Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 19 SB 6519/07
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 5991/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2009 wird zurückgewiesen.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der am 1968 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid vom 16.09.1993 stellte das Versorgungsamt Stuttgart beim Kläger wegen Narben nach einer Weichteilverletzung am rechten Unterarm und geringer Atrophie der kleinen Handmuskeln (Teil-GdB 10) sowie Migräne mit hypochondrischer Entwicklung (Teil-GdB 30) den GdB mit 30 neu fest.
Unter dem 24.11.2006 beantragte der Kläger beim nunmehr zuständigen Landratsamt E. - Amt für besondere Hilfen - (VA) die Neufeststellung eines höheren GdB. Das VA holte medizinische Befundberichte von Dr. Ta. vom 29.09.1998, Dr. R. vom 25.05.2004 und Dr. Str. vom 21.06.2004 ein. Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K. vom 07.03.2007, der wegen einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand (Teil-GdB 10), Migräne und seelischer Störung (Teil-GdB 30) und einem Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10) den Gesamt-GdB weiterhin mit 30 vorschlug, lehnte das VA mit Bescheid vom 12.04.2007 den Neufeststellungsantrag des Klägers ab.
Gegen den Bescheid vom 12.04.2007 legte der Kläger am 24.04.2007 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Schmerzen in der rechten Hand und im rechten Arm hätten sich verschlimmert. Es liege eine Kraftminderung vor. Das VA zog den Durchgangsarztbericht des Medizinischen Versorgungszentrums S -Klinik E. vom 20.02.2007 bei. Nach Einholung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme seines versorgungsärztlichen Dienstes (Dr. Schu. vom 02.07.2007) wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 16.09.1993 zu Grunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung, die eine Erhöhung des bisherigen GdB rechtfertigen könne, nicht eingetreten.
Hiergegen erhob der Kläger am 28.08.2007 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, Schmerzen in der rechten Hand und im rechten Arm, die Folgen eines am 09.08.1990 erlittenen Arbeitsunfalles seien, hätten sich verschlimmert. Die Folgen des Arbeitsunfalles seien bis heute nicht ausgeheilt. Er leide am rechten Arm an einer Kraftminderung, an Wetterfühligkeit, Müdigkeit und manchmal an Pelzigkeit am rechten Arm. Außerdem habe er einen Bandscheibenvorfall gehabt und leide unter Migräne und Depressionen. Der Kläger legte medizinische Unterlagen bezüglich des Arbeitsunfalles, den Entlassungsbericht der F. Klinik Bad B. vom 25.10.2007 sowie ärztliche Atteste von Dr. St. vom 12.11.2007 und Dr. Ko. vom 22.10.2007 vor.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. Bo. vom 10.03.2008 entgegen.
Das SG zog von der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd Stuttgart die Akte des Klägers bei und nahm die an die Berufsgenossenschaft erstatteten Gutachten von PD Dr. G. vom 26.04.2008, der auf unfallchirurgischem Gebiet hinsichtlich der Unfallfolgen am rechten Unterarm die MdE auf 10 v.H. einschätzte, sowie das nervenärztliche Gutachten von Dr. O. vom 08.05.2008, der für die Unfallfolgen unter Berücksichtigung somatischer und psychischer Beschwerden sowie einer Insomnie bei neuropathischem Schmerzsyndrom die MdE auf 20 vH. einschätzte, zu den Akten. Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Kläger unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Pa. vom 13.10.2008 ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand (Teil-GdB 20), Migräne und seelischer Störung (Teil-GdB 30) und Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10) den Gesamt-GdB mit 40 seit 24.11.2006 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen, das der Kläger nicht annahm.
Das SG hörte den Nervenarzt Dr. Si. , den Orthopäden Dr. R. , die Neurologin S. und die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. Si. teilte in seiner Stellungnahme vom 02.03.2009 mit, wegen einer nur zweimaligen Behandlung könne er die Beweisfragen nicht beantworten. Zuvor habe der Kläger bei Dr. Ko. in Behandlung gestanden, die die Gemeinschaftspraxis verlassen habe. Dr. R. teilte in seiner Stellungnahme vom 02.03.2009 die Diagnosen mit und schloss sich der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten ein. Die Neurologin S. teilte in ihrer Stellungnahme vom 26.03.2009 mit, der Kläger habe sich bei ihr am 07.02.2002 zuletzt vorgestellt, weshalb sie die Beweisfragen nicht beantworten könne. Die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen teilte in ihrer Stellungnahme vom 19.03.2009 unter Vorlage weiterer medizinischer Befundberichte die Befunde und Behinderungen mit. Unter Berücksichtigung einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, einer Migräne sowie einer depressiven Entwicklung wurde der GdB mit insgesamt 40 eingeschätzt.
Der Kläger hielt an seiner Klage unter Vorlage ärztlicher Atteste fest. Der Beklagte hielt unter Vorlage der Stellungnahmen des Versorgungsarztes D. vom 10.07.2009 und Dr. W. vom 13.11.2009 an der Bewertung des GdB mit 40 fest.
