L 12 R 4615/08 B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 2706/08 KO-A
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 R 4615/08 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 2. September 2008 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

In dem beim Sozialgericht Mannheim (SG) geführten Verfahren S 9 R 3417/06 ging es um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Im Januar 2008 wurde der Beschwerdeführer von Amts wegen zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und um die Erstattung eines Gutachtens auf Grund ambulanter Untersuchung des Klägers gebeten. Ohne Genehmigung des SG wurde durch ein Versehen des Sekretariats des Beschwerdeführers zur gutachtlichen Untersuchung des Klägers eine Dolmetscherin hinzugezogen, wofür dem SG ein Betrag in Höhe von 412,69 EUR in Rechnung gestellt wurde. Unter dem Datum des 11. Juni 2008 legte der Beschwerdeführer sein 30seitiges Gutachten vor. Der Beschwerdeführer verlangte mit seiner Rechnung eine Vergütung in Höhe von 1.068,65 EUR. Hierbei legte er 10 Stunden Arbeitszeit nach einem Stundensatz von 85 EUR, Schreibgebühren, Porto sowie die gesetzliche Umsatzsteuer zugrunde. Die Kostenbeamtin hat die Vergütung mit Schreiben vom 18. Juli 2008 auf 578,49 EUR herabgesetzt unter Anwendung der Honorargruppe M 2 und Anerkennung des geltend gemachten Zeitaufwands (600 EUR Vergütung Gutachten, 30 EUR Schreibauslagen, 26,50 EUR Kopierkosten, 124,74 EUR Mehrwertsteuer, 3,60 EUR Porto abzüglich hälftige Dolmetscherkosten 206,35 EUR). Auf den vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf richterliche Festsetzung hat das SG mit Beschluss vom 2. September 2008 die Vergütung für das Gutachten vom 11. Juni 2008 auf 578,49 EUR festgesetzt. Die Zuordnung zur Honorargruppe M 2 sei nicht zu beanstanden, da es sich um eine Zustandsbegutachtung im Bereich der Rentenversicherung gehandelt habe. Allein der Umstand, dass ein Gutachter fachübergreifend tätig werde, begründe für sich nicht die besondere Schwierigkeit, auszugehen sei von der Fragestellung. Den Besonderheiten einer fachübergreifenden Begutachtung könne bei der Festlegung des Zeitaufwands Rechnung getragen werden. Insgesamt ergebe sich eine Honorarsumme von 784,84 EUR, wovon die hälftigen Dolmetscherkosten abzusetzen seien. Einwände hiergegen habe der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Bei seiner Entscheidung, die Dolmetscherkosten je zur Hälfte der Landeskasse bzw. dem Gutachter aufzuerlegen habe das SG berücksichtigt, dass die Hinzuziehung der Dolmetscherin ohne vorherige Genehmigung des SG erfolgt sei. Andererseits habe das Gutachten durch die Hinzuziehung der Dolmetscherin einen gewissen Wertzuwachs erfahren, so dass die hälftige Kostenteilung angemessen erscheine. Gegen den Beschluss richtet sich die am 19. September 2008 eingelegte Beschwerde, mit welcher sich der Beschwerdeführer gegen die Einstufung in Honorargruppe M 2 wendet. Zur Begründung führt er unter Bezugnahme auf sein Vorbringen im Verfahren L 12 R 2755/08 B im Wesentlichen aus, die Honorargruppe M 3 sei nicht dadurch ausgeschlossen, dass es sich um ein Zustandsgutachten gehandelt habe. Es werde nicht verkannt, dass nicht jede fachübergreifende Begutachtung bereits M 3 rechtfertige. Von Bedeutung sei hier jedoch, dass höchst unterschiedliche medizinische Fachgebiete behandelt worden seien: Orthopädie, Algesiologie, Psychosomatik/Psychologie/Psychiatrie, was üblicherweise die Einholung von wenigstens drei Gutachten erforderte. Über den Einsparungseffekt hinaus sei auch deshalb M 3 gerechtfertigt, weil bereits die Schmerzbegutachtung eine weitaus höhere Schwierigkeit darstelle als normale orthopädische Zustandsgutachten. Ein durchschnittlich befähigter orthopädischer Sachverständiger sei nicht in der Lage, die notwendigen fachgebietsübergreifenden Transferleistungen zu erbringen. Unrichtig sei auch das Abstellen auf die Fragestellung des Gutachtensauftrags. Maßgeblich sei vielmehr die sich aus der Fragestellung ergebende objektive Schwierigkeit, die hier im differenzialdiagnostischen Bereich oder bei der Leistungsbeurteilung ganz erheblich über eine übliche Zustandsbegutachtung der Honorargruppe M 2 hinausgehe.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Akten verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Im vorliegenden Fall finden die Regelungen des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz - JVEG) Anwendung, weil der Gutachtensauftrag dem Beschwerdeführer nach dem 30. Juni 2004 erteilt worden ist (§ 25 Satz 1 JVEG).

