2010 festgestellt habe, dass § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG in der Fassung des 1. AAÜG-ÄndG 2005 mit dem GG vereinbar sei, stehe dies im Widerspruch zu den eigenen Maßgaben des BVerfG in seinen vor-herigen Entscheidungen. Das BVerfG sei von fehlerhaften Vorstellungen hinsichtlich der Realitäten in der DDR ausgegangen und gründe seine Ausführungen auf nicht nachweisbare Annahmen und Behauptungen. Er beantrage darüber hinaus, das Ver-fahren im Hinblick auf eine beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegen den Beschluss des BVerfG erhobene Beschwerde auszusetzen.

Er legt ein Organigramm des Ministeriums für Maschinenbau der DDR (Stand April 1990), eine Kopie des Einzelvertrags vom 01. April 1966, der Nachträge zu diesem Einzelvertrag vom 10. Mai 1973, 01. September 1985, 01. Januar 1990 und 18. April 1990 und der Berufungsurkunden vom 10. Mai 1973 sowie vom 01. Januar 1990 vor.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 01. November 2007 auf-zuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2006 abzuändern und unter teilweiser Rücknahme des Bescheides vom 03. Februar 1997 auch die Zeit seiner Zugehörigkeit im Versorgungssystem der hauptamtlichen Mitarbeiter des Staatsapparates ab dem 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 mit dem während dieses Zeitraums tatsächlich erzielten Entgelt ohne das Vorliegen eines Son-dertatbestandes für die Anwendung einer niedrigeren als der regelmäßigen Bei-tragsbemessungsgrenze nach § 6 Abs. 2 AAÜG festzustellen. Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Der Senat hat die Akten zu den Gerichtverfahren L 3 R 1407/07 und L 4 B 1119/07 R ER sowie die Rentenakte des Klägers beigezogen.

Zum übrigen Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die den Kläger betreffende Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen, die dem Senat vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG), jedoch unbegründet.

Das SG hat im Ergebnis zutreffend die Klage abgewiesen. Der Kläger hat keinen An-spruch auf Änderung des Bescheides der Beklagten vom 17. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. September 2006 und auf teilweise Rücknahme des Bescheides vom 03. Februar 1997 nach § 44 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetz-buch (SGB X), denn der Bescheid vom 03. Februar 1997 ist, soweit es die noch strei-tige Zeit vom 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 betrifft, rechtmäßig.

Der Senat kann offen lassen, ob die Klage bereits unzulässig ist, da der Kläger sich letztlich gegen das von ihm als verfassungswidrig erachtete "Rentenstrafrecht" in Form der aus der Anwendung des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG i. d. F. des 1. AAÜG-ÄndG 2005 resultierenden besondere BBG nach Anlage 5 des AAÜG wendet. Über die Fra-ge, ob bei der Berechnung der Rente nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine niedrigere als die regelmäßige BBG zur Anwendung kommt, hat der Zusatzversorgungsträger nach ständiger Rechtsprechung des BSG seit 1996 (Urteile vom 18. Juli 1996 – 4 RA 7/95 -, 20. Oktober 2001 – B 4 RA 61/01 R -, 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R -, 29. Oktober 2002 - B 4 RA 27/02 R – und vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R - sowie Beschluss vom 09. Oktober 2006 – B 4 RA 263/05 B -, alle zitiert nach Juris), der sich der Senat bereits angeschlossen hat, nicht zu entscheiden. Das AAÜG ermächtigt den Zusatzversorgungsträger nicht dazu, dem Rentenversiche-rungsträger verbindlich vorzuschreiben, dieser müsse bei seiner Entscheidung über den Bestand und die Höhe des Rechts der Rente nach dem SGB VI die besondere BBG des AAÜG, hier insbesondere § 6 Abs. 2 AAÜG, außerachtlassen. Hierzu ist der Kläger auf die spätere Stufe, nämlich die Auseinandersetzung mit dem Rentenversi-cherungsträger bei der Rentenwertfestsetzung – hier in dem beim LSG Berlin-Brandenburg zur Höhe der Regelaltersrente des Klägers ruhenden Verfahren zum Aktenzeichen L 3 R 1407/07 - zu verweisen (vgl. BSG, Urteil vom 20. Dezember 2001, a. a. O.). Diese vom BSG in ständiger Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung ist vom BVerfG als unbedenklich angesehen worden (vgl. Beschlüsse vom 24. Okto-ber 2000 – 1 BvR 1412/99 –, zitiert nach Juris, und vom 09. März 2000 – 1 BvR 2216/96 –, in SozR 3- 8570 § 8 Nr. 5), sie wird auch von anderen Senaten der Lan-dessozialgerichte (LSG) geteilt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Urteile vom 08. Dezem-ber 2010 – L 17 RA 3/98 W05 -, noch nicht veröffentlicht, vom 27. August 2010 – L 22 R 1028/08 –, noch nicht veröffentlicht, und vom 30. Mai 2006 - L 1 R 94/03 -, zitiert nach Juris; LSG Thüringen Urteil vom 27. März 2006 – L 6 RA 542/02 -). Der im Rah-men eines Rentenhöhenstreites bezogen auf § 7 AAÜG vertretenen Auffassung, dass der Versorgungsträger ermächtigt sei, die Begrenzung der Entgelte selbst vorzuneh-men (so LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10. Dezember 2009 – L 33 R 1162/08 -, Revision anhängig beim BSG – B 5 R 2/10 R -, zitiert nach Juris), schließt sich der erkennende Senat nicht an.

Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist jedenfalls unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte die Zeit seiner Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem und seine hierbei tatsächlich erzielten Entgelte für den streitigen Zeitraum vom 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 ohne das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer niedrigeren als der re-gelmäßigen BBG nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG i. d. F. des 1. AAÜG-ÄndG 2005 fest-stellt. Die Verfügungen (Feststellungen) der Beklagten im Überführungsbescheid vom 03. Februar 1997 i. V. m. dem Änderungsbescheid vom 17. Mai 2006, sind rechtmä-ßig.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG ist die Beklagte als Versorgungsträger i. S. v. § 8 Abs. 4 Nr. 1 AAÜG berufen, die dort genannten Daten vorzumerken, die für die Feststellung der Rangstelle und des Wertes der SGB VI-Rente durch den Rentenversicherungsträger von Bedeutung sein können. Dies sind nur die Daten über

1. Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, 2. die Höhe des aus der vom Versorgungssystem erfassten Beschäftigung o-der Tätigkeit tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts oder Arbeitseinkommens, 3. die tatsächlichen Voraussetzungen dafür, ob die Anwendung einer niedrige-ren als der regelmäßigen Beitragsbemessungsgrenze in Betracht kommt (§§ 6 und 7 AAÜG) und 4. (in den Fällen des § 8 Abs. 1 Satz 3 AAÜG) die Feststellung von Arbeitsaus-falltagen.

Einwände zu den Feststellungen der Beklagten zu den Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zu einem Zusatzversorgungssystem, zur Höhe der in diesen Zeiträumen tat-sächlich erzielten Arbeitsentgelte und zu den Arbeitsausfalltagen sind vom Kläger nicht erhoben worden. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung der besonderen BBG des § 6 Abs. 2 AAÜG i. d. F. des 1. AAÜG-ÄndG 2005 ergeben sich im Fall des Klägers aus § 6 Abs. 2 Nr. 4 AAÜG. Danach wird das während der Zuge-hörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 des AAÜG – hier ZVStA (Zusatzversorgungssystem nach Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG) – maßgebende Ar-beitsentgelt oder Arbeitseinkommen höchstens bis zum jeweiligen Betrag der Anlage 5 zugrunde gelegt, wenn eine Beschäftigung oder Tätigkeit als Minister, stellvertreten-der Minister oder stimmberechtigtes Mitglied von Staats- oder Ministerrat oder als Ihre jeweiligen Stellvertreter ausgeübt wurde. Im Falle des Klägers liegen die zuvor aufge-führten tatbestandlichen Voraussetzungen für die besondere BBG unzweifelhaft vor. Weder hat der Kläger berechtigte Einwände gegen die Feststellung seiner Zugehörig-keit zu dem Zusatzversorgungssystem nach Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG in dem streitigen Zeitraum erhoben noch wird von ihm bestritten, dass er in der Zeit vom 10. Mai 1973 bis zum 31. August 1974 und vom 16. Juli 1975 bis zum 17. März 1990 als Stellvertretender Minister im Ministerium für Elektrotechnik und Energie bzw. im Minis-terium für Maschinenbau bzw. im Ministerium für Wirtschaft beschäftigt war. Die tat-sächlichen Voraussetzungen dafür, dass die besondere BBG im Fall des Klägers an-zuwenden ist, folgt mithin bereits daraus, dass dieser in der Zeit vom 10. Mai 1973 bis zum 17. März 1990 als Stellvertretender Minister dem Zusatzversorgungssystem Nr. 19 der Anlage 1 zum AAÜG angehört hatte. Allein mit dieser Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sind die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Anwen-dung der besonderen BBG des § 6 Abs. 2 AAÜG gegeben, ohne dass die Beklagte weitere – aus dem geltenden Bundesrecht nicht ersichtliche – tatsächliche Vorausset-zungen für die Anwendung dieser besonderen BBG zu ermitteln oder festzustellen hatte. Dies gilt insbesondere für die vom Kläger aufgeworfene Frage, ob und inwieweit er während seiner Tätigkeit als Stellvertretender Minister einem System der Selbstpri-vilegierung angehört oder faktische oder rechtliche Weisungsbefugnisse gegenüber Mitarbeitern des MfS hatte. Ein derartiges zusätzliches Tatbestandsmerkmal für die Anwendung der besonderen BBG des § 6 Abs. 2 AAÜG lässt sich weder dem einfa-chen Recht entnehmen noch wäre es verfassungsrechtlich geboten, so dass – entge-gen den Anregungen des Klägers – auch keine weiteren Ermittlungen im vorliegenden Rechtsstreit geboten waren. § 6 Abs. 2 AAÜG eröffnet dem Versorgungsträger dies-bezüglich weder einen Beurteilungsspielraum noch – auf der Rechtsfolgenseite – die Ausübung von Ermessen. Vielmehr hat der Versorgungsträger bei gegebenem Sach-verhalt (Ausübung einer bestimmten Tätigkeit während der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 des AAÜG) nur das Vorliegen der tat-bestandlichen Voraussetzungen für die Anwendung einer besonderen BBG nach § 6 Abs. 2 AAÜG festzustellen.