Das SG hat den Kläger in der öffentlichen Sitzung am 19.11.2009 angehört. Der Beklagte gab ein Teilanerkenntnis dahin ab, den Gesamt-GdB ab 24.11.2006 auf 40 festzusetzen. Auf die Niederschrift vom 19.11.2009 wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 19.11.2009 wies das SG die Klage ab und verurteilte den Beklagten, dem Kläger 1/4 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das SG führte in den Entscheidungsgründen des Urteils aus, beim Kläger sei eine wesentliche Änderung seit der Feststellung des GdB im Bescheid vom 16.09.1993 eingetreten. Der GdB sei nunmehr, wie vom Beklagten anerkannt, mit 40 festzustellen. Hinsichtlich der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand sei insgesamt ein Teil-GdB von 20 ausreichend und angemessen. Hinsichtlich der Erkrankung der Wirbelsäule sei insgesamt ein GdB von 10 bis 20 gerechtfertigt. Für die psychische Erkrankung sei ein höherer Teil-GdB als 30 nicht gerechtfertigt. In diesem Teil-GdB seien sowohl die psychiatrische Erkrankung als auch die Migräne eingestellt. Die Migräne sei als Teil der psychischen Erkrankung zu betrachten. Aus diesen Teil-GdB-Werten sei ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden. Die beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen rechtfertigten die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht. Die Kostenentscheidung trage dem Teilanerkenntnis des Beklagten Rechnung.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.12.2009 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren stellte das VA in Ausführung des Teilanerkenntnisses mit Bescheid vom 18.01.2010 beim Kläger den GdB mit 40 ab dem 24.11.2006 sowie eine weiterhin bestehende dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest.
Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, die Berufung richte sich nicht dagegen, dass das SG seine psychische Erkrankung und die Migräne mit einem Teil-GdB von 30 bewertet habe. Dies werde ausdrücklich akzeptiert. Das SG habe eine Verschlechterung der Gebrauchseinschränkung an der rechten Hand (Kraftminderung) jedoch nicht berücksichtigt. Ein Teil-GdB von 20 sei zu gering. Auch die Wirbelsäulensyndrome seien mit einem GdB von 10 zu gering bewertet. Ein Teil-GdB von 20 sei angebracht. Der Kläger hat das ärztliche Attest der Gemeinschaftspraxis L. vom 20.05.2010, die ärztlichen Bescheinigungen von Dr. R. vom 26.11.2010 sowie 11.01.2011 und das Attest des Nervenarztes Dr. A. vom 02.12.2010 vorgelegt. Weiter habe das SG die Quote der zu erstattenden Kosten falsch festgelegt. Die Kostenquote betrage 1/2.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. Januar 2010 zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit dem 24. November 2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Hinsichtlich des Wirbelsäulenschadens seien Funktionseinschränkungen, die einen höheren Teil-GdB als 10 begründen, nicht nachgewiesen. Die Kostenquote von 1/4 sei zutreffend.
Der Senat hat die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen sowie Dr. R. zu Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers seit März 2009 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen (Stellungnahme vom 25.05.2010) sowie Dr. R. (Stellungnahme vom 01.06.2010) haben übereinstimmend eine Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers verneint.
Der Rechtsstreit ist mit den Beteiligten durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 06.08.2010 erörtert worden. Der Kläger hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt, von Dr. H. ein Gutachten einzuholen und die Kosten des Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen. Auf die Niederschrift vom 06.08.2010 wird Bezug genommen.
In seinem orthopädischen Gutachten vom 05.11.2010 gelangte der Sachverständige Dr. H. nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung, beim Kläger bestünden an Funktionsbeeinträchtigungen eine schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Begleiterscheinung (Teil-GdB 20) sowie eine schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Unterarms und der rechten Hand nach einer Weichteilverletzung (Teil-GdB 20). Für die seelischen Störungen und die Migräne sei ein Teil-GdB von 30 angemessen. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Leiden erhöhe sich der Gesamt-GdB auf 40 ab 20.04.2008. Ein Gesamt-GdB von 50 erscheine unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers über die Belastungen am Arbeitsplatz und im Privatleben sowie des aktuellen Untersuchungsbefundes zu hoch.
Mit Schreiben des Berichterstatters vom 08.11.2010 ist zur Erledigung des Rechtsstreites ein Vergleich dahingehend angeregt worden, dass der Beklagte 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers des erstinstanzlichen Verfahrens dem Grunde nach trägt, dem der Kläger nicht zugestimmt hat.
Mit richterlicher Verfügung vom 26.11.2010 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.12.2010 erhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung vom 26.11.2010 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreites ist nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren und dem entsprechend dem Teilanerkenntnis ergangenen Ausführungsbescheid des VA vom 18.01.2010 nur noch, ob dem Kläger ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB von über 40 zusteht. Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers dementsprechend gefasst.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Das SG hat weiter ausführlich und zutreffend begründet, dass beim Kläger eine wesentliche Änderung seit der Feststellung des GdB im Bescheid vom 16.09.1993 eingetreten ist, weshalb der GdB nunmehr, wie von der Beklagten anerkannt, mit 40 festzustellen ist, dass hinsichtlich der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand insgesamt ein Teil-GdB von 20 ausreichend und angemessen ist, hinsichtlich der Erkrankung der Wirbelsäule insgesamt ein GdB von 10 bis 20 gerechtfertigt ist, für die psychische Erkrankung und die Migräne ein höherer Teil-GdB als 30 nicht gerechtfertigt ist und dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht rechtfertigen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des SG im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die vom Senat im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen bleibt auszuführen:
In dem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. H. wird die Ansicht des Beklagten bestätigt. Dr. H. gelangt in seinem Gutachten vom 05.11.2010 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass beim Kläger der Gesamt-GdB 40 beträgt und ein Gesamt-GdB von 50 nicht gerechtfertigt ist.