Vorliegend entscheidet nach § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG die Vertreterin des erkrankten Berichterstatters als Einzelrichterin. Gründe für die Übertragung des Verfahrens auf den Senat liegen nicht vor. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers kann es nicht eine Grundsatzentscheidung dazu geben, ob für seine Gutachten grundsätzlich die Honorargruppe M 3 Anwendung findet, da in jedem Einzelfall zu beurteilen ist, ob die hierfür geltenden Voraussetzungen gegeben sind.

Die nach § 4 Abs. 3 JVEG statthafte Beschwerde ist nicht begründet, da das Gutachten nach Honorargruppe M 2 zu vergüten ist.

Nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 JVEG erhält der Sachverständige als Vergütung ein Honorar für seine Leistungen, das nach Stundensätzen zu bemessen ist. Nach § 9 Abs. 1 JVEG erhalten medizinische Sachverständige für jede Stunde ein Honorar in Höhe von 50, 60 oder 85 EUR, je nachdem, welcher Honorargruppe (M 1 bis M 3) das von ihnen erstattete Gutachten nach der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG zuzuordnen ist. Dabei hat sich der Gesetzgeber an den verschiedenen Gegenständen medizinischer Gutachten und ihrem Umfang orientiert, wobei die Vergütung aufwandsbezogen gestaltet sein soll (vgl. BT-Drucks. 15/1971 S. 186). Im Einzelnen lautet die Regelung (soweit der Bereich der Sozialgerichtsbarkeit betroffen sein könnte):

Gegenstand medizinischer und psychologischer Gutachten Honorar M1 Einfache gutachtliche Beurteilungen, insbesondere • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit nach einer Monoverletzung 50 EUR M2 Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacherer medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, insbesondere Gutachten • in Verfahren nach dem SGB IX, • zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität, • zu spurenkundlichen oder rechtsmedizinischen Fragestellungen mit Befunderhebung (z.B. bei Verletzungen und anderen Unfallfolgen)

60 EUR M3 Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad (Begutachtungen spezieller Kausalzusammenhänge und/oder Beurteilung der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalfragen), insbesondere Gutachten • zum Kausalzusammenhang bei problematischen Verletzungsfolgen, • in Verfahren nach dem OEG • zur Geschäfts-, Testier- oder Prozessfähigkeit, • zu Berufskrankheiten und zur Minderung der Erwerbsfähigkeit bei besonderen Schwierigkeiten.

85 EUR

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 22. September 2004 (L 12 RJ 3686/04 KO-A - MedR 2006, 118 ff.) gilt insoweit, dass einfachere gutachtliche Beurteilungen mit einer Vergütung nach Honorargruppe M 1 (50 EUR) solche sind, bei denen die Diagnose zu beurteilender Gesundheitsstörungen verhältnismäßig leicht zu stellen ist und die Beweisfragen ohne sonderliche Mühe zu beantworten sind, insbesondere wenn die Beurteilung durch antizipierte Sachverständigengutachten (Anhaltspunkte) oder einschlägige Tabellenwerke erleichtert wird. Hierunter fallen etwa augen- und ohrenfachärztliche Gutachten zur Frage des Ausmaßes einer Seh- oder Hörminderung sowie Gutachten unabhängig vom Sachgebiet ohne schwierige Diagnostik, wenn die Beurteilung im Wesentlichen auf Zustand und Funktion eines Organs/Organpaares bzw. Körperteils gerichtet ist und keine komplizierten Überlegungen anzustellen sind.