Der Kläger ist durch die Feststellung dieser Tatsachen durch den Versorgungsträger auch nicht in Grundrechten beeinträchtigt. Eine Verletzung von Grundrechten kommt nur bezüglich der vom Kläger letztlich aufgeworfenen Frage in Betracht, welche BBG für welche Zeiträume und Arbeitsverdienste maßgeblich ist. Dies hat aber – wie zuvor bereits dargestellt - allein der Rentenversicherungsträger zu entscheiden (ständige Rechtsprechung des BSG seit 1996: Urteile vom 18. Juli 1996 – 4 RA 7/95 -, 20. Ok-tober 2001 – B 4 RA 61/01 R -, 20. Dezember 2001 – B 4 RA 6/01 R -, 29. Oktober 2002 - B 4 RA 27/02 R – und vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R - sowie Beschluss vom 09. Oktober 2006 – B 4 RA 263/05 B -, a. a. O.). Insoweit wird der Kläger seine Auffassung zur Verfassungswidrigkeit der besonderen BBG in dem beim LSG zur Rentenhöhe ruhenden Rechtsstreit L 3 R 1407/07 weiter verfolgen müssen. Ob – was das BVerfG zwischenzeitlich bejaht hat (Beschluss vom 06. Juli 2010 - 1 BvL 9/06 und 1 BvL 2/08 -, zitiert nach Juris) und womit sich der Kläger zuletzt vor allem auseinan-dergesetzt hat - eine besondere BBG für Arbeitsentgelte aus einer Tätigkeit als Stell-vertretender Minister verfassungsrechtlich zulässig ist, bedarf daher im Rahmen der vorliegend zu prüfenden Rechtsfragen keiner Beurteilung. Gleiches gilt für die damit einhergehenden tatsächlichen Vorfragen, ob und inwieweit der Kläger im Rahmen eines "Systems der Selbstprivilegierung" "überhöhte" Arbeitsentgelte bzw. Arbeitsein-kommen erzielt und ob er gegenüber dem MfS Weisungsbefugnis gehabt hat oder nicht. Es ist im Verfahren gegen den Versorgungsträger ohne Relevanz, ob die bei der gesetzgeberischen Entscheidung zu § 6 Abs. 2 AAÜG nach Auffassung des Klägers zugrunde liegende Annahme, wonach die Arbeitsentgelte der Berechtigten der ZVStA bzw. der in § 6 Abs. 2 AAÜG genannten Funktionsträger durchweg deutlich überhöht gewesen seien, sachlich unzutreffend ist oder nicht. Abgesehen davon, dass die ver-fassungsrechtliche Vorfrage mit dem Beschluss des BVerfG vom 06. Juli 2010 – a. a. O. - geklärt sein dürfte, ist daher für einen Vorlagebeschluss des Senats nach Art. 100 GG bzw. der vom Prozessbevollmächtigten des Klägers angeregten Beweiserhebung oder der Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf eine beim EGMR gegen den Be-schluss des BVerfG erhobene Beschwerde prozessual kein Raum.

Eine Verbindung des gegen den Rentenversicherungsträger beim LSG Berlin-Brandenburg zum Aktenzeichen L 3 R 1407/07 geführten Rechtsstreites des Klägers mit dem vorliegenden Verfahren kam im Hinblick auf das Ruhen dieses Verfahrens nicht in Betracht. Ebenso wenig bedurfte es einer Beiladung des Rentenversiche-rungsträgers zum vorliegenden Verfahren nach § 75 Abs. 1 oder 2 SGG. Insbesonde-re liegt für eine notwendige Beiladung im Sinne von § 75 Abs. 2 SGG nichts vor, weil die vorliegende Entscheidung getroffen werden kann, ohne dass dadurch unmittelbar Rechte Dritter gestaltet werden (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 75 RdNr. 10). Denn, wie zuvor bereits dargelegt (vgl. hierzu insbesondere BSG, Urteil vom 14. Mai 2003 – B 4 RA 65/02 R -, a. a. O.), hat der Rentenversiche-rungsträger selbständig über die Rentenhöhe – einschließlich der Vorfrage, ob und welche BBG zu Grunde zu legen ist – zu entscheiden, während der Versorgungsträ-ger keinesfalls darüber entscheidet, welche rentenversicherungsrechtliche Bedeutung die von ihm festzustellenden Daten im Einzelfall haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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