Soweit Dr. H. in seinem Gutachten hinsichtlich der Wirbelsäule des Klägers von einem Teil-GdB von 20 ausgeht, ist diese Bewertung allerdings nicht überzeugend. Dr. H. stützt seine Bewertung auf eine schmerzhafte Funktionsstörung der Wirbelsäule. Nach den von ihm bei der Begutachtung des Klägers erhobenen Wirbelsäulenbefunden bestehen beim Kläger jedoch keine Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, die nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) Nr. 18.9 erst einen GdB von 20 rechtfertigen. So sind die Halswirbelsäule und die Kopfgelenke beim Kläger mit Ausnahme der Rechtsdrehung nach allen Richtungen frei beweglich, wobei die Rechtsdrehung des Kopfes endgradig bei einer C3 Blockierung lediglich schmerzhaft leicht eingeschränkt ist. Auch der Bewegungsumfang der Lendenwirbelsäule ist nicht offenkundig eingeschränkt. Lediglich endgradige Bewegungen wurden vom Kläger als schmerzhaft angegeben. Im Bereich der Brustwirbelsäule finden sich zwar mehrere Blockierungen. Die Wirbelsäule entfaltet sich jedoch bei einem Finger-Boden-Abstand von 20 cm trotzdem fast vollständig. Eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit fiel bei der Untersuchung des Klägers im Rahmen der Begutachtung auch nicht bei Komplexbewegungen wie z.B. beim Hinsetzen oder Aufstehen aus dem Sitzen sowie beim Auskleiden auf. Die Wirbelsäulenschäden rufen auch keine neurologischen Begleiterscheinungen hervor, wie Dr. H. in seinem Gutachten weiter ausgeführt hat. Danach bedingen die beim Kläger bestehenden Wirbelsäulenschäden in keinem Wirbelsäulenabschnitt mittelgradige funktionelle Auswirkungen. Dass beim Kläger hinsichtlich der Wirbelsäule eine außergewöhnliche Schmerzhaftigkeit vorliegt, die nach den VG den GdB erhöhend zu berücksichtigen ist, trifft beim Kläger nicht zu. Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Erst wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (vgl. VG Teil A Nr. 2 i, j). Eine solche über das übliche Maß hinausgehende, eine ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit hat Dr. H. beim Kläger nicht festgestellt. Vielmehr nimmt der Kläger lediglich (wenigstens) einmal wöchentlich, und damit nur gelegentlich, ein entzündungshemmendes Schmerzmedikament gegen Rückenschmerzen ein. Auch Dr. R. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 02.03.2009 an das SG die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten auf seinem Fachgebiet geteilt und die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers (Lendenwirbelsäule) als gering bis allenfalls mittelgradig angesehen. Außerdem hat Dr. R. in seinem von der Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen vorgelegten Befundbericht vom 06.11.2008 die Beschwerden des Klägers als durch eine Bandscheibenprotrusion nur teilweise erklärbar angesehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen von Dr. R. vom 26.11.2010 und 11.01.2011 zeigen keine neuen Befunde auf, die eine andere Bewertung des GdB rechtfertigen. Von Dr. R. zuletzt bescheinigte "offensichtliche bis zur radikulären Ausstrahlung" führende LWS-Beschwerden stehen im Gegensatz zum Befund von Dr. H. und werden durch die weitere Befundbeschreibung in der Bescheinigung vom 11.01.2011 nicht plausibel. Danach ist Motorik und Sensibilität unauffällig. Zudem kann hinsichtlich des von Dr. R. erstmals in der ärztlichen Bescheinigung vom 11.01.2011 genannten Befunds noch nicht von einer dauerhaften - mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauernden - Behinderung ausgegangen werden, die erst Grundlage der GdB-Bewertung sein kann. Hierzu macht Dr. R. keine Angaben. Insoweit bleibt dem Kläger zu gegebener Zeit die Möglichkeit beim Beklagten einen Neufeststellungsantrag auf Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung zu stellen. Soweit angegeben wird, der Kläger beklage erhebliche, sich verschlechternde Rückenschmerzen, lässt sich der Bescheinigung nicht entnehmen, dass insoweit eine relevante Verschlimmerung seit der Begutachtung durch Dr. H. eingetreten ist.
Selbst wenn man mit Dr. H. und Dr. R. hinsichtlich der Wirbelsäulenschäden des Klägers von einem Teil-GdB von 20 ausgehen würde, würde dies die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers (GdB 50 oder mehr) nicht rechtfertigen. Nach den vom SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB, wonach es bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, ist der berücksichtigte Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden nach dem Ausgeführten (sehr) weitreichend und überschneidet sich zudem mit der seelischen Störung des Klägers, wie Dr. Bo. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2008 unter Bezugnahme auf das subjektiv verstärkte Schmerzempfinden (Somatisierung) überzeugend ausgeführt hat und wie sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Attest von Dr. A. vom 02.12.2010 ergibt. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, deswegen beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50 oder mehr) festzustellen. Dem entspricht auch die Bewertung des Gesamt-GdB durch Dr. H. , der in seinem Gutachten ebenfalls einen Gesamt-GdB von 50 beim Kläger für nicht gerechtfertigt erachtet hat.