Gutachten mit einer Vergütung nach der Honorargruppe M 2 (60 EUR) sind die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten, die durchschnittliche Anforderungen stellen. In diese Gruppe fällt daher der Großteil der von den Sozialgerichten eingeholten Gutachten. Gutachten mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad sind solche, bei denen die diagnostischen oder ätiologischen Fragen oder die Beurteilung des Leistungsvermögens eingehendere Überlegungen erfordern. Hierbei handelt es sich vor allem um sog. "Zustandsgutachten", in denen das Leistungsvermögen des Untersuchten im Rahmen der gesetzlichen Rentenversicherung, der Arbeitslosenversicherung oder im Bereich des Schwerbehindertenrechts/SGB IX und die Leidensverbesserungen oder -verschlimmerungen bei Neufeststellungen in der gesetzlichen Unfallversicherung oder im sozialen Entschädigungsrecht unter Berücksichtigung von Vorgutachten und Vorbefunden zu erörtern sind sowie Gutachten aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung oder des sozialen Entschädigungsrechts, wenn die zu klärenden Kausalfragen keine besonders schwierigen Überlegungen erfordern, insbesondere wenn sich die Beantwortung der Kausalfragen ohne kritische Auseinandersetzung allein an den Standardwerken der unfallmedizinischen Literatur (z.B. Schöneberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit) orientiert.

Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad nach der Honorargruppe M 3 (85 EUR) liegen vor, wenn der Sachverständige umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen anstellen muss. Die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen, aber auch andere Gründe haben, z.B. durch eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben bedingt sein. In erster Linie sind hier Zusammenhangsgutachten in der gesetzlichen Unfallversicherung und im sozialen Entschädigungsrecht einzuordnen, die sich im notwendigen Umfang mit den im Schrifttum vertretenen wissenschaftlichen Meinungen im Gutachten auseinander setzen sowie Zustandsgutachten bei sehr komplizierten, widersprüchlichen Befunden und entsprechenden Schwierigkeiten bei deren diagnostischer Einordnung. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bei einer nach dem Schwierigkeitsgrad völlig gleichmäßigen Abstufung die betragsmäßig ungleichmäßige, aber vom Gesetz verbindlich vorgegebene unterschiedliche Vergütung der Honorargruppen von 50 EUR über 60 EUR bis zu 85 EUR nicht nachvollziehbar erscheinen würde. Eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 fordert daher gegenüber Gutachten, die nach Honorargruppe M 2 bewertet werden, einen deutlich höheren Schwierigkeitsgrad, wobei sich dieser gerade aus den Darlegungen im Gutachten entnehmen lassen muss. Es genügt daher für eine Vergütung nach der Honorargruppe M 3 nicht, dass ein schwieriges Gutachten in Auftrag gegeben worden ist. Aus dem Gutachten selbst muss sich vielmehr ergeben, dass der Sachverständige die geforderten vielschichtigen bzw. vielseitigen Überlegungen auch anstellte und wodurch diese veranlasst wurden.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Entschädigung des Gutachtens des Beschwerdeführers mit einem Stundensatz von 60 EUR nach Honorargruppe M 2 der Anlage 1 zu § 9 Abs. 1 JVEG vorzunehmen. Eine Zuordnung zu M 3 ergibt sich nicht bereits aus einem bestimmten Fachgebiet oder der Tatsache, dass fachübergreifend begutachtet wurde. Zwar ist zu berücksichtigen, dass die Begutachtung chronischer, nicht monokausal erklärbarer Schmerzen eine interdisziplinäre Aufgabe ist, die Kompetenz sowohl zur Beurteilung körperlicher als auch psychischer Störungen erfordert. Vorliegend bestand beim Kläger eine weitgehende Bewegungsunfähigkeit der linken Hand, eine eingeschränkte Beweglichkeit des linken Ellenbogengelenks und teilweise Einsteifung der linken Schulter, die zur Funktionslosigkeit des linken Arms führt. Die vom Kläger angegebenen brennenden Schmerzen im linken Arm werden im Gutachten als klassische Begleitsymptomatik einer Fehlregulation nach dem Arbeitsunfall mit Verletzung zweier Fingergrundgliedknochen geschildert. Auch stimmen die Feststellungen des Beschwerdeführers mit den Vorbefunden überein, es ergaben sich keinerlei Abweichungen, so dass auch keine besonderen Schwierigkeiten im Zusammenhang mit diagnostischen oder ätiologischen Fragen auftraten. Insgesamt liegt der Schwierigkeitsgrad im Vergleich zu einem durchschnittlichen Zustandsgutachten im Bereich der Rentenversicherung nicht soviel höher, dass eine Vergütung nach Honorargruppe M 3 gerechtfertigt wäre.

Der vom Beschwerdeführer angegebene Zeitaufwand von 10 Stunden wurde vom SG anerkannt, die sonstigen Aufwendungen wurden zutreffend berücksichtigt. Mit der Absetzung der hälftigen Dolmetscherkosten hat sich der Beschwerdeführer einverstanden erklärt.

Nach alledem hat das SG die zu erstattende Vergütung zutreffend auf insgesamt 578,49 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gebührenfrei, außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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