Die seelische Störung, die Somatisierungsstörung und die Migräne sind mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Beim Kläger ist von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen, wie das SG im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend begründet hat. Anlass, den nach den VG dafür vorgesehenen GdB-Rahmen (30 bis 40) nach oben auszuschöpfen, besteht beim Kläger nicht. Nach den vom Kläger bei der Begutachtung durch Dr. H. gemachten Angaben bestand in der letzten Zeit wegen der auf psychiatrischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen bzw. wegen der Migräne keine Arbeitsunfähigkeit, weshalb es der Senat nicht für angemessen hält, wegen dieser Gesundheitsstörungen einen GdB von 40 anzunehmen. Auch die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen hat sich in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 19.03.2009 nicht gegen die Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten gewandt (Teil-GdB 30). Der Kläger hat sich im Übrigen mit seiner Berufungsschrift vom 18.12.2009 selbst nicht gegen die GdB-Bewertung seiner psychischen Erkrankung und die Migräne gewandt, sondern die GdB-Bewertung mit 30 ausdrücklich akzeptiert. Dass eine Verschlimmerung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Dem vom Kläger vorgelegten Attest von Dr. A. vom 02.12.2010 lassen sich neue Befunde bzw. eine Verschlimmerung nicht entnehmen. Ebenso lässt sich nicht nachvollziehbar und plausibel entnehmen, dass der vom Beklagten für die psychische Symptomatik angenommene Teil-GdB von 30 unzureichend ist.
Das Berufungsvorbringen des Klägers, die Wirbelsäulenproblematik und die Kraftminderung der rechten Hand hätten sich verschlimmert, hat Dr. R. in der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 01.06.2010 nicht bestätigt. Auch die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen hat in der vom Senat außerdem eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 25.05.2010 eine Verschlimmerung verneint.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren darauf beruft, er sei aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere im Bereich des Arbeitslebens als Dreher an der Maschine eingeschränkt, rechtfertigt dies für sich eine Erhöhung der nach den VG vorgegebenen GdB-Werte nicht.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungsrelevanten Sachverhalt für aufgeklärt. Dass eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten ist, die Anlass zu weiteren Ermittlungen gibt, ist nach dem Ausgeführten nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren erachtet der Senat ebenso wie das SG gemäß § 193 SGG eine Kostenquote zulasten des Beklagten von einem Viertel für angemessen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nach richterlichem Ermessen eine Kostenquote zulasten des Beklagten zur Hälfte nicht gerechtfertigt, da der vom Kläger erfolglos angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft wirtschaftlich ein wesentlich höheres Gewicht beizumessen ist als der anerkannte GdB von 40. Auch unter Berücksichtigung der durch das nicht angenommene Vergleichsangebot des Beklagten vom 13.10.2008 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG entstandenen Aufwendungen ist die Kostenquote von einem Viertel für die erste Instanz sachgerecht.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) streitig.
Der am 1968 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger. Er ist im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung. Mit Bescheid vom 16.09.1993 stellte das Versorgungsamt Stuttgart beim Kläger wegen Narben nach einer Weichteilverletzung am rechten Unterarm und geringer Atrophie der kleinen Handmuskeln (Teil-GdB 10) sowie Migräne mit hypochondrischer Entwicklung (Teil-GdB 30) den GdB mit 30 neu fest.
Unter dem 24.11.2006 beantragte der Kläger beim nunmehr zuständigen Landratsamt E. - Amt für besondere Hilfen - (VA) die Neufeststellung eines höheren GdB. Das VA holte medizinische Befundberichte von Dr. Ta. vom 29.09.1998, Dr. R. vom 25.05.2004 und Dr. Str. vom 21.06.2004 ein. Entsprechend der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsarztes Dr. K. vom 07.03.2007, der wegen einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand (Teil-GdB 10), Migräne und seelischer Störung (Teil-GdB 30) und einem Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10) den Gesamt-GdB weiterhin mit 30 vorschlug, lehnte das VA mit Bescheid vom 12.04.2007 den Neufeststellungsantrag des Klägers ab.
Gegen den Bescheid vom 12.04.2007 legte der Kläger am 24.04.2007 Widerspruch ein. Er machte geltend, die Schmerzen in der rechten Hand und im rechten Arm hätten sich verschlimmert. Es liege eine Kraftminderung vor. Das VA zog den Durchgangsarztbericht des Medizinischen Versorgungszentrums S -Klinik E. vom 20.02.2007 bei. Nach Einholung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme seines versorgungsärztlichen Dienstes (Dr. Schu. vom 02.07.2007) wurde der Widerspruch vom Regierungspräsidium Stuttgart - Landesversorgungsamt - mit Widerspruchsbescheid vom 17.08.2007 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, in den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 16.09.1993 zu Grunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung, die eine Erhöhung des bisherigen GdB rechtfertigen könne, nicht eingetreten.
Hiergegen erhob der Kläger am 28.08.2007 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Er machte zur Begründung geltend, Schmerzen in der rechten Hand und im rechten Arm, die Folgen eines am 09.08.1990 erlittenen Arbeitsunfalles seien, hätten sich verschlimmert. Die Folgen des Arbeitsunfalles seien bis heute nicht ausgeheilt. Er leide am rechten Arm an einer Kraftminderung, an Wetterfühligkeit, Müdigkeit und manchmal an Pelzigkeit am rechten Arm. Außerdem habe er einen Bandscheibenvorfall gehabt und leide unter Migräne und Depressionen. Der Kläger legte medizinische Unterlagen bezüglich des Arbeitsunfalles, den Entlassungsbericht der F. Klinik Bad B. vom 25.10.2007 sowie ärztliche Atteste von Dr. St. vom 12.11.2007 und Dr. Ko. vom 22.10.2007 vor.
Der Beklagte trat der Klage unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme der Dr. Bo. vom 10.03.2008 entgegen.
Das SG zog von der Berufsgenossenschaft Metall Nord Süd Stuttgart die Akte des Klägers bei und nahm die an die Berufsgenossenschaft erstatteten Gutachten von PD Dr. G. vom 26.04.2008, der auf unfallchirurgischem Gebiet hinsichtlich der Unfallfolgen am rechten Unterarm die MdE auf 10 v.H. einschätzte, sowie das nervenärztliche Gutachten von Dr. O. vom 08.05.2008, der für die Unfallfolgen unter Berücksichtigung somatischer und psychischer Beschwerden sowie einer Insomnie bei neuropathischem Schmerzsyndrom die MdE auf 20 vH. einschätzte, zu den Akten. Der Beklagte unterbreitete daraufhin dem Kläger unter Vorlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Pa. vom 13.10.2008 ein Vergleichsangebot dahin, wegen einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand (Teil-GdB 20), Migräne und seelischer Störung (Teil-GdB 30) und Bandscheibenschaden (Teil-GdB 10) den Gesamt-GdB mit 40 seit 24.11.2006 sowie eine dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit festzustellen, das der Kläger nicht annahm.
Das SG hörte den Nervenarzt Dr. Si. , den Orthopäden Dr. R. , die Neurologin S. und die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. Si. teilte in seiner Stellungnahme vom 02.03.2009 mit, wegen einer nur zweimaligen Behandlung könne er die Beweisfragen nicht beantworten. Zuvor habe der Kläger bei Dr. Ko. in Behandlung gestanden, die die Gemeinschaftspraxis verlassen habe. Dr. R. teilte in seiner Stellungnahme vom 02.03.2009 die Diagnosen mit und schloss sich der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten ein. Die Neurologin S. teilte in ihrer Stellungnahme vom 26.03.2009 mit, der Kläger habe sich bei ihr am 07.02.2002 zuletzt vorgestellt, weshalb sie die Beweisfragen nicht beantworten könne. Die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen teilte in ihrer Stellungnahme vom 19.03.2009 unter Vorlage weiterer medizinischer Befundberichte die Befunde und Behinderungen mit. Unter Berücksichtigung einer Gebrauchseinschränkung der rechten Hand, einer Migräne sowie einer depressiven Entwicklung wurde der GdB mit insgesamt 40 eingeschätzt.
Der Kläger hielt an seiner Klage unter Vorlage ärztlicher Atteste fest. Der Beklagte hielt unter Vorlage der Stellungnahmen des Versorgungsarztes D. vom 10.07.2009 und Dr. W. vom 13.11.2009 an der Bewertung des GdB mit 40 fest.
Das SG hat den Kläger in der öffentlichen Sitzung am 19.11.2009 angehört. Der Beklagte gab ein Teilanerkenntnis dahin ab, den Gesamt-GdB ab 24.11.2006 auf 40 festzusetzen. Auf die Niederschrift vom 19.11.2009 wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 19.11.2009 wies das SG die Klage ab und verurteilte den Beklagten, dem Kläger 1/4 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Das SG führte in den Entscheidungsgründen des Urteils aus, beim Kläger sei eine wesentliche Änderung seit der Feststellung des GdB im Bescheid vom 16.09.1993 eingetreten. Der GdB sei nunmehr, wie vom Beklagten anerkannt, mit 40 festzustellen. Hinsichtlich der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand sei insgesamt ein Teil-GdB von 20 ausreichend und angemessen. Hinsichtlich der Erkrankung der Wirbelsäule sei insgesamt ein GdB von 10 bis 20 gerechtfertigt. Für die psychische Erkrankung sei ein höherer Teil-GdB als 30 nicht gerechtfertigt. In diesem Teil-GdB seien sowohl die psychiatrische Erkrankung als auch die Migräne eingestellt. Die Migräne sei als Teil der psychischen Erkrankung zu betrachten. Aus diesen Teil-GdB-Werten sei ein Gesamt-GdB von 40 zu bilden. Die beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen rechtfertigten die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht. Die Kostenentscheidung trage dem Teilanerkenntnis des Beklagten Rechnung.
Gegen das dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 17.12.2009 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21.12.2009 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren stellte das VA in Ausführung des Teilanerkenntnisses mit Bescheid vom 18.01.2010 beim Kläger den GdB mit 40 ab dem 24.11.2006 sowie eine weiterhin bestehende dauernde Einbuße der körperlichen Beweglichkeit im Sinne des § 33b Einkommensteuergesetz fest.
Der Kläger hat zur Begründung ausgeführt, die Berufung richte sich nicht dagegen, dass das SG seine psychische Erkrankung und die Migräne mit einem Teil-GdB von 30 bewertet habe. Dies werde ausdrücklich akzeptiert. Das SG habe eine Verschlechterung der Gebrauchseinschränkung an der rechten Hand (Kraftminderung) jedoch nicht berücksichtigt. Ein Teil-GdB von 20 sei zu gering. Auch die Wirbelsäulensyndrome seien mit einem GdB von 10 zu gering bewertet. Ein Teil-GdB von 20 sei angebracht. Der Kläger hat das ärztliche Attest der Gemeinschaftspraxis L. vom 20.05.2010, die ärztlichen Bescheinigungen von Dr. R. vom 26.11.2010 sowie 11.01.2011 und das Attest des Nervenarztes Dr. A. vom 02.12.2010 vorgelegt. Weiter habe das SG die Quote der zu erstattenden Kosten falsch festgelegt. Die Kostenquote betrage 1/2.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. November 2009 sowie den Bescheid des Beklagten vom 12. April 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. August 2007 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 18. Januar 2010 zu verurteilen, bei ihm den Grad der Behinderung mit mindestens 50 seit dem 24. November 2006 festzustellen.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Hinsichtlich des Wirbelsäulenschadens seien Funktionseinschränkungen, die einen höheren Teil-GdB als 10 begründen, nicht nachgewiesen. Die Kostenquote von 1/4 sei zutreffend.
Der Senat hat die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen sowie Dr. R. zu Veränderungen im Gesundheitszustand des Klägers seit März 2009 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen (Stellungnahme vom 25.05.2010) sowie Dr. R. (Stellungnahme vom 01.06.2010) haben übereinstimmend eine Veränderung des Gesundheitszustandes des Klägers verneint.
Der Rechtsstreit ist mit den Beteiligten durch den Berichterstatter in nichtöffentlicher Sitzung am 06.08.2010 erörtert worden. Der Kläger hat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beantragt, von Dr. H. ein Gutachten einzuholen und die Kosten des Gutachtens auf die Staatskasse zu übernehmen. Auf die Niederschrift vom 06.08.2010 wird Bezug genommen.
In seinem orthopädischen Gutachten vom 05.11.2010 gelangte der Sachverständige Dr. H. nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers zu der Beurteilung, beim Kläger bestünden an Funktionsbeeinträchtigungen eine schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule ohne neurologische Begleiterscheinung (Teil-GdB 20) sowie eine schmerzhafte Funktionsstörung des rechten Unterarms und der rechten Hand nach einer Weichteilverletzung (Teil-GdB 20). Für die seelischen Störungen und die Migräne sei ein Teil-GdB von 30 angemessen. Unter Berücksichtigung der orthopädischen Leiden erhöhe sich der Gesamt-GdB auf 40 ab 20.04.2008. Ein Gesamt-GdB von 50 erscheine unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers über die Belastungen am Arbeitsplatz und im Privatleben sowie des aktuellen Untersuchungsbefundes zu hoch.
Mit Schreiben des Berichterstatters vom 08.11.2010 ist zur Erledigung des Rechtsstreites ein Vergleich dahingehend angeregt worden, dass der Beklagte 1/3 der außergerichtlichen Kosten des Klägers des erstinstanzlichen Verfahrens dem Grunde nach trägt, dem der Kläger nicht zugestimmt hat.
Mit richterlicher Verfügung vom 26.11.2010 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme bis 31.12.2010 erhalten.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie ein Band Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.
II.
Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann der Senat - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG mit richterlicher Verfügung vom 26.11.2010 hingewiesen worden und haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG ist in der Sache nicht zu beanstanden. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
Gegenstand des Rechtsstreites ist nach dem Teilanerkenntnis des Beklagten im erstinstanzlichen Verfahren und dem entsprechend dem Teilanerkenntnis ergangenen Ausführungsbescheid des VA vom 18.01.2010 nur noch, ob dem Kläger ein Anspruch auf Neufeststellung des GdB von über 40 zusteht. Der Senat hat den Berufungsantrag des Klägers dementsprechend gefasst.
Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreites maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze vollständig und zutreffend dargestellt. Das SG hat weiter ausführlich und zutreffend begründet, dass beim Kläger eine wesentliche Änderung seit der Feststellung des GdB im Bescheid vom 16.09.1993 eingetreten ist, weshalb der GdB nunmehr, wie von der Beklagten anerkannt, mit 40 festzustellen ist, dass hinsichtlich der Gebrauchseinschränkung der rechten Hand insgesamt ein Teil-GdB von 20 ausreichend und angemessen ist, hinsichtlich der Erkrankung der Wirbelsäule insgesamt ein GdB von 10 bis 20 gerechtfertigt ist, für die psychische Erkrankung und die Migräne ein höherer Teil-GdB als 30 nicht gerechtfertigt ist und dass die beim Kläger vorliegenden Funktionsstörungen die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50) nicht rechtfertigen. Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die ausführlichen und zutreffenden Entscheidungsgründe des SG im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).
Ergänzend und im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten und die vom Senat im Berufungsverfahren durchgeführten Ermittlungen bleibt auszuführen:
In dem auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten von Dr. H. wird die Ansicht des Beklagten bestätigt. Dr. H. gelangt in seinem Gutachten vom 05.11.2010 ebenfalls zu dem Ergebnis, dass beim Kläger der Gesamt-GdB 40 beträgt und ein Gesamt-GdB von 50 nicht gerechtfertigt ist.
Soweit Dr. H. in seinem Gutachten hinsichtlich der Wirbelsäule des Klägers von einem Teil-GdB von 20 ausgeht, ist diese Bewertung allerdings nicht überzeugend. Dr. H. stützt seine Bewertung auf eine schmerzhafte Funktionsstörung der Wirbelsäule. Nach den von ihm bei der Begutachtung des Klägers erhobenen Wirbelsäulenbefunden bestehen beim Kläger jedoch keine Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, die nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) Nr. 18.9 erst einen GdB von 20 rechtfertigen. So sind die Halswirbelsäule und die Kopfgelenke beim Kläger mit Ausnahme der Rechtsdrehung nach allen Richtungen frei beweglich, wobei die Rechtsdrehung des Kopfes endgradig bei einer C3 Blockierung lediglich schmerzhaft leicht eingeschränkt ist. Auch der Bewegungsumfang der Lendenwirbelsäule ist nicht offenkundig eingeschränkt. Lediglich endgradige Bewegungen wurden vom Kläger als schmerzhaft angegeben. Im Bereich der Brustwirbelsäule finden sich zwar mehrere Blockierungen. Die Wirbelsäule entfaltet sich jedoch bei einem Finger-Boden-Abstand von 20 cm trotzdem fast vollständig. Eine Einschränkung der Wirbelsäulenbeweglichkeit fiel bei der Untersuchung des Klägers im Rahmen der Begutachtung auch nicht bei Komplexbewegungen wie z.B. beim Hinsetzen oder Aufstehen aus dem Sitzen sowie beim Auskleiden auf. Die Wirbelsäulenschäden rufen auch keine neurologischen Begleiterscheinungen hervor, wie Dr. H. in seinem Gutachten weiter ausgeführt hat. Danach bedingen die beim Kläger bestehenden Wirbelsäulenschäden in keinem Wirbelsäulenabschnitt mittelgradige funktionelle Auswirkungen. Dass beim Kläger hinsichtlich der Wirbelsäule eine außergewöhnliche Schmerzhaftigkeit vorliegt, die nach den VG den GdB erhöhend zu berücksichtigen ist, trifft beim Kläger nicht zu. Die in der GdB-Tabelle angegebenen Werte schließen die üblicherweise vorhandenen Schmerzen mit ein und berücksichtigen auch erfahrungsgemäß besonders schmerzhafte Zustände. Erst wenn nach Ort und Ausmaß der pathologischen Veränderungen eine über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit nachgewiesen ist, die eine ärztliche Behandlung erfordert, können höhere Werte angesetzt werden (vgl. VG Teil A Nr. 2 i, j). Eine solche über das übliche Maß hinausgehende, eine ärztliche Behandlung erfordernde Schmerzhaftigkeit hat Dr. H. beim Kläger nicht festgestellt. Vielmehr nimmt der Kläger lediglich (wenigstens) einmal wöchentlich, und damit nur gelegentlich, ein entzündungshemmendes Schmerzmedikament gegen Rückenschmerzen ein. Auch Dr. R. hat in seiner schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 02.03.2009 an das SG die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten auf seinem Fachgebiet geteilt und die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers (Lendenwirbelsäule) als gering bis allenfalls mittelgradig angesehen. Außerdem hat Dr. R. in seinem von der Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen vorgelegten Befundbericht vom 06.11.2008 die Beschwerden des Klägers als durch eine Bandscheibenprotrusion nur teilweise erklärbar angesehen. Die vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen von Dr. R. vom 26.11.2010 und 11.01.2011 zeigen keine neuen Befunde auf, die eine andere Bewertung des GdB rechtfertigen. Von Dr. R. zuletzt bescheinigte "offensichtliche bis zur radikulären Ausstrahlung" führende LWS-Beschwerden stehen im Gegensatz zum Befund von Dr. H. und werden durch die weitere Befundbeschreibung in der Bescheinigung vom 11.01.2011 nicht plausibel. Danach ist Motorik und Sensibilität unauffällig. Zudem kann hinsichtlich des von Dr. R. erstmals in der ärztlichen Bescheinigung vom 11.01.2011 genannten Befunds noch nicht von einer dauerhaften - mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauernden - Behinderung ausgegangen werden, die erst Grundlage der GdB-Bewertung sein kann. Hierzu macht Dr. R. keine Angaben. Insoweit bleibt dem Kläger zu gegebener Zeit die Möglichkeit beim Beklagten einen Neufeststellungsantrag auf Erhöhung des GdB wegen Verschlimmerung zu stellen. Soweit angegeben wird, der Kläger beklage erhebliche, sich verschlechternde Rückenschmerzen, lässt sich der Bescheinigung nicht entnehmen, dass insoweit eine relevante Verschlimmerung seit der Begutachtung durch Dr. H. eingetreten ist.
Selbst wenn man mit Dr. H. und Dr. R. hinsichtlich der Wirbelsäulenschäden des Klägers von einem Teil-GdB von 20 ausgehen würde, würde dies die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft des Klägers (GdB 50 oder mehr) nicht rechtfertigen. Nach den vom SG im angefochtenen Urteil zutreffend dargestellten Grundsätzen zur Bildung des Gesamt-GdB, wonach es bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt ist, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen, ist der berücksichtigte Teil-GdB von 20 für das Wirbelsäulenleiden nach dem Ausgeführten (sehr) weitreichend und überschneidet sich zudem mit der seelischen Störung des Klägers, wie Dr. Bo. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.03.2008 unter Bezugnahme auf das subjektiv verstärkte Schmerzempfinden (Somatisierung) überzeugend ausgeführt hat und wie sich auch aus dem vom Kläger vorgelegten Attest von Dr. A. vom 02.12.2010 ergibt. Deshalb ist es nicht gerechtfertigt, deswegen beim Kläger die Schwerbehinderteneigenschaft (GdB 50 oder mehr) festzustellen. Dem entspricht auch die Bewertung des Gesamt-GdB durch Dr. H. , der in seinem Gutachten ebenfalls einen Gesamt-GdB von 50 beim Kläger für nicht gerechtfertigt erachtet hat.
Die seelische Störung, die Somatisierungsstörung und die Migräne sind mit einem GdB von 30 angemessen bewertet. Beim Kläger ist von einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit auszugehen, wie das SG im angefochtenen Urteil ausführlich und zutreffend begründet hat. Anlass, den nach den VG dafür vorgesehenen GdB-Rahmen (30 bis 40) nach oben auszuschöpfen, besteht beim Kläger nicht. Nach den vom Kläger bei der Begutachtung durch Dr. H. gemachten Angaben bestand in der letzten Zeit wegen der auf psychiatrischem Fachgebiet liegenden Gesundheitsstörungen bzw. wegen der Migräne keine Arbeitsunfähigkeit, weshalb es der Senat nicht für angemessen hält, wegen dieser Gesundheitsstörungen einen GdB von 40 anzunehmen. Auch die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen hat sich in der schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 19.03.2009 nicht gegen die Ansicht des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten gewandt (Teil-GdB 30). Der Kläger hat sich im Übrigen mit seiner Berufungsschrift vom 18.12.2009 selbst nicht gegen die GdB-Bewertung seiner psychischen Erkrankung und die Migräne gewandt, sondern die GdB-Bewertung mit 30 ausdrücklich akzeptiert. Dass eine Verschlimmerung eingetreten ist, ist nicht ersichtlich. Dem vom Kläger vorgelegten Attest von Dr. A. vom 02.12.2010 lassen sich neue Befunde bzw. eine Verschlimmerung nicht entnehmen. Ebenso lässt sich nicht nachvollziehbar und plausibel entnehmen, dass der vom Beklagten für die psychische Symptomatik angenommene Teil-GdB von 30 unzureichend ist.
Das Berufungsvorbringen des Klägers, die Wirbelsäulenproblematik und die Kraftminderung der rechten Hand hätten sich verschlimmert, hat Dr. R. in der vom Senat eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 01.06.2010 nicht bestätigt. Auch die Gemeinschaftspraxis L. und Kollegen hat in der vom Senat außerdem eingeholten schriftlichen sachverständigen Zeugenaussage vom 25.05.2010 eine Verschlimmerung verneint.
Soweit sich der Kläger im Berufungsverfahren darauf beruft, er sei aufgrund der gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere im Bereich des Arbeitslebens als Dreher an der Maschine eingeschränkt, rechtfertigt dies für sich eine Erhöhung der nach den VG vorgegebenen GdB-Werte nicht.
Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht nicht. Der Senat hält den entscheidungsrelevanten Sachverhalt für aufgeklärt. Dass eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten ist, die Anlass zu weiteren Ermittlungen gibt, ist nach dem Ausgeführten nicht ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Klägers im erstinstanzlichen Verfahren erachtet der Senat ebenso wie das SG gemäß § 193 SGG eine Kostenquote zulasten des Beklagten von einem Viertel für angemessen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist nach richterlichem Ermessen eine Kostenquote zulasten des Beklagten zur Hälfte nicht gerechtfertigt, da der vom Kläger erfolglos angestrebten Schwerbehinderteneigenschaft wirtschaftlich ein wesentlich höheres Gewicht beizumessen ist als der anerkannte GdB von 40. Auch unter Berücksichtigung der durch das nicht angenommene Vergleichsangebot des Beklagten vom 13.10.2008 bis zur mündlichen Verhandlung vor dem SG entstandenen Aufwendungen ist die Kostenquote von einem Viertel für die erste Instanz sachgerecht.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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BWB
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